Beschluss vom 18.03.2002 -
BVerwG 5 B 9.02ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B5B9.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 18.03.2002 - 5 B 9.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:180302B5B9.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 9.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.10.2001 - AZ: OVG 14 A 297/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 18. März 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. P i e t z n e r und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 090 € (dies entspricht 8 000 DM) festgesetzt.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht.
Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der von ihm unterstelle Härtefallgrund i.S. des § 27 Abs. 2 BVFG vor oder nach dem Stichtag des 1. Januar 1993 eingetreten ist, offen gelassen, weil es die Voraussetzungen für die Erteilung des begehrten Aufnahmebescheids sowohl nach altem Recht (§§ 26, 27 BVFG i.d.F. des Aussiedleraufnahmegesetzes vom 28. Juni 1990 <BGBl I S. 1247>) als auch nach neuem Recht (§§ 26, 27 BVFG i.d.F. des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21. Dezember 1992 <BGBl I S. 2094>) verneint hat.
Die Beschwerde hat nur die erste dieser zwei alternativen Mehrfachbegründungen mit Zulassungsgründen angegriffen. Das ist nicht zu beanstanden. Denn für den Erfolg einer gegen ein solcher Art begründetes Urteil gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde reicht es aus, wenn einer der zwei Begründungsteile in zulässiger Weise angegriffen wird. Denn wenn nur einer von ihnen in Zweifel gerät, ist nicht mehr gesichert, dass der andere Begründungsteil die Entscheidung trägt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 1993 - BVerwG 4 NB 3.93 - <Buchholz 310 § 47 VwGO Nr. 80 = NVwZ 1994, 269>).
Allerdings ist die erste dieser zwei alternativen Mehrfachbegründungen ihrerseits mehrfach in je selbstständig tragender Weise begründet. Bei einer derartigen kumulativen Mehrfachbegründung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Nichtzulassungsbeschwerde nur dann Erfolg haben, wenn hinsichtlich jeder dieser selbstständig tragenden Abweisungsgründe ein Zulassungsgrund vorgetragen und gegen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. September 1990 - BVerwG 9 B 107.90 - <NVwZ 1991, 376>, vom 20. August 1993 - BVerwG 9 B 512.93 - <Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 320 S. 51 = DVBl 1994, 210> und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - <Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26 S. 15 = NJW 1997, 3328>). Daran fehlt es jedenfalls insoweit, als das Berufungsurteil selbstständig tragend darauf gestützt ist, es habe sich bereits nicht feststellen lassen, dass ein etwa dem deutschen Volkstum zugehörender Elternteil für die Bekenntnislage in der Familie zum maßgebenden Zeitpunkt prägend war.
Die Beschwerde wirft dem Berufungsgericht insoweit vor, es weiche, soweit es den Vater des Klägers nicht als prägend für die Volkstumsbekenntnislage in der Familie angesehen hat, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Soweit sich die Beschwerde auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beruft, genügt sie bereits nicht den Bezeichnungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, da es eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht benennt. Soweit sich die Beschwerde auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2000 als Divergenzentscheidung beruft, findet sich dort allein der Satz: "Bei den bei Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen wegen ihres Alters noch bekenntnisunfähigen Frühgeborenen kam es für die deutsche Volkszugehörigkeit auf die kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen in der Familie prägende Bekenntnislage an, die ihnen zugerechnet wurde (BVerwGE 92, 70 <73>)..." (BVerwGE 112, 112 <114 f.>). Zu diesem Rechtssatz hat sich das Berufungsgericht nicht in Widerspruch gesetzt, vielmehr den weiteren Rechtssatz aufgestellt, dass es bei ethnisch gemischten Ehen darauf ankommt, ob ein dem deutschen Volkstum zugehörender Elternteil für die Bekenntnislage in der Familie prägend war. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 79, 73 <75 f.>; 92, 70 <73>; Urteil vom 21. Juni 1988 - BVerwG 9 C 282.86 - <Buchholz 412.3 § 1 BVFG Nr. 39 S. 12> und Beschlüsse vom 20. Februar 1991 - BVerwG 9 B 247.90 - <Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 65 S. 54> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 77.90 - <Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 66 S. 58>). Soweit die Beschwerde dem Berufungsgericht vorwirft, es habe die für die Bekenntnislage in der Familie prägende Rolle der (ungarischen) Mutter des Klägers nicht daraus herleiten dürfen, dass es diese als die den Kläger als Kind vorrangig beeinflussende Bezugsperson angesehen hat, wendet die Beschwerde sich gegen die tatrichterliche Anwendung der in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätze im Einzelfall. Damit kann eine Divergenzrüge nicht begründet werden (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - <Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302> sowie vom 10. Juli 1995 - BVerwG 9 B 18.95 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 264 S. 14>; stRspr). Im Übrigen hat eine vergleichbare Schlussfolgerung auch das Bundesverwaltungsgericht in einem die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Tatsachengericht zurückverweisenden Beschluss für richtig gehalten (Beschluss vom 20. Februar 1991, a.a.O.).
Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Denn das Berufungsgericht hat den Kläger mit der Schlussfolgerung aus dem wissenschaftlich-nervenärztlichen Gutachten der Universität Köln, dass die Mutter für die völkische Bekenntnislage in der Familie als prägend anzusehen sei, nicht in einer den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzenden Weise überrascht. Ein Verstoß gegen § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG läge nur dann vor, wenn das Gericht das Urteil auf Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt hätte, mit deren Entscheidungserheblichkeit der Kläger nicht zu rechnen brauchte, weil deren Bedeutung weder offensichtlich war noch sich aus dem bisherigen Verfahrensablauf erschließen ließ (vgl. BVerwG, Urteile vom 31. Mai 1983 - BVerwG 4 C 20.83 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 135> und vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235>; Senatsbeschluss vom 23. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 80.91 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 241> und Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, Rn. 25 zu § 108 m.w.N.). So verhielt es sich hier jedoch nicht.
In Anbetracht der vorliegenden und von den Klägervertretern auch mehrfach angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den so genannten bekenntnisunfähigen Frühgeborenen musste der Kläger damit rechnen, dass das Berufungsgericht der Frage nachgehen würde, wer in der ethnisch gemischten Ehe seiner Eltern der für die Bekenntnislage in der Familie prägende Elternteil war, und dabei auch das Verhältnis des Klägers zu seiner Mutter in den Blick nehmen würde. Der Kläger durfte deshalb nicht darauf vertrauen, dass das von ihm vorgelegte Gutachten vom Berufungsgericht nur unter dem Gesichtspunkt ausgewertet werden würde, zu dem es der Kläger vorgelegt hatte, nämlich zur Bestimmung des Zeitpunkts des erstmaligen Vorliegens einer Härte i.S. des § 27 Abs. 2 BVFG.
Dagegen kann von einer Überraschungsentscheidung nicht gesprochen werden, wenn das Berufungsgericht Tatsache, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, in einer Weise würdigt oder aus ihnen Schlussfolgerungen zieht, die nicht den subjektiven Erwartungen eines Prozessbeteiligten entsprechen und von ihm für unrichtig gehalten werden. Das Gericht ist unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs im Allgemeinen nicht verpflichtet, seine Beweiswürdigung und seine Schlussfolgerung vorab mit den Beteiligten zu erörtern, weil sich diese regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 1976 - BVerwG 2 C 26.74 - <Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 87>). Das Vorliegen eines Ausnahmefalles hat die Beschwerde nicht darzulegen vermocht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 GKG.

Beschluss vom 29.05.2002 -
BVerwG 5 B 9.02ECLI:DE:BVerwG:2002:290502B5B9.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 29.05.2002 - 5 B 9.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:290502B5B9.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 9.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.10.2001 - AZ: OVG 14 A 297/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. Dr. P i e t z n e r und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2002 wird zurückgewiesen.

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Senatsbeschluss vom 18. März 2002 ist zurückzuweisen. Das Vorbringen der Bevollmächtigten des Klägers in ihrem Schreiben vom 25. April 2002 rechtfertigt keine andere als die in den Gründen des Beschlusses dargelegte Beurteilung.
Zu Unrecht rügt die Gegenvorstellung, das Berufungsgericht habe sich zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts i.S. des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dadurch in Gegensatz gesetzt, dass es auf S. 11 des Urteilsabdrucks folgenden Rechtssatz aufgestellt hat: "Demgemäß könnte eine deutsche Volkszugehörigkeit des Klägers nur angenommen werden, wenn sein Vater dem deutschen Volkstum zugehört und er für die Bekenntnislage in der Familie prägend war, was anzunehmen ist, wenn er die das Kind vorrangig beeinflussende Bezugsperson gewesen ist." Einen solchen Rechtssatz habe es - so meint die Gegenvorstellung - in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Hiermit hatte sich der erkennende Senat bereits in seinem Beschluss vom 18. März 2002 auseinander gesetzt und darauf hingewiesen, dass eine vergleichbare Schlussfolgerung das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 20. Februar 1991 - BVerwG 9 B 247.90 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 65 S. 54 für richtig gehalten hat. Auch im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. November 1994 - BVerwG 9 C 599.93 - Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 76 S. 29 findet sich der von der Gegenvorstellung bisher vermisste Satz: " Einem in der Familie lebenden bekenntnisunfähigen Kind wird diejenige Bekenntnislage zugerechnet, die in der Familie kurz vor Beginn der allgemeinen Vertreibungsmaßnahmen bestanden hat. Sie war volksdeutsch, wenn beide Elternteile zu diesem Zeitpunkt infolge eines zuvor abgelegten Bekenntnisses zum deutschen Volkstum deutsche Volkszugehörige waren oder der dem deutschen Volkstum zugehörende Elternteil für die Bekenntnislage in der Familie prägend war, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn er die das Kind vorrangig beeinflussende Bezugsperson gewesen ist."

Beschluss vom 08.08.2002 -
BVerwG 5 KSt 1.02ECLI:DE:BVerwG:2002:080802B5KSt1.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.08.2002 - 5 KSt 1.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:080802B5KSt1.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 KSt 1.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 22.10.2001 - AZ: OVG 14 A 297/97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. August 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. P i e t z n e r und Dr. R o t h k e g e l
beschlossen:

  1. Der als Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 10. April 2002 - BVerwG 5 B 9.02 - zu behandelnde Antrag des Klägers vom 3. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

1. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 18. März 2002 die vom Kläger eingelegte Beschwerde um Zulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen und die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Kläger auferlegt. Der Kostenbeamte der Geschäftsstelle hat auf dieser Grundlage die Kosten in Höhe von 104,81 € angesetzt. Mit Schreiben vom 3. Mai 2002 hat der Kläger "Erinnerung und Sofortbeschwerde" eingelegt mit der Begründung, seines Erachtens sei eine Zahlungspflicht nicht gegeben, da es keine Hinweise für die Gebühren gebe; der Prozess sei kostenfrei nach § 34 BVerfGG.
2. Der gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 GKG als Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 10. April 2002 zu behandelnde Antrag ist gemäß § 5 GKG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Nr. 4 JBeitrO statthaft und gemäß § 5 Abs. 5 GKG auch ohne anwaltliche Vertretung zulässig.
Die Erinnerung ist jedoch unbegründet, weil die Kostenrechnung keinen Fehler aufweist. Unter Zugrundelegung der Streitwertfestsetzung in dem Beschluss des Senats vom 18. März 2002 sind im Beschwerdeverfahren gemäß § 11 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 2503 a.F. des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKG) 205 DM gleich 104,81 € an Gerichtsgebühren angefallen. Auf diese Rechtsgrundlagen ist in der Kostenrechnung auch ausdrücklich hingewiesen worden. Die vom Kläger angezogene Vorschrift des § 34 BVerfGG erklärt nur das Verfahren des Bundes-
verfassungsgerichts für kostenfrei und gilt nicht in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.
3. Die Gerichtsgebührenfreiheit beruht auf § 5 Abs. 6 Satz 1 GKG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 5 Abs. 2 Satz 2 GKG).