Beschluss vom 17.12.2013 -
BVerwG 1 WB 55.12ECLI:DE:BVerwG:2013:171213B1WB55.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2013 - 1 WB 55.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:171213B1WB55.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 55.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
den ehrenamtlichen Richter Oberstleutnant Böcker und
den ehrenamtlichen Richter Hauptfeldwebel von Mandel
am 17. Dezember 2013 beschlossen:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I

1 Der Antragsteller wendet sich gegen die Aufhebung einer für ihn erstellten Sonderbeurteilung.

2 Der 1982 geborene Antragsteller ist Soldat auf Zeit; seine aktuell auf 15 Jahre festgesetzte Dienstzeit endet mit Ablauf des 31. Oktober 2015. Zuletzt wurde der Antragsteller mit Wirkung zum 1. September 2011 zum Hauptfeldwebel ernannt. Er wird derzeit auf einem Dienstposten „...“ bei der ... in ... verwendet.

3 Mit Formularantrag vom 5. Oktober 2011 beantragte der Antragsteller für das Auswahljahr 2012 die Umwandlung seines Dienstverhältnisses in das eines Berufssoldaten.

4 Für den Antragsteller war zuletzt unter dem 14. Januar 2010 zum Vorlagetermin 30. September 2009 eine planmäßige dienstliche Beurteilung erstellt worden. Im Hinblick darauf erstellten die Vorgesetzten für die Bewerbung des Antragstellers um die Übernahme als Berufssoldat unter dem 23. Februar 2012 eine Sonderbeurteilung und legten diese der Stammdienststelle der Bundeswehr vor. In der Sonderbeurteilung wurde u.a. die Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten mit einem Durchschnittswert von „8,30“ bewertet; der nächsthöhere Vorgesetzte vergab die Entwicklungsprognose „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“.

5 Mit Bescheid vom 12. April 2012 hob die Stammdienststelle die Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 gemäß Nr. 901 ZDv 20/6 auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass für das Auswahlverfahren 2012 die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 heranzuziehen sei, die gemäß den Aktuellen Anweisungen und Informationen der Personalführung (AAIP 2012) bis zum 11. April 2012 vorzulegen gewesen wäre.

6 Hiergegen erhob der Antragsteller mit Schreiben vom 23. April 2012 Beschwerde, die er mit Schreiben vom 4. Juni 2012 sowie mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 9. Juli 2012 weiter begründete. Im Wesentlichen machte er geltend, dass seine letzte planmäßige Beurteilung mehr als drei Jahre zurückliege, sodass gemäß Nr. 3.2 AAIP 2012 für ihn zutreffend eine Sonderbeurteilung vorgelegt worden sei. Diese hätte daher nicht aufgehoben werden dürfen.

7 Mit Bescheid vom 27. September 2012, ausgehändigt am 8. Oktober 2012, wies der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - die Beschwerde zurück. Die Aufhebung der Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 sei rechtmäßig. Es liege ein Verstoß gegen Nr. 206 Buchst. d ZDv 20/6 vor, weil die Sonderbeurteilung unzulässigerweise vorgelegt worden sei. Vielmehr hätte gemäß Nr. 4.1 i.V.m. Fußnote 8 der Richtlinie für die Umwandlung des Dienstverhältnisses von Feldwebeln im Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin oder eines Berufssoldaten vom 19. Dezember 2008 (Auswahlrichtlinie) und gemäß Nr. 3.2 der AAIP 2012 die planmäßige Beurteilung des Antragstellers zum Vorlagetermin 30. September 2012 vorgezogen erstellt und bis zum 11. April 2012 der Stammdienststelle vorgelegt werden müssen. Diese einheitlich nach den Richtwertvorgaben der ZDv 20/6 zu erstellende Beurteilung wäre dann zum 30. September 2012 nicht älter als zwei Jahre gewesen. Die Auffassung des Antragstellers, dass für die Berechnung, ob eine Sonderbeurteilung zu erstellen sei, nicht auf eine ggf. vorgezogene Beurteilung abgestellt werden dürfe, gehe fehl. Andernfalls hätte für fast alle Hauptfeldwebel, die sich beworben hätten, Sonderbeurteilungen erstellt werden müssen, weil die meisten Beurteilungen der Hauptfeldwebel aus dem Jahre 2010 deutlich vor dem damaligen Vorlagetermin 30. September 2010 erstellt worden seien und diese dann gemessen am Stichtag 30. September 2012 allesamt älter als zwei Jahre gewesen wären. Die Erstellung einer Sonderbeurteilung sei demgegenüber nur in vereinzelten Fällen erforderlich, wie z.B. bei wegen Elternzeit nicht planmäßig im Jahre 2011 beurteilten Feldwebeln oder Oberfeldwebeln.

8 Hiergegen beantragte der Antragsteller mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 7. November 2012 die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 20. November 2012 dem Senat vor.

9 Zur Begründung trägt der Antragsteller ergänzend insbesondere vor:
Gemäß Fußnote 8 zu Nr. 4.1 der Auswahlrichtlinie sei eine Sonderbeurteilung anzufordern, wenn die „planmäßige Beurteilung bis zum 30. September des Auswahljahres älter als zwei Jahre (maßgeblich ist der Vorlagetermin der Beurteilung gemäß ZDv 20/6)“ sei. Damit definiere die Richtlinie, dass nicht der Zeitpunkt der Erstellung einer vorgezogenen planmäßigen Beurteilung für die Bemessung des Zweijahreszeitraums zum 30. September des Auswahljahres maßgeblich sei, sondern sich der Zweijahreszeitraum nach dem Vorlagetermin berechne, wie er in der ZDv 20/6 bestimmt sei. Gemäß Nr. 203 Buchst. a ZDv 20/6 sei Vorlagetermin der planmäßigen Beurteilungen für Hauptfeldwebel jeweils der 30. September eines Kalenderjahres mit gerader Endziffer. Mithin sei Bezugspunkt der 30. September 2012 als der nach der ZDv 20/6 maßgebliche Vorlagetermin. Hierauf bezogen sei seine, des Antragstellers, letzte vorliegende dienstliche Beurteilung älter als zwei Jahre, sodass zutreffend eine Sonderbeurteilung erstellt worden sei.
Ihm sei an der Wiederherstellung der aufgehobenen Sonderbeurteilung vor allem deshalb gelegen, weil er mit dem dort erzielten Leistungswert von durchschnittlich „8,3“ und der höchstmöglichen Entwicklungsprognose seiner Auffassung nach bei der Auswahl für die Übernahme als Berufssoldat zum Zuge gekommen wäre. Er verweise insbesondere auch auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 2 C 11.11 -, das das Aufrufen einzelner Geburtsjahrgänge im Auswahlverfahren für die Übernahme als Berufssoldat für unzulässig und rechtswidrig erklärt habe.
Unter dem 23. Mai 2013 teilte der Antragsteller mit, dass das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr auf seine, des Antragstellers, Beschwerde hin mit Bescheid vom 2. Mai 2013 den Bescheid aufgehoben habe, mit dem sein Antrag auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten abgelehnt worden sei. Zur Begründung habe das Bundesamt auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 verwiesen.

10 Der Antragsteller beantragt,
die Aufhebungsverfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 12. April 2012 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - vom 27. September 2012 aufzuheben, sowie
das Verfahren vorübergehend bis zur Entscheidung über seine derzeit beim Verwaltungsgericht ... anhängige Klage auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ruhen zu lassen.

11 Der Bundesminister der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

12 Er verweist auf die Gründe des Beschwerdebescheids und führt ergänzend aus:
Nach Fußnote 8 zu Nr. 4.1 der Auswahlrichtlinie sei eine Sonderbeurteilung für einen Bewerber nur dann zu erstellen, wenn dessen letzte planmäßige Beurteilung bis zum 30. September des Auswahljahres älter als zwei Jahre sei. Gemäß Nr. 3.2 AAIP 2012 sei bei Hauptfeldwebeln grundsätzlich die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 heranzuziehen, die danach vorgezogen zu erstellen und bis zum 11. April 2012 vorzulegen sei. Die letzte planmäßige Beurteilung des Antragstellers wäre deshalb bei vorschriftenkonformer Anwendung nicht älter als zwei Jahre, sondern noch nicht einmal ein halbes Jahr alt gewesen.
Unabhängig davon hätte die Bewerbung des Antragstellers um Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten auch dann keinen Erfolg gehabt, wenn er mit dem in der aufgehobenen Sonderbeurteilung erreichten Leistungswert und der vergebenen höchsten Entwicklungsprognose gereiht worden wäre. Der Antragsteller hätte in diesem Falle 594,001 Punkte erzielt, während selbst der beste Bewerber in der Ausbildungs- und Verwendungsreihe und dem Geburtsjahrgang des Antragstellers mit 614,985 erreichten Punkten aufgrund stärkerer weiterer Bewerber nicht zum Berufssoldaten übernommen worden sei. Ferner sei inzwischen eine Nachbetrachtung des Antragstellers für die Auswahl zum Berufssoldaten im Auswahljahr 2012 erfolgt, in die dessen die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 ersetzende Sonderbeurteilung vom 11. Oktober 2012 einbezogen worden sei, in der der Antragsteller wiederum einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „8,3“ und die höchste Entwicklungsprognose „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ erzielt habe. Im Einzelnen werde auf das Personalplanungsblatt für den Antragsteller sowie auf die unter dem 27. März 2013 vorgelegten Auswahlunterlagen (Gesamtliste und neun Auswahlbögen) verwiesen.
Dem Ruhen des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht werde nicht zugestimmt.

13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - R II 2 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

14 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

15 1. Eine Anordnung, das Verfahren vorübergehend ruhen zu lassen, kommt nicht in Betracht, weil der Bundesminister der Verteidigung dem nicht zugestimmt hat und außerdem wichtige Gründe, die ein Ruhen des Verfahrens zweckmäßig erscheinen lassen, nicht ersichtlich sind (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 173 VwGO und § 251 ZPO).

16 2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist bereits unzulässig, weil dem Antragsteller ein Rechtsschutzinteresse fehlt.

17 Die von dem Antragsteller begehrte Wiederherstellung der Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 (im Wege der Aufhebung der Aufhebungsverfügung der Stammdienststelle der Bundeswehr vom 12. April 2012) hat - auch nach seinem eigenen Vortrag - nur Bedeutung für die Erfolgsaussichten seines Antrags vom 5. Oktober 2011 auf Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten. Gemäß Nr. 4.1 der Richtlinie für die Umwandlung des Dienstverhältnisses von Feldwebeln im Dienstverhältnis einer Soldatin auf Zeit oder eines Soldaten auf Zeit in das Dienstverhältnis einer Berufssoldatin oder eines Berufssoldaten vom 19. Dezember 2008 (Auswahlrichtlinie) ist eines der Auswahlkriterien „die letzte aktuelle planmäßige Beurteilung als Feldwebel, ggf. Sonderbeurteilung“, wobei gemäß Nr. 2 der Anlage 1 zur Auswahlrichtlinie als quantifizierbare Kriterien nur der Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung (mit dem Faktor 17 und einem daraus resultierenden Punktwert von maximal 153 Punkten) und die Entwicklungsprognose des nächsthöheren Vorgesetzten (mit einem Punktwert von ebenfalls maximal 153 Punkten) herangezogen werden.

18 Der Antragsteller hat in der hier gegenständlichen Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „8,30“ (entspricht 141,100 Punkten nach der Auswahlrichtlinie) und die bestmögliche Entwicklungsprognose einer „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ (entspricht 153,000 Punkten nach der Auswahlrichtlinie) erzielt (Gesamtpunktzahl nach dem Personalplanungsblatt daher insoweit 294,100 Punkte). Für den Antragsteller wurde während des laufenden Wehrbeschwerdeverfahrens unter dem 11. Oktober 2012 eine die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 ersetzende weitere Sonderbeurteilung erstellt und der Nachbetrachtung des Antragstellers für die Auswahl zum Berufssoldaten im Auswahljahr 2012 zugrundegelegt. In dieser Sonderbeurteilung vom 11. Oktober 2012 hat der Antragsteller wiederum einen Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung von „8,30“ und die bestmögliche Entwicklungsprognose einer „Förderung bis in die höchsten Verwendungen der Laufbahn“ erzielt.

19 Da die maßgeblichen Kriterien in beiden Sonderbeurteilungen (vom 23. Februar 2012 und vom 11. Oktober 2012) identisch bewertet wurden, könnte der Antragsteller mit einer Wiederherstellung der Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 und der Berücksichtigung dieser Sonderbeurteilung (anstelle der Sonderbeurteilung vom 11. Oktober 2012) keine Verbesserung seiner Rechtsposition im Auswahlverfahren für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten erreichen. Auch auf den entsprechenden gerichtlichen Hinweis (vom 17. September 2013) hat der Antragsteller keine Gesichtspunkte benannt, die ein Rechtsschutzinteresse begründen könnten.

20 3. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wäre im Übrigen auch als unbegründet zurückzuweisen gewesen.

21 Der Antragsteller und der Bundesminister der Verteidigung streiten im Kern um die Auslegung der Nr. 4.1 i.V.m. Fußnote 8 der Auswahlrichtlinie sowie Nr. 3.2 der Aktuellen Anweisungen und Informationen der Personalführung für das Auswahljahr 2012 (AAIP 2012). Danach darf - zwischen den Beteiligten unstrittig - die im Auswahlverfahren zugrunde zu legende aktuelle dienstliche Beurteilung zum Stichtag 30. September 2012 nicht älter als zwei Jahre sein; andernfalls ist eine Sonderbeurteilung zu erstellen. Nach Auffassung des Antragstellers ist vorliegend eine Sonderbeurteilung zu erstellen, weil seine zum damaligen Zeitpunkt aktuelle planmäßige Beurteilung zum Vorlagetermin 30. September 2009 erstellt wurde und vom 14. Januar 2010 datiert. Nach Auffassung des Bundesministers der Verteidigung ist dagegen der in Nr. 3.2 Abs. 1 AAIP 2012 unter dem Punkt „Hauptfeldwebel/Hauptbootsmann“ angesprochenen Verfahrensweise zu folgen, dass grundsätzlich die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 heranzuziehen und diese ggf. vorgezogen zu erstellen ist; bei dieser Sichtweise - von der auch die hier gegenständliche Aufhebungsverfügung ausgeht - wäre eine für den Antragsteller erstellte vorgezogene planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 zum maßgeblichen Stichtag noch nicht älter als zwei Jahre, sodass eine Sonderbeurteilung nicht zu erstellen ist und die gleichwohl erstellte Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 mithin zu Recht aufgehoben wurde.

22 Für die Auslegung der Nr. 4.1 i.V.m. Fußnote 8 der Auswahlrichtlinie sowie Nr. 3.2 AAIP 2012 kommt es, weil es sich hierbei nicht um Rechts-, sondern um Verwaltungsvorschriften handelt, im Ausgangspunkt nicht auf die Rechtsauffassung des Gerichts, sondern auf die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis an (stRspr, vgl. - auch zum Folgenden - näher insb. Beschluss vom 28. Mai 2008 - BVerwG 1 WB 19.07 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 44 Rn. 23 und 26 m.w.N.). Verwaltungsvorschriften, mit denen der Bundesminister der Verteidigung oder die ihm nachgeordneten Dienststellen die Ausübung ihres Ermessens gebunden haben, erlangen Außenwirkung gegenüber dem Soldaten mittelbar über den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Eine - wie hier - an Verwaltungsvorschriften orientierte ständige Verwaltungspraxis verpflichtet zur Gleichbehandlung gleichgelagerter Fälle; andererseits kann der Soldat nur (und nicht mehr als) eine Behandlung entsprechend der gleichmäßig vollzogenen Verwaltungsvorschriften beanspruchen. Die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis ist auch insofern von Bedeutung, als eine bestehende Ermessensbindung durch eine hiervon abweichende Praxis aus sachgerechten Erwägungen für die Zukunft geändert werden kann. Ebenso ist die tatsächliche Verwaltungspraxis maßgeblich, wenn diese eine Verwaltungsvorschrift auf bestimmte Sachverhalte nicht anwendet und so den Anwendungsbereich der Vorschrift einschränkt. Schließlich ist die tatsächlich geübte gleichmäßige Verwaltungspraxis auch für die Auslegung unbestimmter Begriffe dieser Vorschriften maßgeblich; unbestimmte Begriffe in Verwaltungsvorschriften sind grundsätzlich in dem Sinne zu verstehen und der Rechtmäßigkeitskontrolle zugrunde zu legen, wie sie tatsächlich angewendet werden.

23 Unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) kann der Antragsteller deshalb in seinem Fall nur eine Auslegung und Anwendung der Nr. 4.1 i.V.m. Fußnote 8 der Auswahlrichtlinie sowie Nr. 3.2 AAIP 2012 beanspruchen, wie sie der Bundesminister der Verteidigung und die Stammdienststelle auch in allen anderen vergleichbaren Fällen praktizieren. Das aber ist gerade die - der gegenständlichen Aufhebungsverfügung zugrundeliegende und von dem Antragsteller angegriffene - Verfahrensweise, die planmäßige Beurteilung zum 30. September 2012 vorgezogen zu erstellen und damit zugleich eine Sonderbeurteilung entbehrlich zu machen.

24 Rechtlich zu beanstanden könnte die Aufhebung der Sonderbeurteilung vom 23. Februar 2012 nur dann sein, wenn die gleichmäßig praktizierte Auslegung und Anwendung von Nr. 4.1 i.V.m. Fußnote 8 der Auswahlrichtlinie und Nr. 3.2 AAIP 2012 gegen Rechtsnormen verstoßen würde. Das ist indessen nicht der Fall.

25 Ziel des Auswahlverfahrens für die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten ist es, auf der Grundlage des Bedarfs in den einzelnen Ausbildungs- und Verwendungsreihen/Werdegängen der Offiziere die nach Eignung, Befähigung und Leistung am besten geeigneten Bewerberinnen und Bewerber auszuwählen und zur Zulassung vorzuschlagen (Nr. 1.1 Satz 3 der Auswahlrichtlinie). Rechtlicher Maßstab des Auswahlverfahrens ist deshalb der Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG). Aus diesem Grundsatz folgt - unter anderem -, dass dienstliche Beurteilungen, die dem Eignungs- und Leistungsvergleich im Rahmen einer Auswahlentscheidung zugrundegelegt werden, hinreichend aktuell sein müssen (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 59.10 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 60 Rn. 32 m.w.N.). Dieser Maßgabe ist hier durch das Erfordernis, dass die im Auswahlverfahren zugrunde zu legende aktuelle dienstliche Beurteilung zum Stichtag des Auswahljahres (hier: 30. September 2012) nicht älter als zwei Jahre sein darf, Genüge geleistet. Eine weitergehende Aussage darüber, ob ggf. eine anstehende planmäßige Beurteilung vorzuziehen oder aber eine Sonderbeurteilung zu erstellen ist, um die hinreichende Aktualität zu gewährleisten, lässt sich dem Grundsatz der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG, § 3 Abs. 1 SG) nicht entnehmen, zumal planmäßige und Sonderbeurteilungen materiell und formal identisch aufgebaut sind und nach demselben Vordruck (Nr. 601 i.V.m. Anlage 1 ZDv 20/6) erstellt werden.

26 4. Dem Antragsteller sind keine Kosten des Verfahrens aufzuerlegen, weil die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO nicht vorliegen.