Verfahrensinformation

Rechtsreferendare, die eine Wahlstation im Ausland absolvieren, erhalten von dem beklagten Land neben ihren Anwärterbezügen Trennungsgeld. Reisekosten vom inländischen Wohnort zum ausländischen Dienstort werden nur für den auf das Inland entfallenden Streckenanteil erstattet. Der seinerzeit in London ausgebildete Kläger macht geltend, diese Beschränkung verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Dies ist im Revisionsverfahren zu klären.


Beschluss vom 17.12.2003 -
BVerwG 2 C 1.03ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B2C1.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.12.2003 - 2 C 1.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:171203B2C1.03.0]

Beschluss

BVerwG 2 C 1.03

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 25.07.2002 - AZ: OVG 1 A 2176/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S i l b e r k u h l und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Prof. D a w i n , Dr. K u g e l e , G r o e p p e r und Dr. B a y e r
beschlossen:

  1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
  2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften wird gemäß Art. 234 EGV folgende Frage vorgelegt:
  3. Ist eine nationale Rechtsvorschrift mit Art. 39 EGV vereinbar, die einem Rechtsreferendar, der einen Teil seiner vorgeschriebenen Ausbildung bei einer Wahlstation in einem anderen Mitgliedstaat absolviert, einen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten nur in der Höhe gewährt, die auf den inländischen Teil der Reise entfällt?
  4. I

  5. Der in Aachen wohnende Kläger wurde während des juristischen Vorbereitungsdienstes, der obligatorisch der zweiten juristischen Staatsprüfung vorausgeht, als Beamter auf Widerruf auf eigenen Wunsch in der Zeit vom 1. August bis zum 30. November 1995 im Rahmen einer Wahlstation bei Londoner Rechtsanwälten ausgebildet. Während dieser Zeit erhielt er vom Beklagten neben seinen Anwärterbezügen Trennungsentschädigung in der Form von Trennungsreisegeld und Trennungstagegeld in Höhe von insgesamt 1 686,68 DM. Seinem Antrag, ihm darüber hinaus die Kosten seiner Hin- und Rückreise zu der Wahlstelle mit dem PKW sowie einer Wochenendheimfahrt zu erstatten, gab der Beklagte nur in Höhe eines Reisebeitrags von 83,25 DM statt, der Tagegeld für eine mehrtägige Dienstreise und Übernachtungsgeld umfasste. Weitere Fahrtauslagen (deren Höhe der Kläger mit 539,60 DM bezifferte) wurden dem Kläger nicht erstattet, weil nach den einschlägigen Vorschriften der Trennungsentschädigungsverordnung bei Zuweisung zu einer Wahlstelle im Ausland die entstandenen Fahrtauslagen nur bis zur Höhe der notwendigen Kosten der niedrigsten Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel bis zum inländischen Grenzort und zurück erstattet werden könnten. Der Wohnort des Klägers - Aachen - sei inländischer Grenzort im Sinne dieser Bestimmung, so dass eine Erstattung von Fahrtauslagen nicht in Betracht komme.
  6. Nach erfolglosem Vorverfahren hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
  7. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln vom 9. Mai 1996 und dessen Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 1996 zu verpflichten, ihm die Fahrtkosten für die Hin- und Rückreise zu dem Dienstort seiner Wahlstation in London sowie für eine Wochenendheimfahrt vom 3. bis 5. November 1995 zu erstatten sowie 4 % Zinsen seit dem 15. Juni 1996 zu zahlen.
  8. Die Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt:
  9. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Anspruch des Klägers im nationalen Recht keine Grundlage finde. Er ergebe sich auch nicht aus Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, namentlich nicht aus der Gewährleistung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer (Art. 48 des EWG-Vertrages vom 25. März 1957, jetzt Art. 39 EGV).
  10. Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer umfasse die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen und solle die Mobilität der abhängig beschäftigten Unionsbürger im gesamten Gemeinschaftsgebiet fördern. Die gemeinschaftsrechtliche Garantie entfalte in bestimmten Konstellationen auch Schutzwirkung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor. Die Begrenzung der Fahrtkostenentschädigung sei auch keine Maßnahme, die den Kläger daran hindere oder davon abhalte, sein Heimatland zu verlassen und von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Die Tätigkeit des Klägers bei seiner Wahlstelle unterfalle nicht dem Anwendungsbereich des Art. 39 EGV, sondern betreffe einen rein internen Sachverhalt des Herkunftslandes, wobei offen bleiben könne, ob der Kläger als Rechtsreferendar überhaupt Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift sei. Denn auch die Wahlstation in London sei Teil des einheitlichen Ausbildungsverhältnisses, das ein solches in und mit seinem Herkunftsstaat und damit ein rein innerstaatliches sei. Selbst wenn man annähme, der Kläger unterfiele dem Anwendungsbereich des Art. 39 EGV, könnte sein Begehren keinen Erfolg haben, weil eine nationale Regelung die Freizügigkeit nicht schon dann verletze, wenn sie die Entscheidung des Arbeitnehmers auf irgendeine Weise beeinflussen könne, sondern erst dann, wenn sie den Zugang zum Arbeitsmarkt in einem hinreichend direkten Maße beeinflusse. Daran fehle es in aller Regel dann, wenn nicht der Zugang zum Arbeitsmarkt ganz oder teilweise beschränkt werde, sondern lediglich Rahmenbedingungen die Ausübung der Tätigkeit näher festlegten, ohne zugleich spezifische Hindernisse für deren Aufnahme aufzustellen. Die Beschränkung der Erstattung von Fahrauslagen sei in diesem Sinne kein spezifischer, hinreichend direkter und damit relevanter Hinderungsgrund für die Entscheidung eines Referendars, eine Wahlstation im Ausland zu absolvieren. Im Übrigen erhielten Rechtsreferendare, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machten, Trennungsentschädigung in durchaus bedeutendem Umfang. Indem die auf die Auslandsstrecken entfallenden Fahrtkostenanteile von der Erstattung ausgeschlossen seien, habe der Dienstherr lediglich diejenigen Mehrkosten gekappt, die bei einer inländischen Ausbildung nicht anfielen. Dies diene dazu, die Kostenlast für die Anstellungskörperschaft überschaubar zu halten. Wenn die pauschalierende und generalisierende Regelung in Einzelfällen zu Friktionen führe, so sei dies hinzunehmen.
  11. Diese Erwägungen gälten sinngemäß für die subsidiäre allgemeine Freizügigkeitsgewährleistung in Art. 18 EGV, und zwar auch in Verbindung mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot (Art. 12 EGV). Denn der Regelung über die Kostenerstattung fehle eine hinreichend direkte Regelungswirkung mit Blick auf das Recht der Unionsbürger, sich unbenachteiligt innerhalb der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Deswegen sei es letztlich unerheblich, dass Art. 149 EGV die "Förderung der Mobilität von Lehrenden und Lernenden" ausdrücklich anspreche; hierbei handele es sich um einen umsetzungsbedürftigen Programmsatz, aus dem keine subjektiven Rechte abzuleiten seien.
  12. Die Erstattungsbegrenzung verletze auch nicht den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Da auch die im Inland ausgebildeten Referendare bestimmten Begrenzungen bei der Erstattung ihrer Fahrtkosten unterlägen, sei schon nicht ersichtlich, inwiefern im Ausland und im Inland beschäftigte Rechtsreferendare wesentlich ungleich behandelt würden. Jedenfalls aber stelle es ein ausreichendes Differenzierungskriterium dar, ob der Referendar bei einer Wahlstelle im Inland oder im Ausland ausgebildet werde. Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei nicht verletzt; sie werde für den hier fraglichen Teilbereich abschließend durch die bestehenden gesetzlichen Regeln konkretisiert, ohne dass ihr Wesenskern betroffen sei.
  13. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.
  14. Der Kläger beantragt,
  15. die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Juli 2002 und des Verwaltungsgerichts Aachen vom 17. Februar 2000 aufzuheben und nach seinem Klageantrag zu erkennen.
  16. Der Beklagte tritt der Revision entgegen und beantragt deren Zurückweisung.
  17. II

  18. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO auszusetzen, um gemäß Art. 234 EGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu der im Tenor genannten Frage einzuholen.
  19. 1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich nicht aus dem nationalen Recht.
  20. a) Nach § 7 Abs. 4 Satz 4 und Satz 5 der Verordnung über die Gewährung von Trennungsentschädigung (TEVO) vom 29. April 1988 (GV.NW S. 226) in der hier maßgeblichen Fassung vom 27. Juni 1994 (GV.NW 1994, S. 444) wird Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst bei Zuweisung zu einer Wahlstelle im Ausland das Tage- und Übernachtungsgeld nur nach den Sätzen für Inlandsdienstreisen bemessen. Die entstandenen Fahrauslagen werden nur bis zur Höhe der notwendigen Kosten für die niedrigste Klasse regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel bis zum inländischen Grenzort und zurück erstattet. Eine entsprechende Regelung gilt gemäß § 7 Abs. 7 i.V.m. § 5 Abs. 4 TEVO für Reisebeihilfen für Familienheimfahrten.
  21. b) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es sei gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG), ihm die Kosten für die Auslandsreise vorzuenthalten, während die Kosten zur Reise zu einem inländischen Ausbildungsort erstattet werden, obwohl sie im Einzelfall sehr viel höher sein könnten.
  22. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet es, wesentlich gleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln, ohne dass dies durch einen hinreichend gewichtigen Grund gerechtfertigt ist (stRspr, vgl. BVerfGE 100, 138 <174>). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Jedoch setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind (BVerfG a.a.O.). Der Gesetzgeber hat die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit mit der Folge einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG überschritten, wenn die Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist - mit anderen Worten, wenn ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung fehlt. Um den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu genügen, kommt es nicht darauf an, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gefunden hat (vgl. Urteil vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - NJW 2004, 308 <310>, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen).
  23. Es ist nicht sachfremd, wenn der nordrhein-westfälische Normgeber zwischen inländischen und ausländischen Ausbildungsstellen unterscheidet und Rechtsreferendaren die Reisekosten zu einer Wahlstation nur insoweit erstattet, als sie auf das Inland entfallen. Zwar mag es im Einzelfall sein, dass diese Kosten höher sind als die Kosten einer Auslandsreise. Typisch ist das jedoch nicht; typisch ist vielmehr, dass die Kosten einer Auslandsreise die einer Inlandsreise übersteigen. Es ist ein sachlicher Differenzierungsgrund, zwischen In- und Auslandsreisen zu unterscheiden und aus Kostenersparnisgründen Reisekosten auf den Inlandsbetrag zu begrenzen. Der Kläger kann deswegen nicht verlangen, wie ein Referendar behandelt zu werden, der seine Wahlstation im Inland gewählt hat.
  24. 2. Der Senat hat Zweifel, ob die mit nationalem Recht vereinbare Begrenzung der Erstattung auf die Kosten, die auf das Inland entfallen, gemeinschaftswidrig ist. In diesem Falle könnte - als Ausfluss des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts - die Begrenzung unanwendbar sein (vgl. Beschluss vom 11. Mai 2000 - BVerwG 11 B 26.00 - Buchholz 316 § 44 VwVfG Nr. 12, S. 5 m.w.N.).
  25. Das in den Art. 18 und 39 EGV gewährleistete Recht auf Freizügigkeit betrifft in seinem Kern das Recht jedes Unionsbürgers - und speziell jedes Arbeitnehmers -, sein Heimatland zu verlassen, in ein anderes Land der Union einzureisen und sich dort aufzuhalten, um dort eine abhängige Arbeit zu suchen und auszuüben, und nach Beendigung dieser Arbeit (unter den von der Kommission festgelegten Bedingungen) im Aufnahmestaat zu bleiben. Jede an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierung dieser Freiheiten ist untersagt. Kein Mitgliedstaat darf Vorschriften aufstellen, die die Einreise oder den Aufenthalt oder die Aufnahme oder die Ausübung einer unselbständigen Tätigkeit für Angehörige eines anderen Mitgliedstaates von anderen oder strengeren Voraussetzungen abhängig machen als von den für die eigenen Staatsbürger geltenden. Die Vorschriften machen keinen Unterschied zwischen dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit ein Unionsbürger besitzt, und anderen Mitgliedstaaten. Das Recht aus Art. 18 und Art. 39 EGV gilt deshalb auch im Verhältnis zwischen einem Unionsbürger und dem Mitgliedstaat, dessen Angehöriger er ist (Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <53 f.>).
  26. Der Kernbereich dieser Gewährleistung ist nicht dadurch verletzt, dass dem Kläger seine durch die Ausübung dieses Rechts entstehenden Fahrtkosten nicht erstattet werden. Der Kläger wird dadurch nicht daran gehindert, eine Wahlstation im Ausland auszuwählen, sich dorthin überweisen zu lassen und die Ausbildung dort auch zu absolvieren. Der Kläger hat demgemäß tatsächlich seine Ausbildung bei der Wahlstation in London abgeleistet.
  27. Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt es aber bereits eine Verletzung des gewährleisteten Rechts dar, wenn dem Unionsbürger die Ausübung seiner Rechte erschwert wird, wobei es ohne Belang ist, ob diese Erschwerung tatsächlicher oder rechtlicher Art ist und ob sie beabsichtigt ist oder nicht (vgl. EuGH, Urteile vom 27. Januar 2000 - Rs. C-190/98 - Graf - Slg. 2000 I, 493 <Rn. 14 und 15, 18, 21 - 24> und vom 2. Oktober 2003 - Rs C-232/01 - Hans van Lent - <Rn. 15 - 21> m.w.N.).
  28. Hierbei geht der Senat davon aus, dass der Kläger als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 EGV anzusehen ist. Zwar wird er während des Vorbereitungsdienstes für einen juristischen Beruf ausgebildet, doch wendet er dabei die während des Studiums erworbenen Rechtskenntnisse bereits in praktischer Weise an und leistet durch Entwürfe, Stellungnahmen, Gutachten und ähnliche Tätigkeiten Beiträge, die nicht nur ihm selbst, sondern auch seinen jeweiligen mit seiner Ausbildung befassten Auftraggebern zugute kommen und damit zumindest auch fremdnützig sind. Da er während seiner Ausbildung einen Unterhaltsbeitrag bezieht, ist seine Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes als entgeltlich anzusehen. Unerheblich ist, dass der Kläger diese Tätigkeit im Beamtenverhältnis auf Widerruf ausgeübt hat (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Februar 1974 - Rs. 152/73 - Sotgiu - Slg. 1974, 153 ff. <Rn. 5>).
  29. Seine Stellung als Beamter schließt den Art. 39 EGV nicht deshalb aus, weil nach dessen Abs. 4 die Rechte auf Freizügigkeit keine Anwendung auf die Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung finden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes betrifft der eng auszulegende Begriff der öffentlichen Verwaltung nur diejenigen Stellen, die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung von Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind, so dass sie ein Verhältnis besonderer Verbundenheit des jeweiligen Stelleninhabers zum Staat sowie die Gegenseitigkeit der Rechte und Pflichten voraussetzen, die dem Staatsangehörigkeitsband zugrunde liegen (EuGH, Urteil vom 2. Juli 1996 in der Rechtssache C-290/94, Kommission/Griechenland, Slg. 1996 I, 3285 <Rn. 2>). Hingegen gilt die Ausnahme in Art. 39 Abs. 4 EGV nicht für Stellen, die zwar dem Staat oder anderen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen zuzuordnen sind, jedoch keine Mitwirkung bei der Erfüllung von Aufgaben mit sich bringen, die zur öffentlichen Verwaltung im eigentlichen Sinne gehören (EuGH, Urteil Kommission/Griechenland, a.a.O. <Rn. 2>). Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich, dass Art. 39 Abs. 4 EGV als Ausnahme vom Grundprinzip der Freizügigkeit und der Nichtdiskriminierung der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft so auszulegen ist, dass sich seine Tragweite auf das beschränkt, was zur Wahrung der Interessen, die diese Bestimmung den Mitgliedstaaten zu schützen erlaubt, unbe-
  30. dingt erforderlich ist (vgl. EuGH, u.a. Urteile vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 225/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2625 <Rn. 7> und vom 30. September 2003 - Rs C-405/01 - <Rn. 38 - 41>; siehe auch Urteil vom 3. Juli 1986 - Rs C-66/85 - Lawrie-Blum - Slg. 1986, 2139 <Rn. 23 - 27>). Demgemäß ist davon auszugehen, dass Rechtsreferendare, die sich in einem ausbildungsähnlichen Verhältnis befinden und nicht selbständig Hoheitsbefugnisse ausüben, sich auf die in Art. 39 Abs. 1 bis 3 EGV gewährten Rechte berufen dürfen.
  31. Der Senat geht weiter davon aus, dass Art. 39 EGV nicht deswegen unanwendbar ist, weil es sich, wie der Beklagte meint, um einen rein internen Sachverhalt handele. Nach der Rechtsprechung des EuGH unterfallen Rechtsbeziehungen zwischen einem EU-Angehörigen und seinem Heimatstaat dann nicht dem Schutz der gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeit (Art. 18 und Art. 39 EGV), wenn sie sich ausschließlich im Inland abspielen, keinen Bezug zum EU-Ausland haben und keinen Anknüpfungspunkt zu irgendeinem der im Gemeinschaftsrecht geregelten Sachverhalte aufweisen (EuGH, Urteil vom 15. Dezember 1995 - Rs. C-415/93 - Bosman - Slg. 1995 I, 5040 <Rn. 89>). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Art. 39 EGV nicht auf Sachverhalte anwendbar, die einen Mitgliedstaat rein intern betreffen (Urteil vom 23. August 1994 - BVerwG 1 C 18.91 - BVerwGE 96, 293 <302>). Solche Sachverhalte sind dadurch gekennzeichnet, dass Elemente einer Betätigung, für die Freizügigkeit in Anspruch genommen wird, sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaates hinausweisen. Ein Unionsbürger, der niemals das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Union ausgeübt hat, kann sich nicht auf Art. 39 EGV berufen (EuGH, Urteile vom 23. April 1991 - Rs. C-41/90 - Höfner und Elser Slg. 1991 I, 1979 <Rn. 37> und vom 28. Januar 1992 - Rs. C-332/90 - Steen - Slg. 1992 I, 341 <Rn. 10>).
  32. Der Kläger hat seinen Ausbildungsplatz (hier als Arbeitsplatz zu verstehen) vorübergehend ins EU-Ausland verlegt. Die Regelung der Kostenerstattung war geeignet, ihn hierin zu behindern. Die streitige Regelung der Verordnung über die Gewährung von Trennungsentschädigung greift nur bei einer grenzüberschreitenden Ausbildung ein. Das genügt, um die Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechts zu eröffnen.
  33. Nicht entscheidungserheblich ist, ob der Beklagte verpflichtet war, der vom Kläger getroffenen Wahl einer ausländischen Ausbildungsstation zu entsprechen. Es genügt, dass § 23 Abs. 2 Nr. 6 Buchst. g des damals geltenden Juristenausbildungsgesetzes vom 8. November 1993 (GV.NW S. 924) die Möglichkeit einer vier Monate dauernden Ausbildung bei einem ausländischen Rechtsanwalt nach Wahl des Referendars ausdrücklich vorsah.
  34. Schließlich steht es der Anwendung des Art. 39 EGV nicht entgegen, dass der Kläger während seines Aufenthalts in London nicht nur seine Anwärterbezüge als Referendar, sondern zusätzlich ein nur durch den Auslandsaufenthalt veranlasstes Trennungsreisegeld in Höhe von 1 686,68 DM erhalten hat. Die von ihm geltend gemachten, vom Beklagten nicht erstatteten Reisekosten in Höhe von 539,60 DM haben im Vergleich dazu nur einen geringeren Umfang, doch fallen auch sie nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes unter den Begriff der "sonstigen Arbeitsbedingungen" (vgl. EuGH, Urteil Sotgiu vom 12. Februar 1974 a.a.O. <Rn. 9>, wonach auch eine freiwillig gezahlte Trennungsentschädigung den Begriff der "Arbeitsbedingungen" im Sinne des Art. 7 Abs. 1 und 4 der VO Nr. 1612/68 erfüllt).
  35. 3. Die zur Vorlage an den Gerichtshof nötigenden Zweifel ergeben sich somit aus folgenden, in der Vorlagefrage zusammengefassten Umständen:
  36. a) Es ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofes noch nicht geklärt, ob auch Beamte auf Widerruf im juristischen Vorbereitungsdienst eines Bundeslandes (Rechtsreferendare) unter den Begriff der Arbeitnehmer fallen.
  37. b) Es ist zweifelhaft, ob es bereits eine relevante (hinreichend direkte) Behinderung der Freizügigkeit darstellt, wenn der Dienstherr sich lediglich weigert, auch die auslandsbedingten Reisekosten zu übernehmen.
  38. c) Es ist zweifelhaft, ob neben der Erstattung der Kosten für die Hin- und Rückreise zum ausländischen Dienstort auch die Übernahme der Kosten einer Familienheimfahrt durch Art. 39 EGV geboten ist.
  39. d) Es ist zweifelhaft, ob eine etwa zu bejahende Verletzung der Freizügigkeit aus Haushaltserwägungen gerechtfertigt ist, die dazu führen könnten, Trennungsgeld und Reisekostenerstattung an Referendare generell auszuschließen.
  40. Dr. Silberkuhl Prof. Dawin Dr. Kugele