Beschluss vom 17.08.2005 -
BVerwG 2 WDB 6.05ECLI:DE:BVerwG:2005:170805B2WDB6.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.08.2005 - 2 WDB 6.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:170805B2WDB6.05.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 6.05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 19. Januar 2006
b e s c h l o s s e n :
Die Beschwerde des Soldaten gegen den Beschluss der 2. Kammer des Truppendienstgerichts ... vom 17. August 2005 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der 27 Jahre alte Soldat ist Soldat auf Zeit. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzt und endet mit Ablauf des 28. Februar 2011. Er ist Angehöriger der ...bataillon ... in C. und war dort bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung in verschiedenen Funktionen, u.a. als stellvertretender Zugführer, in einer Grundausbildungseinheit eingesetzt.

2 Mit Verfügung vom 30. November 2004, die am 7. Dezember 2004 zugestellt wurde, leitete der Kommandeur Heerestruppenkommando das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ein. Er legte ihm dabei folgendes Verhalten als Dienstvergehen zur Last:
„1. Sie haben zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen April und Juni 2004 als Unteroffizier vom Dienst der ...bataillon ... in C., ...-Kaserne, einem Rekruten, der Sie bei der Stubenabmeldung gegen 23.00 Uhr mit dem falschen Dienstgrad angesprochen hatte, befohlen, vor seiner Stube anzutreten. Dort ließen sie den Rekruten stehen, ohne ihm zu erlauben, wieder auf seine Stube zurückzugehen. In Ausführung des von Ihnen erteilten Befehls blieb der Rekrut somit in der Zeit von 23.00 Uhr bis 04.00 Uhr am nächsten Morgen vor seiner Stube stehen, bis er sich ohne Ihre Erlaubnis wieder zurück auf seine Stube begab.
2. Sie haben als Gruppenführer im II. Zug der ...bataillon ... auf dem Standortübungsplatz C. am frühen Morgen des 25. August 2004 und 01. September 2004 an einer von den Zugführern der ...bataillon ... entgegen den Vorgaben der Anweisung für die Truppenausbildung 1 für die Allgemeine Grundausbildung geplanten und durchgeführten Ausbildung ‚Geiselnahme’ für die Rekruten des II. und III. Zuges teilgenommen.
Dabei waren Sie im ‚Feindkommando’ eingesetzt und haben den Rekruten mit Kabelbindern die Hände auf den Rücken gefesselt, ihnen mit Dreieckstüchern die Augen verbunden und sie in den Transportraum eines Lkw der Marke Mercedes-Benz, Typ Sprinter, geladen, mit welchem sie zur ...-Kaserne in C. zu den Kompaniegebäuden Block 6 transportiert wurden, wo die Rekruten auf teilweise ungepolstertem Boden abknien mussten, dabei mit Wasser aus einer Kübelspritze bespritzt und anschließend von weiteren Ausbildern befragt wurden.
3. Am frühen Morgen des 02. September 2004 haben Sie im Rahmen der Ausbildung ‚Geiselnahme’ für die Rekruten des I. Zuges der ...bataillon ... bei der Ausbildungsstation ‚Verhör’ in den Kellerräumen des Kompaniegebäudes als Ausbilder teilgenommen.
Dabei haben Sie zugesehen und mitgewirkt, als die Rekruten mit verbundenen Augen und auf den Rücken gefesselten Händen unter dem Einsatz einer Kübelspritze mit Wasser bespritzt wurden.
Mehreren Rekruten haben Sie bzw. ein von ihnen beauftragter Hilfsausbilder mittels eines Feldfernsprechers Stromschläge in der Weise zugefügt, dass Sie die Drähte des Feldfernsprechers an den Körper des Rekruten hielten, während ein weiterer Ausbilder an der Kurbel des Feldfernsprechers drehte, um so die Stromschläge auszulösen. Bei einem weiteren Rekruten haben Sie die Hose des Feldanzugs hinuntergezogen, um ihn auf diese Weise am Austreten zu hindern, wobei für Sie vorhersehbar die Unterhose des Soldaten verrutschte und ein Teil seines Gliedes zu sehen war.“

3 Mit derselben Verfügung enthob der Kommandeur Heerestruppenkommando den Soldaten gemäß § 126 Abs. 1 WDO vorläufig des Dienstes und verbot ihm, Uniform zu tragen. Des Weiteren setzte er das gerichtliche Disziplinarverfahren nach § 83 Abs. 1 (gemeint Abs. 3) WDO bis zum Abschluss des - später beim Landgericht Münster - 8. Strafkammer - anhängig gewordenen - (teilweise) sachgleichen Strafverfahrens aus.

4 Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16. März 2005 beantragte der Soldat die Aufhebung der Anordnung über die vorläufige Dienstenthebung. Zur Begründung führte er insbesondere aus, dass es nicht mehr gerechtfertigt sei, von weiteren, von ihm ausgehenden drohenden Nachteilen und Gefahren für die Truppe, insbesondere im Hinblick auf die Abwehr von Disziplinlosigkeit und ernstlichen Beeinträchtigungen der militärischen Ordnung zu sprechen. Er stelle bei einer Teilnahme am Dienst weder eine Gefahr für „Leib und Wohl“ anderer Soldaten noch für das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit dar.

5 Vor den in Nr. 2 der Einleitungsverfügung genannten Ereignissen habe er sich untadelig im militärischen Alltag geführt. Am 26. April 2004 habe er eine mit Sonderurlaub verbundene förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung und am 13. September 2004 eine Leistungsprämie in Höhe von 1.000 € für herausragende Leistungen als Gruppen- und stellvertretender Zugführer in der Allgemeinen Grundausbildung erhalten. In seiner Beurteilung vom 25. Juni 2004 sei ihm sowohl vom Kompaniechef als auch vom Bataillonskommandeur attestiert worden, einer der besten Ausbilder seiner Kompanie zu sein und zur Spitzengruppe aller vergleichbaren Portepeeunteroffiziere des Bataillons zu gehören; seine Förderungswürdigkeit sei mit der Höchststufe „E“ bewertet worden. Das ihm vorgeworfene Dienstvergehen habe nicht seine Wurzeln in einer für die Truppe als gefährlich anzusehenden Veranlagung oder Eigenschaft von ihm; seine Verantwortlichkeit als Portepeeunteroffizier könne nämlich nur so weit gehen, wie es die Aufgabe und die Dienststellung in der militärischen Hierarchie ermöglichten. In den in Nr. 2 der Einleitungsverfügung genannten Zeiträumen sei er sich der Unrechtmäßigkeit der befohlenen Ausbildungsinhalte nicht bewusst gewesen. Sein Kompaniechef habe diese Ausbildungsinhalte, die ab dem 1. Oktober 2004 de facto Inhalt der neu in Kraft getretenen Anweisung für die Truppenausbildung 1 (geworden) seien, vollständig gebilligt. Dem Soldaten sei es jedenfalls subjektiv nicht möglich gewesen, daran vorbei die Unrechtmäßigkeit dieser Ausbildungsinhalte zu erkennen und weiterzumelden.

6 Auch was den Tatzeitraum unter Nr. 3 der Einleitungsverfügung betreffe, sei sich der Soldat noch nicht im Klaren darüber gewesen, dass sich etwas an den grundlegenden dienstrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen die Ausbildung nach wie vor statt fand, geändert haben könnte; die „Befehlslage seitens der Zugführer und des Kompaniechefs“ seien für ihn eindeutige Handlungsmaxime gewesen, auf die er sich habe berufen dürfen. Zu der im Keller des Kompaniegebäudes vorgenommenen „qualitativen Steigerung“ der Verhörsituation gegenüber einem Rekruten, die er „auf das Ärgste“ bedauere und bereue und gegen die er unter heutiger Betrachtungsweise unverzüglich einschreiten würde, habe er sich mehr oder weniger aus einer nicht geplanten Begebenheit heraus hinreißen lassen. Dass er mehreren Rekruten Stromschläge versetzt habe, sei jedoch in keinster Weise zutreffend und werde entschieden bestritten.

7 Ob das von ihm mitverursachte, aber unbeabsichtigte und gerade nicht vorhersehbare Entblößen des Geschlechtsteiles eines Rekruten die weitere Dienstenthebung mittrage, sei zu bezweifeln.

8 Der Vorwurf aus Nr. 1 der Einleitungsverfügung sei absurd und werde vollends in Abrede gestellt, da er nie als Unteroffizier vom Dienst eingeteilt gewesen sei.

9 Da in der militärischen Hierarchie über dem Soldaten noch andere in der Pflicht stünden, diese Ausbildungsinhalte in C. zu verantworten, stelle sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes.

10 Die Verfehlungen des Soldaten seien zu keinem Zeitpunkt aus irgendwelchen niederen Beweggründen geschehen, die ihn für die militärische Vorgesetztenstellung disqualifizierten. Aus Gründen der Fürsorge sei eine Überprüfung angezeigt. Auch die Auswirkungen auf seine psychische Existenz seien zu beachten. Die Güterabwägung müsse letztlich zu dem Ergebnis führen, dass bei seiner Wiedereingliederung der Bundeswehr kein weiterer Schaden erwachsen würde und es auch nicht weiter geboten sei, ihn aus dem Dienstbetrieb herauszunehmen, zumal es auch anderweitige Verwendungsmöglichkeiten innerhalb der Truppe gebe.

11 Mit Verfügung vom 12. Mai 2005 wies der Kommandeur Heerestruppenkommando den Antrag auf Aufhebung der Anordnungen über die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformverbot zurück. Er begründete dies im Wesentlichen damit, dass das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit angesichts der Schwere der gegen den Soldaten gerichteten Vorwürfe erheblich gefährdet sei, wenn bekannt werden würde, dass er trotz dessen wieder in der Bundeswehr Dienst leisten dürfte. Der zum Zeitpunkt der Einleitung bestehende hinreichende Tatverdacht eines schwerwiegenden Dienstvergehens sei in der Zwischenzeit nicht entkräftet, sondern sogar noch erhärtet worden. Der Soldat stehe im Verdacht, in weiteren Fällen als dem von ihm eingeräumten Rekruten Stromschläge verabreicht zu haben, so dass es sich nicht um einen unbedachten Einzelfall gehandelt habe. Angesichts der Schwere der Vorwürfe sei durch die vorläufige Dienstenthebung auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen worden. Eine Verletzung des Gebotes der Verhältnismäßigkeit sei nicht zu erkennen, da die Anordnung für den Soldaten keinen uneinbringlichen existenzgefährdenden Verlust mit sich bringe; der Dauer des gerichtlichen Disziplinarverfahrens komme in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu.

12 Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 25. Mai 2005, der am selben Tag beim Truppendienstgericht Nord - 2. Kammer - einging, hat der Soldat die gerichtliche Entscheidung beantragt. Zur Begründung hat er auf das Schreiben seines Verteidigers vom 16. März 2005 Bezug genommen.

13 Mit Anklageschrift vom 1. Juni 2005 - 81 Js 1837/04 - hat die Staatsanwaltschaft M. mit Rücksicht auf die öffentliche Aufmerksamkeit, die der Fall in den Medien erregt hat, „wegen besonderer Bedeutung des Falles“ beantragt, das Hauptverfahren vor dem Landgericht M. - Strafkammer - zu eröffnen. Dem Soldaten wird in der Anklageschrift vorgeworfen, in der Nacht zum 25. und zum 31. August 2004 Rekruten der ...bataillon ... bei Märschen auf dem Standortübungsplatz C. im Rahmen einer - nicht für die Allgemeine Grundausbildung vorgesehenen - Übung „Geiselnahme“ überwältigt und gefesselt sowie in der Nacht zum 1. September 2004 einem Rekruten in einem Keller eines Kompaniegebäudes in der ...-Kaserne in C. mittels eines Feldfernsprechers Stromstöße versetzt zu haben (Rechtliche Bewertung der Staatsanwaltschaft: Vergehen nach §§ 223, 224, 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB, §§ 30, 31 WStG).

14 Das Landgericht M. - 8. Strafkammer - hat mit Beschluss vom 22. Dezember 2005 - 8 KLs 81 Js 1837/04 (25/05) -, gegen den die Staatsanwaltschaft Beschwerde eingelegt hat, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Soldaten insoweit abgelehnt, als es um die Vorfälle in der Nacht zum 25. und zum 31. August 2004 geht. Es fehle diesbezüglich an einem strafbaren Verhalten. Die bloße Teilnahme des Soldaten an der Übung in der Nacht zum 25. August 2004 als Mitglied des Überfallkommandos erfülle weder die Tatbestände der § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 WStG, noch den des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB. Exzesshandlungen mitbeteiligter Kameraden könnten dem Soldaten mangels gemeinsamer Absprache nicht zugerechnet werden. Es habe sich noch nicht einmal aufklären lassen, ob der Soldat mit den Handlungen anderer Beteiligter überhaupt einverstanden gewesen und diese gegebenenfalls gebilligt habe, weshalb auch ein hinreichender Tatverdacht für eine Straftat nach § 30 Abs. 2, § 31 Abs. 2 WStG ausscheide. Soweit der Soldat bezüglich der Teilnahme an der Übung in der Nacht zum 31. August 2004 aufgrund der bisherigen Ermittlungen hinreichend verdächtig sei, einen Rekruten gefesselt und ihm die Augen verbunden zu haben, sei dies nicht strafbar. Was den Vorfall in der Nacht zum 1. September 2004 betrifft, wurde die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen. Insoweit sei der Soldat einer Misshandlung von Untergebenen (§ 30 Abs. 1 WStG) hinreichend verdächtig.

15 Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 1. Juli 2005 beantragte der Soldat beim Kommandeur ...division - bei Annahme dessen Zuständigkeit wegen des zwischenzeitlichen Unterstellungswechsels seiner Einheit - erneut die Aufhebung der Anordnung über die vorläufige Dienstenthebung. Dieser Antrag ist jedoch nicht Gegenstand des Verfahrens.

16 Die Truppendienstkammer hat mit Beschluss vom 17. August 2005 - N 2 GL 16/05 - den Antrag des Soldaten auf gerichtliche Entscheidung vom 25. Mai 2005 zurückgewiesen. Im Wesentlichen hat sie die Interessenabwägung zu Lasten des Soldaten damit begründet, dass der Soldat - nach summarischer Prüfung - in einer Art und Weise an der Behandlung der Rekruten der ...bataillon ... im zweiten und dritten Quartal (2004) beteiligt gewesen sei, die seine Dienstleistung derzeit aus Gründen der militärischen Ordnung, aber auch im Hinblick auf das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit nicht zulasse. Die Aufhebung der vorläufigen Dienstenthebung vor einer umfassenden Aufklärung des Umfanges der Beteiligung des Soldaten an dem Geschehen könne den Eindruck entstehen lassen, dass der vorgeworfene und zum Gegenstand der Anklage der Staatsanwaltschaft M. gemachte Umgang des Soldaten mit Rekruten in der Grundausbildung nach dem Nachlassen des öffentlichen Interesses an den Vorgängen nicht mehr ernst genommen werde. Dies könne sowohl in der Truppe als auch in der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck erwecken und zu weiteren Spekulationen und möglichen Fehldeutungen hinsichtlich des inneren Gefüges der Bundeswehr führen. Demgegenüber seien die Beeinträchtigungen des Soldaten geringer zu gewichten, da er weiterhin volle Bezüge erhalte und da die vorläufige Dienstenthebung im gerichtlichen Disziplinarverfahren keine präjudizielle Wirkung haben dürfe, so dass auch seine verfahrensrechtliche Position hierdurch nicht negativ beeinflusst werde. Dass der Soldat stets überdurchschnittliche Leistungen erbracht und sein Handeln bereut habe, sei im Verhältnis zu den gegen ihn sprechenden Umständen nicht so stark zu gewichten. Unter Abwägung aller Umstände habe die Einleitungsbehörde den Soldaten ermessensfehlerfrei vorläufig des Dienstes enthoben.

17 Gegen den seinem Verteidiger am 10. September 2005 und ihm am 15. September 2005 zugestellten Beschluss des Truppendienstgerichts Nord - 2. Kammer - hat der Soldat durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. September 2005 Beschwerde eingelegt, die am nächsten Tag beim Truppendienstgericht Nord eingegangen ist. Zur Begründung wurde - über den bisherigen Vortrag hinaus - im Wesentlichen vorgetragen, dass sich die vom Truppendienstgericht angenommene Erhärtung des Tatverdachts aus den Ermittlungsakten an keiner Stelle fundiert belegen lasse. Der Soldat sehe zwar ein, dass das Ansehen der Bundeswehr gelitten und die Dienstenthebung für einen längeren Zeitraum zur Wiederherstellung der Disziplin und Ordnung erforderlich gewesen sei, könne aber nicht akzeptieren, dass diese notwendig sei, um keinen weiteren, nicht wieder gutzumachenden Schaden für die Bundeswehr hervorzurufen. Die Anordnung der Dienstenthebung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr verhältnismäßig. Es sei nicht zu erwarten, dass eine später vorgelegte Anschuldigungsschrift Grundlagen für eine voraussehbare Entfernung aus dem Dienstverhältnis schaffen könne. Angesichts des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. März 2004 - BVerwG 2 WD 17.03 - ergebe sich noch erheblicher „Spielraum“ zu Gunsten des Soldaten. Wenn ein Kompaniechef die Form der Ausbildung - wie hier - genehmige, habe der in der Hierarchie weiter unten stehende Dienstgrad dies in aller Regel nicht zu hinterfragen; weil er dies befohlen bekommen habe, habe er so handeln müssen.

18 Es sei wegen des stark persönlichkeitsbezogenen Charakters des Disziplinarrechts der Bundeswehr sowie der inzwischen vergangenen Zeit und des mangelnden aktuellen öffentlichen Interesses vertretbar, persönlichkeitsbezogene Kriterien einfließen zu lassen. Durch eine Dienstteilnahme an anderer Stelle bis zur endgültigen Klärung der Vorwürfe könne ihm ein Stück Identität als Soldat wiedergebracht werden, zu der er nach wie vor uneingeschränkt stehe; an diese Möglichkeit sei mittlerweile auch aus Gründen der Fürsorge zu denken.

19 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hält die Beschwerde für zulässig, aber unbegründet. Die vorläufige Dienstenthebung sei völlig zu Recht erfolgt, da als disziplinare Regelmaßnahme in diesem Fall nur eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis angebracht erscheine. Die Bewertung des Verteidigers verkenne völlig die Erforderlichkeiten einer militärischen Ordnung und das Ansehen der Bundeswehr in der Öffentlichkeit. Das Belassen des Soldaten im Dienst hätte, auch nach einem Jahr, einen nicht wieder gutzumachenden Schaden zur Folge.

II

20 Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

21 Die Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben und mit Verfügung des Vorsitzenden der Truppendienstkammer vom 26. September 2005 dem Senat ohne Abhilfegewährung ordnungsgemäß zur Entscheidung vorgelegt worden (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 WDO).

22 Das Begehren des Soldaten nach Aufhebung der von der Einleitungsbehörde getroffenen Anordnungen vom 30. November 2004 ist jedoch unbegründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die angeordnete vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot liegen (weiterhin) vor.

23 Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist; mit der vorläufigen Dienstenthebung kann - unter denselben Voraussetzungen - das Verbot, Uniform zu tragen, verbunden werden. Diese Anordnungen setzen demzufolge die rechtswirksame Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten und eine pflichtgemäße Ermessensausübung der zuständigen Einleitungsbehörde voraus. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

24 Bei der gerichtlichen Entscheidung darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Einleitungsbehörde erfüllt sind, muss auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt werden (vgl. Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB 1.02 - <Buchholz 235.01 § 126 WDO Nr. 1 = NZWehrr 2003, 79 = DokBer 2003, 29> m.w.N. und vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - <BVerwGE 119, 206 = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 5 = NVwZ-RR 2004, 760>). Die Sachprüfung in diesem vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO, das durch einen ohne mündliche Verhandlung ergehenden Beschluss abgeschlossen wird, muss sich hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen seinem Wesen nach auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum (stRspr.: vgl. u.a. Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB 1.02 - <a.a.O.> und vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - <a.a.O.>).

25 Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ist mit der ihm am 7. Dezember 2004 ausgehändigten Einleitungsverfügung des Kommandeurs Heerestruppenkommando (§ 94 Abs. 1 Nr. 2 WDO i.V.m. 2.1 Buchst. f ZDv 14/3 B 161) vom 30. November 2004 rechtswirksam eingeleitet worden. Vor Ergehen der Einleitungsverfügung ist dem Soldaten ausweislich der Niederschrift vom 22. November 2004 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO).

26 Die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbotes lassen einen Ermessensfehler nicht erkennen. Ein solcher läge nur dann vor, wenn die Einleitungsbehörde sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz erteilten Ermächtigung gehalten oder wenn sie von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Dies ist jedoch nicht der Fall.

27 Die im pflichtgemäßen Ermessen der Einleitungsbehörde stehenden Anordnungen setzen einen besonderen rechtfertigenden Grund voraus; sie müssen im dienstlichen Interesse geboten sein und dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen. Das ist nur dann der Fall, wenn ohne sie der Dienstbetrieb durch den vom gerichtlichen Disziplinarverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde. Das Gebot der Verhältnismäßigkeit erfordert insbesondere, dass die Einleitungsbehörde dem Betroffenen mit ihrer Ermessensentscheidung keine Nachteile zufügt, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen (vgl. Beschluss vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - <a.a.O.> und BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - <BVerfGE 46, 17 [ff.] = NJW 1978, 152 = DÖV 1977, 274>). Im Übrigen ist die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung - im Gegensatz zur teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) - nicht davon abhängig, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die höchstzulässige Disziplinarmaßnahme erkannt wird.

28 Der für die Anordnungen der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbotes erforderliche besondere rechtfertigende Grund liegt hier vor. Denn die Abwägung zwischen dem Ausmaß der unmittelbaren Gefährdung oder Störung des Dienstbetriebes und den nachteiligen Auswirkungen sowie Belastungen für den Soldaten ergibt, dass die angeordneten Maßnahmen des Kommandeurs Heerestruppenkommando im dienstlichen Interesse geboten sind und dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit nicht widersprechen.

29 Im vorliegenden Fall ergibt sich ein hinreichend begründeter Verdacht eines schwerwiegenden disziplinaren Fehlverhaltens des Soldaten insbesondere daraus, dass er - wie er selbst einräumt - während des Vorfalls in der Nacht zum 1. September 2004 bei der Befragung der Rekruten im Kasernenkeller einem Rekruten mittels eines Feldfernsprechers einen Stromschlag versetzt hat. Insoweit ist auch die Anklage der Staatsanwaltschaft M. vom 1. Juni 2005 - 81 Js 1837/04 -, in welcher der Soldat einer Misshandlung Untergebener beschuldigt wird, durch das Landgericht M. - 8. Strafkammer - durch - nicht rechtskräftigen - Beschluss vom 22. Dezember 2005 - 8 KLs 81 Js 1837/04 (25/05) - zur Hauptverhandlung zugelassen worden, wobei das Landgericht die Tat - rechtlich abweichend von der Beurteilung der Staatsanwaltschaft - als Misshandlung Untergebener gemäß § 30 Abs. 1 WStG bewertet. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats reicht für den geforderten hinreichend begründeten Verdacht die Erhebung der öffentlichen Anklage in einem sachgleichen Strafverfahren (§ 170 Abs. 1 StPO) oder die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO) aus (vgl. zuletzt Beschluss vom 17. März 2005 - BVerwG 2 WDB 1.05 - <Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 2 = NVwZ-RR 2005, 729 = NZWehrr 2005, 216 = ZBR 2005, 318 [nur LS] = DokBer 2005, 275 m.w.N.>). Soweit das Landgericht M. - 8. Strafkammer - bezüglich der Übung in der Nacht zum 25. August 2004 einen hinreichenden Verdacht für eine Straftat ausscheidet und bezüglich der Übung in der Nacht zum 31. August 2004 ausführt, aufgrund der bisherigen Ermittlungen sei der Soldat zwar hinreichend verdächtig, einen Rekruten gefesselt und ihm die Augen verbunden zu haben, dies sei aber nicht strafbar, wird über die disziplinarrechtliche Bewertung dieser Vorfälle erst im Zusammenhang mit einer Beweisaufnahme im gerichtlichen Disziplinarverfahren entschieden werden können.

30 Die Eigenheit des zugrunde liegenden Sachverhalts besteht darin, dass neben dem Soldaten weitere acht Soldaten angeklagt sind, deren Tatbeiträge aufgrund der Besonderheiten des Falles, wie insbesondere dem Zusammenwirken mehrerer bei verdeckter Sicht der Opfer, bisher noch nicht vollständig zugeordnet werden konnten. Es ist deshalb möglich, dass dem Soldaten über das bisher Vorgeworfene hinaus weitere straf- und disziplinarrechtlich erhebliche Verhaltensweisen angelastet werden. So reicht es für eine Bestrafung nach § 31 Abs. 2 WStG aus, dass ein Vorgesetzter pflichtwidrig duldet, dass ein Untergebener die Tat gegen einen anderen Soldaten begeht; gegenüber den jeweils handelnden Mittätern im Dienstgrad Stabsunteroffizier und niedriger hatte der Soldat aufgrund seines Dienstgrades nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VorgV die erforderliche Vorgesetztenstellung inne.

31 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht der hinreichende Tatverdacht, dass der Soldat vorsätzlich gegen zentrale Dienstpflichten, insbesondere gegen die Pflichten zum treuen Dienen (§ 7 SG), zur Fürsorge (§ 10 Abs. 3) und zur Kameradschaft (§ 12 Satz 2 SG) sowie gegen die Pflicht zur Wahrung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verstoßen hat.

32 Ein solches Dienstvergehen ist für einen Portepeeunteroffizier im Dienstgrad eines Oberfeldwebels in der Funktion eines Gruppenführers bzw. stellvertretenden Zugführers gegenüber einem Rekruten deshalb besonders schwerwiegend, weil es bei der Wahrnehmung der zentralen Aufgabe der Menschenführung unter Ausnutzung der ihm durch den Dienstherrn eingeräumten Befugnisse begangen wurde. Nach Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar; sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Dieses Gebot gilt auch für die Streitkräfte als Teil der Exekutive und bedarf im militärischen Bereich mit seiner streng hierarchischen Gliederung besonderer Beachtung. Welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Schutz Untergebener beimisst, ergibt sich aus der Tatsache, dass die entwürdigende Behandlung Untergebener nach § 31 WStG mit Freiheitsstrafe bedroht ist. Ein Vorgesetzter, der so handelt, begeht nicht nur eine Wehrstraftat, sondern auch eine schwerwiegende Dienstpflichtverletzung (vgl. Urteil vom 26. Oktober 2005 - BVerwG 2 WD 33.04 - m.w.N.).

33 Die Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO sind auch geeignet und erforderlich, um dadurch eine Schädigung des Ansehens der Bundeswehr in der Öffentlichkeit sowie Nachteile und Gefahren - insbesondere für die Disziplin und die dienstliche Ordnung in den Streitkräften - abzuwehren.

34 Bei einer vor rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erfolgenden Rückkehr des Soldaten in seine Einheit besteht - jedenfalls gegenwärtig - die Gefahr einer Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr und ihres Erscheinungsbildes in der Öffentlichkeit mit der Folge eines schweren, nicht wieder gutzumachenden Schadens. Zwar wurde gegenüber der Bevölkerung damals durch die schnelle Reaktion in Form von verhängten Verboten der Dienstausübung nach § 22 SG durch die zuständigen Disziplinarvorgesetzten und durch spätere vorläufige Maßnahmen nach § 126 Abs. 1 WDO durch die Einleitungsbehörde sowie durch Äußerungen der politischen Leitung und der militärischen Führungsspitze des Bundesministeriums der Verteidigung zum Ausdruck gebracht, dass die Bundeswehr derartige Verhaltensweisen unter keinen Umständen billigt. Würde der Soldat jetzt in seine Einheit zurückkehren und dies in der Öffentlichkeit bekannt werden, könnte aber in den Augen eines den Sachverhalt objektiv und vorurteilsfrei wertenden Betrachters (vgl. zu diesem Maßstab u.a. Urteil vom 27. November 2003 - BVerwG 2 WD 6.03 -) der Eindruck entstehen, dass die Bundeswehr das Fehlverhalten des Soldaten trotz der - gerade in der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung zum Ausdruck kommenden - Schwere im nachhinein milder und verständnisvoller beurteilt. Dies stünde aber schwerlich im Einklang mit dem hohen Stellenwert, den der Gesetzgeber den Grundrechten der Soldaten beimisst und wie er in § 6 SG zum Ausdruck kommt, dem zu entnehmen ist, dass dem Soldaten alle Rechte nach dem Grundgesetz, insbesondere die Grundrechte zustehen (vgl. Soldat als so genannter Staatsbürger in Uniform). Auch die Grundsätze der Inneren Führung betonen in besonderer Weise die Grundrechte der Soldaten (vgl. etwa ZDv 10/1 Anlage 1/2 Leitsatz 4, wonach ein Vorgesetzter das Recht durchsetzt und bei der Ausübung der Befehls- und Disziplinargewalt dafür Sorge trägt, dass die Grundrechte der ihm unterstellten Soldaten gewahrt bleiben). Davon wird ein Soldat nicht dadurch freigestellt, dass er sich - wie der Verteidiger des Soldaten für ihn in dem Schreiben an den Kommandeur des Heerestruppenkommandos vom 16. März 2005 geltend gemacht hat - auf „eine Befehlslage seitens der Zugführer und des Kompaniechefs“ sowie darauf beruft, er habe davon ausgehen dürfen, dass die in Rede stehenden „Ausbildungs“-Inhalte „de facto ab dem 1. Oktober 2004 sowieso Inhalt der dann neu in Kraft tretenden AnTrA 1 sein“ würden und dass „zudem der KpChef diese Ausbildungsinhalte vollständig gebilligt“ habe (vgl. zu den rechtlichen Grenzen des soldatischen Gehorsams Urteil vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - <EuGRZ 2005, 636 [646 f.] = NJW 2006, 77 [80 ff.] = DVBl 2005, 1455 [insoweit nicht abgedruckt] = NZWehrr 2005, 254 [nur LS] =JZ 2006, 41 [nur LS]>). Die vom Soldaten beantragte Aufhebung der Anordnung nach § 126 Abs. 1 WDO würde die Gefahr begründen, dass insbesondere die Einsicht und verlässliche Bereitschaft zur strikten Beachtung des Grundrechts auf Achtung und Schutz der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) innerhalb der Streitkräfte relativiert wird. Auf die Einheit des Soldaten bezogen, in der Rekruten die Allgemeine Grundausbildung ableisten, könnten angesichts der konkreten Umstände des zur Last gelegten Dienstvergehens Außenstehende zur Ansicht gelangen, dass der Schutz der Rekruten nicht in jeder Hinsicht ausreichend gewährleistet ist. Angesichts der Tatsache, dass sich das - teilweise - sachgleiche Strafverfahren verfahrensrechtlich im Stadium nach der Zulassung der Anklage zur Hauptverhandlung befindet und somit in baldiger Zukunft mit erhöhter Medienberichterstattung über die zugrunde liegenden Vorfälle zu rechnen ist, könnte die Rückkehr des Soldaten vor abschließender disziplinargerichtlicher Klärung der Vorfälle in der Öffentlichkeit als ein die in Rede stehenden Verfehlungen bagatellisierendes und deshalb nicht nachvollziehbares Signal gewertet werden.

35 Auch innerhalb der Streitkräfte besteht - jedenfalls gegenwärtig - bei Rückkehr des Soldaten die erhebliche Gefahr einer empfindlichen Störung oder jedenfalls Gefährdung der militärischen Ordnung und des Dienstbetriebes. Denn das vorgeworfene Dienstvergehen wiegt aus den oben genannten Gründen so schwer, dass nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch im Kreis der Kameraden Unverständnis und Zweifel an einer angemessenen disziplinarrechtlichen Aufklärung und Ahndung des Fehlverhaltens des Soldaten aufkommen könnten. Dies könnte zu einer Schwächung des Vertrauens in die militärische Führung und - darüber hinaus - zu einer Herabsetzung der Einsatzbereitschaft der Truppe führen. Außerdem droht die Gefahr, dass der tägliche Dienstbetrieb dadurch erheblich gestört wird, dass Kameraden dem Soldaten nicht mehr vorurteilsfrei gegenüberstehen und ihm als Vorgesetzten, der in seiner Haltung und Pflichterfüllung ein Beispiel geben soll (§ 10 Abs. 1 SG), nicht mehr den erforderlichen Respekt entgegenbringen; der durch die Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens bewirkte allgemeine Verlust des Vertrauens in die persönliche und dienstliche Integrität des Soldaten kann nämlich auch durch eine ansonsten tadelfreie Führung sowie durch sehr gute dienstliche Leistungen nicht ohne weiteres ausgeräumt werden. Im Übrigen werden die stets überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen des Soldaten und der Umstand, dass er sein Handeln bereut, im Rahmen des gerichtlichen Disziplinarverfahrens zu würdigen sein.

36 Mit den getroffenen Anordnungen werden dem Soldaten auch keine Nachteile zugefügt, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines solch schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der weiteren Dienstausübung auszuschließen. Zwar kann durch die sofortige Wirkung dieser Anordnungen in seiner privaten und dienstlichen Umwelt der Eindruck entstehen, der Nachweis für die Richtigkeit der gegen ihn erhobenen Vorwürfe sei bereits erbracht, obwohl das gerichtliche Disziplinarverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Auch unter Berücksichtigung dessen, dass der Soldat aufgrund des bestehenden Soldatenverhältnisses grundsätzlich einen Anspruch auf Dienstausübung hat und dass die angeordnete Dienstenthebung eine - nicht unerhebliche - psychische Belastung für ihn darstellt, sind diese Folgen von dem Soldaten angesichts der sonst drohenden erheblichen Nachteile und Gefahren für das Ansehen der Bundeswehr und den Dienstbetrieb hinzunehmen, zumal er für sein mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangenes Fehlverhalten selbst verantwortlich ist. Außerdem ist sein wirtschaftliches Wohlergehen nicht betroffen, weil keine vorläufige Einbehaltung von Dienstbezügen gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO ausgesprochen wurde.

37 Schließlich liegt keine überlange Dauer oder Verschleppung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens vor.

38 Ab welcher verstrichenen Zeitspanne das Übermaßverbot die weitere Aufrechterhaltung der Anordnungen nach § 126 Abs. 1 WDO verbietet, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn dies ist hier jedenfalls gegenwärtig nicht der Fall. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die Pflicht der Einleitungsbehörde zur regelmäßigen Prüfung, ob die Anordnungen nach ihren Voraussetzungen noch gerechtfertigt sind (vgl. Dau, WDO, 4. Aufl., 2002, § 126 RNr. 26). Davon abgesehen hat der Soldat nach § 126 Abs. 5 Satz 1 WDO jederzeit die Möglichkeit, einen neuen Antrag auf Aufhebung zu stellen.

39 Die Beschwerde des Soldaten war aus den vorgenannten Gründen deshalb zurückzuweisen.

40 Da das gerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 114 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO ein Nebenbestandteil des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist, bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.