Beschluss vom 17.07.2003 -
BVerwG 7 B 38.03ECLI:DE:BVerwG:2003:170703B7B38.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 17.07.2003 - 7 B 38.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:170703B7B38.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 38.03

  • VG Berlin - 17.12.2002 - AZ: VG 25 A 300.97

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladenen tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 324 350 € festgesetzt.

Die Kläger beanspruchen als Mitglieder einer Erbengemeinschaft die Rückübertragung zweier Grundstücke an die Gemeinschaft nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben, weil die Erbauseinandersetzung und die Übertragung des Eigentums an den Grundstücken auf die Beigeladenen zu 1 und 2 eine von diesen veranlasste unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gewesen sei und es durch Tatsachen belegbare, ernst zu nehmende Zweifel an der Redlichkeit auch der Beigeladenen zu 3 gebe, der die Beigeladenen zu 1 und 2 eines der beiden Grundstücke geschenkt hatten.
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Die nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensfehler sind nicht erkennbar. Die in vielfacher Hinsicht gerügten Verstöße gegen die Pflicht zur gerichtlichen Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergeben sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
1. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugung, der Grundstückserwerb durch die Beigeladenen zu 1 und 2 sei auf eine gezielte staatliche Begünstigung zurückzuführen, anhand einer Gesamtbetrachtung gewonnen, die es auf eine Reihe von ihm festgestellter und im Urteil näher dargelegter Besonderheiten gestützt hat. Zu diesen zählt es
- den Gründstückserwerb gegen den Willen der Kommunalen Wohnungsverwaltung
- den Verfall des Hauses während der Verwaltertätigkeit des Beigeladenen zu 2, was - im Einklang mit dessen Bestreben, die Mieter zum Auszug zu bewegen - zu einer Herabstufung eines von vier Parteien bewohnten Mietshauses zu einem Zweifamilienhaus geführt habe
- die privat finanzierten Instandsetzungsarbeiten ohne Belastung des Grundstücks
- die Abwehr einer zinslosen und unkündbaren Hypothek als Ausgleich von Forderungen der Miterben
- die Abwendung der Verpachtung des Grundstücks Kanalstraße 31, so dass keine Pachteinnahmen für Instandsetzungen hätten erzielt werden können
- die lückenhaften Aufstellungen über Einnahmen und Ausgaben während der Verwaltertätigkeit
- die Wertermittlung unter Berücksichtigung nur des Bodenwertes, obwohl ein sieben Jahre später angefertigter Vermerk des Ministeriums für Staatssicherheit es ausgeschlossen erscheinen lasse, dass das Gebäude im Jahre 1980 wertlos gewesen sei
- die Genehmigung des Verkaufs von zwei großen Seegrundstücken nach der Grundstücksverkehrsverordnung ohne Auflage.
Dem halten die Beigeladenen mit ihrer Beschwerde entgegen, dass
- das Verwaltungsgericht sich im Hinblick auf die - im Urteil erwähnte - angebliche IM-Tätigkeit der Beigeladenen zu 1 und 2 nicht allein auf ein Schreiben der so genannten Gauck-Behörde habe stützen dürfen, zumal der Beigeladene zu 2 heute der Firma angehöre, die mit dem Schutz des Bundestages und des Berliner Abgeordnetenhauses beauftragt sei
- weitere Sachaufklärung ergeben hätte, dass der - ebenfalls im Urteil erwähnte -
Bruder der Beigeladenen zu 1 als Mitglied des Zentralkomitees zu seiner oft in
den Westen reisenden Schwester keinen Kontakt hätte haben dürfen
- das Verwaltungsgericht verkannt habe, dass der Magistrat und nicht die Kommunale Wohnungsverwaltung zuständigkeitshalber mit dem Grundstückserwerbswunsch befasst gewesen sei, und die Erwerbsgeschichte nur unzureichend aufgeklärt worden sei; der im Urteil erarbeitete Sachverhalt unterscheide sich erheblich vom tatsächlichen Ablauf des Geschehens
- das Haus offiziell nie ein Vierfamilienhaus gewesen sei, unbeschadet der Frage, wie viele Personen darin gewohnt hätten
- die Vermutung des Verwaltungsgerichts, sie hätten eine Entmietung betrieben, ohne tatsächliche Grundlage sei
- das Verwaltungsgericht bei ordnungsgemäßer Aufklärung ermittelt hätte, dass die Kommunale Wohnungsverwaltung es ihnen verboten habe, das Hausgrundstück zu Instandsetzungszwecken mit Grundpfandrechten zu belasten, sodass sie eigene Mittel hätten einsetzen müssen
- der Wert Null für das Gebäude realistisch gewesen sei; das Verwaltungsgericht hätte bei ordnungsgemäßer Sachaufklärung festgestellt, dass die im Vermerk des Ministeriums für Staatssicherheit beschriebenen baulichen Gestaltungen nur Äußerlichkeiten betroffen hätten, mit denen die marode Bausubstanz überdeckt worden sei
- der Erwerb eines unbebauten Grundstücks keineswegs rechtlich so beschränkt gewesen sei wie der eines bebauten.
Die Einwände der Beigeladenen verdeutlichen, dass sie den Charakter des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens verkennen. Anstatt Revisionsgründe in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO vorgeschriebenen Weise zu bezeichnen, setzen sie in der Art einer Berufungsbegründung den Tatsachenfeststellungen und -würdigungen des Verwaltungsgerichts ihre eigenen entgegen. Zwar führen sie die sich daraus ergebenden Widersprüche auf eine unzureichende Sachaufklärung zurück; Verstöße gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO und damit Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO werden damit jedoch nicht dargetan. Notwendig dazu wäre gewesen darzulegen, aufgrund welcher konkreten Umstände sich dem Verwaltungsgericht nach dem damaligen Verfahrensstand und dem seinerzeitigen Vortrag der Beteiligten eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, welche konkreten Beweismittel dafür in Betracht gekommen wären und welches Ergebnis diese Beweisaufnahme gehabt hätte. Hinzu kommt, dass viele Einwände der Beigeladenen an den Ausführungen des Verwaltungsgerichts vorbeigehen. So hat die IM-Eigenschaft der Beigeladenen für die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts ebenso wenig eine tragende Rolle gespielt wie die Verwandtschaft der Beigeladenen zu 1 mit einem ZK-Mitglied. Das Verwaltungsgericht hat die kommunale Wohnungsverwaltung auch keineswegs als für die Veräußerung zuständig gehalten. Ebenso wenig ist feststellbar, dass das Verwaltungsgericht die Erwerbsgeschichte in entscheidungstragender Weise fehlerhaft festgestellt hat. Auch die übrigen Differenzen sind vorwiegend das Ergebnis unterschiedlicher Bewertungen des maßgeblichen Sachverhalts oder voneinander abweichender rechtlicher Einschätzungen. Durchweg fehlt es zumindest an konkreten Angaben der Beigeladenen dazu, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände es dem Verwaltungsgericht offenbar sein musste, dass seine bisherigen Sachverhaltsermittlungen nicht ausreichend waren. Die Beigeladenen machen auch nicht geltend, in der mündlichen Verhandlung auf eine weitere gerichtliche Sachverhaltsklärung hingewirkt zu haben; entsprechende Anstrengungen lassen sich ebenfalls nicht der Sitzungsniederschrift entnehmen. Dieses Versäumnis lässt sich nicht dadurch ausgleichen, dass sie mit ihrer Beschwerde nachträglich Umstände benennen, die das Gericht ihrer Auffassung nach zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen müssen.
2. Ähnliches gilt, soweit die Beigeladenen die Zweifel des Verwaltungsgerichts an der Redlichkeit der Beigeladenen zu 3 für nicht berechtigt halten. Hier berufen sich die Beigeladenen darauf, dass das verschenkte Grundstück - anders als das Verwaltungsgericht annehme - kein begehrtes Seegrundstück sei und die Schenkung an die Mutter des Lebensgefährten ihrer Tochter anstelle einer Überlassung an ihre Tochter selbst - ebenfalls entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - aus finanziellen und genehmigungsrechtlichen Gründen ohne weiteres nachvollziehbar sei. Auch hier wird über die Mitteilung der jeweils abweichenden Einschätzungen der Situation durch die Beigeladenen hinaus nicht dargelegt, welche konkreten Umstände das Verwaltungsgericht zu weiteren Nachforschungen hätten veranlassen sollen, warum sich dem Verwaltungsgericht - ohne entsprechenden Sachvortrag - beispielsweise aufdrängen musste, dass das betroffene Grundstück möglicherweise nicht so begehrt war, wie es derartige Seeufergrundstücke - auch in der DDR - allgemein waren. War das Grundstück aber, wie das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seines Kenntnisstandes annehmen durfte, hoch begehrt, musste die Schenkung an die Beigeladene zu 3 unter Übergehung der eigenen Tochter notwendigerweise Befremden erregen.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.