Beschluss vom 16.12.2010 -
BVerwG 6 PB 18.10ECLI:DE:BVerwG:2010:161210B6PB18.10.0

Leitsatz:

Ein Berufsverband für die Soldaten der Bundeswehr ist nicht berechtigt, im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren feststellen zu lassen, dass in eine Personalratswahl bei einer militärischen Dienststelle Soldaten einer bestimmten Untergliederung einzubeziehen sind.

  • Rechtsquellen
    BPersVG § 83

  • OVG Lüneburg - 08.09.2010 - AZ: OVG 17 LP 11/08 -
    Niedersächsisches OVG - 08.09.2010 - AZ: OVG 17 LP 11/08

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.12.2010 - 6 PB 18.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:161210B6PB18.10.0]

Beschluss

BVerwG 6 PB 18.10

  • OVG Lüneburg - 08.09.2010 - AZ: OVG 17 LP 11/08 -
  • Niedersächsisches OVG - 08.09.2010 - AZ: OVG 17 LP 11/08

In der Personalvertretungssache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Dezember 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Neumann und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Büge und Vormeier
beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. September 2010 wird zurückgewiesen.

Gründe

1 Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 83 Abs. 2 BPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg.

2 1. Die Rügen des Antragstellers sind unbegründet, soweit sie sich darauf beziehen, dass das Oberverwaltungsgericht das streitige Begehren wegen fehlender Antragsbefugnis als unzulässig abgewiesen hat.

3 a) Die Abweichungsrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch.

4 aa) Der angefochtene Beschluss weicht nicht von den in der Beschwerdebegründung zitierten Beschlüssen vom 11. Mai 1962 - BVerwG 7 P 6.61 - (BVerwGE 14, 153 = Buchholz 238.3 § 22 PersVG Nr. 4) und vom 8. Juni 1962 - BVerwG 7 P 7.61 - (BVerwGE 14, 241 = Buchholz 238.3 § 22 PersVG Nr. 5) ab. Nach diesen Entscheidungen sind Gewerkschaften, auch soweit sie in der Dienststelle vertreten sind, keine Organe der Personalvertretung. Als außerhalb der Dienststelle stehende Organisationen sind ihre Befugnisse im Bereich der Personalvertretung ausdrücklich und abschließend geregelt. Diese Befugnisse können nicht im Wege der Analogie über den gesetzlich abgesteckten Rahmen hinaus erweitert werden. Den Gewerkschaften kann daher nicht auch dort die Legitimation zur Einleitung eines Beschlussverfahrens zugestanden werden, wo dies nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist (vgl. Beschlüsse vom 11. Mai 1962 a.a.O. S. 155 f. bzw. S. 7 und vom 8. Juni 1962 a.a.O. S. 243 f. bzw. S. 10; ebenso Beschlüsse vom 18. Januar 1990 - BVerwG 6 P 8.88 - Buchholz 251.0 § 9 BaWüPersVG Nr. 5 S. 4 und vom 27. September 1990 - BVerwG 6 P 23.88 - Buchholz 250 § 33 BPersVG Nr. 4 S. 2). Zu diesen Aussagen hat sich das Oberverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss nicht in Widerspruch gesetzt. Im Gegenteil hat es diese Aussagen seiner Entscheidung ausdrücklich zugrunde gelegt, wie seine Ausführungen auf Seite 6 f. des Beschlusses belegen.

5 bb) Das Oberverwaltungsgericht ist ferner nicht vom Beschluss vom 8. Juli 1977 - BVerwG 7 P 28.75 - (BVerwGE 54, 172 = Buchholz 238.32 § 91 BlnPersVG Nr. 1) abgewichen. Nach dieser Entscheidung ergibt sich die Beteiligung im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren aus materiellem Recht. Es kommt darauf an, ob Befugnisse oder Pflichten, die das Personalvertretungsrecht Stellen, Personengruppen oder einzelnen Personen gewährt oder auferlegt, unmittelbar durch die begehrte Entscheidung betroffen werden. Nur wer Beteiligter in einem Beschlussverfahren sein kann, ist zur Antragstellung berechtigt (a.a.O. S. 172 f. bzw. S. 2 f.). Auch diese Aussage hat das Oberverwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt (Beschlussabdruck S. 6).

6 cc) Einen Rechtssatz, wonach § 25 BPersVG eine Sperrwirkung des Inhalts zukommt, dass eine Gewerkschaft die ihr nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz zustehenden Rechte vor Abschluss einer Personalratswahl nicht verfolgen kann, hat das Oberverwaltungsgericht entgegen der Annahme des Antragstellers weder den zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts entnommen noch von sich aus aufgestellt. Es hat vielmehr den Antragsteller darauf verwiesen, die ihm im Zusammenhang mit der Neuwahl oder erstmaligen Wahl eines Personalrats zustehenden speziellen Rechte wahrzunehmen. Die Befugnis, diese Rechte auch vor einer Personalratswahl notfalls gerichtlich durchzusetzen, hat es ihm nicht abgesprochen. Verneint hat es freilich - im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - ein allgemeines Kontrollrecht des Antragstellers und damit die von diesem im vorliegenden Verfahren in Anspruch genommene Befugnis, den personalvertretungsrechtlichen Status der in Rede stehenden Dienststelle gerichtlich klären zu lassen.

7 b) Mit der Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG kommt der Antragsteller gleichfalls nicht zum Zuge.

8 Der Antragsteller will geklärt wissen, ob § 25 BPersVG vor Ablauf der Wahlanfechtungsfrist Anträge einer Gewerkschaft im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren auch sperrt, soweit es um Fehler geht, welche die Gültigkeit der Personalratswahl berühren.

9 aa) Die Rechtsfrage ist in der weit formulierten Fassung nicht entscheidungserheblich. Wie bereits oben erwähnt, hat das Oberverwaltungsgericht dem Antragsteller nicht das Recht abgesprochen, ihm zustehende Rechte im Zusammenhang mit der Neuwahl oder erstmaligen Wahl eines Personalrats wahrzunehmen und notfalls gerichtlich durchzusetzen. Dass die Wahrnehmung und gerichtliche Durchsetzung dieser Rechte im Einzelfall dazu dienen kann, das Auftreten von Wahlmängeln zu verhindern, die zur Wahlanfechtung berechtigen, hat es dabei nicht ausgeschlossen.

10 bb) Nach dem Streitgegenstand, wie er durch die Antragstellung im zweitinstanzlichen Verfahren bestimmt ist, ist allein folgende Frage entscheidungserheblich: Ist der Antragsteller als Berufsverband für die Soldaten der Bundeswehr berechtigt, im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren feststellen zu lassen, dass in eine Personalratswahl bei einer militärischen Dienststelle Soldaten einer bestimmten Untergliederung einzubeziehen sind? Diese Frage ist, soweit sie der Beschwerdebegründung sinngemäß entnommen werden kann, mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen, wie sich bereits aus der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt. Den in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften sind in einer Reihe von gesetzlichen Bestimmungen spezielle personalvertretungsrechtliche Aufgaben und Befugnisse eingeräumt, die auf die Bildung, Unterstützung und Kontrolle einer funktionsfähigen Personalvertretung ausgerichtet sind (vgl. Beschluss vom 25. Juli 2006 - BVerwG 6 P 17.05 - Buchholz 251.7 § 125 NWPersVG Nr. 1 Rn. 16). Diese Aufgaben und Befugnisse sind abschließend und erschöpfend. Sie lassen sich entgegen der Annahme des Antragstellers nicht in der Weise „bündeln“, dass aus ihnen ein allgemeines Kontrollrecht der Gewerkschaften auf Einhaltung der personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen hergeleitet werden kann. Eine § 18 Abs. 2 BetrVG vergleichbare Bestimmung, der es Gewerkschaften gestattet, die Personalratsfähigkeit einer Dienststelle gerichtlich klären zu lassen, enthält das Bundespersonalvertretungsgesetz nicht.

11 cc) In einem Fall wie dem vorliegenden ist der Antragsteller nicht zur Untätigkeit verurteilt. Besteht in einer personalratsfähigen Dienststelle kein Personalrat und gelingt die Wahl eines Wahlvorstandes nach § 21 Satz 1 BPersVG nicht, so kann eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft vom Dienststellenleiter die Bestellung eines Wahlvorstandes verlangen (§ 22 BPersVG). Kommt der Dienststellenleiter dieser Verpflichtung nicht nach, so kann die antragsberechtigte Gewerkschaft ihr Begehren im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren weiter verfolgen (vgl. Schlatmann, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/ Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 22 Rn. 6; Altvater/Hamer/Kröll/Lemcke/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 6. Aufl. 2008, § 22 Rn. 2a; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD Bd. V K § 22 Rn. 7; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 11. Aufl. 2008, § 22 Rn. 6). Diese Vorgehensweise muss im Falle des Antragstellers nicht an dem Merkmal „in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft“ scheitern. Er ist antragsbefugt, wenn er mit beachtlichen Gründen die Einbeziehung von Soldaten in die Personalratswahl geltend macht und wenigstens einer der betroffenen Soldaten Mitglied ist (vgl. Beschlüsse vom 25. Juli 2006 a.a.O. Rn. 17, vom 8. Oktober 2007 - BVerwG 6 P 2.07 - Buchholz 449.7 § 2 SBG Nr. 6 Rn. 13 und vom 26. November 2008 - BVerwG 6 P 7.08 - BVerwGE 132, 276 = Buchholz 250 § 86 BPersVG Nr. 6 Rn. 13). Ob die Soldaten tatsächlich einzubeziehen sind, ist eine Frage der Begründetheit des Begehrens, und zwar sowohl mit Blick auf die Aktivlegitimation des Antragstellers als auch hinsichtlich der Frage, ob der Dienststellenleiter statt eines dreiköpfigen einen fünfköpfigen Wahlvorstand zu bestellen hat (§§ 48, 49 Abs. 1 Satz 1, § 51 Abs. 1 Satz 2 SBG i.V.m. § 20 Abs. 1 Satz 1 BPersVG). Der Erfolg dieses Vorgehens ist letztlich davon abhängig, dass sich in hinreichender Anzahl Dienststellenangehörige bereitfinden, das Amt eines Mitglieds im Wahlvorstand zu übernehmen (vgl. Fischer/Goeres/ Gronimus, a.a.O. K § 22 Rn. 2; Schlatmann, a.a.O. § 22 Rn. 5; Altvater u.a., a.a.O. § 22 Rn. 2).

12 dd) Soweit der Antragsteller schließlich noch eine Grundsatzrüge an das Merkmal der „in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaft“ anknüpft, geht diese ebenfalls mangels Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage ins Leere. Das Oberverwaltungsgericht hat unterstellt, dass es sich beim Antragsteller um eine in der Dienststelle vertretene Gewerkschaft handelt, und auf dieser Grundlage entschieden, dass ihm die Befugnisse zur Klärung der streitigen Statusfrage nicht zusteht.

13 2. Die Abweichungsrüge geht fehl, soweit sie sich auf die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zur Begründetheit des streitigen Begehrens bezieht. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf der Abweichung von den zitierten Senatsentscheidungen, weil das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend den Antrag als unzulässig abgewiesen hat.

14 3. Da mit der Zurückweisung der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde in Bezug auf die Antragsbefugnis des Antragstellers sofort Rechtssicherheit geschaffen wird, folgt der Senat der Anregung des Antragstellers nicht, die Entscheidung darüber bis zur Entscheidung über zwei beim Senat anhängige Rechtsbeschwerden mit ähnlichen materiellrechtlichen Fragestellungen zurückzustellen.