Beschluss vom 16.11.2012 -
BVerwG 1 WB 1.12ECLI:DE:BVerwG:2012:161112B1WB1.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.11.2012 - 1 WB 1.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:161112B1WB1.12.0]

Beschluss

BVerwG 1 WB 1.12

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz als Vorsitzende,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 16. November 2012 beschlossen:

  1. Das Verfahren wird eingestellt.
  2. Die dem Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht einschließlich der im vorgerichtlichen Verfahren erwachsenen notwendigen Aufwendungen werden dem Bund auferlegt. Der Beigeladene trägt seine notwendigen Aufwendungen selbst.

Gründe

I

1 Der 1955 geborene Antragsteller ist Berufssoldat; seine Dienstzeit endet voraussichtlich mit Ablauf des 31. Oktober 2017. Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 wurde er zum Oberstarzt befördert und mit Wirkung vom 1. Juli 2007 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe B 3 eingewiesen. Derzeit wird er als Abteilungsleiter ... beim ... in M. verwendet.

2 Infolge der Zurruhesetzung des bisherigen Dienstposteninhabers war zum 1. März 2011 der nach Besoldungsgruppe B 3 bewertete Dienstposten des Chefarztes des Bundeswehrkrankenhauses B. nachzubesetzen. Auf der Grundlage einer Vorlage des Leiters des Referats PSZ I 3 im Bundesministerium der Verteidigung beriet hierüber der Personalberaterausschuss beim Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Umspruchverfahren. In der Beratung wurden der Antragsteller, der Beigeladene und zwei weitere Sanitätsoffiziere (Oberstarzt Dr. H. und Flottenarzt B.) betrachtet. Der Personalberaterausschuss empfahl ausweislich des Protokolls vom 6. Juni 2011 den Beigeladenen für die Nachbesetzung des Dienstpostens. Mit Schreiben an den Abteilungsleiter PSZ im Bundesministerium der Verteidigung vom 6. Juni 2011 erklärte sich der Inspekteur des Sanitätsdienstes mit der Empfehlung des Personalberaterausschusses einverstanden und bat den Abteilungsleiter PSZ, dieser zu entsprechen. Mit Schreiben vom 8. Juli 2011 erklärte sich der Abteilungsleiter PSZ seinerseits mit der Empfehlung des Inspekteurs einverstanden.

3 Am 12. Juli 2011 wurde der Antragsteller telefonisch darüber unterrichtet, dass die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen ausgefallen sei. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 15. Juli 2011 „Beschwerde“ ein, die er mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5. Dezember 2011 - als Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht - im Einzelnen begründete. In der Sache beantragte er, die Entscheidung des Abteilungsleiters PSZ im Bundesministerium der Verteidigung, den Dienstposten des Chefarztes des Bundeswehrkrankenhauses B. mit dem Beigeladenen zu besetzen, aufzuheben und den Bundesminister der Verteidigung zu verpflichten, über die Besetzung des Dienstpostens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 (jetzt: R II 2) - legte den Antrag zusammen mit seiner Stellungnahme vom 10. Januar 2012 dem Senat vor.

4 Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 teilte der Bundesminister der Verteidigung - R II 2 - mit, dass die Bewertung des strittigen Dienstpostens von Besoldungsgruppe B 3 auf Besoldungsgruppe B 6 angehoben worden sei. Bei der erneuten Auswahlentscheidung vom 20. Juli 2012 sei der Antragsteller mitbetrachtet, jedoch wiederum der Beigeladene ausgewählt worden. Hiergegen habe der Antragsteller am 18. September 2012 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

5 Im Hinblick auf die erneute Auswahlentscheidung erklärte der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. November 2012 den vorliegenden Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, seine notwendigen Aufwendungen dem Bund aufzuerlegen. Der Bundesminister der Verteidigung hat sich der Erledigungserklärung bereits vorab mit seinem Schreiben vom 9. Oktober 2012 angeschlossen.

6 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Unterlagen des Auswahlverfahrens, die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

7 Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen und gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 3 WBO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Für die Kostenentscheidung sind die im Prozessrecht allgemein geltenden Grundsätze maßgebend. Danach ist bei übereinstimmender Erledigungserklärung über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden (§ 20 Abs. 3 WBO, § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO; stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 22. April 2008 - BVerwG 1 WB 4.08 - m.w.N.).

8 Billigem Ermessen entspricht es, die notwendigen Aufwendungen des Antragstellers dem Bund aufzuerlegen, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.

9 Nach den Auswahlunterlagen wurden alle vier betrachteten Kandidaten als grundsätzlich geeignet für die Nachbesetzung des strittigen Dienstpostens erachtet. In einem solchen Fall haben nach ständiger Rechtsprechung des Senats in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene Abstufungen der Qualifikation Bedeutung (vgl. Beschlüsse vom 25. April 2007 - BVerwG 1 WB 31.06 - BVerwGE 128, 329 <338> = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 41 und vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49 <jeweils Rn. 42>; für das Beamtenrecht Urteil vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 <61> = Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 54). Zur Ermittlung des Leistungsstands konkurrierender Bewerber ist dabei in erster Linie auf die zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung aktuellsten Beurteilungen abzustellen, weshalb der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig eine ausschlaggebende Bedeutung zukommt; zur abgerundeten Bewertung des Leistungs-, Eignungs- und Befähigungsbildes und seiner Kontinuität ist es darüber hinaus zulässig, in die Auswahlentscheidung auch frühere Beurteilungen bis zu den beiden letzten planmäßigen Beurteilungen vor der aktuellen Beurteilung mit einzubeziehen (vgl. Beschlüsse vom 18. Oktober 2007 - BVerwG 1 WB 6.07 - Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 9 und vom 23. Februar 2010 - BVerwG 1 WB 36.09 - BVerwGE 136, 119 = Buchholz 449.2 § 2 SLV 2002 Nr. 17). Sind danach mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann im Rahmen sachgerechter Erwägungen auch sonstigen sachlichen Gesichtspunkten ein (gegebenenfalls) entscheidendes Gewicht für die Auswahl beigemessen werden, sofern dadurch das Gebot der Auswahl nach Eignung, Befähigung und Leistung nicht in Frage gestellt wird (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - BVerwGE 133, 1 = Buchholz 449 § 3 SG Nr. 49 <jeweils Rn. 67> m.w.N.; für das Beamten- und Richterrecht Urteil vom 4. November 2010 - BVerwG 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 47 <jeweils Rn. 46> m.w.N.).

10 Der für die Auswahlentscheidung zuständige Abteilungsleiter PSZ hat sich unter dem 8. Juli 2011 mit der Empfehlung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes für die Besetzung des Dienstpostens des Chefarztes des Bundeswehrkrankenhauses Berlin einverstanden erklärt. Er hat sich damit den Inhalt der vom Inspekteur mit seiner Empfehlung vorgelegten Auswahlerwägungen, insbesondere des Auswahlrationals auf dem Ergebnisblatt des Umspruchverfahrens sowie der Vorlage des Referatsleiters PSZ I 3, zu eigen gemacht. Der Personalberaterausschuss hatte den Beigeladenen mit folgendem Auswahlrational empfohlen: „Erfahrung im Krankenhausmanagement, (Controlling/GesÖk), wissenschaftl. Expertise (Promotion)“. Die Vorlage des Referatsleiters PSZ I 3 (Seite 7) stützte die Empfehlung des Beigeladenen auf folgende Gründe:
„OTA ... hat 2006 für einige Monate als Chefarzt ein BwKrhs in dessen Endphase geleitet, ist derzeit auf einem B 3-bewerteten Dienstposten eingesetzt und weist sehr überzeugende Leistungswerte in einem positiven Beurteilungsbild auf. Im Rahmen einer ganzheitlichen vergleichenden Betrachtung von Eignung, Leistung und Befähigung ist dennoch dem Konkurrenten FLA Dr. ... (...) der Vorrang zu geben, da er in Kombination von Promotion, fachlicher Kompetenz und überzeugenden Führungseigenschaften dem Anforderungsprofil am nächsten kommt. Daran vermögen auch seine etwas schlechteren Leistungswerte im Beurteilungsbild nichts zu ändern.
Aufgrund seiner besseren Eignung für diese Verwendung wird daher FLA Dr. ... (...) für die Nachfolgebesetzung des Dienstposten Chefarzt BwKrhs B. empfohlen.“

11 Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - fasste die Auswahlerwägungen in dem Vorlageschreiben vom 10. Januar 2012 nochmals wie folgt zusammen: „Ungeachtet der besseren Leistung von Oberstarzt ... konnte Flottenarzt Dr. ... (...) bei gleicher Eignung infolge seiner besseren Befähigung ermessenskonform ausgewählt werden“.

12 Die auf diese Erwägungen gestützte Auswahlentscheidung genügt nicht den aus Art. 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG folgenden Anforderungen des Leistungsgrundsatzes.

13 Der Antragsteller hat in der aktuellen dienstlichen Beurteilung (Vorlagetermin 30. September 2009) in der Bewertung der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten mit „8,00“ einen deutlich besseren Durchschnittswert erzielt als der Beigeladene mit „7,56“. Hinzu kommt, dass der Antragsteller in einem höheren (nach Besoldungsgruppe B 3 bewerteten) Statusamt beurteilt wurde als der Beigeladene (Besoldungsgruppe A 16), was regelmäßig die Zubilligung eines „Statuszuschlags“ rechtfertigt, der den Leistungsvorsprung weiter vergrößert (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 2470/06 - BVerfGK 10, 474 = DVBl 2007, 563; Beschlüsse vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 39.07 - a.a.O. Rn. 58, vom 13. April 2011 - BVerwG 1 WB 21.10 - Rn. 50 und vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 33.10 - Rn. 49). Noch deutlicher ist der Leistungsvorsprung nach der vorletzten Beurteilung (Vorlagetermin 30. September 2007), wo dem Durchschnittswert des Antragstellers (bereits damals im nach Besoldungsgruppe B 3 bewerteten Statusamt) von „7,20“ lediglich ein Wert von „6,22“ auf Seiten des Beigeladenen (im nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Statusamt) gegenübersteht. Auch im Vergleich der vorvorletzten dienstlichen Beurteilungen (2005) schneidet der Antragsteller besser ab als der Beigeladene („6,69“ gegenüber „6,31“ nach dem früheren, siebenstufigen Beurteilungssystem; beide im nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Statusamt).

14 Der Antragsteller war damit im Verhältnis zu dem Beigeladenen der eindeutig leistungsstärkere Bewerber, wovon dem Grunde nach auch die Auswahlentscheidung ausgeht. Der Antragsteller und der Beigeladene sind damit nach dem primär maßgeblichen Leistungsvergleich insbesondere nicht als „im Wesentlichen gleich geeignet“ eingestuft, sodass den Erwägungen zur Befähigung der beiden Bewerber auch nicht als „sonstigen sachlichen Gesichtspunkten“ entscheidendes Gewicht für die Auswahl zukommen kann.

15 Die Frage, ob unabhängig davon - und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen - ein eindeutiger Vorsprung eines Bewerbers (hier: des Antragstellers) im Leistungsvergleich durch Vorzüge des im Leistungsvergleich schwächeren Bewerbers (hier: des Beigeladenen) in der Bewertung der Befähigung kompensiert werden kann, bedarf im Rahmen der vorliegenden Kostenentscheidung keiner abschließenden Klärung. Der - im Einzelnen strittige - Vergleich der sowohl bei dem Antragsteller als auch beim Beigeladenen vorhandenen Qualifikationen und Erfahrungen in der Führung eines Krankenhauses lässt nach dem aus den Akten und dem Parteivortrag ersichtlichen Sachstand jedenfalls keine derartigen Verschiebungen der Gewichte erkennen, dass es gerechtfertigt wäre, das eindeutige Ergebnis des Leistungsvergleichs zu korrigieren. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass nach der Rechtsprechung des Senats die Promotion, sofern sie - wie hier - keine Voraussetzung im Rahmen des Anforderungsprofils oder der Dienstpostenbeschreibung ist und der zu besetzende Dienstposten inhaltlich auch sonst keine explizit wissenschaftlichen Bezüge aufweist, in der Regel kein maßgebliches Kriterium für die Bevorzugung eines bestimmten Soldaten darstellt (vgl. Beschlüsse vom 24. Mai 2011 - BVerwG 1 WB 33.10 - Rn. 46 und vom 25. September 2012 - BVerwG 1 WB 44.11 - Rn. 50).

16 Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist deshalb davon auszugehen, dass bereits aufgrund des deutlichen Vorsprungs des Antragstellers im Leistungsvergleich die Auswahl des Beigeladenen rechtsfehlerhaft war und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung daher voraussichtlich erfolgreich gewesen wäre.