Beschluss vom 16.06.2008 -
BVerwG 1 DB 2.08ECLI:DE:BVerwG:2008:160608B1DB2.08.0

Leitsatz:

Ein Unterhaltsbeitrag nach §§ 77, 110 BDO kann nur noch für eine Dauer von insgesamt bis zu etwa fünf Jahren gewährt werden. Dies folgt vor allem aus dem Zweck des Unterhaltsbeitrags als vorübergehende Leistung der nachwirkenden Fürsorgepflicht zur Erleichterung der beruflichen Neuorientierung (Änderung der Rechtsprechung).

Beschluss

BVerwG 1 DB 2.08

  • Bayer. VG Ansbach - 27.03.2008 - AZ: VG AN 6a DA 08.00001

In dem Verfahren hat der Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Juni 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Müller und Dr. Heitz
sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde der früheren Posthauptsekretärin ... wird der Beschluss des ... Verwaltungsgerichts ... vom 27. März 2008 aufgehoben.
  2. Der früheren Beamtin wird ab dem 1. Februar 2008 für weitere neun Monate ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts bewilligt.
  3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
  4. Die Kosten des Verfahrens und die der früheren Beamtin hierin erwachsenen notwendigen Auslagen haben der Bund zu drei Viertel und die frühere Beamtin zu einem Viertel zu tragen.

Gründe

I

1 1. Das Bundesdisziplinargericht hatte durch Urteil vom 16. Januar 2001 entschieden, dass die frühere Beamtin wegen eines Dienstvergehens aus dem Dienst entfernt wird; zugleich war dieser gemäß § 77 BDO ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts auf die Dauer von sechs Monaten bewilligt worden. Die von der früheren Beamtin hiergegen eingelegte Berufung wurde durch Urteil des beschließenden Senats vom 3. Juli 2002 - BVerwG 1 D 11.01 - zurückgewiesen. In diesem Urteil heißt es u.a., dass es mit dem bewilligten Unterhaltsbeitrag sein Bewenden habe. Damit erhielt die frühere Beamtin zunächst vom 1. August 2002 an bis einschließlich 31. Januar 2003 den vom Bundesdisziplinargericht zuerkannten Unterhaltsbeitrag. In der Folgezeit wurde ihr durch das Bundesdisziplinargericht, anschließend durch das ... Verwaltungsgericht ... wiederholt, jeweils auf die Dauer von zwölf Monaten, ein Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts neu bewilligt, zuletzt durch Beschluss vom 22. Dezember 2006 bis einschließlich 31. Januar 2008.

2 2. Den Antrag der früheren Beamtin, ihr für die Zeit ab 1. Februar 2008 auf die Dauer von weiteren zwölf Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 70 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts zuzusprechen, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 27. März 2008 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

3 Bei dem Unterhaltsbeitrag nach §§ 77, 110 Abs. 2 BDO handele es sich um eine fürsorgerische Leistung des Dienstherrn, die nur für einen vorübergehenden - begrenzten - Zeitraum gewährt werde, um dem aus dem Dienst entfernten Beamten den Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung zu erleichtern. Den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2004 und vom 15. November 2004 sei zu entnehmen, dass grundsätzlich eine zeitliche Begrenzung entsprechend der Zwei-Jahres-Frist des § 24 SGB II in Betracht komme. Diese Frist sei hier weit überschritten. Bis einschließlich Januar 2008, d.h. insgesamt fünfeinhalb Jahre habe die frühere Beamtin den beantragten Unterhaltsbeitrag erhalten. Auch im Hinblick auf den Umstand, dass sie an Neurodermitis erkrankt sei und folglich - wenn überhaupt - nur schwer in ein neues Arbeitsverhältnis vermittelt werden könne, komme eine Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags nicht mehr in Betracht.

4 Das Antragsbegehren bleibe aber auch deshalb ohne Erfolg, weil die frühere Beamtin ihre wirtschaftliche Notlage selbst zu vertreten habe. Sie habe sich fast ausschließlich für Bürotätigkeiten im Großraum A beworben. Dies sei für eine erst 41-jährige, ledige und kinderlose Frau nicht ausreichend. Es sei ihr zuzumuten, sich auch um unterwertige Tätigkeiten zu bemühen und gegebenenfalls von A wegzuziehen.

5 3. Hiergegen hat die frühere Beamtin rechtzeitig Beschwerde eingelegt und diese im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Dauer der Gewährung des zeitlich befristeten Unterhaltsbeitrags werde durch dessen Zweck bestimmt, den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendigen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung - außerhalb des Systems der Fürsorge- und Sozialleistungen - zu erleichtern. Im Regelfall dürfe dafür die vom Verwaltungsgericht angenommene Zwei-Jahres-Frist ausreichen, um den Übergang zu schaffen. Bei ihr, der früheren Beamtin, handele es sich jedoch um einen Sonderfall. Sie leide an chronischer Neurodermitis, die sich in einem rötlichen Hautausschlag bemerkbar mache, der insbesondere im Gesicht und an den Händen auftrete. Dies gehe einher mit einer Schwellung des Gesichts. Ihre äußere Erscheinung schrecke viele potenzielle Arbeitgeber ab. Eine Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie wegen dieser Erkrankung letztlich nicht vermittelbar sei.

6 Damit sie, die frühere Beamtin, nicht der Fürsorge anheim falle, sei ihr ein Unterhaltsbeitrag zu gewähren, solange sie dessen bedürftig sei und diese Bedürftigkeit nicht selbst zu vertreten habe. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Sie habe kein Einkommen und sich seit der letzten Unterhaltsbeitragsbewilligung 137 mal schriftlich beworben; davon habe sie 72 Absagen erhalten. Zusätzlich habe sie sich auch vielfach telefonisch um eine neue Stelle bemüht. Wie sich aus der - unvollständigen - Telefonliste ergebe, habe sie sich auch bei Firmen außerhalb des Großraums A (z.B. ...) sowie für unterwertige Tätigkeiten (z.B. in der Produktion, im Verkauf, an der Kasse, als Telefonistin) beworben. Um ihre Berufschancen zu steigern, habe sie bereits im Jahr 2005 eine Weiterbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation absolviert. Zurzeit bemühe sie sich um eine Zusatzausbildung zur Wirtschaftsfachwirtin.

7 Das Verwaltungsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 7. Mai 2008 nicht abgeholfen.

II

8 Die Beschwerde ist gemäß § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO zulässig.

9 Das Verfahren auf Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 110 Abs. 2 BDO fällt nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 als Annex-Verfahren zum abgeschlossenen förmlichen Disziplinarverfahren unter die Fortführungsklausel des § 85 Abs. 3 Satz 1 BDG, wenn das Gericht im Disziplinarurteil einen Unterhaltsbeitrag nach Maßgabe des § 77 BDO gewährt hatte (stRspr, grundlegend Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 10). Dies hat zur Folge, dass das Neubewilligungsverfahren - als ein zunächst nach § 85 Abs. 7 Satz 2 BDG an das Verwaltungsgericht übergegangenes Verfahren - im Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen Recht der Bundesdisziplinarordnung „fortzuführen“ ist. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

10 Die Beschwerde ist auch überwiegend begründet. Die frühere Beamtin hat für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis einschließlich 31. Oktober 2008, d.h. für weitere neun Monate einen Anspruch auf Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags in Höhe von 70 v.H. ihres erdienten Ruhegehalts. Darüber hinaus - und auch in Zukunft - steht ihr ein solcher Anspruch nicht (mehr) zu.

11 1. Die Neubewilligung eines disziplinarrechtlichen Unterhaltsbeitrags richtet sich nach Inkrafttreten des Bundesdisziplinargesetzes nach den Vorschriften der Bundesdisziplinarordnung (§§ 110, 77), wenn - wie hier - die Erstbewilligung auf § 77 BDO beruhte (Senatsbeschluss vom 15. Januar 2002 a.a.O.).

12 Nach § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kann ein Unterhaltsbeitrag erneut bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO vorliegen, wenn also die frühere Beamtin nach ihrer wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und ihrer nicht unwürdig ist. Das Bundesdisziplinargericht hatte in seinem vom Senat bestätigten Urteil dargelegt, dass die frühere Beamtin eines Unterhaltsbeitrags nicht unwürdig ist. Sie ist in dem zugebilligten Umfang auch einer Unterstützung bedürftig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich insoweit an den tatsächlichen Grundlagen der vom Verwaltungsgericht wiederholt getroffenen stattgebenden Entscheidung inzwischen etwas geändert hat.

13 Die frühere Beamtin hat ihre Bedürftigkeit auch nicht selbst zu vertreten (§ 110 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbs. 2 BDO). Sie ist ihren unterhaltsbeitragsrechtlich gebotenen Verhaltenspflichten im erforderlichen Umfang nachgekommen.

14 Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 15. November 2004 - BVerwG 1 DB 6.04 - juris, m.w.N.) ausgeführt hat, setzt eine erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags voraus, dass sich der frühere Beamte in ausreichendem Maß um die Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit bemüht hat. Entscheidend kommt es in diesem Zusammenhang auf die persönliche Initiative zur Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess, auf die Bereitschaft sowie auf die Aktivitäten zur Erlangung einer neuen Tätigkeit an, nicht darauf, ob diese Anstrengungen auch tatsächlich zum Erfolg geführt haben. Der uneingeschränkt arbeitsfähige frühere Beamte, der nach Wegfall seiner Dienstleistungspflicht täglich zur Arbeitsplatzsuche genügend Zeit hat, ist gehalten, alle ihm möglichen und zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, um eine unterhaltssichernde neue Arbeit zu finden. Er muss sich ernsthaft, intensiv und nachhaltig während des gesamten Bewilligungszeitraums um eine solche Erwerbstätigkeit bemühen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Wiedereingliederung des früheren Beamten in den Arbeitsprozess bei den an seinem Wohnort oder dessen Umgebung bestehenden Verhältnissen aufgrund der Arbeitsmarktlage oder infolge seiner persönlichen Umstände schwierig gestaltet. Dem früheren Beamten ist es auch zuzumuten, einfache Arbeiten, die keine oder nur eine geringe Qualifikation voraussetzen, anzunehmen. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand von der Verurteilung des früheren Beamten müssen höhere Anforderungen an seine Darlegungs- und Nachweispflicht sowie an die Intensität seines Bemühens um eine sein Auskommen sichernde Beschäftigung gestellt werden.

15 Trotz Weiterbildung und nachweislich intensiven Bemühungen hat die frühere Beamtin eine solche, ihr Auskommen sichernde Beschäftigung noch nicht gefunden. Sie hat sich seit dem letzten stattgebenden Gerichtsbeschluss glaubhaft 137 mal schriftlich beworben und 35 eigene Stellenanzeigen aufgegeben. Sie erhielt 72 Absagen; die übrigen Firmen haben sich nicht geäußert. Darüber hinaus hat sich die frühere Beamtin in einer Vielzahl von Fällen telefonisch um eine Arbeitsstelle bemüht (vgl. dazu die Telefonliste mit insgesamt 59 Firmennamen), und zwar u.a. bei Firmen außerhalb des Großraums A sowie zum Teil für Tätigkeiten außerhalb des Bürobereichs. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war dies ausreichend, zumal die frühere Beamtin im Hinblick auf eine Neubewilligung des Unterhaltsbeitrags bisher nicht eindeutig darüber belehrt worden war, dass sie sich auch um unterwertige Tätigkeiten außerhalb des Großraums A bewerben müsse: Das Urteil des Bundesdisziplinargerichts vom 16. Januar 2001 enthält insoweit nur den Hinweis an die frühere Beamtin, sie dürfe keine unangemessenen Anforderungen an Art und Weise einer Beschäftigung oder die Höhe ihrer Entlohnung stellen. Im Berufungsurteil des Senats vom 3. Juli 2002 werden keine Verhaltenshinweise erteilt. Der Weiterbewilligungsbeschluss des Bundesdisziplinargerichts vom 24. Februar 2003 enthält lediglich den Hinweis, die frühere Beamtin müsse sich in den (nächsten) zwölf Monaten wie bisher intensiv um eine neue Arbeitsstelle bemühen. In seinem Weiterbewilligungsbeschluss vom 26. Januar 2004 weist das Verwaltungsgericht die frühere Beamtin u.a. darauf hin, dass sie sich innerhalb des Verlängerungszeitraums äußerst intensiv um einen Arbeitsplatz letztlich jeglicher Art bemühen müsse; ein ausdrücklicher Hinweis auf die Notwendigkeit, sich auch überörtlich zu bewerben, fehlt. An einem solchen Hinweis mangelt es ebenfalls in den stattgebenden Beschlüssen des Verwaltungsgerichts vom 10. Januar 2005, vom 12. Dezember 2005 und vom 22. Dezember 2006.

16 2. Der Senat hat der früheren Beamtin den Unterhaltsbeitrag jedoch nur noch für einen Zeitraum von neun Monaten bewilligt; darüber hinaus - und auch in Zukunft - steht ihr ein solcher Anspruch nicht (mehr) zu. Dies folgert der Senat aus Wesen und Zweck der Unterhaltsbeitragsregelung in der Bundesdisziplinarordnung als Übergangsleistung sowie aus dem Schweigen des Gesetzgebers zu einem Bewilligungs-Gesamtzeitraum und dem Vergleich mit der Regelung des Unterhaltsbeitrags in § 10 Abs. 3 BDG. Schließlich sind andere Vorschriften für dienstrechtliche Überbrückungshilfen von Bedeutung, soweit sie einen Bewilligungszeitraum festlegen.

17 a) Der Unterhaltsbeitrag im Sinne des § 77 BDO ist Ausdruck der das Dienstverhältnis überdauernden Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Er dient allein dazu, dem aus dem Dienst entfernten Beamten den durch den Wegfall der Dienstbezüge notwendig gewordenen Übergang in einen anderen Beruf oder in eine andere Art der finanziellen Existenzsicherung, z.B. eine gesetzliche Alters- oder Erwerbsunfähigkeitvorsorge, zu erleichtern und ihn ebenso wie seine finanziell von ihm abhängigen Familienangehörigen während dieses - vorübergehenden - Zeitraums nicht in Not geraten zu lassen.

18 Der begrenzte Zweck des Unterhaltsbeitrags als Übergangsleistung kommt im Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO dadurch zum Ausdruck, dass die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags nur noch auf „bestimmte Zeit“ zulässig ist und die nach früherem Recht mögliche Bewilligung auch auf Lebenszeit (vgl. § 64 Abs. 1 BDO a.F.) bereits mit der Novellierung der Bundesdisziplinarordnung durch das Gesetz zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 20. Juli 1967, BGBl I S. 725, abgeschafft worden war. Zwar hatte die gesetzliche Neuregelung ihren Grund in der damaligen Verwaltungspraxis, nach der ein Unterhaltsbeitrag die Nachversicherung in der Sozialversicherung ausschloss. Deshalb sollten nur noch Unterhaltsbeiträge auf Zeit bewilligt werden dürfen, die diese Folge nicht auslösen (vgl. amtliche Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung und Ergänzung der Bundesdisziplinarordnung, BTDrucks V/325 S. 37). Hieraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, dass bei Bedürftigkeit ein Unterhaltsbeitrag immer zu bewilligen wäre, solange ein früherer Beamter nicht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Denn Ziel der Neuregelung war auch eine Abgrenzung der Funktion der Nachversicherung von der des Unterhaltsbeitrags. Während die Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf der Grundlage der erbrachten Dienstzeiten eine - dauerhafte - Versorgung im Alter ermöglichen soll, hat der Unterhaltsbeitrag aufgrund seiner begrenzten Bewilligungsdauer nur noch die Aufgabe, den mit der Entfernung aus dem Dienst oder der Aberkennung des Ruhegehalts eintretenden unmittelbaren Wegfall der Dienst- oder Versorgungsbezüge (§ 117 Abs. 6 BDO) übergangsweise abzumildern und den früheren Beamten und seine Familie vor einer Notlage in der Phase der beruflichen Neuorientierung zu schützen (vgl. Urteil vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris, m.w.N.).

19 In der Praxis des Senats erfolgt deshalb eine Erst- oder Neubewilligung des Unterhaltsbeitrags gemäß §§ 77, 110 Abs. 2 BDO nur auf bestimmte Zeit, in der Regel auf sechs Monate, in Ausnahmefällen, insbesondere bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, auf bis zu zwölf Monate; unter den Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kommt anschließend, gegebenenfalls wiederholt, für einen bestimmten Zeitraum eine Weiterbewilligung in Betracht.

20 b) Wie lange im Einzelfall eine (Erst- und Neu-)Bewilligung des Unterhaltsbeitrags insgesamt, d.h. längstens erfolgen darf, hat der Gesetzgeber in der hier noch anwendbaren Bundesdisziplinarordnung nicht geregelt. Auf dieser gesetzlichen Grundlage hatte der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 13. November 1997 - BVerwG 1 DB 16.97 - Buchholz 235 § 110 BDO Nr. 4 m.w.N.) entschieden, dass die zeitliche Begrenzung der Unterhaltsbeitragsleistung gemäß §§ 77, 110 Abs. 2 BDO ausschließlich durch die erfolgte Wiedereingliederung des bedürftigen früheren Beamten in das Erwerbsleben oder durch die Erschließung einer anderen Einkommensquelle, nicht jedoch durch den hiervon unabhängigen Ablauf einer bestimmten Zeitspanne seit dem Disziplinarurteil bestimmt werde. Solange sich der frühere Beamte in arbeitsfähigem Zustand mit der von ihm zu verlangenden Intensität vergeblich um eine neue Erwerbsquelle bemühe, könne ein Unterhaltsbeitrag nicht allein mit dem Hinweis versagt werden, er sei bereits wiederholt über einen insgesamt längeren Zeitraum gewährt worden. Vielmehr erfülle diese Unterstützung auch in einem solchen Fall die ihr nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung zukommende Funktion einer Übergangsleistung zur Vermeidung existenzieller wirtschaftlicher Not. In seinem Beschluss vom 13. November 1997 (a.a.O.) hat der Senat deshalb dem früheren Beamten den Unterhaltsbeitrag weiterbewilligt, obwohl dieser seit Rechtskraft des Disziplinarurteils bereits 14 1/2 Jahre einen Unterhaltsbeitrag gemäß §§ 77, 110 Abs. 2 BDO bezogen hatte. Der Senat hatte in diesem Zusammenhang wiederholt ergänzend betont, dass der Rechtsanspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach der Bundesdisziplinarordnung weder hinter Sozialhilfeleistungen noch hinter Leistungen der Arbeitsförderung zurücktrete, weil diese Leistungen ihrerseits auch im Verhältnis zum Unterhaltsbeitrag nur subsidiär zu gewähren seien (vgl. zuletzt z.B. Urteil vom 8. März 2005 - BVerwG 1 D 15.04 - juris und Beschluss vom 1. Februar 2006 - BVerwG 1 DB 1.05 - IÖD 2006, 118, jeweils m.w.N.).

21 c) Von dem gesetzlichen Modell der richterlichen Erstbewilligung eines Unterhaltsbeitrags gemäß § 77 BDO im Disziplinarurteil und seiner möglichen Weiterbewilligung auf Antrag des früheren Beamten durch Beschluss gemäß § 110 Abs. 2 BDO hat sich der Gesetzgeber im neuen Bundesdisziplinargesetz gelöst (§ 10 Abs. 3 BDG; ebenso nunmehr im Wehrdisziplinarrecht gemäß § 63 Abs. 3 der Wehrdisziplinarordnung vom 16. August 2001, BGBl I S. 2093). Die Regelungen zum Unterhaltsbeitrag sind grundlegend neu gestaltet worden. Der aus dem Beamtenverhältnis entfernte Beamte erhält nunmehr von Gesetzes wegen als Übergangsleistung vorübergehend einen Unterhaltsbeitrag, und zwar im Regelfall - wenn in der gerichtlichen Entscheidung nichts anderes bestimmt ist -, für die Dauer von sechs Monaten in Höhe von 50 % der ihm zuletzt zustehenden ungekürzten Dienstbezüge (§ 10 Abs. 3 Satz 1 BDG); Vergleichbares gilt gemäß § 12 Abs. 2 BDG für den Fall der Aberkennung des Ruhegehalts. Ausnahmsweise kann das Gericht in seiner Entscheidung die Gewährung des Unterhaltsbeitrags - zu 50 % oder zu einer entsprechend geringeren Quote, zugleich über sechs Monate hinaus, aber zeitlich begrenzt - verlängern, soweit dies notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden; der Beamte hat die Umstände glaubhaft zu machen (§ 10 Abs. 3 Satz 3 BDG). Eine solche einmalige Bewilligung des Unterhaltsbeitrags ist nach der Unanfechtbarkeit der disziplinargerichtlichen Entscheidung - vom Fall der gerichtlichen Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens abgesehen - endgültig. Ein Verfahren zur Weitergewährung oder Neubewilligung - wie gemäß § 110 Abs. 2 BDO - ist nicht mehr vorgesehen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2007 - 21d A 571/07.BDG - NVwZ-RR 2007, 791 ff. m.w.N.). Dies entspricht dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers (vgl. die amtliche Begründung zu § 10 Abs. 3 BDG im Regierungsentwurf, BTDrucks 14/4659 S. 37: Ein Verfahren zur ... Neubewilligung entsprechend § 110 BDO ist nicht mehr vorgesehen; dazu Gansen, Bundesdisziplinarrecht in Bund und Ländern, § 10 Rn. 18 ff.) und kommt auch im Wortlaut des § 10 Abs. 3 Satz 3 BDG zum Ausdruck. Wenn es dort sinngemäß heißt, eine Verlängerung der Unterhaltsgewährung könne „in der Entscheidung“, d.h. nur in der Disziplinarentscheidung selbst, ausgesprochen werden, schließt dies konkludent ein späteres Weitergewährungsverfahren aus. Dies hat zur Folge, dass ein erwerbsfähiger hilfebedürftiger früherer Beamter und seine Familie nach Ablauf des Bewilligungszeitraums gegebenenfalls sogleich unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs II - Grundsicherung für Arbeitsuchende - auf Leistungen nach diesem Gesetz (insbesondere Arbeitslosengeld II und Sozialgeld) angewiesen sein können; zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dauerhafter Erwerbsminderung oder nach Vollendung des 65. Lebensjahres kommen die entsprechenden Leistungen der Grundsicherung nach den §§ 41 ff. SGB XII - Sozialhilfe - in Betracht. Im Übrigen steht, insbesondere für Nichterwerbsfähige, unter den Voraussetzungen des Sozialgesetzbuchs XII die Hilfe zum Lebensunterhalt als Sozialhilfeleistung zur Verfügung (vgl. dazu auch OVG Münster, Beschluss vom 23. April 2007 a.a.O.).

22 d) Aus der Zweckrichtung des Unterhaltsbeitrags als Übergangsleistung und der nur einmaligen Bewilligungsmöglichkeit eines Unterhaltsbeitrags nach dem Bundesdisziplinargesetz folgert der Senat nunmehr, dass in den Altverfahren nach der Bundesdisziplinarordnung ein Unterhaltsbeitrag nur noch für eine insgesamt zeitlich begrenzte Dauer bewilligt werden kann; je nach den Umständen des Einzelfalls kommt dabei ein Bewilligungs-Gesamtzeitraum von bis zu etwa fünf Jahren in Betracht. Dieser Zeitraum ergibt sich nicht nur aus seinem Wesen und Zweck als nachwirkende Fürsorgeleistung zur Erleichterung der beruflichen Neuorientierung, sondern auch aus gesetzlichen Regelungen zum Bewilligungszeitraum anderer dienstlicher Übergangsgelder wie etwa §§ 15, 47 BeamtVG. Soweit der Senat in seinen Beschlüssen vom 19. Oktober 2004 - BVerwG 1 DB 5.04 - und vom 15. November 2004 - BVerwG 1 DB 6.04 - (juris) angedeutet, aber letztlich offen gelassen hat, eine zeitliche Grenze für die Gewährung von Unterhaltsbeiträgen könnte sich vielleicht mit Blick auf § 24 SGB II aus der dort normierten Zwei-Jahres-Frist für den insoweit befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld ergeben, verfolgt der Senat diesen Gedanken nicht weiter.

23 Unter den Voraussetzungen des § 15 BeamtVG kann einem Beamten, der z.B. wegen Dienstunfähigkeit oder Erreichens der Altersgrenze entlassen ist, ohne einen Ruhegehaltsanspruch erworben zu haben, ein Unterhaltsbeitrag bewilligt werden. Da bei einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit der Versicherungsfall regelmäßig noch nicht eingetreten ist, kommt in diesen Fällen eine Bewilligung des Unterhaltsbeitrags auf Zeit in Betracht. In der Praxis schwankt diese Bewilligungszeit zwischen drei und fünf Jahren (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, BeamtVG, § 15 Rn. 20, 20a; Stadler in: GKÖD, BeamtVG, § 15 Rn. 14). In der Regel endet nach diesem Übergangszeitraum die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinem früheren Beamten.

24 Nach § 47 BeamtVG haben Beamte mit Dienstbezügen, die nicht auf eigenen Antrag und nicht unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 entlassen werden, Anspruch auf ein Übergangsgeld. Dieses soll dem Beamten wie beim disziplinarrechtlichen Unterhaltsbeitrag den Übergang in einen anderen Beruf erleichtern (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 30. Mai 1995 - BVerwG 2 C 22.94 - Buchholz 239.1 § 47 BeamtVG Nr. 3 m.w.N.). Zwar enthält § 47 BeamtVG keine ausdrückliche Regelung für den Bewilligungs-Gesamtzeitraum dieser Überbrückungshilfe. § 47a BeamtVG, die entsprechende Vorschrift für entlassene politische Beamte, bestimmt jedoch in Absatz 2, dass in diesen Fällen das Übergangsgeld mindestens für die Dauer von sechs Monaten, längstens für die Dauer von drei Jahren, gewährt wird.

25 e) Die Annahme einer zeitlichen Begrenzung des Bewilligungs-Gesamtzeitraums für einen Unterhaltsbeitrag nach der Bundesdisziplinarordnung auf bis zu etwa fünf Jahre ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die aus Art. 33 Abs. 5 GG abzuleitenden grundrechtsgleichen Rechte auf amtsangemessene Alimentation und auf Fürsorge des Dienstherrn (vgl. dazu z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 25. September 2001 - 2 BvR 2442/94 - NVwZ 2002, 463 m.w.N.) werden durch die Regelungen des § 77 BDO nicht berührt. Der Unterhaltsbeitrag tritt nicht an die Stelle des weggefallenen Anspruchs auf Dienstbezüge, sondern ist seiner Rechtsnatur nach ein eigenständiger Anspruch des Disziplinarrechts. Er kann weder mit dem Ruhegehalt noch mit der Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung verglichen werden. Er ist nicht Ausdruck beamtenrechtlicher Alimentation, die ohne Bezug zu bestimmten Bedürfnissen des Beamten gewährt wird, sondern setzt die Beendigung der Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn gerade voraus (vgl. Beschluss vom 31. Oktober 1988 - BVerwG 1 DB 16.88 - BVerwGE 86, 78 <81>). Die das Beamtenverhältnis überdauernde Fürsorgepflicht des Dienstherrn beruht jedenfalls hinsichtlich ihrer konkreten Ausgestaltung nicht auf einem hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, sondern auf einfachem Gesetzesrecht. Die Milderung der Folgen einer Entfernung aus dem Dienst durch Gewährung eines Unterhaltsbeitrags ist verfassungsrechtlich nicht in einem bestimmten Maß gefordert. Deshalb steht es dem Gesetzgeber frei, den Unterhaltsbeitrag hinsichtlich seiner Höhe und seines zeitlichen Umfangs in den Grenzen des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG) zu beschränken (vgl. Senatsurteil vom 7. Februar 2008 - BVerwG 1 D 4.07 - juris, m.w.N.). Soweit er in diesem Zusammenhang schweigt, ist es Aufgabe des Gerichts, diese Lücke durch Auslegung zu schließen, wobei es auf vergleichbare gesetzliche Regelungen in anderen dienstrechtlichen Vorschriften für Übergangsleistungen zurückgreifen kann.

26 f) Ein Gesamtbewilligungszeitraum von bis zu etwa fünf Jahren ist hier inzwischen längst abgelaufen; die frühere Beamtin hatte erstmals im August 2002 einen Unterhaltsbeitrag erhalten. Ihr steht danach eigentlich kein weiterer Anspruch auf einen Unterhaltsbeitrag nach der Bundesdisziplinarordnung zu, zumal dessen Hauptzweck, den Übergang in einen anderen Beruf zu erleichtern, voraussichtlich kaum noch erreicht werden kann. Nach Auffassung einer Sachbearbeiterin der Bundesagentur für Arbeit dürfte die an chronischer Neurodermitis leidende frühere Beamtin beruflich wohl nicht vermittelbar sein.

27 Gleichwohl hat der Senat dem Antrag auf Weiterbewilligung eines Unterhaltsbeitrags nach der Bundesdisziplinarordnung noch für weitere neun Monate, d.h. bis einschließlich Oktober 2008 entsprochen, um der früheren Beamtin Gelegenheit zu geben, sich auf die geänderte Rechtslage einzustellen und sich rechtzeitig um Leistungen der Arbeitsförderung oder der Sozialhilfe zu bemühen. Das Existenzminimum bleibt damit gesichert.

28 Die Kostenentscheidung beruht auf § 114 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 BDO und § 115 Abs. 9 i.V.m. Abs. 5 BDO.