Beschluss vom 16.04.2008 -
BVerwG 10 B 157.07ECLI:DE:BVerwG:2008:160408B10B157.07.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.04.2008 - 10 B 157.07 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:160408B10B157.07.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 157.07

  • Bayerischer VGH München - 05.09.2007 - AZ: VGH 14 B 05.31261

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. April 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag der Kläger, ihnen Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. September 2007 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114, 121 Abs. 1 ZPO).

2 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und das Vorliegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 1. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensfehler ist nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) bzw. liegt nicht vor.

4 a) Die Beschwerde rügt zunächst als Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger lediglich dahingehend gewürdigt habe, dass sie eine allgemein gegen das Regime im Iran gerichtete exilpolitische Tätigkeit entfalten würden. Vorgetragen worden sei jedoch, dass die Tätigkeit der Kläger in Deutschland ihrer bereits im Iran bestehenden religiösen Überzeugung entspringe.

5 Diesem Vorbringen kann ein Gehörsverstoß nicht entnommen werden. Das Recht auf rechtliches Gehör soll sicherstellen, dass die zu treffende gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Berücksichtigung von Sachvortrag der Beteiligten haben. Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst deshalb die Pflicht des Gerichtes, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Der wesentliche der Rechtsverfolgung dienende Tatsachenvortrag muss erkennbar in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden. Dabei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht sich dieser Pflicht bewusst und ihr nachgekommen ist, so dass jeweils besondere Umstände vorliegen müssen, die deutlich machen, dass entscheidungserhebliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist.

6 Hierfür ist vorliegend nichts ersichtlich. Das Berufungsgericht hat das Vorbringen der Kläger ersichtlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Dabei hat es berücksichtigt, dass die Kläger sich nach ihren Angaben schon im Iran in der Öffentlichkeit als armenische Christen zu erkennen gegeben haben (vgl. UA S. 7). Soweit die Beschwerde rügt, es sei auch vorgetragen worden, dass die im Bundesgebiet entfaltete Tätigkeit der religiösen Überzeugung der Kläger entspringe, was vom Gericht noch nicht einmal ansatzweise geprüft worden sei, wendet sie sich in Wahrheit gegen die Würdigung des klägerischen Vorbringens durch das Berufungsgericht. Denn das Berufungsgericht hat sich entgegen der Auffassung der Beschwerde mit der Frage auseinander gesetzt, ob die von den Klägern in Deutschland entfaltete exilpolitische Tätigkeit, die die Beklagte zur Gewährung von Abschiebungsschutz veranlasst hat, als Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Iran bestehenden regimefeindlichen Überzeugung oder Ausrichtung einzustufen ist. Einen derartigen Zusammenhang hat es im Ergebnis - unter Berücksichtigung der bereits im Iran bestehenden Religionszugehörigkeit der Kläger - jedoch verneint (vgl. UA S. 7 f.).

7 b) Die Beschwerde hat auch keinen Erfolg, soweit sie einen Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör darin sieht, dass das Berufungsgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, obwohl es durch Parteivernahme hätte feststellen können, dass die von den Klägern entfaltete Tätigkeit ihrer religiösen Überzeugung entspringe. Mit diesem Vorbringen ist nicht substanziiert dargetan, warum die Verfahrensweise des Berufungsgerichts, ohne mündliche Verhandlung nach § 130a VwGO zu entscheiden, ermessensfehlerhaft gewesen sein soll. Die Beschwerde legt weder dar, warum sich dem Berufungsgericht eine - von den Klägern selbst nicht beantragte - Parteivernahme hätte aufdrängen müssen, noch was sie im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zur Stützung ihres Asylfolgeantrags weiter vorgetragen hätten und inwiefern dieser Vortrag zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätte führen können.

8 2. Auch die von der Beschwerde als grundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen rechtfertigen keine Zulassung der Revision. Das Vorbringen genügt insoweit schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

9 a) Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf,
„ob es sich bei § 28 Abs. 2 AsylVfG um ein Gesetz mit echter oder unechter Rückwirkung handelt“,
ohne in diesem Zusammenhang darzulegen, inwiefern diesbezüglich bei Heranziehung der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Abgrenzungskriterien (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133 m.w.N.) grundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Dessen hätte es bedurft, zumal in der vom Berufungsgericht zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. UA S. 5 f.) auch schon zu der durch das Zuwanderungsgesetz am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Vorgängerregelung einheitlich die Auffassung vertreten wurde, dass diese keine echte Rückwirkung, sondern eine tatbestandliche Rückanknüpfung beinhalte, die die verfassungsrechtlichen Schranken einer unechten Rückwirkung wahre.

10 b) Auch die weiter aufgeworfenen Fragen zur Auslegung des § 28 Abs. 2 AsylVfG rechtfertigen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Die Beschwerde wirft zunächst die Frage auf, „welche Konstellationen vom Regelausschluss der Flüchtlingsanerkennung nach § 28 Abs. 2 AsylVfG ausgenommen bzw. nicht ausgenommen sein sollen bzw. ob die Annahme des VGH zutrifft, dass nach § 28 Abs. 2 wie nach Abs. 1 AsylVfG die an sich ausgeschlossene Berücksichtigung selbst geschaffener Nachfluchtgründe entgegen der Regel doch zur Flüchtlingsanerkennung führen können (gemeint: kann), wenn sie entweder im Konnex mit entsprechenden Vorfluchtaktivitäten stehen oder dieser Konnex wegen des Alters und Entwicklungsstandes des Ausländers vor seiner Ausreise sogar entbehrlich ist“. Die Beschwerde zeigt indessen nicht in einer den gesetzlichen Darlegungsanforderungen entsprechenden Weise auf, dass diese Problematik der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Sie setzt sich zunächst nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht zugunsten der Kläger offen gelassen hat, ob mit der Neufassung des § 28 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 die Voraussetzungen für die Annahme eines die Sperrwirkung des § 28 Abs. 2 AsylVfG beseitigenden Ausnahmefalles gelockert werden sollten (vgl. UA S. 6). Insbesondere berücksichtigt sie nicht die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass nicht erkennbar sei, dass die exilpolitische Betätigung der Kläger Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Iran bestehenden Überzeugung oder Ausrichtung sei, geschweige denn, dass sie sich im Iran - im Sinne einer im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung - bereits vor ihrer Ausreise politisch auffällig verhalten oder eine feste regimekritische Überzeugung geäußert hätten (vgl. UA S. 7). Welcher darüber hinausgehende Ausnahmegrund vom Regelausschluss des § 28 Abs. 2 AsylVfG im Fall der Kläger in Betracht kommen sollte, wird von der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Soweit sie für klärungsbedürftig hält, ob ein Zusammenhang von selbst geschaffenen Nachfluchtgründen mit entsprechenden Vorfluchtaktivitäten „wegen des Alters und des Entwicklungsstandes des Ausländers vor seiner Ausreise“ entbehrlich ist, zeigt sie nicht auf, dass diese Voraussetzungen hier gegeben sind. Auch soweit sie für klärungsbedürftig hält, „wie weit eine feste, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigte Überzeugung aussehen muss“, mangelt es an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit, nachdem das Berufungsgericht schon das Bestehen einer regimekritischen Überzeugung im Heimatland in Frage gestellt hat. Soweit schließlich geklärt werden soll, „ob eine bereits im Heimatland bestehende religiöse Überzeugung, die sich dann in Deutschland in entsprechenden Tätigkeiten äußerte, einen Ausnahmefall darstellt“, übersieht die Beschwerde, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass sich die allgemein gegen das Regime im Iran gerichtete exilpolitische Tätigkeit der Kläger gerade nicht als Ausdruck und Fortsetzung ihrer Religionszugehörigkeit darstelle (vgl. UA S. 8).

11 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Satz 1 RVG.