Beschluss vom 16.02.2010 -
BVerwG 4 BN 58.09ECLI:DE:BVerwG:2010:160210B4BN58.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 16.02.2010 - 4 BN 58.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2010:160210B4BN58.09.0]

Beschluss

BVerwG 4 BN 58.09

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Februar 2010
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin gegen den Beschluss des Senats vom 9. September 2009 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge bleibt ohne Erfolg. Der Senat hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Sie hat daher keinen Anspruch nach § 152a Abs. 1 Satz 1 VwGO auf Fortführung des Verfahrens.

2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gibt dem an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten ein Recht darauf, dass er Gelegenheit erhält, im Verfahren zu Wort zu kommen, namentlich sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern, Anträge zu stellen und diese zu begründen. Dem entspricht die grundsätzliche Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Gerichte sind aber nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen einer Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden (stRspr).

3 Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegt darüber hinaus besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen. Insbesondere ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen und in der Begründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 133 Abs. 3 VwGO). Somit unterliegt ein Beschwerdeführer bei einer Nichtzulassungsbeschwerde den gegenüber anderen Verfahrensstadien weitergehenden Darlegungserfordernissen dieses Rechtsmittels. Ferner ist das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht nur - wie jedes andere Gericht - nicht verpflichtet, auf jedes Vorbringen im Einzelnen einzugehen. Vielmehr sieht § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ausdrücklich vor, dass der Beschluss lediglich „kurz begründet“ werden „soll“. Das gilt ungeachtet des Umfangs der Beschwerdeschrift. Von einer Begründung kann sogar ganz abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.

4 Bei Anwendung dieser Maßstäbe liegt kein Gehörsverstoß vor. Der Senat hat die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin in vollem Umfang zur Kenntnis genommen. Davon geht die Antragstellerin im Übrigen selbst aus (S. 8 der Anhörungsrüge). Der Senat hat in seinem Beschluss vom 9. September 2009 sodann näher begründet, warum die Nichtzulassungsbeschwerde ohne Erfolg bleiben musste.

5 Die Antragstellerin hat in der Nichtzulassungsbeschwerde, wie sie auch in der Anhörungsrüge ausdrücklich hervorhebt (S. 8), ausschließlich Verfahrensrügen erhoben. Der Senat hat die Zielrichtung dieser Rügen im Beschluss vom 9. September 2009 näher dargestellt (Rn. 2). Sämtliche Rügen genügten jedoch nicht den in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Anforderungen an Verfahrensrügen gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Dies hat der Senat in seinem Beschluss vom 9. September 2009 begründet (Rn. 3). Er hat insbesondere darauf hingewiesen, dass die Beschwerde sich im wesentlichen darin erschöpft hat, den Urteilsgründen des Oberverwaltungsgerichts die von der Planung der Antragsgegnerin in vielen Punkten abweichenden Vorschläge der Antragstellerin entgegen zu stellen.

6 Die Anhörungsrüge ergibt nicht, dass der Senat in seinem Beschluss vom 9. September 2009 den Vortrag der Antragstellerin nicht sachgerecht zur Kenntnis genommen und gewürdigt hätte. Wenn die Antragstellerin bemängelt, dass eine Aufklärung der die Verfahrensmängel begründenden Tatsachen seitens des Bundesverwaltungsgerichts unterblieben ist (vgl. u.a. S. 1 der Anhörungsrüge), verkennt sie, dass es nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts ist, die Tatsachen, die zu der angegriffenen Bauleitplanung geführt haben, aufzuklären.

7 Die Antragstellerin meint weiterhin, die von ihr näher aufgeführten Gründe (S. 3 bis 5 der Anhörungsrüge) führten „logisch und zwingend“ dazu, dass die Antragsgegnerin das Baugebiet in anderer Weise überplanen und insbesondere eine andere straßenmäßige Erschließung hätte festsetzen müssen. Damit wird jedoch nur eine im Ergebnis andere Rechtsauffassung vorgetragen, nicht jedoch eine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Insbesondere wird damit eine Aktenwidrigkeit der Feststellungen des Normenkontrollgerichts nicht dargelegt. Denn die Verfahrensrüge einer aktenwidrigen Feststellung bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen einzelnen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt bestehe ein Widerspruch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss dieser Widerspruch offensichtlich sein, so dass es keiner weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts bedarf; der Widerspruch muss also „zweifelsfrei“ sein (vgl. Beschluss vom 19. November 1997 - BVerwG 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1; Urteil vom 2. Februar 1984 - BVerwG 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <340>). Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit verlangt eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll. Diese Voraussetzungen sind erforderlich, da eine Kritik an der tatrichterlichen Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung als solche nicht als Verfahrensmangel rügefähig ist (vgl. Beschlüsse vom 2. November 1999 - BVerwG 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 und vom 4. Juli 2001 - BVerwG 4 B 51.01 -). Diesen Anforderungen hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht genügt; daran ändert auch der Vortrag in der Anhörungsrüge nichts.

8 Der unter den Nummern 3. bis 9. (S. 3 bis 5 der Anhörungsrüge) enthaltene Tatsachenvortrag stellt eine eigene tatsächliche Würdigung des Ablaufs des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens durch die Antragstellerin dar. Eine derartige von den Feststellungen des Normenkontrollgerichts zum Teil abweichende tatsächliche Würdigung in einer Nichtzulassungsbeschwerde oder einer Anhörungsrüge vermag jedoch nicht den oben umschriebenen engen Voraussetzungen an den Vortrag einer Aktenwidrigkeit zu genügen. Vielmehr schildert die Antragstellerin lediglich die Abläufe aus ihrer Sicht und macht zugleich geltend, der Senat habe dem Beschwerdevorbringen tatsächlich nachgehen und die zur Tatsachenfeststellung erforderlichen Ermittlungen anstellen müssen (S. 7 der Anhörungsrüge). Das Beschwerdegericht hat jedoch keine eigene Tatsachenermittlungen und Beweiswürdigung vorzunehmen. Dies ist vielmehr Sache des Tatsachengerichts, hier also des Oberverwaltungsgerichts. Im Übrigen zielt der Vortrag der Antragstellerin darauf, daraus die von ihr für richtig gehaltenen rechtlichen Schlussfolgerungen abzuleiten, nämlich dass die Planung der Antragsgegnerin fehlerhaft sei. Damit verlässt er jedoch den zulässigen Gegen-stand einer Verfahrensrüge.

9 Davon abgesehen räumt die Antragstellerin - wie bereits angemerkt - in ihrer Anhörungsrüge selbst ein, dass ihr Beschwerdevortrag tatsächlich zur Kenntnis genommen worden sei (S. 8 der Anhörungsrüge). Sie hält dem Senat allerdings entgegen, die beim Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung berufenen Richter hätten die in der Beschwerdebegründung dargelegten Tatsachenzusammenhänge zwar durchaus richtig erkannt, sich aber nur aus rein subjektiven sachfremden Erwägungen bzw. persönlichen Befindlichkeiten heraus ganz bewusst und pflichtwidrig geweigert, die daraus bei sachgerechter Berücksichtigung aktenmäßig eindeutig belegter Tatsachen für das Entscheidungsergebnis zwingend folgenden Rechtsfolgen abzuleiten. Insoweit ist auf den - in anderer Besetzung - ergangenen Beschluss vom 1. Dezember 2009 zu verweisen, mit dem der Befangenheitsantrag zurückgewiesen worden ist.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht; die Gerichtsgebühr ergibt sich aus Nr. 5400 KV GKG.