Beschluss vom 16.01.2008 -
BVerwG 9 B 59.07ECLI:DE:BVerwG:2008:160108B9B59.07.0

Beschluss

BVerwG 9 B 59.07

  • Bayer. VG München - 17.07.2007 - AZ: VGH 8 BV 06.1765

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 16. Januar 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vallendar und Prof. Dr. Rubel
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. Juli 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde ist unbegründet. Der Beschwerdevortrag rechtfertigt eine Zulassung der Revision nicht.

2 1. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen entscheidungserheblicher Abweichung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts sind nicht erfüllt. Eine Abweichung im Sinne dieser Vorschrift liegt nur dann vor, wenn sich der Verwaltungsgerichtshof in Anwendung derselben Rechtvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz zu einem in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch gesetzt hat; die Beschwerdebegründung muss darlegen, dass und inwiefern dies der Fall ist (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, stRspr; vgl. z.B. Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - BVerwG 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 und vom 12. Dezember 1991 - BVerwG 5 B 68.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 302). Daran fehlt es hier.

3 Die Beschwerde rügt zunächst, die angefochtene Entscheidung weiche mit der Auffassung, die Äußerung des Bayerischen Staatsministers des Innern vom 8. November 1968 und die „allgemeine Zusicherung“ des Straßenbauamts München vom 12. November 1968 seien zu unbestimmt, vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Oktober 1975 - BVerwG 4 C 66.72 - (BVerwGE 49, 244 ff.) ab. Denn ein Leitsatz dieses Urteils laute dahin, dass eine den Nachbarn von der Baugenehmigungsbehörde gegebene Zusage, dem Bauherrn „nur“ eine mit dem objektiven, nicht nachbarschützenden Baurecht übereinstimmende Baugenehmigung zu erteilen, bei Beachtung der für die verwaltungsrechtliche Zusage allgemein geltenden Grundsätze rechtsverbindlich sei. Damit lasse sich die Deduktion des Verwaltungsgerichtshofs nicht in Einklang bringen.

4 Diese Rüge genügt schon deshalb nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, weil mit ihr kein divergierender abstrakter Rechtssatz aus der angefochtenen Entscheidung bezeichnet wird. Dass die Beschwerde der Auffassung ist, der Verwaltungsgerichtshof habe die dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zu entnehmenden Maßstäbe hier unrichtig angewandt, weil er zu strenge Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit einer Zusicherung gestellt habe, reicht zur Darlegung einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Satz 2 VwGO nicht aus.

5 Entsprechendes gilt für die Rüge der Beschwerde, es liege eine Divergenz im Sinne dieser Vorschrift vor, wenn „nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen wäre, dass ein Anspruch nicht vor seinem Entstehen verjähren kann“. Auch insoweit fehlt es an der Darlegung eines divergierenden abstrakten Rechtssatzes aus der angefochtenen Entscheidung.

6 2. Entgegen der Annahme der Beschwerde hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Dies wäre nur der Fall, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Auch daran fehlt es hier.

7 a) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
ob der ressortmäßig zuständige Staatsminister wirksame Zusicherungen im Sinne des Verwaltungsverfahrensrechts gegenüber Dritten auch dann wirksam abgeben kann, wenn die Zuständigkeit durch Landesvorschrift auf nachgeordnete Behörden übertragen ist,
war in dieser Allgemeinheit für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht von Bedeutung. Dieser hat lediglich geprüft, ob in den Jahren 1968/1969 der damalige Bayerische Staatsminister des Innern für eine Zusicherung hinsichtlich des Planfeststellungsverfahrens für das Bauvorhaben B 12 (neu) sachlich zuständig war oder über ein Selbsteintrittsrecht gegenüber der zuständigen Behörde verfügte. Er hat diese Frage auf der Grundlage des damaligen bayerischen Landesrechts verneint. Da es sich dabei um nicht revisibles Recht handelt, wäre eine Klärung der Frage im angestrebten Revisionsverfahren nicht zu erwarten. Abgesehen davon erschiene ihre höchstrichterliche Klärung auch deshalb weder zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung noch zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten, weil sich die Rechtslage durch das Inkrafttreten des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes und der in ihm enthaltenen ausdrücklichen Regelung des Selbsteintrittsrechts inzwischen geändert hat.

8 b) Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage,
ob es einer Zusicherung bereits dann an hinreichender Bestimmtheit fehlt, „wenn konkrete Maßnahmen (weder im Hinblick auf ihre ‚Vertretbarkeit’, auf ihre zeitliche Reichweite und auf den darauf anzuwendenden Maßstab) zugesagt sind“,
war, soweit sich dieser Formulierung überhaupt ein Sinn entnehmen lässt, für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in solcher Abstraktheit ebenfalls nicht von Bedeutung. Er hat vielmehr nur im Rahmen der Auslegung der „allgemeinen Zusicherung“ des Straßenbauamts vom 12. November 1968 geprüft, ob diese dann, wenn man sie so umfassend wie die Klägerin verstanden wissen wolle, noch hinreichend bestimmt gewesen wäre. Dies ist eine Frage der konkreten Sachverhaltswürdigung, die sich einer generellen Klärung im Revisionsverfahren entzieht.

9 c) Die von der Beschwerde schließlich als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage,
ob ein Anspruch schon zu einem Zeitpunkt verwirkt werden kann, zu dem er noch nicht entstanden ist,
war für die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht von Bedeutung. Denn dieser ist bei der Annahme, die behaupteten Ansprüche der Klägerin wären jedenfalls heute als verwirkt anzusehen, davon ausgegangen, dass diese Ansprüche spätestens kurz nach der Verkehrsfreigabe der B 12 (neu) im Jahre 1972 entstanden wären. Dass die Klägerin diese rechtliche Würdigung des Sachverhalts für unzutreffend hält, ist im Zusammenhang mit der Grundsatzrüge unerheblich. Abgesehen davon ist die genannte Rechtsfrage durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im verneinenden Sinne geklärt (vgl. Urteil vom 23. Mai 1975 - BVerwG 4 C 73.73 - BVerwGE 48, 247 <250>).

10 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG.