Beschluss vom 15.12.2015 -
BVerwG 8 C 9.15ECLI:DE:BVerwG:2015:151215B8C9.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.12.2015 - 8 C 9.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:151215B8C9.15.0]

Beschluss

BVerwG 8 C 9.15

  • VG Frankfurt am Main - 14.03.2013 - AZ: VG 5 K 2071/12.F
  • VGH Kassel - 09.01.2014 - AZ: VGH 6 A 1999/13

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Dezember 2015
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen das Urteil des Senats vom 22. Juli 2015 - 8 C 7.14 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

1 Über die Anhörungsrüge entscheidet der Senat nach § 10 Abs. 3 Halbs. 2 VwGO in der Besetzung mit drei Richtern (BVerwG, Beschluss vom 17. August 2007 - 8 C 5.07 - Buchholz 310 § 152a VwGO Nr. 4). Die im Einzelfall zuständigen Senatsmitglieder sind dem bei Entscheidung geltenden Geschäftsverteilungsplan unabhängig davon zu entnehmen, ob sie an der mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2007 - 8 C 17.07 - juris Rn. 1).

2 Die Anhörungsrüge hat keinen Erfolg. Das Urteil vom 22. Juli 2015 verletzt den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht in entscheidungserheblicher Weise (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Im gerichtlichen Verfahren gewährleisten Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO den Beteiligten das Recht, sich vor der Entscheidung zu allen dafür erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen zu äußern. Rechtlich erhebliches Vorbringen der Beteiligten muss das Gericht zur Kenntnis nehmen und in Erwägung ziehen (stRspr, vgl. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 <216>). Auf einen rechtlichen Gesichtspunkt, mit dessen Erheblichkeit ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem Prozessverlauf nicht rechnen musste, darf es seine Entscheidung nicht ohne vorherigen Hinweis stützen (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerfGE 84, 188 <190>).

3 Gemessen an diesen Kriterien verletzt das Urteil vom 22. Juli 2015 das Recht der Klägerin auf rechtliches Gehör nicht. Insbesondere stellt es sich nicht als unzulässige Überraschungsentscheidung dar, weil es, wie die Klägerin meint, auf einen Gesichtspunkt gestützt ist, auf den der Senat "vor dem Tag der mündlichen Verhandlung und Urteilsverkündung zu keinem Zeitpunkt hingewiesen hatte".

4 Der Senat hat der Klägerin in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben, zum Nachweiserfordernis des § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 2 EEG 2009 und damit sowohl zu Umfang und Art der zu erbringenden Nachweise als auch zum Zeitpunkt, wann diese Nachweise spätestens vorzuliegen haben, Stellung zu nehmen (UA Rn. 29). Dabei hat er auch auf die Möglichkeit der nun dem Urteil zugrunde liegenden Auslegung hingewiesen und diese mit den Beteiligten erörtert.

5 Es bedurfte weder eines früheren Hinweises noch einer Vertagung oder Einräumung einer Schriftsatzfrist, um der Klägerin einen erschöpfenden und sachgerechten Vortrag zu ermöglichen. Allerdings kann eine Vertagung oder die Einräumung einer Schriftsatzfrist auf Antrag eines Beteiligten geboten sein, wenn das Gericht in der mündlichen Verhandlung erstmals auf neue, aus seiner Sicht entscheidungserhebliche Gesichtspunkte tatsächlicher oder rechtlicher Art hinweist, mit denen der Beteiligte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens schlechterdings nicht zu rechnen brauchte (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 1999 - 7 B 155.99 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 29 S. 4). Eine Vertagung oder einen Schriftsatznachlass hat die Klägerin nicht beantragt (UA Rn. 29). Die die Zurückweisung der Revision tragenden Argumente des Senats zum Nachweiserfordernis des § 41 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 und 2 EEG 2009 stellen zudem keine Gesichtspunkte dar, mit dem die Klägerin nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens schlechterdings nicht zu rechnen brauchte. Über Art und Umfang des Nachweiserfordernisses haben die Beteiligten sich ausweislich der Tatbestände der erst- und zweitinstanzlichen Urteile jedenfalls seit Beginn des gerichtlichen Verfahrens ausgetauscht. Schriftsätzlich hat die Klägerin insoweit zuletzt am 1. Juni 2015 vorgetragen. Die Bedeutung der materiellen Ausschlussfrist für das rechtliche Schicksal des von ihr vorliegend verfolgten Anspruchs musste der Klägerin aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des Senats zu der § 43 Abs. 1 EEG 2009 inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 16 Abs. 6 EEG 2004 (BVerwG, Urteile vom 31. Mai 2011 - 8 C 52.09 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 1, vom 10. Dezember 2013 - 8 C 24.12 - juris Rn. 15 ff. und vom 10. Dezember 2013 - 8 C 25.12 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 2 Rn. 16 ff.) bewusst sein. Dort hatte der Senat aus Sinn und Zweck des Nachweiserfordernisses abgeleitet, dass der Antrag auf Strommengenbegrenzung nebst allen erforderlichen Nachweisen bis zum Ablauf der Ausschlussfrist gestellt werden muss, damit die zuständige Behörde über alle derartigen in rechnerischem Zusammenhang stehenden Anträge zeitnah und einheitlich entscheiden kann, die Begrenzungsentscheidung darf danach nicht auf Prognosedaten gestützt werden, sondern muss auf einer verlässlichen unternehmensspezifischen Tatsachengrundlage getroffen werden.

6 Dem entspricht es, nicht nur formal unvollständige Anträge für eigenständige Unternehmen an der Ausschlussfrist scheitern zu lassen, sondern, wie im streitgegenständlichen Fall, auch Anträge für selbständige Unternehmensbereiche, wenn die Nachweise über die dort verbrauchte Strommenge entgegen § 41 Abs. 1 und 2 EEG 2009 der gemäß § 41 Abs. 5 EEG 2009 entsprechend anzuwenden ist, nicht fristgerecht und vollständig übersandt wurden. Da der Begriff des Nachweises im Sinne eines die Überprüfung ermöglichenden Belegs verstanden werden kann, musste die Klägerin auch mit einer Auslegung des § 41 Abs. 1 und 2 i.V.m. Abs. 5 EEG 2009 rechnen, nach der die Mitteilung von Schätzwerten nur dann zum Nachweis des Strommengenverbrauchs im selbständigen Betriebsteil genügen konnte, wenn die tatsächlichen Grundlagen und die Methode der Schätzung mitgeteilt wurden. Dass dies ebenfalls bis zum Fristablauf zu geschehen hatte, lag nach der zitierten gefestigten Rechtsprechung zum Sinn und Zweck der materiellen Ausschlussfrist nahe.

7 Aus den genannten Gründen, und weil die Klägerin sich überdies zum Nachweiserfordernis in der mündlichen Verhandlung in der Sache eingelassen hat, war schließlich eine Vertagung und die Einräumung einer Schriftsatzfrist von Amts wegen unter dem Gesichtspunkt der prozessualen Fürsorge nicht geboten. Ein Gehörsdefizit für die Klägerin hat sich dem Senat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung und der Verkündung der Entscheidung nicht aufgedrängt.

8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.