Beschluss vom 15.08.2006 -
BVerwG 1 B 61.06ECLI:DE:BVerwG:2006:150806B1B61.06.0

Beschluss

BVerwG 1 B 61.06

  • Niedersächsisches OVG - 25.01.2006 - AZ: OVG 10 LB 34/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. August 2006
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Eckertz-Höfer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Richter und die Richterin
am Bundesverwaltungsgericht Beck
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 25. Januar 2006 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den gesetzlichen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

2 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird, die im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangen die Bezeichnung einer konkreten Rechtsfrage, der in einem Revisionsverfahren entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen würde, sowie einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung als grundsätzlich bedeutsam rechtfertigen soll. Die Beschwerde muss erläutern, dass und inwiefern die Revisionsentscheidung zur Klärung einer bisher höchstrichterlich noch nicht beantworteten fallübergreifenden Rechtsfrage führen kann. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

3 Die Beschwerde wirft keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf, sondern formuliert mehrere Grundsätze zum Beweisrecht, insbesondere zur Einschränkung des Gebots der freien Beweiswürdigung, die von der Rechtsprechung offenbar übernommen werden sollen. Diese Grundsätze gehen im Wesentlichen dahin, dass sich das Verwaltungsgericht bei der ausländerrechtlichen Prüfung, wie lange eine eheliche Lebensgemeinschaft bestanden hat, grundsätzlich nur auf die Angaben der Eheleute stützen darf. Die Beschwerde legt allerdings schon nicht dar, welche beweisrechtlichen Grundsätze in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher entwickelt worden sind. Sie legt ferner nicht dar, inwiefern der Entscheidungsfall Anlass bietet, diese Grundsätze im Sinne der Beschwerde weiterzuentwickeln. So geht die Beschwerde nicht darauf ein, dass sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung vorrangig auf die Angaben des Klägers und seiner Ehefrau gestützt hat und lediglich ergänzend das Zeugnis eines Wohnungsvermieters gewürdigt hat (UA S. 12 ff.).

4 Im Übrigen sind die Grundsätze des Beweisrechts in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Danach sind die von der Beschwerde geforderten Beweisregeln mit dem im Verwaltungsrechtsstreit geltenden Beweisrecht unvereinbar. Die Verwaltungsgerichtsordnung gibt dem Verwaltungsgericht auf, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 86 Abs. 1 VwGO). Sie überlässt es dem Gericht, welcher Beweismittel es sich zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts bedienen will (vgl. auch § 96 Abs. 1 VwGO). Die in Betracht kommenden Beweismittel sind grundsätzlich einander gleichwertig (vgl. dazu Beschluss vom 18. Juli 1997 - BVerwG 5 B 156.96 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 281 m.w.N.). Allerdings ist die Vernehmung eines Beteiligten (§ 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO), anders als von der Beschwerde gefordert, im Verwaltungsprozess ein subsidiäres Beweismittel zur Aufklärung des Sachverhalts, das grundsätzlich erst dann in Betracht kommt, wenn die Beweisaufnahme nach Ausschöpfung aller anderen Beweismittel Zweifel offen lässt (vgl. Beschluss vom 16. Juli 1996 - BVerwG 3 B 44.96 - Buchholz 418.00 Nr. 95 m.w.N.). Seine abschließende Entscheidung trifft das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Überzeugungsgewissheit hat sich das Gericht dabei grundsätzlich ohne Bindung an Beweisregeln zu verschaffen (Gebot der freien Beweiswürdigung, vgl. etwa Urteile vom 31. Januar 1989 - BVerwG 9 C 54.88 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 213 und vom 8. Februar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - BVerwGE 122, 376 <384>). Diesen Grundsätzen widersprechen die von der Beschwerde postulierten Beweisregeln.

5 2. Soweit die Beschwerde als Verfahrensmangel geltend macht, das Berufungsgericht habe „gegen den Überzeugungsgrundsatz“ verstoßen, genügt diese Rüge ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Die Beschwerde beanstandet sinngemäß, dass sich das Berufungsgericht nicht an die Beweisregeln gehalten habe, die sie für richtig hält. Dieser Vorwurf geht schon deshalb fehl, weil es - wie ausgeführt - derartige Beweisregeln nicht gibt. Mit ihren Ausführungen greift die Beschwerde in Wahrheit die dem Tatrichter vorbehaltene Sachverhalts- und Beweiswürdigung als ihrer Ansicht nach unzutreffend an. Sie verkennt dabei, dass etwaige Mängel der Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO grundsätzlich - und so auch hier - dem materiellen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzurechnen sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266 m.w.N.). Etwas anderes mag allenfalls bei einer von Willkür geprägten Beweiswürdigung, etwa bei offensichtlich widersprüchlichen oder aktenwidrigen Feststellungen sowie bei Verstößen gegen Natur- und Denkgesetze gelten. Dass die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an derartigen Fehlern leidet, zeigt die Beschwerde indes nicht auf.

6 Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.