Beschluss vom 15.05.2002 -
BVerwG 8 B 27.02ECLI:DE:BVerwG:2002:150502B8B27.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 15.05.2002 - 8 B 27.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:150502B8B27.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 27.02

  • VG Gera - 29.11.2001 - AZ: VG 5 K 1053/98 GE

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Mai 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G o l z e und P o s t i e r
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 29. November 2001 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 204 516,75 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision ist begründet.
1. Zwar ist der von der Beschwerde geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht ordnungsgemäß dargetan, weil die Beschwerde keinen abstrakten Rechtssatzwiderspruch zwischen den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und dem angefochtenen Urteil darlegt (vgl. zu den Anforderungen an die Darlegung einer Divergenzrüge u.a. Beschluss vom 1. September 1997 - BVerwG 8 B 144.97 - Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 <11>). Vielmehr rügt die Beschwerde in Wahrheit die fehlerhafte Anwendung der vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssätze. Damit kann eine Divergenzrüge aber nicht erfolgreich begründet werden.
2. Die weiter von der Beschwerde erhobene Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist jedoch begründet. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verstoß gegen die Pflicht des Verwaltungsgerichts, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt vor. Damit hat das Verwaltungsgericht zugleich gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) verstoßen, der das Tatsachengericht u.a. verpflichtet, bei Bildung seiner Überzeugung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt auszugehen (stRspr; vgl. Urteile vom 18. Juli 1986 - BVerwG 4 C 40.82 bis 45.82 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 181 und vom 18. Mai 1990 - BVerwG 7 C 3.90 - BVerwGE 85, 155 <158>).
Das Verwaltungsgericht ist entscheidungstragend davon ausgegangen, "dass der hier streitgegenständliche Vorgang durch den Einsatz staatlicher Machtmittel im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG gezielt manipuliert wurde, um eine Situation herbeizuführen, in der die Klägerin - wie sie angab: zermürbt und damit subjektiv beeinflusst – (das Grundstück) veräußerte". Diese Überzeugung hat das Verwaltungsgericht neben der Auswertung der Akten im Wesentlichen aus den Aussagen der Zeugen Dr. M. und Dr. M. sowie aus der schriftlichen Stellungnahme des bereits verstorbenen früheren Bürgermeisters F. gewonnen. Im Hinblick darauf, dass die Zeugen Dr. M. und Dr. M. die manipulativen Vorgänge nicht aus eigenem Erleben schildern konnten, sondern sich lediglich auf Äußerungen Dritter bezogen haben, und weiter im Hinblick darauf, dass der Zeuge F. vom Gericht nicht mehr persönlich befragt werden konnte, musste sich dem Gericht auch ohne einen förmlichen Beweisantrag aufdrängen, die von den Zeugen angeführten und namentlich benannten Personen, die an dem Geschehen unmittelbar beteiligt gewesen sein sollen, als weitere Zeugen zu ermitteln und zu vernehmen. Dies gilt insbesondere für die frühere Vorsitzende des Rates des Kreises, Frau von R., sowie den Vater der Beigeladenen, Herrn S., die angeblich auf den früheren Bürgermeister F. Druck ausgeübt haben sollen. Auch die Ermittlung und Vernehmung des Herrn L., der im vorliegenden Zusammenhang als Kontaktmann des Ministeriums für Staatssicherheit zur Beigeladenen tätig gewesen sein soll, musste sich dem Gericht bei Beachtung der Verpflichtung aus § 86 Abs. 1 VwGO aufdrängen. Allein die wenig konkreten Angaben der mittelbaren Zeugen und die eher spekulative Auswertung des Berichts der "IM Monika" reichen demgegenüber für eine ordnungsgemäße Überzeugungsbildung nicht aus.
Der Senat hat im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch gemacht und das angefochtene Urteil ohne vorherige Zulassung der Revision aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 13, 14 GKG.