Beschluss vom 14.12.2005 -
BVerwG 8 B 15.05ECLI:DE:BVerwG:2005:141205B8B15.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.12.2005 - 8 B 15.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:141205B8B15.05.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 15.05

  • VG Frankfurt/Oder - 27.09.2004 - AZ: VG 5 K 1240/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Dezember 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht G ö d e l , den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a g e n k o p f und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. H a u s e r
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) vom 27. September 2004 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 57 557,75 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde des Beigeladenen zu 1 ist begründet. Es liegt ein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

2 1. Die Revision ist allerdings nicht wegen der behaupteten Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Es fehlt insoweit schon an einer ordnungsgemäß erhobenen Rüge. Die Divergenzrüge setzt die Herausarbeitung eines abstrakten Rechtssatzes voraus, der die angefochtene Entscheidung trägt und einem solchen Rechtssatz in einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts widerspricht. Einen abstrakten Rechtssatz dieser Art in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) bezeichnet die Beschwerde nicht. Soweit sie sich mit der Redlichkeit des Beigeladenen zu 1 auseinander setzt, greift sie vielmehr das Ergebnis der Rechtsanwendung und gerichtlichen Wertung im Einzelfall an, nicht jedoch die ihr zu Grunde liegenden abstrakten Rechtssätze.

3 2. Die Beschwerde rügt aber zu Recht, dass das Verwaltungsgericht seiner gesetzlichen Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts, § 86 Abs. 1 VwGO, nicht ausreichend nachgekommen ist. Zu den konkreten Umständen des Eigenheimerwerbs und der damaligen Verwaltungspraxis der Gemeinde Z. hat es keinen weiteren Beweis erhoben, obwohl sich ihm eine solche Beweiserhebung nach Lage der Dinge aufdrängen musste.

4 Zu seiner Überzeugung von der Unredlichkeit des Beigeladenen zu 1 gelangt das Verwaltungsgericht zwar in erster Linie durch eine Auslegung der Regelungen zur Wohnraumlenkung. Es nimmt allerdings zugleich, die Entscheidung tragend an, dass eine Wohnraumzuweisung nach der damaligen Verwaltungspraxis nicht hätte erteilt werden dürfen und damit ein Erwerb des Eigenheims ausgeschlossen gewesen sei. Hierzu verweist das Verwaltungsgericht auf die Mitteilung des Amtes P. vom 17. Juli 1996. Der Beigeladene zu 1 hatte sich jedoch schon im Widerspruchsverfahren mit dem Inhalt der Mitteilungen des Amtes substantiiert auseinander gesetzt und damit einen ausreichenden Anlass zu weiteren Sachverhaltsermittlungen begründet. Dieser bestand umso mehr, als der Mitteilung vom 17. Juli 1996 nur ein geringer Erkenntniswert zukommt. Denn es ist ihr nicht zu entnehmen, aufgrund welcher Erkenntnisquellen sie erstellt wurde, weshalb dem Gericht eine Würdigung ihres Inhalts nicht hinreichend möglich gewesen ist. Kam der Verwaltungspraxis nach der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserhebliche Bedeutung zu, durfte es sich mit der im Urteil herangezogenen Mitteilung nicht begnügen.

5 Als weiterem Beweismittel kommt insbesondere die Aussage der damaligen Mitarbeiterin St. des Rates der Gemeinde Z. Bedeutung zu. Nach den vorliegenden Verwaltungsakten und dem Vortrag des Beigeladenen zu 1 war sie in ihrer Funktion als Leiterin der zuständigen Abteilung unmittelbar am verwaltungsbehördlichen Verfahren beteiligt. Es wären daher von ihr konkrete Angaben zur Praxis der Wohnraumzuweisung in der Gemeinde zu erwarten gewesen. Auch zur Behandlung von aktuell nicht mehr bewohnbaren Räumlichkeiten sollte sie Kenntnisse besitzen. Darüber hinaus hätte sie möglicherweise aus eigenem Erleben den Ablauf des konkreten Verwaltungsverfahrens schildern und Angaben dazu machen können, ob dem Beigeladenen zu 1 eine von der üblichen Praxis abweichende Behandlung zu Teil wurde. Da sie eigene Wahrnehmungen zum damaligen Geschehen gemacht hat, musste es sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen, ihre Erreichbarkeit als Beweismittel aufzuklären und sie als Zeugin zu vernehmen (vgl. Urteil vom 24. August 1999 - BVerwG 8 C 24.98 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 305, S. 13; Beschluss vom 30. Juni 2000 - BVerwG 7 B 31.00 - juris).

6 Zusätzlich hat der Beigeladene zu 1 bereits im Verwaltungsverfahren auf den Zeugen Sch., ein ehemaliges Vorstandsmitglied der PGH Elektroanlagen Z., hingewiesen, der nach eigenem Bekunden direkt an der Wohnungssuche des Beigeladenen zu 1 beteiligt war und deshalb mehrfach in dieser Angelegenheit bei der Gemeinde vorsprach (Bl. 169 der Verwaltungsakte). Seinen Wahrnehmungen als unmittelbar Beteiligter kommt für die Aufklärung der konkreten Umstände des Gebäudekaufs ebenfalls erhebliches Gewicht zu. Darüber hinaus können von ihm Angaben über die Bemühungen der PGH um Schaffung von Ersatzwohnraum für den vormaligen Mieter G. erwartet werden, deren Existenz und Zusammenhang mit dem Gebäudekauf bislang nicht gewürdigt wurde. Schließlich benennt der Beigeladene zu 1 in seinem letzten Schriftsatz vor der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ausdrücklich für die Verwaltungspraxis der Gemeinde die Eheleute G. als Zeugen. In welchen Zusammenhang sie Beobachtungen zum Beweisthema machen konnten, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Das Verwaltungsgericht wird auch dieser Frage weiter nachgehen müssen.

7 Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung nimmt der Senat den der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Verfahrensfehler zum Anlass, das Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

8 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.