Urteil vom 14.12.2004 -
BVerwG 2 WD 21.04ECLI:DE:BVerwG:2004:141204U2WD21.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 14.12.2004 - 2 WD 21.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:141204U2WD21.04.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 21.04

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 14. Dezember 2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Pietzner,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
sowie
Oberstleutnant Thiele,
Hauptfeldwebel Lauvers
als ehrenamtliche Richter,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Justizobersekretärin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Wehrdisziplinaranwalts gegen das Urteil der 2. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 5. Mai 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

Der 26 Jahre alte Soldat erwarb im Juni 1996 die allgemeine Hochschulreife und wurde zum 1. Juli 1996 zur Ableistung seines Grundwehrdienstes zur 2./Panzergrenadierbataillon ... in M. einberufen. Aufgrund seiner Bewerbung für den freiwilligen Dienst wurde er am 22. April 1997 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen. Seine Dienstzeit wurde zuletzt auf zwölf Jahre festgesetzt. Nach Bekanntwerden der diesem Verfahren zugrundeliegenden Vorfälle wurde auf Antrag des Soldaten seine Dienstzeit auf neun Jahre herabgesetzt. Sie endet demnach am 30. Juni 2005.

Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 30. April 2003 zum Feldwebel.

Nach Abschluss seiner Grundausbildung wurde er in die 1./Panzergrenadierbataillon ... versetzt und seitdem im Bereich S 4-Materialnachweis, zuletzt als Gerätefeldwebel und Gruppenführer eingesetzt. In der Zeit vom 2. September bis zum 21. November 1997 nahm er an der H...schule ... in W. am Unteroffizierlehrgang 1 und vom 4. Februar bis zum 30. April 2003 an der N...schule ... in O. am Feldwebellehrgang, jeweils mit der Abschlussnote „befriedigend“, teil. Von Juni bis Dezember 2000 nahm er am Auslandseinsatz der Bundeswehr im Kosovo teil. Nach Bekanntwerden der diesem Verfahren zugrundeliegenden Vorfälle wurde er von dem Dienstposten des Gerätefeldwebels und Gruppenführers abgelöst und auf einem Dienstposten z.b.V., ebenfalls im Bereich S 4, eingesetzt. Für den Zeitraum vom 4. Oktober 2004 bis 16. Juni 2005 ist er wegen Teilnahme an der dienstzeitbeendenden Berufsförderung vom militärischen Dienst freigestellt.

In der aus Anlass des gerichtlichen Disziplinarverfahrens erstellten Sonderbeurteilung vom 19. Dezember 2003 wurden die Leistungen des Soldaten in den Einzelmerkmalen einmal mit der Wertung „7“, elfmal mit der Wertung „6“ und viermal mit der Wertung „5“ beurteilt. Bei Eignung und Befähigung wurden „Verantwortungsbewusstsein“ mit der Stufe „E“ sowie „Geistige Befähigung“, „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils mit der Stufe „D“ bewertet. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird über den Soldaten ausgeführt:

„Fw L. ist eine altersgemäß gereifte Persönlichkeit und erschien bislang als ein Mensch mit starkem Charakter und klaren Wertevorstellungen. Das auch durch private Probleme hervorgerufene Dienstvergehen, welches ihm zur Last gelegt wird, erscheint vor diesem Hintergrund umso mehr unverständlich und wenig nachvollziehbar und ändert an meiner überaus positiven Gesamteinschätzung des Fw L. nichts. Vielmehr zeugt die Tatsache, dass er sein Fehlverhalten vorbehaltlos eingesteht und für sich persönlich und dienstlich deutliche Konsequenzen daraus gezogen hat, von Charakterstärke und persönlicher Einstellung, die ihm zeitweise verlorengegangen zu sein schien. Auch seine hervorragenden Leistungen während des TrÜbPl-Aufenthaltes in B. im Zeitraum Oktober/November 2003, die vor dem Hintergrund seiner verständlicherweise stark belasteten persönlichen Situation umso höher zu bewerten sind, sind deutlicher Beweis für sein Bestreben, gemachte Fehler wettzumachen und sich zu empfehlen. Ich bin überzeugt, dass ein solches Fehlverhalten sich nicht wiederholen wird und er selbst mehr als jeder andere von sich enttäuscht ist. Fw L. ist Kamerad im besten Sinne des Wortes und ist mit Leib und Seele Soldat. Er ist ein Mann mit deutlicher Perspektive, dessen Weg hin zu einer erfolgreichen militärischen ‚Karriere’ vorgezeichnet zu sein schien.

Sollte Fw L. die Chance bekommen, sich bewähren zu können und zu zeigen, dass er das in ihn gesetzte Vertrauen rechtfertigen kann, wird er dies ohne zu zögern tun.“

In seiner Stellungnahme schloss sich der Bataillonskommandeur der Beurteilung des Kompaniechefs an und hob hervor, dass der Soldat ein gestandener Portepeeunteroffizier sei, dessen Werdegang stringent zum Berufssoldaten zu führen schien. Dementsprechend bewertete er die Förderungswürdigkeit des Soldaten mit der Stufe „D“.

Der in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht als Leumundszeuge vernommene Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Major E., hat seine in der Sonderbeurteilung vom 19. Dezember 2003 gemachten Ausführungen bestätigt und hervorgehoben, dass der Soldat einer der Leistungsträger unter den Portepeeträgern seiner Einheit sei und hinsichtlich seines Leistungs- und Führungsbildes im oberen Drittel angesiedelt werden könne. Es sei hervorzuheben, dass sich der Soldat nach Begehung seiner in diesem Verfahren vorgeworfenen Verfehlungen in besonderer Weise bewährt habe. Den Antrag auf Verkürzung seiner Dienstzeit habe er aus eigenem Antrieb trotz entgegenstehender Empfehlungen seiner Vorgesetzten gestellt. Der Soldat hat dies vor dem Senat damit begründet, dass er die hier zugrundeliegenden Verfehlungen mit seinem Selbstverständnis als Soldat nicht in Einklang bringen könne.

Neben den üblichen Auszeichnungen für die Teilnahme am Auslandseinsatz wurde dem Soldaten durch den Bundesminister der Verteidigung am 10. Februar 2000 für treue Pflichterfüllung und überdurchschnittliche dienstliche Leistungen die Ehrenmedaille der Bundeswehr verliehen. Außerdem hat ihm der Bataillonskommandeur am 26. Februar 2002 in Anerkennung seiner dauerhaft herausragenden Gesamtleistung eine Leistungsstufe bewilligt.

Die Auskunft aus dem Zentralregister vom 1. Juli 2004 und der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 30. Juni 2004 enthalten keine Eintragungen.

Der Soldat ist ledig und kinderlos. Er erhält Dienstbezüge aus der 3. Dienstaltersstufe der Besoldungsgruppe A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes in Höhe von monatlich 1.820,58 € brutto und 1.571,44 € netto. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse sind geordnet.

II

III