Beschluss vom 14.11.2005 -
BVerwG 4 BN 50.05ECLI:DE:BVerwG:2005:141105B4BN50.05.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 50.05

  • Bayerischer VGH München - 18.07.2005 - AZ: VGH 2 N 01.2705

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. November 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. P a e t o w ,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. J a n n a s c h und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

- ob einem Antragsteller gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Antragsbefugnis gegen eine gemeindliche Satzung zur Änderung eines Bebauungsplans auch dann zukommt, wenn die in seinem Eigentum stehenden Grundstücke außerhalb des Geltungsbereichs dieser Änderungssatzung liegen und die in dieser Satzung festgesetzten Änderungen keine rechtlichen und tatsächlichen Auswirkungen auf seine Grundstücke haben, nur weil diese Änderung für seine Grundstücke nicht Baurecht, das ihm durch eine später für nichtig erklärte vorhergehende Änderung des Bebauungsplans entzogen worden war, ganz oder teilweise wieder gewährt und
- ob ein Eigentümer eines außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs einer Bebauungsplanänderung liegenden Grundstücks einen gemäß § 1 Abs. 7 BauGB n.F. zu berücksichtigenden abwägungserheblichen Belang dergestalt hat, dass die Gemeinde mit abwägt, ob sie das Satzungsgebiet auch auf sein Grundstück erstreckt und für dieses Festsetzungen trifft, ohne dass die beabsichtigten Änderungen irgendwelche rechtlichen oder tatsächlichen Auswirkungen auf das Grundstück des Eigentümers haben.
- ob es einen - quasi automatischen - Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer Änderungssatzung eines Bebauungsplans und der nächstfolgenden und/oder allen nachfolgenden Änderungen dieses Bebauungsplans unabhängig davon gibt, was in den folgenden Änderungen konkret zeichnerisch und textlich festgesetzt worden ist und
- ob eine Änderungssatzung eines Bebauungsplans unabhängig von ihren konkreten Festsetzungen automatisch und zur Gänze rechtswidrig ist, nur weil sie auf einigen außerhalb ihres Satzungsgebiets liegenden Grundstücken Festsetzungen einer früheren, später nachträglich für nichtig erklärten Änderungssatzung nicht ändert,
würden sich in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder davon ausgegangen, dass es unabhängig von den konkreten Festsetzungen einen quasi automatischen Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen einer Änderungssatzung und den nachfolgenden Änderungen dieses Bebauungsplans gibt, noch hat er allein darauf abgestellt, dass die 3. Änderung für die außerhalb ihres räumlichen Geltungsgebiets liegenden Grundstücke die Festsetzungen der für nichtig erklärten 2. Änderung nicht geändert hat. Maßgebend für die Annahme, dass die rechtskräftig für die 2. Änderungssatzung festgestellten Nichtigkeitsgründe in gleicher Weise der 3. Änderungssatzung anhaften, war vielmehr, dass die 3. Änderung die mit der 2. Änderung eingeleitete Planungskonzeption fortschreibe und es für die Grundstücke der Antragsteller bei den Baurechtsbeschränkungen belasse, die zur Nichtigkeit der 2. Änderung geführt hätten (BA S. 8). Die mit der 2. Änderung eingeleitete Planungskonzeption habe darin bestanden, durch die Reduzierung und Festschreibung des Baurechts auf den vorgefundenen Baubestand Anreize für bauwillige Gewerbetreibende zu schaffen, städtebauliche Verträge zur Mitfinanzierung der geplanten Erschließungsmaßnahmen abzuschließen; denjenigen Grundstückseigentümern, die sich darauf einlassen würden, hätte sodann in weiteren Planungsschritten wieder ein größeres Maß der baulichen Nutzung eingeräumt werden sollen. Das ist in der 3. Änderung des Bebauungsplans nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs auch tatsächlich geschehen (vgl. BA S. 3 f., 8). Die auf dieser Grundkonzeption beruhende 2. Änderung des Bebauungsplans hat der Verwaltungsgerichtshof in einem früheren Normenkontrollverfahren rechtskräftig für nichtig erklärt, weil die vollständige Beseitigung der nicht ausgenutzten Baurechte städtebaulich nicht erforderlich im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB gewesen sei und unabhängig davon hierin ein nicht behebbarer Abwägungsmangel im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB gelegen habe. Dass der 3. Änderungssatzung bei deren Erlass neben der Fortschreibung dieser Planungskonzeption eine von der Wirksamkeit der 2. Änderungssatzung unabhängige, die Erforderlichkeit im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB selbständig tragende städtebauliche Konzeption zugrunde gelegen habe, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Dass dies auf einer Verletzung der Aufklärungspflicht beruhe, macht die Beschwerde nicht geltend. Inwiefern die im Wesentlichen auf die Fortschreibung der planerischen Grundkonzeption abstellende Begründung für den Zusammenhang zwischen der 2. und 3. Änderung des Bebauungsplans Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen sollte, zeigt die Beschwerde nicht auf.
ob es ermessengerecht ist, in einem Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan Grundstückseigentümer nicht nach § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO i.V.m. § 65 Abs. 1 VwGO beizuladen, denen die Gefahr droht, dass für sie günstige Festsetzungen für unwirksam erklärt werden,
wäre in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn der Verwaltungsgerichtshof die Eigentümer der im Gebiet der 3. Änderungssatzung gelegenen Grundstücke hätte beiladen müssen, würde der im Unterlassen der Beiladung liegende Verfahrensfehler - wie bereits dargelegt - mangels Beschwer der Antragsgegnerin nicht zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses führen.
ob und unter welchen Voraussetzungen eine Gemeinde im Falle einer stattgebenden Normenkontrollentscheidung gehindert ist, einen inhaltsgleichen Bebauungsplan neu zu erlassen,
würde sich in dieser Allgemeinheit in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Das gilt auch für die weiteren zu diesem Thema formulierten Fragen. Der Verwaltungsgerichtshof hat aus der stattgebenden Normenkontrollentscheidung vom 23. August 2002 kein generelles Verbot, einen inhaltsgleichen Bebauungsplan neu zu erlassen, hergeleitet, sondern lediglich das Verbot, einen solchen Bebauungsplan rückwirkend in Kraft zu setzen (vgl. BA S. 8). Zudem ist die stattgebende Normenkontrollentscheidung, deren Rechtskraftwirkung in Rede steht, noch auf der Grundlage des § 47 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Baugesetzbuchs und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 - BauROG) vom 18. August 1997 (BGBl I S. 2081) ergangen. Das BauROG hatte die - durch das Gesetz zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz Bau - EAG Bau) vom 24. Juni 2004 (BGBl I S. 1359) nicht aufrechterhaltene - Unterscheidung zwischen der Erklärung einer Satzung für nichtig und für nicht wirksam eingeführt. Entscheidungserheblich wäre mithin nur, ob eine Gemeinde, wenn die ursprüngliche Satzung zur Änderung eines Bebauungsplans unter Geltung des § 47 VwGO i.d.F. des BauROG rechtskräftig nicht nur für nicht wirksam, sondern - wie hier - für nichtig erklärt wurde, einen inhaltsgleichen Bebauungsplan rückwirkend in Kraft setzen darf. Diese Frage bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Dass sie zu verneinen ist, ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und der bisherigen Rechtsprechung des Senats.