Beschluss vom 14.04.2003 -
BVerwG 8 B 157.02ECLI:DE:BVerwG:2003:140403B8B157.02.0

Beschluss

BVerwG 8 B 157.02

  • VG Dessau - 11.07.2002 - AZ: VG 4 A 90/02

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. April 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r , den Richter am Bundesverwaltungsgericht G o l z e und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
Dr. von H e i m b u r g
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dessau vom 11. Juli 2002 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 72 030 € festgesetzt.

Die zulässige, insbesondere unter Beachtung des § 67 Abs. 1 VwGO eingelegte Beschwerde ist begründet. Zwar kommt der Rechtssache nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu (1.), der von der Beschwerde sinngemäß gerügte Verfahrensfehler liegt aber vor. Das angefochtene Urteil kann auch auf diesem Verfahrensfehler beruhen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) (2.).
1. Die von der Beschwerde formulierte Frage,
ob die Umgestaltung des Parkgrundstücks in einen Kinderspielplatz mit befestigten Wegen und Flächen, künstlicher Bodenerhebung, Klettergerüst und befestigten Sandkästen einen erheblichen baulichen Aufwand im Sinne von § 5
Abs. 1 Buchst. a VermG darstellt,
betrifft den konkreten Einzelfall. Die den Einzelfall übergreifende abstrakte Frage, wann ein erheblicher baulicher Aufwand im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. a VermG anzunehmen ist, ist in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wiederholt behandelt worden (vgl. Urteil vom 25. September 2002 - BVerwG 8 C 25.01 - ZOV 2003, 53 <zur Veröffentlichung in Buchholz unter 428 § 5 VermG vorgesehen> m.w.N.). Einen weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Es liegt aber ein Verfahrensfehler vor, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Es ist davon ausgegangen, dass auf dem streitigen Grundstück ein Sandkasten mit Betoneinfassung und Gehwegplatten rundherum, ein Betonweg sowie Betonflächen am maßgeblichen Stichtag vorhanden gewesen seien. Weitere Baumaßnahmen seien dagegen nicht festzustellen. Die Behauptung der Beigeladenen, wonach sich zusätzlich ein Rodelberg, Stahlrohr-Klettergerüste und ein zweiter Sandkasten auf dem Grundstück befunden hätten, wäre durch das beigezogene Aktenmaterial nicht belegt. Insbesondere ergebe sich aus dem den Projektunterlagen zur Erweiterung des Kindergartens aus dem Jahre 1988 beigefügten Lageplan nicht, welche Außenanlagen bereits vorhanden gewesen seien und welche hätten noch errichtet werden sollen. Denn die Legende des Lageplans differenziere nicht zwischen vorhandenen und beabsichtigten baulichen Anlagen.
Bei dieser Ausgangslage hätte sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen müssen, die von der Beigeladenen schriftsätzlich benannten Zeugen zu vernehmen. Die Beigeladene hat nämlich - wie auch im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben wird - ausdrücklich vorgetragen, der Lageplan bezeichne den Ist-Zustand im Jahre 1988. Dafür hat sie im Schriftsatz vom 15. Mai 2002 sowie in dem weiteren in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz vom "15.05.2002" mehrere Zeugen angeboten und zugleich ausgeführt, warum diese Zeugen Angaben zum Zustand des Grundstücks an dem hier maßgeblichen Stichtag machen können.
Wenn das Verwaltungsgericht der Ansicht war, dass sich aus dem Akteninhalt die auch nach seiner Ansicht entscheidungserheblichen Tatsachen nicht eindeutig feststellen ließen, hätte es die angebotenen Zeugen vernehmen müssen und nicht unter Hinweis auf fehlende Beweisanträge eine Beweislastentscheidung zu Lasten der Beigeladenen treffen dürfen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislast nämlich nur dann, wenn alle in Betracht kommenden Beweismittel erfolglos ausgeschöpft worden sind. Gerade der Hinweis des Gerichts auf fehlende Beweisanträge macht deutlich, dass sich ihm die Erforderlichkeit weiterer Aufklärung nicht nur aufdrängen musste, sondern aufgedrängt hat. Da die in Betracht kommenden Beweismittel auch von der Beigeladenen benannt waren, durfte sich das Verwaltungsgericht nicht mit dem Hinweis auf fehlende Beweisanträge begnügen.
Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, das angefochtene Urteil ohne vorheriges Revisionsverfahren durch Beschluss aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 13, 14 GKG.