Beschluss vom 14.03.2005 -
BVerwG 7 B 3.05ECLI:DE:BVerwG:2005:140305B7B3.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.03.2005 - 7 B 3.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:140305B7B3.05.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 3.05

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 14.10.2004 - AZ: OVG 21 A 1965/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 42 500 € festgesetzt.

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Aufbereitung von Siebtrommelmaterial. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen; das Oberverwaltungsgericht hat ihre Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht darauf hingewiesen, dass der begehrten Genehmigung § 4 Abs. 2 Satz 1 der "Ordnungsbehördlichen Verordnung zur Festsetzung des Wasserschutzgebietes für das Einzugsgebiet der Wassergewinnungsanlage Auf dem Grind der Niederrheinisch Bergischen Gemeinschaftswasserwerk GmbH (Wasserwerksbetreiber) - Wasserschutzgebietsverordnung Auf dem Grind" vom 24. Februar 2003 - im Folgenden: WSGV 2003 - entgegenstehe. Den im Berufungsverfahren hilfsweise verfolgten Klageantrag festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, die beantragte Genehmigung nach der zuvor geltenden Wasserschutzgebietsverordnung des Jahres 1988 zu erteilen, hat das Oberverwaltungsgericht ebenfalls zurückgewiesen, weil auch diese Fassung der Verordnung der Genehmigungserteilung entgegengestanden hätte.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil bleibt ohne Erfolg.
Weder die Abweisung des Hauptantrages (1.) noch die des Hilfsantrages (2.) lassen die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe erkennen.
1. Soweit das Oberverwaltungsgericht das in erster Linie verfolgte Verpflichtungsbegehren als unbegründet beurteilt hat, rügt die Klägerin gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO Abweichungen von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts sowie nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs.
a) Die Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll darin liegen, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung der WSGV 2003 die Anforderungen verkenne, die Art. 103 Abs. 2 GG und der daraus folgende Grundsatz der Gesetzesbestimmtheit an Straf- oder Bußgeldnormen und an Gesetze im Allgemeinen stelle. Eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergibt sich aus diesem Vortrag nicht. Zwar nennt die Klägerin konkrete Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und bezeichnet die Passagen, mit denen das angegriffene Urteil ihrer Auffassung nach nicht vereinbar ist; sie arbeitet jedoch keine einander widersprechenden Rechtssätze des angegriffenen Urteils und der herangezogenen Entscheidungen heraus. Vielmehr begnügt sie sich mit der Rüge, dass das Oberverwaltungsgericht bei der Auslegung des Verbotstatbestandes in Ziffer 1.6 der Anlage A zu der WSGV 2003 die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur notwendigen Bestimmtheit solcher Tatbestände nicht hinreichend beachtet habe. Mit dem Hinweis auf solche vermeintlichen Subsumtionsfehler wird aber eine Divergenz im Rechtssinne nicht dargetan.
b) Eine Abweichung des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist ebenso wenig erkennbar, soweit die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts nach Auffassung der Klägerin im Widerspruch zu dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1989 - BVerwG 7 C 35.87 - (BVerwGE 84, 220 ff.) stehen sollen. Nach diesem Urteil sei eine Anlage nicht bereits dann eine solche zum Behandeln bestimmter Stoffe, wenn die in der Anlage zu behandelnden Materialien diese Stoffe enthielten oder enthalten könnten; es müsse hinzukommen, dass die Anlage für die Behandlung dieser Stoffe bestimmt sei. Mit dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die These des Berufungsgerichts, es reiche aus, wenn in der zur Genehmigung gestellten Anlage "u.a. auch diese Einsatzmaterialien verarbeitet werden sollten", unvereinbar.
Die geltend gemachte Divergenz scheidet schon deswegen aus, weil sich dem herangezogenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts der behauptete Rechtssatz nicht entnehmen lässt. Dort wurde wegen einer immissionsschutzrechtlichen Stilllegungsverfügung darum gestritten, ob in dem Genehmigungsbescheid für die betroffene Destillations- und Raffinationsanlage zur Aufarbeitung von Altölen gestattet worden war, PCB-haltige Altöle einzusetzen. In diesem Zusammenhang hat der Senat im Hinblick auf Nr. 3.2.1.2 der TA-Luft 1974 sinngemäß ausgeführt, für die Frage der Gestattung komme es nicht darauf an, dass die in der Anlage zu verbrennenden Stoffe bestimmungsgemäß PCB enthielten, sondern darauf, ob sie es tatsächlich enthielten oder enthalten könnten und ob die Anlage für deren Verbrennung bestimmt sei (a.a.O. S. 227). Diesen sich auf die gestattende Wirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung beziehenden Ausführungen lässt sich nicht auch nur ansatzweise etwas dafür entnehmen, ob der in Rede stehende landesrechtliche Verbotstatbestand der Wasserschutzgebietsverordnung nur Anlagen erfasst, in denen ausschließlich die dort genannten Stoffe verarbeitet werden, oder auch solche Anlagen, in denen das Einsatzmaterial auch solche Stoffe in relevanter Menge enthält.
c) Schließlich ist auch die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach § 108 Abs. 2 VwGO und Art. 103 Abs. 1 GG nicht feststellbar.
Dieser Verfahrensmangel soll sich daraus ergeben, dass das Oberverwaltungsgericht den Kern eines von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Arguments nicht erwogen habe. Sie - die Klägerin - habe sich darauf berufen, dass das Behandeln und das Verarbeiten von wassergefährdenden Materialien nach Nr. 59 der Anlage A zur WSGV 2003 weder verboten noch genehmigungspflichtig seien, sondern die Einschränkungen nach dieser Nummer ausschließlich den dauerhaften Einbau auf oder in den Boden, das Verfüllen, beträfen. Das Oberverwaltungsgericht hat dazu ausgeführt, es sei nicht zu erkennen, dass und inwiefern aus dieser Regelung eine "(gesamt-)systematische" Schlussfolgerung auf die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit von Anlagen zur Verarbeitung von Kraftfahrzeugschrott oder Schrotten mit Anhaftungen von wassergefährdenden Stoffen, die in der WSGV 2003 zudem eine spezielle und damit allgemeine Regelungen verdrängende Behandlung gefunden hätten, gewonnen werden könnte. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass das Gericht die Argumentation der Klägerin durchaus zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Damit ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewahrt worden; denn diese Verfahrensgarantie gebietet nicht, dass das Vorbringen der Beteiligten in der Weise gewürdigt wird, wie es der Vortragende wünscht.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang auch eine Verletzung des Willkürverbots rügt, trägt sie keinen im Rahmen des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO beachtlichen Revisionsgrund vor; vielmehr beanstandet sie die Auslegung und Anwendung materiellen Rechts, die einer Verfahrensrüge entzogen sind.
2. Hinsichtlich der Zurückweisung des hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrages rügt die Klägerin wiederum eine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Darüber hinaus beanstandet sie nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO eine mangelhafte richterliche Überzeugungsbildung und misst dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bei.
a) Die Divergenz zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll darin liegen, dass das Oberverwaltungsgericht eine Reststoffverwertungsanlage unter den Verordnungsbegriff "Abfallentsorgungsanlagen jeder Art" subsumiere, obwohl es sich bei einer Reststoffverwertungsanlage nach dem seinerzeitigen gesetzlichen Sprachgebrauch nicht um eine Abfallentsorgungsanlage gehandelt habe. Auch hier versäumt es die Klägerin, einander widersprechende Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der Begründung des angegriffenen Urteils herauszuarbeiten, und begnügt sich damit zu beanstanden, dass die Rechtsanwendung des Oberverwaltungsgerichts nicht mit den Anforderungen vereinbar sei, die das Bundesverfassungsgericht zur Gesetzesbestimmtheit aus Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitet habe. Es handelt sich daher - wie bei der in dieselbe Richtung gehenden Rüge gegen die Abweisung des Hauptantrages - um die Darlegung eines Subsumtionsmangels, der nicht die Voraussetzungen einer Abweichung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erfüllt.
b) Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang der gerügte Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO erkennbar. Dieser soll sich daraus ergeben, dass das Oberverwaltungsgericht "ohne jedwede Beweiserhebung und gegen den ausdrücklichen Vortrag der Klägerin im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren" unterstelle, auch aus der Sicht der Klägerin als Normadressatin habe bei der Auslegung des Verbotstatbestandes klar sein müssen, dass der Normgeber von einem Verständnis des Begriffs der Abfallentsorgungsanlage ausgegangen sei, das auch Reststoffverwertungsanlagen umfasse. Der gerügte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat eingehend und ohne weiteres nachvollziehbar dargelegt, dass nach Sinn und Zweck der Verbotstatbestände der WSGV 1988 nur das dem jeweiligen Stoff innewohnende Gefährdungspotential maßgeblich sein könne und nicht, ob der Stoff rechtssystematisch "richtig" als Reststoff im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 3 BImSchG a.F. eingestuft sei und im Übrigen dem "Reststoffregime" und/oder dem Abfallregime unterfalle. Im Anschluss daran hat es ebenfalls nachvollziehbar unter Hinweis auf den ohne weiteres erkennbaren Schutzzweck der WSGV 1988 dargelegt, dass der Klägerin als Normadressatin habe klar sein müssen, dass der Normgeber durch die Verwendung der Formulierung "Abfallentsorgungsanlagen jeder Art" ein gegenüber dem Abfallbeseitigungsgesetz umfassenderes Verständnis des Begriffs der Abfallentsorgungsanlage zugrunde gelegt habe. Ein Mangel richterlicher Überzeugungsbildung ergibt sich aus diesen Ausführungen nicht, insbesondere ist nicht ersichtlich, was die von der Klägerin vermisste Beweisaufnahme zu der dem Gericht obliegenden Auslegung der Verordnungsbegriffe hätte beitragen sollen. Der Umstand, dass der Klägerin oder Geschäftsleuten, die seinerzeit Anlagen zur Verwertung von Reststoffen betrieben haben, die Unterscheidung von Abfallentsorgungsanlagen und Reststoffverwertungsanlagen geläufig war, widerlegt jedenfalls nicht die Ordnungsmäßigkeit der vom Gericht gewonnenen Überzeugung, dass diese Unterscheidung angesichts des Schutzzwecks der Wasserschutzgebietsverordnung bei der Auslegung des Begriffs "Abfallentsorgungsanlagen jeder Art" für die Normadressaten erkennbar ohne Bedeutung war.
c) Schließlich weist die Rechtssache auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf. Die Frage, welche Anforderungen sich aus Art. 14 GG sowie aus Art. 12 GG - jeweils i.V.m. Art. 3 GG - an die Formulierung der Schutztatbestände einer Wasserschutzgebietsverordnung ergeben, lässt sich in dieser Allgemeinheit in einem Revisionsverfahren nicht beantworten. Ein konkreter Klärungsbedarf, der die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in diesem Zusammenhang geltend gemachten Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auf der einen Seite liegt es auf der Hand und bedarf nicht der Beantwortung in einem Revisionsverfahren, dass ein generelles Verbot, dessen Schutzzweck durch eine bloße Genehmigungspflicht erreicht werden kann, unverhältnismäßig ist; auf der anderen Seite ist es eine den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erfüllende Frage des Einzelfalls, ob das Verbot der hier betroffenen konkreten Anlage im Wasserschutzgebiet den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt.
Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG.