Verfahrensinformation

In diesem Rechtsstreit, der den Anspruch auf Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen nach § 93 BSHG betrifft, hat das Berufungsgericht die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob eine Zusage, die sich auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages bezieht, zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf.


Beschluss vom 14.03.2003 -
BVerwG 5 C 16.02ECLI:DE:BVerwG:2003:140303B5C16.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.03.2003 - 5 C 16.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:140303B5C16.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 C 16.02

  • Niedersächsisches OVG - 12.12.2001 - AZ: OVG 4 LB 596/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. März 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r gemäß § 160 VwGO
beschlossen:

  1. Den Klägern und dem Beklagten wird zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits folgender Vergleich vorgeschlagen:
  2. 1. Der Beklagte zahlt der Klägerin zu 2 zur Abgeltung der im vorliegenden Verfahren streitigen Ansprüche auf Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen für die Jahre 1992 und 1993 und hieraus folgender Zahlungsansprüche einen Betrag von 600 000 € (in Worten: sechshunderttausend Euro). Dieser Betrag ist innerhalb von 14 Tagen nach Zustandekommen des Vergleichs auszuzahlen.
  3. 2. Mit dem Vergleich sind alle wechselseitigen Ansprüche der Beteiligten aus dem Betrieb der Einrichtungen, für die im vorliegenden Verfahren der Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen im Streit stand, in den Jahren 1992 und 1993 abgegolten. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass sich aus dem Vergleich keine Ansprüche auf Änderung der für Folgejahre abgeschlossenen Pflegesatz- bzw. Entgeltvereinbarungen ergeben.
  4. 3. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Für den Vergleichsvorschlag sind folgende Erwägungen maßgeblich:
1. Dem Kläger zu 1 dürfte aus den vom Berufungsgericht bezeichneten, hinsichtlich der Vertragsauslegung das Bundesverwaltungsgericht bindenden Gründen nicht aktivlegitimiert sein. Der aus dem Betrieb einer Einrichtung folgende, dem Leistungserbringungsrecht zuzuordnende Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung (dazu BVerwGE 94, 202, 204) wird nicht als Anspruch im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 BSHG oder sonst als "höchstpersönlicher", nicht übertragbarer Anspruch zu qualifizieren sein.
2. Die Klägerin zu 2 dürfte im Ergebnis mit Blick auf die von ihr vor Vertragsschluss dem D. P. W.-verband - Landesverband N. - übermittelte Beitrittserklärung formell an die Ergänzungsvereinbarung zur Pflegesatzrahmenvereinbarung gebunden sein.
- Soweit nach §§ 13, 14 SGB X eine Bevollmächtigung juristischer Personen oder nicht rechtsfähiger Vereine ausgeschlossen sein sollte, dürfte in Zweifelsfällen eine diesen erteilte Vollmacht als dem gesetzlichen Vertreter erteilt anzusehen sein.
- Überdies erscheint für auf den Abschluss von Pflegesatz- bzw. Entgeltvereinbarungen nach § 93 BSHG (a.F.) bezogene Rahmenvereinbarungen wegen der u.a. in § 10 BSHG vorausgesetzten Unterstützungs- und Ordnungsfunktion der Verbände der freien Wohlfahrtspflege eine Anwendung der §§ 13, 14 SGB X zumindest fraglich (§ 37 SGB I); eines Rückgriffs auf die von dem Beklagten herangezogenen Gründe der formellen Geltung der Ergänzungsvereinbarung in Bezug auf den Kläger zu 1 bedürfte es dann nicht.
3. Die Ergänzungsvereinbarung, die ungeachtet ihrer rechtlichen Qualifikation im Übrigen wohl jedenfalls kein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist, dürfte im Ergebnis insgesamt und jedenfalls hinsichtlich der Regelung zur Ausschlussfrist nicht an einem qualifizierten, zur (Teil)Nichtigkeit führenden Rechtsverstoß leiden oder gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und daher dem Grunde nach auch von der Klägerin zu 2 zu beachten sein.
- Den Vertragsbeteiligten wird für die Ausfüllung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit ein breiterer Gestaltungsspielraum als einer Schiedsstelle nach § 94 BSHG einzuräumen sein (dazu BVerwGE 108, 47, 50 f.).
- Die durch die Vertragsform gewährleistete Mitwirkung der Einrichtungsträger, bei denen genauere Kenntnisse über die eigenen Kostenstrukturen und die wirtschaftliche Lage als beim Träger der Sozialhilfe vorauszusetzen sind, bietet einen wohl hinreichenden Verfahrensschutz gegen eine Nichtbeachtung des "Leistungsfähigkeitsgrundsatzes".
- Fraglich erscheint auch, ob dem an den Träger der Sozialhilfe adressierten (BVerwGE 94, 202, 204) § 93 Abs. 2 BSHG (a.F.) ein auch an die Einrichtungsträger oder ihre Vertreter gerichtetes gesetzliches Verbot entnommen werden kann, Verfahrensregelungen zuzustimmen, die im Ergebnis zu tatsächlich im Einzelfall nicht kostendeckenden Pflegesatzvereinbarungen führen können, wenn diese Verfahrensregelungen den Abschluss einer auch für jede einzelne Einrichtung kostendeckenden Pflegesatzvereinbarung ermöglicht hatten.
4. Dem Beklagten dürfte für das Jahr 1993 gegenüber dem wohl nicht verjährten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen die Berufung auf die Ausschlussfrist der Ergänzungsvereinbarung mit Blick auf die nach den für das Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts mit Rechtsbindungswirkungen abgegebenen Erklärung der vormaligen Staatssekretärin G., eine Vorlage von Selbstkostenblättern noch am 18. Februar 1994 werde als hinreichend erachtet werden, verwehrt sein.
- Diese Erklärung wird zumal mit Blick auf den Abschluss der Ergänzungsvereinbarung durch das Ministerium dem Beklagten zuzurechnen sein.
- Es begegnet erheblichen Bedenken, ob diese Erklärung dem Schriftformerfordernis unterliegt. Die Erklärung dürfte sich nicht auf den Inhalt der abzuschließenden, tatsächlich mit anderer Ausschlussfrist geschlossenen Ergänzungsvereinbarung selbst, namentlich die Verschiebung des in der Vereinbarung festzulegenden Termins für das Ende der Ausschlussfrist, beziehen und auch nicht auf den Abschluss eines gesonderten, dann formwidrigen Vertrages weisen, sondern als vorweggenommener Verzicht auf die Ausübung vertraglich zu begründender Rechte (Berufung auf die Ausschlussfrist und die Fiktion des Abschlusses einer Pflegesatzvereinbarung) zu werten sein.
- Bei unterstellter Formwidrigkeit der Erklärung könnte angesichts der besonderen Umstände des Einzelfalles eine Berufung auf das Formerfordernis als jedenfalls treuwidrig zu werten sein, zumal sich das von dem Berufungsgericht insoweit herangezogene Gleichbehandlungsproblem wegen der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannten Umstände tatsächlich wohl nicht stellte.
5. Bei unterstellter rechtlicher Beachtlichkeit der Erklärung der vormaligen Staatssekretärin G. ergibt sich dann:
- Die Klägerin zu 2 dürfte mit dem Begehren auf Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 1992 (Werkstattbereich) schon deswegen nicht durchdringen können, weil insoweit das Selbstkostenblatt unstreitig erst nach dem 18. Februar 1994 abgegeben worden ist.
- Hinsichtlich des Begehrens auf Verpflichtungen des Beklagten zum Abschluss von Pflegesatzvereinbarungen mit bestimmten täglichen Pflegesätzen für das Jahr 1993 wäre der Rechtsstreit mangels für die Spruchreife hinreichender tatsächlicher Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das dann auch befugt und auf Antrag eines Beteiligten wohl verpflichtet sein dürfte, in einer Beweiserhebung offenen Ausgangs (erneut) den Einzelheiten der abgegebenen Erklärungen näher nachzugehen. Dabei können von den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts abweichende Erkenntnisse auch für die rechtliche Beurteilung der Frage erheblich werden, ob dem Beklagten die Berufung auf die Ausschlussfrist aufgrund der Erklärungen verwehrt ist.
6. Die vorgeschlagene Zahlungssumme berücksichtigt auf der Grundlage dieser Erwägungen vor allem, dass
- der Beklagte die von der Klägerin zu 2 vorgelegten Selbstkostenblätter für das Jahr 1993 bislang nicht geprüft hat,
- mit einer Beweiserhebung offenen Ausgangs zu rechnen ist und
- auch bei einem für die Klägerin zu 2 günstigen Beweisergebnis weitere Verfahrensschritte zu folgen haben, welche die Zinsnachteile der Klägerin zu 2 weiter erhöhen.
7. Einer Erklärung der Kläger und des Beklagten wird bis zum 16. Mai 2003 entgegengesehen.

Beschluss vom 21.05.2003 -
BVerwG 5 C 16.02ECLI:DE:BVerwG:2003:210503B5C16.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 21.05.2003 - 5 C 16.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:210503B5C16.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 C 16.02

  • Niedersächsisches OVG - 12.12.2001 - AZ: OVG 4 LB 596/01

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 21. Mai 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. F r a n k e und Prof. Dr. B e r l i t
beschlossen:

  1. Das Verfahren ist durch Vergleich erledigt.
  2. Das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2001 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 4. April 2000 sind wirkungslos.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Kläger und der Beklagte haben einen gerichtlichen Vergleich (§ 106 VwGO) geschlossen, indem sie den ihnen durch Beschluss des Senats vom 14. März 2003 vorgeschlagenen Vergleich durch schriftliche Erklärungen gegenüber dem Gericht vom 7. und 9. Mai 2003 angenommen haben (§ 106 Satz 2 VwGO).
Durch den Vergleich ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt worden. Die Vorentscheidungen sind wirkungslos (§ 173 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO entsprechend).
Die Kostenentscheidung richtet sich nach der im Vergleich getroffenen Bestimmung über die Kosten (§ 160 Satz 1 VwGO). Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2 VwGO.