Beschluss vom 14.02.2002 -
BVerwG 1 DB 3.02ECLI:DE:BVerwG:2002:140202B1DB3.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 14.02.2002 - 1 DB 3.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:140202B1DB3.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 DB 3.02

In dem Verfahren hat der 1. Disziplinarsenat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Februar 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
A l b e r s und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

Die Beschwerde des früheren Regierungsobersekretärs a.D. ... gegen den Beschluss des Bundesdisziplinargerichts, Kammer XIII - ... -, vom 29. Oktober 2001 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

I


1. Durch Urteil vom 29. März 1999 erkannte das Bundesdisziplinargericht dem früheren Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt ab und bewilligte ihm einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 vom Hundert seines erdienten Ruhegehaltes auf die Dauer von sechs Monaten. Die hiergegen vom früheren Ruhestandsbeamten eingelegte Berufung wurde durch Senatsurteil vom 4. Juli 2000 zurückgewiesen. Daraufhin erhielt der frühere Ruhestandsbeamte in der Zeit vom 1. August 2000 bis zum 31. Januar 2001 Unterhaltsbeitragsleistungen.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 28. Juni 2001 hat der frühere Ruhestandsbeamte die Weiterbewilligung des Unterhaltsbeitrags um sechs Monate beantragt, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt und im Wesentlichen geltend gemacht, an seiner Gesamtsituation habe sich nichts geändert. Aufgrund seiner chronischen Erkrankung sei er als Schwerbehinderter (GdB 30) frühpensioniert worden. Als Arbeitsunfähiger stehe er dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. Er erhalte weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe. Sein Antrag auf Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt auf Darlehensbasis sei abgelehnt worden. Zwar sei die Nachversicherung durch den Dienstherrn bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) erfolgt. Nach Auskunft der Beratungsstelle der BfA seien jedoch die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente wohl nicht gegeben. Einen Rentenantrag habe er am 25. Juli 2001 gestellt. Hinsichtlich des Grundeigentums seiner Ehefrau, die ab 1. Juli 2001 Renten in Höhe von insgesamt 2 472,07 DM netto (nach Abzug der Versicherungsbeiträge) beziehe, sei ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet worden.
Mit dem Schreiben vom 28. Juni 2001 haben die Bevollmächtigten die Durchschrift eines weiteren Antrags mit Datum vom 30. Januar 2001 auf Bewilligung von Unterhaltsbeitrag für sechs Monate dem Bundesdisziplinargericht vorgelegt und dessen Bescheidung angemahnt. Nachdem seitens des Gerichts mitgeteilt worden war, dass der Eingang eines Antrags vom 30. Januar 2001 vor dem 29. Juni 2001 nicht festzustellen sei, haben die Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 9. Juli 2001 insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
2. Das Bundesdisziplinargericht hat durch Beschluss vom 29. Oktober 2001 die Verfahren zu gemeinsamer Entscheidung verbunden und die Anträge vom 30. Januar und 28. Juni 2001 als zulässig, jedoch unbegründet zurückgewiesen. Der erst Ende Juni 2001 eingegangene Antrag vom 30. Januar 2001 könne schon im Hinblick auf § 110 Abs. 3 BDO - Unterhaltsbeitragsbewilligung erst ab Antragstellung - keinen Erfolg haben. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in analoger Anwendung der entsprechenden Vorschriften lägen insoweit nicht vor. Beide Anträge seien (auch) in der Sache unbegründet. Wegen der Rentenleistung an die Ehefrau fehle es bereits an der Bedürftigkeit für die Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags. Obwohl der frühere Ruhestandsbeamte im erstinstanzlichen Urteil entsprechend belehrt worden sei, habe er auch nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, dass er sich rechtzeitig in der erforderlichen Weise um anderweitige, seinen Lebensbedarf deckende Einkünfte bemüht habe. Schließlich mangele es am Nachweis einer angeblich fortbestehenden Erwerbsunfähigkeit.
3. Gegen den ihm am 2. November 2001 zugestellten Beschluss hat der frühere Ruhestandsbeamte am 16. November 2001 Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihm auf die Dauer von zwölf Monaten einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von 75 vom Hundert seines Ruhegehalts weiterzubewilligen. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, hinsichtlich des Antrags vom 30. Januar 2001 sei ihm wegen des Verschuldens seines Verteidigers in jedem Fall Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Vorinstanz habe auch zu Unrecht allein wegen der Renteneinkünfte seiner Ehefrau eine Bedürftigkeit im Sinne des § 77 BDO verneint. Dabei sei unberücksichtigt geblieben, dass sich nicht nur der Grundbesitz seiner Frau im Zwangsversteigerungsverfahren befinde - der Zahlungsrückstand bei der ... Bausparkasse ... betrage über 15 400 DM -, sondern dass auch ihre beiden Girokonten mit 8 880 DM sowie 7 341 DM im Schuldsaldo stünden und er, der frühere Ruhestandsbeamte, nicht mehr über einen Dispositionskredit verfüge. Aus der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung vom 8. November 2001 ergebe sich, dass er aufgrund seiner multimorbidunden Gesamtkonstellation derzeit und auch zukünftig arbeitsunfähig und damit nicht vermittelbar sei; in der Zeit vom 5. bis 8. Februar 2001 sei er stationär behandelt worden. Der Vorwurf, er habe sich nicht rechtzeitig Arbeit suchend gemeldet, sei daher unbegründet. Inzwischen habe auch die BfA mit Bescheid vom 15. Januar 2002 die Bewilligung einer Erwerbsunfähigkeitsrente mangels Erwerbsminderung abgelehnt.

II


1. Die nach § 110 Abs. 6 i.V.m. § 79 BDO eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Zulässigkeit der Beschwerde richtet sich weiterhin nach dieser Vorschrift, auch wenn die Bundesdisziplinarordnung am 1. Januar 2002 außer Kraft getreten ist (Art. 27 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Bundesdisziplinarrechts vom 9. Juli 2001, BGBl I S. 1510). Dies folgt aus den Übergangsbestimmungen in § 85 des am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bundesdisziplinargesetzes, wie der Senat mit Beschluss vom 15. Januar 2002 - BVerwG 1 DB 34.01 - ausgeführt hat. Darauf wird Bezug genommen.
2. Die Beschwerde ist jedoch in der Sache nicht begründet. Das Bundesdisziplinargericht hat die Anträge des früheren Ruhestandsbeamten auf erneute Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags für insgesamt zwölf Monate (1. Februar 2001 bis 31. Januar 2002) zu Recht abgelehnt.
a) Auch nach dem In-Kraft-Treten des Bundesdisziplinargesetzes am 1. Januar 2002 richtet sich die Neubewilligung eines Unterhaltsbeitrags - wie der Senat in seinem Beschluss vom 15. Januar 2002, a.a.O., näher dargelegt hat - nach dem bisher geltenden Recht (§§ 110, 77 BDO), wenn die Erstbewilligung auf § 77 BDO beruht. Das ist hier der Fall. Die erstmalige Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags durch Urteil des Bundesdisziplinargerichts vom 29. März 1999 war auf § 77 BDO gestützt.
b) Gemäß § 110 Abs. 2 Satz 2 BDO kann ein Unterhaltsbeitrag erneut bewilligt werden, wenn die Voraussetzungen des § 77 BDO vorliegen. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 muss der frühere Ruhestandsbeamte nach seiner wirtschaftlichen Lage der Unterstützung bedürftig und ihrer nicht unwürdig sein. Darüber hinaus darf er seine Bedürftigkeit nicht selbst zu vertreten haben (stRspr, z.B. Beschluss vom 29. März 2001 - BVerwG 1 DB 9.01 - m.w.N.). Der frühere Ruhestandsbeamte ist zwar einer solchen Unterstützung nicht unwürdig. Er war jedoch im Antragszeitraum nicht bedürftig im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BDO.
aa) Der Ehefrau des früheren Ruhestandsbeamten standen am 1. Juli 2001 - zur Mitte des Antragszeitraums - Netto-Rentenleistungen in einer Gesamthöhe von gerundet 2 472 DM zu. Außerdem hatte sie Mieteinnahmen in Höhe von 400 DM, so dass sich wegen der aus § 1360 BGB folgenden gegenseitigen Unterhaltspflicht der Eheleute ein einsetzbares Familieneinkommen von insgesamt ca. 2872 DM ergab.
bb) Diesem Einkommen standen nach den Angaben des früheren Ruhestandsbeamten berücksichtigungsfähige monatliche Aufwendungen für die Krankenversicherung (348 DM), für Energie, Telefon, Sachversicherungen etc. (ca. 500 DM) gegenüber. Die Anforderungen für die Finanzierung des von ihm und seiner Ehefrau bewohnten Hauses sind nur bis zu einer Höhe von 700 DM zu berücksichtigen. Hinzu kommen die Aufwendungen für den gemeinsamen Lebensunterhalt. Das alles kann aus dem vorhandenen Familieneinkommen bestritten werden. Ein darüber hinausgehender berücksichtigungsfähiger Mehrbedarf ist nicht festzustellen.
Die vom früheren Ruhestandsbeamten außerdem geltend gemachten Schuldverbindlichkeiten können im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zur Bewilligung des Unterhaltsbeitrags nicht berücksichtigt werden. Denn zur Finanzierung oder Tilgung von Schulden ist ein disziplinarer Unterhaltsbeitrag grundsätzlich nicht bestimmt (stRspr, z.B. Urteil vom 24. Oktober 1995 - BVerwG 1 D 44.94 - m.w.N.). Er soll vielmehr den früheren Ruhestandsbeamten und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen bis zur Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit oder, sofern dies wegen Alters oder Erwerbsunfähigkeit nicht mehr möglich ist, bis zum Übergang in eine andere Art der gesetzlichen Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsversorgung vor Not schützen und verhindern, dass der Lebensunterhalt bis dahin durch Leistungen der Sozialhilfe aufgebracht werden muss. Aus dieser Zweckbestimmung des Unterhaltsbeitrags folgt, dass der notwendige Lebensbedarf, an dem sich die Höhe der Leistung ausrichtet, im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen festzustellen ist, die auch bei der Bemessung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz gelten. Hier wie dort bestimmt die tatsächliche Lage des Hilfebedürftigen und nicht der Umstand, dass er Verbindlichkeiten gegenüber Dritten hat, das Ausmaß der Leistung.
Daraus kann indessen nicht gefolgert werden, die von der Ehefrau des früheren Ruhestandsbeamten für ihr - belastetes - Einfamilienhaus zu entrichtenden Zins- und Tilgungszahlungen müssten bei der Ermittlung des notwendigen Lebensbedarfs völlig unberücksichtigt bleiben. Richtig ist zwar, dass die Gewährung eines Unterhaltsbeitrags nicht dazu führen darf, dass der frühere Ruhestandsbeamte mit dessen Hilfe Vermögen bildet, indem er die ihm zufließenden Mittel zur Finanzierung der mit dem Bau oder dem Erwerb eines Eigenheims zusammenhängenden Lasten verwendet. Andererseits umfasst der durch den Unterhaltsbeitrag zu deckende Lebensbedarf auch die Kosten der Unterkunft. Insoweit beschränkt sich die Hilfe nicht auf Mietverhältnisse. Sie kommt vielmehr ebenso in Betracht, wenn der auf den Unterhaltsbeitrag angewiesene frühere Ruhestandsbeamte im eigenen Haus oder in einer Eigentumswohnung wohnt und zur Erhaltung seiner Unterkunft Finanzierungsverpflichtungen zu erfüllen hat. Der Senat geht in seiner ständigen Rechtsprechung (z.B. Urteil vom 24. Oktober 1995, a.a.O., m.w.N.) davon aus, dass in der Entscheidung über die e r s t m a l i g e Bewilligung eines Unterhaltsbeitrags vorübergehend die monatliche Belastung des früheren Ruhestandsbeamten aus dem Bau oder Erwerb eines Eigenheims voll zu berücksichtigen ist, um ihm Gelegenheit zu geben, seine Wohnverhältnisse anderweitig zu regeln oder den Schuldendienst seinen geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen anzupassen. Dem früheren Ruhestandsbeamten war deshalb damals auch der Unterhaltsbeitragshöchstsatz gemäß § 77 Abs. 1 Satz 2 BDO zugebilligt worden. Bei einem e r n e u t e n Antrag auf (Weiter-)Bewilligung eines Unterhaltsbeitrages - wie hier - kann der frühere Ruhestandsbeamte allerdings nicht mehr damit rechnen, dass die Aufwendungen für die Entschuldung des Eigenheims seiner Ehefrau in vollem Umfang berücksichtigt werden, sondern nur noch ein Betrag, den die Eheleute für eine einfachere Mietwohnung aufzuwenden hätten (stRspr; vgl. insbesondere Beschluss vom 7. September 1987 - BVerwG 1 DB 19.87 - NVwZ 1988, 158 = DÖD 1989, 264 = ZBR 1988, 98; Beschluss vom 22. Juni 1993 - BVerwG 1 DB 13.93 -). Auf diesen Umstand war der frühere Ruhestandsbeamte im erstinstanzlichen Urteil vom 29. März 1999 ausdrücklich hingewiesen worden mit dem Bemerken, dass er verpflichtet sei, seine Lebensverhältnisse auf die neue wirtschaftliche Situation einzustellen. Insbesondere könnten die hohen Tilgungs-
lasten für sein Eigenheim nicht mehr voll zur Anrechnung kommen.
Nach diesen Grundsätzen kann im vorliegenden Fall nur derjenige Betrag an Unterkunftskosten in die Bedarfsrechnung eingestellt werden, der etwa der Höhe der ortsüblichen (Kalt-)Miete für eine dem Wohnbedarf des früheren Ruhestandsbeamten und seiner Ehefrau angemessene Mietwohnung entspricht. Der frühere Ruhestandsbeamte hat seinen Unterkunftsbedarf - ohne Energiekosten - selbst mit etwa 700 DM beziffert. Dieser Betrag erscheint angemessen und ausreichend, so dass dem früheren Ruhestandsbeamten für sich und seine Ehefrau von deren Einkünften (2 872 DM) nach Abzug der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für Unterkunft (700 DM) sowie für Versicherungen, Energie und Telefon (insgesamt etwa 848 DM) zum Leben monatlich noch ca. 1 324 DM verbleiben würden. Dieser Betrag liegt deutlich über den Sozialhilfe-Regelsätzen von hier insgesamt 1 010 DM (Stand: 1. Juli 2001), an denen sich der Senat für die Bestimmung der notwendigen Lebensunterhaltskosten orientiert (vgl. z.B. Urteil vom 24. Oktober 1995, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 1 Satz 1 BDO.