Beschluss vom 13.06.2002 -
BVerwG 8 B 54.02ECLI:DE:BVerwG:2002:130602B8B54.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 13.06.2002 - 8 B 54.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:130602B8B54.02.0]

Beschluss

BVerwG 8 B 54.02

  • VG Magdeburg - 20.12.2001 - AZ: VG 7 A 236/01 MD

In der Verwaltungsstreitsache hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. M ü l l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 20. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 23 750 € festgesetzt.

Die Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg, weil die Voraussetzungen für die begehrte Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO) nicht vorliegen.
1. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.
Die aufgeworfene Frage,
ob die Maßstäbe, die das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 28. April 1999 - BVerwG 8 C 5.98 - (Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 1 S. 1 ff.) aufgezeigt hat, nur für den Entzug von sogenanntem "Westeigentum" oder gleichermaßen auch für die Enteignung von DDR-Bürgern in der Spätphase der DDR gelten,
würde sich in dem beabsichtigten Revisionsverfahren nicht stellen und kann deshalb die grundsätzliche Bedeutung nicht begründen. Denn hier geht es nicht um eine Grundstücksenteignung in der Spätphase der DDR im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts sind nämlich die Kläger bereits vor dem Sturz Honeckers am 18. Oktober 1989 faktisch aus ihrem Eigentum an dem streitigen Grundstück vollständig verdrängt gewesen.
Die weitere Frage,
ob die geänderten Maßstäbe an den Stichtag des 18. Oktober 1989 zu knüpfen oder, jedenfalls in Bezug auf behördliche Verfahrensfehler bei Enteignungsmaßnahmen, vorzuverlegen sind auf den 14. Dezember 1988 (Beschluss über das Gesetz über die Zuständigkeit und das Verfahren der Gerichte zur Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen),
ist nicht klärungsbedürftig. Denn der Gesetzgeber hat den Sturz Honeckers als Stichtag für den den redlichen Erwerb grundsätzlich ausschließenden erkennbaren Beginn eines Systemwandels festgelegt; diese Entscheidung kann nicht durch Gerichte im Wege der Gesetzesauslegung beseitigt und durch die Festlegung eines anderen Stichtages im Rahmen von § 1 Abs. 3 VermG ersetzt werden (vgl. Beschluss vom 3. Juli 2001 - BVerwG 8 B 37.01 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 27 S. 72). Dementsprechend hat der Senat in dem Urteil vom 28. April 1999 (a.a.O., S. 1 und 5 f.) und dem Beschluss vom 3. Juli 2001 (a.a.O.) die "Spätphase der DDR" auf den Zeitraum nach dem Stichtag des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG beschränkt. Als Zeitpunkt, zu dem die mit dem 18. Oktober 1989 beginnenden Umwälzungen im Bereich der öffentlichen Verwaltung insbesondere für die Behandlung des Grundeigentums deutlichen Ausdruck gefunden haben, hat der Senat die Verlautbarung des Schreibens des Staatssekretärs im Ministerium der Finanzen und Preise sowie des Leiters des Amtes für den Rechtsschutz des Vermögens der DDR an die ersten Stellvertreter der Vorsitzenden der Räte der Bezirke vom 26. Januar 1990 (abgedruckt in ZOV 1996, 412) angesehen. Für die Zeit zwischen dem Sturz Honeckers und dem genannten Schreiben vom 26. Januar 1990 ist der manipulative Charakter von Verfahrensverstößen bei der Bekanntgabe von Enteignungsmaßnahmen nur unter umfassender Würdigung der Einzelfallumstände zu beurteilen (Beschluss vom 3. Juli 2001, a.a.O., S. 73 f.).
2. Die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist unzulässig, weil die Beschwerde den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO insoweit nicht genügt. Sie stellt nämlich die vermeintlich divergierenden abstrakten und jeweils entscheidungstragenden Rechtssätze in dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht einander gegenüber. Vielmehr beschränkt sie sich darauf, das Verwaltungsgericht habe "abweichend von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.04.1999 zum Aktenzeichen 8 C 5/98 (VIZ 99, 523 ff.)" entschieden. Im Übrigen scheiterte die Divergenzzulassung schon daran, dass die Sachverhalte - wie zur Grundsatzrüge im Einzelnen dargelegt - in tatsächlicher Hinsicht nicht vergleichbar sind.
3. Die Verfahrensrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greifen ebenfalls nicht durch. Die Ablehnung der Hilfsbeweisanträge der Kläger durch das Verwaltungsgericht verstößt nicht gegen § 86 VwGO. Das Verwaltungsgericht musste auf der Grundlage seiner insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung die benannten Zeugen nicht vernehmen. Ohne Rechtsverstoß hat es die Beweisaufnahme mit der Begründung abgelehnt, die behaupteten Tatsachen könnten als wahr unterstellt werden.
Von dem unter Beweis gestellten Inhalt der Erklärung des Projektanten T. gegenüber dem Vater der Klägerin zu 1 (Beweisantrag zu 1) geht das Verwaltungsgericht aus, hält die geltend gemachte Falschaussage aber aus Rechtsgründen - mangels unmittelbarer Bewirkung des Eigentumszugriffs - für unerheblich.
Aus dem gleichen Grunde musste es auch der von ihm nach Aktenlage überdies für wahrscheinlich gehaltenen Behauptung nicht weiter nachgehen, das Grundstück sei schon 1986 in einem Bebauungsplan oder dem Entwurf eines Bebauungsplans für eine Bebauung vorgesehen gewesen (Beweisantrag zu 2).
Von der Erteilung einer Baugenehmigung an den westlichen Grundstücksnachbarn der Kläger im Jahre 1987 (Beweisantrag zu 4) geht das Verwaltungsgericht aufgrund der urkundlichen Dokumentierung in der Altakte selbst aus (UA S. 14), musste also nicht zusätzlich einen Zeugen vernehmen.
Die behauptete Tatsache schließlich, der Rat des Kreises habe sich einzig und allein im Fall der Kläger die Zuständigkeit für eine Entscheidung über die Beschwerde angemaßt (Beweisantrag zu 3), konnte ebenfalls als wahr unterstellt werden. Denn dieser Verfahrensfehler konnte den bereits erfolgten Zugriff auf das Eigentum nicht mehr manipulativ bewirken und deshalb den Tatbestand der unlauteren Machenschaft im Sinne von § 1 Abs. 3 VermG nicht begründen. Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht den Antrag zutreffend auch als unzulässigen Ausforschungsantrag abgelehnt, weil die Behauptung der Kläger ersichtlich ohne tatsächliche Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist.
Soweit die Beschwerde sich gegen die Bewertung der Verfahrensmängel bei Bekanntgabe der Enteignungsmaßnahme durch das Verwaltungsgericht wendet (vgl. Schriftsatz vom 28. März 2002, S. 4 f.), bezeichnet sie keinen der gesetzlich abschließend aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision. Die vermeintliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung genügt hierfür nicht. Das Vorbringen bezeichnet auch keinen Verfahrensmangel, auf dem das Urteil beruhen könnte. Weshalb die Bekanntgabefehler nach DDR-Recht den Lauf einer Jahresfrist ausgelöst haben sollten, legt die Beschwerde nicht dar. Sie begründet auch nicht, weshalb das Verwaltungsgericht ohne entsprechende Beweisanträge auf der Grundlage seiner materiellen Rechtsauffassung verpflichtet gewesen sein sollte, diese Bekanntgabemängel weiter aufzuklären, zumal das Verwaltungsgericht von der Unzuständigkeit des Rates des Bezirks selbst ausgeht (vgl. UA S. 12 und 13).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.