Beschluss vom 13.03.2008 -
BVerwG 4 B 15.08ECLI:DE:BVerwG:2008:130308B4B15.08.0

Beschluss

BVerwG 4 B 15.08

  • Niedersächsisches OVG - 06.11.2007 - AZ: OVG 4 LC 56/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. März 2008
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rojahn
und Dr. Jannasch sowie die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 6. November 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

2 1. Ein Recht des Klägers nach § 60a Nr. 7b NNatG auf Beteiligung an der Erteilung einer Ausnahme von den Verboten zum Schutz eines Biotops (§ 28a und § 28b NNatG) für das Außenbereichsvorhaben des Beigeladenen und eine auf die mögliche Verletzung dieses Rechts gestützte Befugnis, gegen die Baugenehmigung zu klagen (§ 60c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 NNatG), hat das Oberverwaltungsgericht mit doppelter Begründung verneint: Es könne nicht festgestellt werden, dass sich im maßgebenden Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung, hier im Zeitpunkt der letzten Änderungsgenehmigung vom 20. August 2003, auf dem Baugrundstück ein Biotop nach § 28a oder § 28b NNatG befunden habe (UA S. 23). Im Übrigen begründe § 60a Nr. 7b NNatG ein Beteiligungsrecht der anerkannten Vereine nur in Verfahren auf Erteilung einer Ausnahme nach § 28a Abs. 5 NNatG oder § 28b Abs. 4 NNatG. Wenn eine Behörde ein solches Verfahren nicht einleite, etwa weil sie ein vorhandenes Biotop nicht zur Kenntnis nehme oder davon ausgehe, dass kein Biotopschutz bestehe, und demzufolge auch keine Ausnahme erteile, seien die anerkannten Vereine nicht zu beteiligen und damit auch nicht klagebefugt (UA S. 25).

3 In Bezug auf die zuerst genannte Begründung liegen die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor. Schon aus diesem Grund können auch die gegen die weitere Begründung erhobenen Revisionsrügen der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen.

4 Der Kläger hatte geltend gemacht, er könne zwar nicht beweisen, dass 2003 ein Biotop auf dem Baugrundstück vorhanden gewesen sei; aufgrund der vorliegenden Indizien sei aber von einer Vernichtung der Beweise durch den Beigeladenen auszugehen, so dass eine Beweislastumkehr eingetreten sei. Dieser Auffassung ist das Oberverwaltungsgericht nicht gefolgt. Die Ausführungen des Sachverständigen H. reichten nicht aus, um feststellen zu können, dass der Beigeladene vor der Begehung durch den Sachverständigen auf dem Grundstück tatsächlich ein Biotop vernichtet habe. Auch die Ermittlungen des Beklagten hätten nicht zu derartigen Erkenntnissen geführt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne aber nur eine schuldhafte Beweisvereitelung zu einer Umkehr der Beweislast zugunsten des Klägers führen (UA S. 24 f.).

5 a) Die Beschwerde macht geltend, das Oberverwaltungsgericht sei mit dem Rechtssatz, dass nur eine schuldhafte Beweisvereitelung zu einer Umkehr der Beweislast führen könne, von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom 18. Dezember 1987 - BVerwG 7 C 49.87 - (BVerwGE 78, 367 <371>) und im Beschluss vom 12. Dezember 2000 - BVerwG 11 B 76.00 - (Buchholz 424.01 § 138 FlurbG Nr. 8) eine Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr auch aus „anderen Gründen“ für möglich gehalten.

6 Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht - wie die Beschwerde meint - aus Rechtsgründen ausgeschlossen, dass andere Gründe als eine schuldhafte Beweisvereitelung, insbesondere die Grundsätze des Anscheinsbeweises, die Beweislast modifizieren können. Es hat vielmehr aus tatsächlichen Gründen für derartige andere Umstände keine Anhaltspunkte gesehen. Der Beweis des ersten Anscheins, auf den die Beschwerde sich beruft, setzt einen Sachverhalt voraus, der nach der Lebenserfahrung regelmäßig auf einen bestimmten Verlauf hinweist und es rechtfertigt, die besonderen Umstände des einzelnen Falles zurücktreten zu lassen (Urteil vom 2. Februar 2000 - BVerwG 8 C 29.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 10). Welcher typische Geschehensablauf hier feststehen sollte, ist nicht ersichtlich. Auch der Kläger hat eine Geschehenstypik weder im Berufungs- noch im Beschwerdeverfahren dargelegt. Im Berufungsverfahren hatte er geltend gemacht, der Beigeladene habe das Biotop vernichtet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Überzeugung, dass der Beigeladene vor der Begehung durch den Sachverständigen auf dem Baugrundstück tatsächlich ein Biotop vernichtet hat, nicht gewinnen können. Lediglich in Bezug auf den Vortrag des Klägers zu der behaupteten Einwirkung des Beigeladenen auf das Grundstück hat es dargelegt, dass nur ein als schuldhafte Beweisvereitelung zu wertendes Verhalten zu einer Umkehr der Beweislast führen könne.

7 b) Die Beschwerde möchte außerdem rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, ob eine „Beweiserleichterung bis hin zur Beweislastumkehr“ nur erfolgen kann, wenn ein Tatsachengericht eine schuldhafte Beweisvereitelung durch den anderen Prozessbeteiligten festgestellt hat, und ob auch andere Gründe zu derartigen Beweiserleichterungen führen können. Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Tatsächliche Anhaltspunkte für andere Gründe, die zu einer Beweiserleichterung führen könnten, hat das Oberverwaltungsgericht - wie bereits dargelegt - nicht festgestellt.

8 c) Ein Verfahrensfehler in Bezug auf die Beweiswürdigung ist nicht substantiiert dargelegt. Die Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich regelmäßig dem sachlichen Recht zuzurechnen; mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deshalb grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht bezeichnet werden (Beschluss vom 11. April 2003 - BVerwG 5 B 24.03 - juris Rn. 2; Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272>). Eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung, die ausnahmsweise als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden könnte, liegt ersichtlich nicht vor. Die Denkgesetze sind nur verletzt, wenn das Gericht einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss zieht (vgl. Beschluss vom 11. April 2003 a.a.O.). Das hat das Oberverwaltungsgericht nicht getan.

9 2. Die gegen die landschaftsschutzrechtliche Erlaubnis gerichtete Klage hat das Oberverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Die Verordnung zum Schutz des Landschaftsteiles „Feuchtgebiet internationaler Bedeutung Steinhuder Meer“ sei noch aufgrund des Reichsnaturschutzgesetzes erlassen worden. § 2 Abs. 1 dieser Verordnung sei nichtig, soweit er Handlungen verbiete, die geeignet seien, die Natur zu schädigen oder den Naturgenuss zu beeinträchtigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 26. März 1955 - BVerwG 1 C 101.53 - Buchholz 406.40 § 24 NatSchG Nr. 1 und vom 12. Juli 1956 - BVerwG 1 C 91.54 - BVerwGE 4, 57 <58>) sei die Erstreckung des in erster Linie bestimmten Bestandteilen der Landschaft zugedachten Schutzes auf ganze Gebiete, also auf flächenmäßige Ausschnitte aus einer größeren Landschaft, die so genannten Landschaftsteile, nur mit der Maßgabe zulässig, dass der Schutz sich auf die Bewahrung vor Verunstaltungen beschränke. Den unter Geltung des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes erlassenen Änderungsverordnungen lasse sich nicht entnehmen, dass nicht nur die neu einbezogenen, sondern alle Flächen im Landschaftsschutzgebiet dem Schutz des § 26 NNatG unterstellt werden sollten (UA S. 31 f.). Verunstaltet werde die Landschaft durch das Vorhaben nicht (UA S. 33 f.).

10 Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen,
- ob Änderungen einer noch nach dem Reichsnaturschutzgesetz erlassenen und daher hinsichtlich des umfassenden Änderungsverbotes teilnichtigen Landschaftsschutzverordnung diese Teilnichtigkeit heilen, wenn sie selbst ein nunmehr zulässiges Änderungsverbot nach modernem Recht enthalten,
- ob die Teilnichtigkeit des Änderungsverbotes einer solchen Landschaftsschutzverordnung jedenfalls dann geheilt wird, wenn die modernem Recht entsprechende Änderungsverordnung den Geltungsbereich der alten Verordnung erweitert und
- ob die Teilnichtigkeit durch eine solche neue Verordnung jedenfalls dann geheilt wird, wenn sie nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes erlassen wurde, das früher in § 15 und heute in § 26 rahmenrechtlich ein umfassendes Änderungsverbot vorschreibt.

11 Diese Fragen könnten in einem Revisionsverfahren nicht geklärt werden. Ob eine Verordnung, die auf der Grundlage eines nach Inkrafttreten des Bundesnaturschutzgesetzes vom 20. Dezember 1976 (BGBl I S. 3574) in Kraft getretenen Landesnaturschutzgesetzes erlassen wurde, aber der Änderung einer noch auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes erlassenen Verordnung zum Schutz von Landschaftsteilen dient, in deren Geltungsbereich auch andere als die Landschaft verunstaltende Handlungen verbietet, hängt vom Inhalt der gemäß § 137 Abs. 1, § 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO irrevisiblen Änderungsverordnung ab. Klärungsbedarf hinsichtlich der bundesrechtlichen Grenzen, die bei der Auslegung einer solchen Verordnung einzuhalten sind, zeigt die Beschwerde nicht - wie dies erforderlich wäre (Beschlüsse vom 9. März 1984 - BVerwG 7 B 238.81 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 49 und vom 5. Juli 2006 - BVerwG 4 B 51.06 - juris) - auf. § 26 Abs. 2 BNatSchG 2002 regelt nicht, welche Handlungen in auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes unter Schutz gestellten Landschaftsteilen verboten sind. Das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Für § 15 Abs. 2 BNatSchG 1976 gilt nichts anderes. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass es im Normsetzungsermessen des zuständigen Verordnungsgebers liegt, ob ein Naturraum, der die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung erfüllt, als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen wird; eine erzwingbare Pflicht, Schutzanordnungen zu treffen, begründet das Bundesnaturschutzgesetz nicht (Beschluss vom 21. Juli 1997 - BVerwG 4 BN 10.97 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 14).

12 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.