Beschluss vom 12.11.2003 -
BVerwG 1 B 41.03ECLI:DE:BVerwG:2003:121103B1B41.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.11.2003 - 1 B 41.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:121103B1B41.03.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 41.03

  • Bayerischer VGH München - 27.09.2002 - AZ: VGH 21 B 99.32358

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. November 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts E c k e r t z - H ö f e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. M a l l m a n n und
Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. September 2002 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Beschwerde ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
Die Beschwerde rügt zunächst, das Berufungsgericht habe zur Rückkehrgefährdung der Klägerin zwei Feststellungen getroffen, die in einem "krassen Widerspruch" zueinander stünden und "nach den Gesetzen der Logik nicht mehr nachvollziehbar" seien (Beschwerdebegründung S. 2). Wenn zum einen festgestellt werde, dass das gegenwärtige Regime in der Demokratischen Republik Kongo einen "radikalen Bruch mit der Mobutu-Tradition" des früheren Machthabers vollzogen habe (UA S. 11), und zum anderen dass es "zu einer gewissen Entspannung" des Regimes mit "Angehörigen der früheren Präsidentengarde Mobutus, die sich in Europa aufhalten" gekommen sei (UA S. 10), lasse sich daraus nach den Gesetzen der Logik nicht ableiten, dass keine Rückkehrgefährdung bestehe, sondern eher das Gegenteil, dass weiterhin Spannungen bestünden. Soweit die Beschwerde sinngemäß einen Verstoß gegen Denkgesetze in der Tatsachen- und Beweiswürdigung bemängelt und daraus einen Verfahrensmangel ableiten will, übersieht sie zunächst, dass derartige Fehler revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (vgl. Beschluss vom 2. November 1995 - BVerwG 9 B 710.94 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 266). Soweit hiervon Ausnahmen zuzulassen sind (vgl. BVerwGE 84, 271; Beschluss vom 3. April 1996 - BVerwG 4 B 253.95 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 269), verlangt auch die Behauptung eines Verstoßes gegen Denkgesetze im Tatsachenbereich die Darlegung, dass das Gericht einen Schluss gezogen hat, der schlechterdings nicht gezogen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328). An einer derartigen Darlegung fehlt es indessen. Im Übrigen setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass dem Berufungsurteil zufolge keine Anhaltspunkte für die Praktizierung von Sippenhaft bestehen (UA S. 10).
Einen Verstoß gegen Denkgesetze zeigt die Beschwerde auch nicht dadurch auf, dass sie einen "krassen Widerspruch" zwischen Ausführungen des Gerichts zu Verfolgungsmaßnahmen gegen die Klägerin unter der Herrschaft Mobutus und solchen wegen der Tätigkeit ihres Vaters zugunsten des Mobutu-Regimes rügt (Beschwerdebegründung S. 4 oben). Sie geht nämlich nicht darauf ein, dass das Gericht insoweit den im Verlauf des Verfahrens wechselnden Vortrag der Klägerin wiedergibt und würdigt. Denn diese hatte sich nach ihrer Einreise im Jahr 1995 auf Verfolgungsmaßnahmen des Mobutu-Regimes berufen und nach dessen Sturz im Jahr 1997 darauf, ihr drohe Gefahr wegen der Tätigkeit ihres Vaters in einer militärischen Einheit, die Staatschef Mobutu besonders nahe gestanden habe.
Einen Verfahrensmangel zeigt die Beschwerde auch nicht im Zusammenhang mit der Begründung für das Fehlen eines Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG auf (Beschwerdebegründung S. 2 f.). Der Umstand, dass das angefochtene Urteil auf die der Klägerin drohenden Gefahren und nicht auf die Gefahren für den gar nicht feststehenden Fall abstellt, dass sie mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kleinkindern zurückkehrt, lässt Verfahrensfehler nicht erkennen. Inwiefern die Begründung des Berufungsgerichts "unter keinerlei sachlichen Gesichtspunkten tragfähig", "grob fehlgewichtet" sein und einen "Zirkelschluss" enthalten soll (Beschwerdebegründung S. 3), wird nicht nachvollziehbar dargelegt. Ebenso wenig macht die Beschwerde ersichtlich, dass das Urteil insoweit "nicht nachprüfbar und damit ohne Gründe" ist. Die Beschwerde legt nicht schlüssig dar, inwiefern es für die Informations- und Überprüfungsfunktion der Urteilsgründe nicht genügt, wenn das Berufungsgericht - wie hier - unter Hinweis u.a. auf die in einer amtlichen Auskunft des Auswärtigen Amtes aufgezeigte Möglichkeit zur Kleinstlandwirtschaft und Kleinviehhaltung (UA S. 15) begründet, warum der Klägerin "keine akute Unterversorgung wie in anderen Hungergebieten Afrikas" drohe. Auch soweit die Beschwerde in anderem Zusammenhang geltend macht, das Berufungsurteil sei "im Kernbereich ohne Gründe" (vgl. Beschwerdebegründung S. 5), zeigt sie einen Verfahrensmangel nicht schlüssig auf.
Die Beschwerde rügt darüber hinaus, das Berufungsgericht habe die "im Verfahren aktualisierten und ergänzenden Angaben" der Klägerin "zwar erwähnt, aber inhaltlich nicht in die Rechtsfindung einbezogen" (Beschwerdebegründung S. 4 oben). Der Sache nach wird damit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, ohne dies allerdings den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend darzulegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Nur wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles etwas anderes deutlich ergibt, kann ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Einzelfall festgestellt werden (vgl. etwa Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 unter Bezugnahme auf BVerfGE 96, 205, 216 f.). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Tatsächlich gehen die Entscheidungsgründe sowohl auf die von der Klägerin gegenüber dem Bundesamt vorgetragenen Gründe für das Verlassen ihres Heimatlandes im Jahr 1995 ein (UA S. 9) als auch auf ihre nach Sturz des Mobutu-Regimes im gerichtlichen Verfahren vorgebrachten Gründe für die Annahme einer Verfolgungsgefahr (UA S. 9 ff.). Sie berücksichtigen - entgegen dem Vorbringen der Beschwerde (dort S. 3 Mitte) - auch den Vortrag der Klägerin zum "Telefonat mit der Schwester" und zur Misshandlung des Vaters durch Sicherheitskräfte nach Rückkehr in den Kongo (UA. S. 12 bzw. 10). Die Beschwerde zeigt auch nicht auf, inwiefern das rechtliche Gehör der Klägerin dadurch verletzt wurde, dass sie der Verwaltungsgerichtshof "zu ihren Fluchtgründen überhaupt nicht angehört (hat), sondern lediglich zu danach liegenden Ereignissen" (Beschwerdebegründung S. 4). Sie legt nicht dar, warum sie sich insoweit nicht selbst Gehör verschafft hat und inwiefern der geltend gemachte Verfahrensfehler hätte entscheidungserheblich sein können.
Einen Verfahrensmangel legt die Beschwerde auch nicht dadurch schlüssig dar, dass sie unter Bezugnahme auf die Angaben der Klägerin zu dem Telefongespräch mit ihrer Schwester geltend macht, es sei "unter keinerlei Gesichtspunkten sachdienlich", diesem Hinweis nicht nachzugehen und "die Rückkehrsituation weiter aufzuklären" (Beschwerdebegründung S. 4 Mitte). Die Beschwerde vertritt die Auffassung, das diesbezügliche fachgerichtliche Ermessen sei grob fehlgewichtet ausgeübt worden. Der Beschluss, mit dem die beantragte Beweiserhebung abgelehnt worden sei, lasse nicht erkennen, was das Berufungsgericht geglaubt habe und ob und inwieweit sich das Gericht überhaupt die zur Rechtsfindung notwendige Überzeugungsgewissheit gebildet habe. Damit und mit ihrem weiteren Vorbringen zeigt die Beschwerde den sinngemäß geltend gemachten Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht schlüssig auf. Insbesondere macht sie nicht ersichtlich, dass das Berufungsgericht bei der Ablehnung des Beweisantrags gegen diese Pflicht verstoßen hat. Entgegen der Darstellung der Beschwerde hat sich das Berufungsgericht bei der Ablehnung des Beweisantrags auch nicht darauf berufen, dass ihm bereits Auskünfte aller im Beweisantrag aufgeführter Stellen vorliegen. Soweit die Beschwerde geltend macht, dass die Klägerin als Händlerin unter dem Schutz ihres Vaters, eines Mitglieds der DSP, gute Geschäfte gemacht habe und dass dieser nach der Rückkehr von Sicherheitskräften ermordet worden sei, zeigt sie im Übrigen nicht auf, inwiefern dieses Vorbringen, das das Berufungsgericht als nicht glaubhaft angesehen hat (UA S. 10), entscheidungserheblich ist.
Soweit die Beschwerde die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin beanstandet (Beschwerdebegründung S. 6), zeigt sie einen Verfahrensverstoß ebenfalls nicht schlüssig auf. Eventuelle Fehler bei der Sachverhalts- und Beweiswürdigung begründen regelmäßig - und so auch hier - keinen Verfahrensmangel (vgl. auch die obigen Ausführungen zur Beschwerdebegründung S. 2). Dass hier ausnahmsweise etwas anderes gelten soll, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen. Hierfür genügt nicht der Hinweis, aus der fehlenden Kenntnis der Klägerin über den militärischen Rang ihres Vaters könne "die Unglaubwürdigkeit allein nicht abgeleitet werden". Die Beschwerde setzt sich nicht substantiiert damit auseinander, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin aus mehreren Gründen nicht als glaubhaft ansieht (u.a. fehlende Angabe bei früherer Befragung, keine Kenntnis, wann und wo die Fotos mit dem Vater gemacht worden sind) und die fehlende Kenntnis des militärischen Ranges dabei nur ein Element unter mehreren darstellt (UA S. 10). Ferner macht die Klägerin keinen Verfahrensmangel ersichtlich, soweit sie rügt, das Berufungsgericht habe den "entscheidenden Sachverhaltsteil hinsichtlich der Telefongespräche mit ihrer (der Klägerin) Schwester über das Schicksal ihres Vaters ausdrücklich dahingestellt sein" lassen. Sie setzt sich nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht die diesbezüglichen Angaben der Klägerin als zu vage angesehen hat, als dass es sich hier ein konkretes Bild von einer Verfolgungssituation machen könnte (UA S. 15; vgl. auch S. 12).
Einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör vermag die Beschwerde nicht aus dem Umstand abzuleiten, dass das Berufungsgericht "den jüngsten Lagebericht des Bundesamtes" an erster Stelle in seinem Erkenntnismittelordner abgeheftet und sich geweigert habe, der Klägerin "die entsprechenden Abschriften zur Verfügung zu stellen" (Beschwerdebegründung S. 6 unten). Wieso der Klägerin hierdurch die Möglichkeit genommen worden sein soll, "sich ein Bild von den tatsächlich verwerteten Erkenntnismitteln zu machen", bleibt unklar. Die Beschwerde geht nicht darauf ein, dass der Bevollmächtigten der Klägerin mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung die Erkenntnismittelliste des Gerichts, Stand Juli 2002, übersandt und die mündliche Verhandlung ausweislich der Niederschrift unterbrochen wurde, um ihr Einsicht in die in der Liste aufgeführten Erkenntnisquellen zu geben.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.