Beschluss vom 12.05.2009 -
BVerwG 10 B 9.09ECLI:DE:BVerwG:2009:120509B10B9.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2009 - 10 B 9.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:120509B10B9.09.0]

Beschluss

BVerwG 10 B 9.09

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 28.10.2008 - AZ: OVG 11 A 1586/06.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 10. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann, den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Fricke
beschlossen:

  1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 2008 wird verworfen.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Dem Kläger kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil seine Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

3 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage,
„ob ruandische Staatsangehörige vom Volk der Hutu, welche nach erfolglosem Asylverfahren aus Deutschland nach Ruanda abgeschoben werden und welche früher in ihrer Heimat einer heute verbotenen Oppositionspartei angehörten, nach ihrer Abschiebung Gefahr laufen, in Ruanda als Oppositionelle verdächtigt und aus anderen Gründen willkürlich inhaftiert und gefoltert oder sogar extralegal getötet zu werden“,

4 betrifft die den Tatsachengerichten vorbehaltene Klärung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse in Ruanda. Soweit die Beschwerde darauf hinweist, diese Tatsachenfrage habe grundsätzliche Bedeutung, da die Rechtsprechung der erstinstanzlichen Tatsachengerichte zur Gefährdung des angesprochenen Personenkreises sehr unterschiedlich sei, verkennt sie, dass das Revisionsgericht von sich aus keine Tatsachen ermitteln darf, sondern - auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen und nicht mit beachtlichen Verfahrensrügen angegriffenen tatsächlichen Feststellungen - Fragen des revisiblen Rechts zu klären hat (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO).

5 Hinsichtlich der weiteren Frage,
„ob es mit den Grund- und Menschenrechten in Deutschland, namentlich im Hinblick auf das Grund- und Menschenrecht auf ein faires Gerichtsverfahren, zu vereinbaren ist, einen ruandischen Flüchtling nach erfolglosem Asylverfahren nach Ruanda abzuschieben, damit er sich dort einem Gacaca-Gerichtsverfahren stellt,“

6 fehlt es schon an einer näheren Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Gegenstand des Verfahrens ist zwar auch das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 5 und 7 AufenthG. Die Beschwerde legt aber nicht in der gebotenen Weise dar, inwiefern sich in diesem Zusammenhang ausgehend von den tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts die aufgeworfene Frage stellen würde. Damit kann offenbleiben, ob diese Frage, die auch tatsächliche Komponenten enthalten dürfte, der rechtsgrundsätzlichen Klärung in einem Revisionsverfahren zugänglich wäre.

7 2. Das Vorbringen, die Entscheidung beruhe auf einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den rechtlichen Maßstäben zur Prüfung einer politischen Verfolgung (Urteil vom 16. April 1985 - 9 C 109.84 - DVBl 1985, 956), genügt ebenfalls nicht den Darlegungsanforderungen. Der Darstellung der Beschwerde ist lediglich zu entnehmen, dass das Berufungsgericht - aus Sicht der Beschwerde - die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend angewandt hat, nicht aber - wie für eine Divergenzrüge erforderlich -, dass es einen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz aufgestellt hat. Selbst wenn eine Abweichung vorläge, würde das Urteil im Übrigen nicht hierauf beruhen, denn das Berufungsgericht ist - von der Beschwerde nicht beanstandet - davon ausgegangen, dass der Anerkennung als Asylberechtigter bereits die Einreise über einen sicheren Drittstaat (Art. 16a Abs. 2 GG i.V.m. § 26a Abs. 1 AsylVfG) entgegensteht (UA S. 8) und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft selbst bei Annahme einer Bedrohung i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG jedenfalls am Ausschlussgrund des § 60 Abs. 8 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 AsylVfG scheitert (UA S. 23 ff.). Ist das vorinstanzliche Urteil somit auf mehrere selbständige Begründungen gestützt, so bedarf es zur Zulässigkeit der Beschwerde in Bezug auf jede dieser Begründungen eines geltend gemachten und zulässigen Zulassungsgrundes (vgl. Beschluss vom 15. Juni 1990 - BVerwG 1 B 92.90 - Buchholz 11 Art. 116 GG Nr. 20). Daran fehlt es hier.

8 3. Bereits deshalb hat die Beschwerde auch mit den von ihr dargelegten Verfahrensmängeln, die nicht in Bezug auf die Einreise über einen sicheren Drittstaat und den erwähnten Ausschlussgrund geltend gemacht werden, keinen Erfolg.

9 Aber auch unabhängig hiervon sind die Verfahrensmängel nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt. Soweit die Beschwerde rügt, das angegriffene Urteil verletze das Recht auf rechtliches Gehör, weil das Gericht sich nicht in der rechtlich gebotenen Weise gründlich mit allen vom Kläger dargelegten und unter Beweis gestellten Fluchtgründen auseinandergesetzt und die vorliegenden Erkenntnisse nur sehr oberflächlich und eingeschränkt zur Kenntnis genommen und unzutreffend gewürdigt habe, wird ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör nicht dargelegt. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen begründet, warum es dem Kläger die von ihm geltend gemachte Inhaftierung vor seiner Ausreise nicht glaubt (UA S. 11 ff.) und warum ihm auch im Falle seiner Rückkehr keine Verfolgung droht (UA S. 13 ff.). Dabei hat es sich eingehend mit den im Verfahren eingeholten Gutachten auseinandergesetzt. In Wahrheit greift die Beschwerde in diesem Zusammenhang lediglich die - ihrer Auffassung nach falsche - Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an, ohne schlüssig darzulegen, dass das Berufungsgericht entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht gewürdigt hat. Etwaige Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind nach ständiger Rechtsprechung aber regelmäßig - und so auch vorliegend - nicht dem Verfahrens-, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen. Eine zulässige Verfahrensrüge hat der Kläger damit nicht erhoben.

10 Die Beschwerde rügt als Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör weiter, das Berufungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag fehlerhaft behandelt. Dieser Antrag war auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gerichtet, dass der Kläger angesichts seiner familiären Herkunft, seiner Volkszugehörigkeit und seiner eigenen früheren politischen Aktivitäten für die heute in Ruanda nicht mehr existierende Hutu-Partei, hier die Hutu-Jugendorganisation JDR, in hohem Maße gefährdet wäre, als aktiver Oppositioneller verdächtigt und aus diesen Gründen willkürlich inhaftiert zu werden, wenn nicht gar extralegal getötet zu werden. Das Berufungsgericht hat den Antrag in der mündlichen Verhandlung abgelehnt. Soweit es hierbei darauf hingewiesen hat, dass die Beurteilung der Rückkehrgefährdung im Einzelfall dem Gericht obliege und von diesem im Wege einer Prognoseentscheidung zu treffen sei, die dem Beweis nicht zugänglich sei (Verhandlungsprotokoll vom 28. Oktober 2008 S. 12 f.), dürfte dies - von der Beschwerde zu Recht gerügt - kein geeigneter Grund für eine Ablehnung sein. Denn dass ein Sachverständigengutachten die eigene Prognoseentscheidung des Tatrichters nicht ersetzen, sondern hierfür nur eine Hilfestellung bieten kann, ändert nichts daran, dass es bei der Beurteilung der Rückkehrgefährdung durchaus als geeignetes Beweismittel zur Unterstützung der letztlich maßgeblichen richterlichen Überzeugungsbildung in Betracht kommen kann (vgl. Beschluss vom 22. Oktober 2008 - BVerwG 1 B 5.08 - Rn. 5). Unabhängig davon hat das Berufungsgericht den Beweisantrag aber auch deshalb abgelehnt, weil es angesichts der vom Verwaltungsgericht eingeholten Gutachten und der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisse keine Veranlassung sah, weiteren Beweis gerade in Gestalt von Sachverständigengutachten einzuholen (Verhandlungsprotokoll S. 13). Damit ist es davon ausgegangen, dass es die Rückkehrgefährdung des Klägers aufgrund eigener Sachkunde ausreichend beurteilen kann. Dass auch diese - die Ablehnung des Beweisantrags selbständig tragende - Begründung prozessrechtlich fehlerhaft ist, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.

11 Soweit die Beschwerde schließlich der Auffassung ist, das Berufungsgericht hätte den Sachverhalt auch von Amts wegen weiter aufklären müssen, wird ein Verstoß gegen die richterliche Aufklärungspflicht nicht schlüssig dargelegt. In Wahrheit wendet sich die Beschwerde auch insoweit gegen eine ihrer Auffassung nach fehlerhafte Beweiswürdigung, die nicht dem Verfahrens-, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen wäre.

12 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.