Beschluss vom 12.05.2003 -
BVerwG 1 B 247.02ECLI:DE:BVerwG:2003:120503B1B247.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 12.05.2003 - 1 B 247.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:120503B1B247.02.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 247.02

  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 10.04.2002 - AZ: OVG 8 A 2745/98.A

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Mai 2003
durch die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts
E c k e r t z - H ö f e r , die Richterin am Bundes-
verwaltungsgericht B e c k und den Richter am
Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. D ö r i g
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2002 wird verworfen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise dar.
1. Die Beschwerde beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und trägt vor, dem Rechtsstreit liege die Rechtsfrage zugrunde,
"welche genauen Anforderungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht an subjektive Nachfluchtgründe zu stellen sind und dies bezogen auf die Problematik exilpolitischer Betätigung in politischen Vereinigungen, die im Vereinsregister eingetragen sind".
Mit dieser Frage wirft die Beschwerde indes nicht, wie dies für eine Grundsatzrüge erforderlich ist, eine klärungsfähige und klärungsbedürftige R e c h t s frage auf. Sie zielt vielmehr, wie auch ihr weiteres Vorbringen deutlich macht, auf die Tatsachenfrage, ob die Mitglieder oder zumindest die Vorstandsmitglieder eines exilpolitisch tätigen eingetragenen Vereins bei einer Rückkehr in die Türkei einer politischen Verfolgung ausgesetzt wären. Diese Frage ist allein von den Tatsachengerichten aufgrund einer Würdigung der politischen Verhältnisse in der Türkei zu beantworten, rechtfertigt aber nicht die Zulassung einer Revision wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung.
2. Die Beschwerde erhebt ferner verschiedene Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Sie rügt zunächst eine Abweichung des Berufungsurteils von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. April 1985 - BVerwG 9 C 109.84 - BVerwGE 71, 180. Nach diesem Urteil dürften hinsichtlich der asylbegründenden Vorgänge im Verfolgerland keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt und auch keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden. Die vom Oberverwaltungsgericht für die Wahrscheinlichkeitsprognose angesetzten Maßstäbe stünden hierzu in Widerspruch. Angesichts der auch vom Berufungsgericht angenommenen geheimdienstlichen Tätigkeit der türkischen Auslandsvertretung und der Weiterleitung der auf diesem Wege gewonnenen Informationen über die exilpolitisch tätigen Vereine an die türkische Regierung sei es entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts als sehr wahrscheinlich anzusehen, dass der dem Vorstand eines solchen Vereins angehörende Kläger im Falle einer Rückkehr mit asylerheblichen Repressalien zu rechnen habe. Mit diesem Vorbringen ist eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Beschwerde keinen abstrakten Rechtssatz der berufungsgerichtlichen Entscheidung benennt, der zu dem Rechtssatz aus dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht. Ein solcher Rechtssatz lässt sich der Berufungsentscheidung auch nicht entnehmen. In Wahrheit bemängelt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz nicht beachtet oder fehlerhaft angewandt habe. Dies reicht zur Darlegung einer Divergenz aber nicht aus (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO n.F. Nr. 26 = NJW 1997, 3328).
Die außerdem behauptete Abweichung von "der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur exilpolitischen Mitgliedschaft" in dem Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31.98 - BVerwGE 109, 1 <8> ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß aufgezeigt. Insoweit fehlt es schon an der Benennung eines abstrakten Rechtssatzes aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, der dieselbe Rechtsnorm betrifft wie die berufungsgerichtliche Entscheidung. An der von der Beschwerde angegebenen Stelle des Urteils finden sich nur Ausführungen zur Auslegung des Ausschlussgrundes nach § 51 Abs. 3 AuslG, der im Falle des Klägers nicht einschlägig ist und den das Berufungsgericht auch nicht angewandt hat.
Soweit die Beschwerde weiter eine Abweichung von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. März 1983 - BVerwG 9 C 68.81 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 44 rügt, weil das Vorbringen des Klägers nach ihrer Auffassung bei zutreffender Würdigung Anlass zu weiterer Sachaufklärung geboten hätte, wird ebenfalls ein Rechtssatzwiderspruch, wie er für die Zulassung der Revision wegen Divergenz erforderlich ist, nicht aufgezeigt, sondern allenfalls die unterbliebene Anwendung eines höchstrichterlichen Rechtssatzes gerügt.
Entsprechendes gilt für die schließlich geltend gemachte Divergenz von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2001 - BVerwG 1 B 24.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 317 = NVwZ 2002 Beilage Nr. I 3, S. 40. Die Beschwerde legt weder dar noch ist es sonst ersichtlich, dass das Berufungsgericht ausdrücklich oder konkludent einen Rechtssatz aufgestellt haben soll, der zu den Rechtssätzen zur Aufklärungspflicht des Gerichts in Asylverfahren in der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Widerspruch steht.
3. Die von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör und einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht sind ebenfalls nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargetan. Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte zu der Frage, ob Vorstandsmitglieder von KOMKAR-Vereinen derzeit als potenzielle Separatisten oder Staatsfeinde in der Türkei betrachtet und verfolgt würden, ein aktuelles Sachverständigengutachten einholen müssen. Es hätte sich nicht damit begnügen dürfen, sich zur Ermittlung des Verfolgungsrisikos eines Vorstandsmitglieds des KOMKAR-Vereins bei dem Polizeipräsidenten Bonn zu erkundigen. Es habe sich insoweit allein auf sein zwei Jahre altes Grundsatzurteil vom 25. Januar 2000 und damit auf zu alte Erkenntnisquellen gestützt.
Damit und mit dem weiteren Vorbringen der Beschwerde ist weder ein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) noch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) hinreichend bezeichnet. Der anwaltlich vertretene Kläger hat im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2002, bei der er persönlich eingehend angehört und der Zeuge A. vernommen worden ist, keinen Beweisantrag gestellt, obwohl ihm die vom Berufungsgericht in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel bekannt waren. Auf die geltend gemachten Verfahrensmängel kann er sich bei dieser Sachlage im Beschwerdeverfahren grundsätzlich nicht mehr berufen (vgl. etwa Beschluss vom 19. August 1997 - a.a.O.). Dass sich dem Berufungsgericht auch ohne einen Beweisantrag die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens zur Gefährdung von Vorstandsmitgliedern von KOMKAR-Vereinen hätte aufdrängen müssen, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Ihr Vorwurf, das Berufungsgericht habe sich nur auf die von ihm eingeholte Auskunft des Polizeipräsidenten Bonn gestützt, trifft schon nach dem eigenen Vorbringen der Beschwerde nicht zu, die an anderer Stelle darauf verweist, dass das Berufungsgericht sich auf die in seinem Urteil vom 25. Januar 2000 verwandten Erkenntnisquellen bezogen habe. Warum diese - im Einzelnen auch in das vorliegende Verfahren eingeführten - Erkenntnisquellen in Verbindung mit der genannten Auskunft des Polizeipräsidenten Bonn über die Kurdische Gemeinschaft Rhein-Sieg-Kreis e.V. für eine sachkundige Beurteilung der Gefährdung des Klägers im Hinblick auf seine Mitgliedschaft im Vorstand dieses Vereins so unzureichend sein sollten, dass sich dem Berufungsgericht eine weitere Aufklärung hätte aufdrängen müssen, lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Allein der von der Beschwerde angeführte Zeitablauf reicht hierfür nicht aus, zumal das Berufungsgericht ausweislich der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel auch nach der Grundsatzentscheidung angefallene Erkenntnisse berücksichtigt und sich in den Entscheidungsgründen ausdrücklich mit dem in dem Grundsatzurteil vom 25. Januar 2000 noch nicht herangezogenen Gutachten von Oberdiek vom 29. Oktober 1999 im Zusammenhang mit der Frage der Gefährdung von KOMKAR-Mitgliedern in der Türkei befasst hat (UA S. 23). Eine wesentliche Änderung der Sachlage, die allenfalls noch Veranlassung zu weiteren, sich aufdrängenden Aufklärungsmaßnahmen hätte geben können, wird von der Beschwerde selbst nicht geltend gemacht.
Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang darauf beruft, dass das Berufungsgericht den Vortrag des Klägers nicht wegen angeblicher Steigerungen für unglaubhaft hätte erklären dürfen, ohne vorher eine Beweisaufnahme durchzuführen, führt auch dieses Vorbringen nicht auf den behaupteten Gehörsverstoß. Die von der Beschwerde vermisste Durchführung der Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten bezieht sich nur auf die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers in der Bundesrepublik. Diese Aktivitäten hat das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen und seiner tatsächlichen und rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt. Den Gesichtspunkt der Steigerung des klägerischen Vorbringens hat das Berufungsgericht dagegen allein bei den Vorfluchtaktivitäten des Klägers in der Türkei angeführt (UA S. 14), bezüglich derer die Beschwerde selbst das Unterbleiben erforderlicher und geeigneter Aufklärungsmaßnahmen nicht substantiiert geltend macht.
Mit den übrigen Ausführungen wendet sich die Beschwerde allein gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, ohne damit einen Revisionszulassungsgrund aufzuzeigen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.