Beschluss vom 11.12.2007 -
BVerwG 3 B 61.07ECLI:DE:BVerwG:2007:111207B3B61.07.0

Beschluss

BVerwG 3 B 61.07

  • VG Berlin - 13.03.2007 - AZ: VG 9 A 34.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. Dezember 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht van Schewick und Dr. Dette
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. März 2007 wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Die Klägerin begehrt berufliche Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG).

2 Die Klägerin war sei Februar 1987 beim Rat des Stadtbezirks Berlin-Lichtenberg als Mitarbeiterin des Jugendamtes beschäftigt. Im Januar 1989 besetzte sie gemeinsam mit ihrem Ehemann die Botschaft der USA in Ost-Berlin, um ihrem im November 1988 gestellten Antrag auf ständige Ausreise nach Berlin (West) Nachdruck zu verleihen. Nachdem sie am 7. Juli 1989 einen Vertrag zur Aufhebung des Arbeitsverhältnisses zum 11. Juli 1989 geschlossen hatte, konnte sie am 15. Juli 1989 nach Berlin (West) ausreisen.

3 Mit Antrag vom 16. Dezember 2003, zurückgenommen am 10. Februar 2004 und erneuert am 27. April 2004 beantragte die Klägerin ihre berufliche Rehabilitierung. Sie sei beim Jugendamt bespitzelt worden und Schikanen ausgesetzt gewesen. Die Ausreise sei davon abhängig gemacht worden, dass sie den Arbeitsvertrag löse. Der ablehnende Bescheid vom 13. Juli 2005 ist damit begründet, dass die Klägerin keiner ihrer individuellen politischen Verfolgung dienenden Maßnahme unterworfen gewesen sei. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin ergänzend geltend, sie sei einem ständigen Mobbing ausgesetzt gewesen, nachdem sie sich geweigert habe, bei der Staatssicherheit mitzuarbeiten. Aus Anlass einer Beschwerde bei der staatlichen Versicherung der DDR habe man versucht, sie mit einem Disziplinarverfahren zu überziehen. Aus einem Vermerk vom 9. November 1988 ergebe sich, dass stattdessen angestrebt worden sei, das Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der zurückweisende Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 2006 ist ergänzend damit begründet, dass die Klägerin keine individuelle politische Verfolgung nachgewiesen habe, hoheitliche beruflich benachteiligende Maßnahmen nicht erkennbar seien und die vorliegenden Unterlagen höchstpersönliche arbeitsrechtliche Probleme belegten. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage hat die Klägerin ergänzend darauf verwiesen, dass die Auflösung des Arbeitsvertrages im Babyjahr erfolgt sei und sie dazu gezwungen worden sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, da die Klägerin die Voraussetzungen des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes nicht erfülle.

II

4 Die Beschwerde ist unzulässig und muss verworfen werden. In der Beschwerdebegründung wird nicht in der nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlichen Weise ein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO dargelegt bzw. bezeichnet.

5 1. Dies gilt zunächst im Hinblick auf die Darlegungserfordernisse hinsichtlich des Zulassungsgrundes der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO): Darzulegen ist nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn zu erwarten ist, dass die Entscheidung im künftigen Revisionsverfahren dazu dienen kann, die Rechtseinheit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Auf die Frage, ob und in welcher Beziehung von der Revision ein solcher Erfolg zu erwarten ist, muss im Rahmen der Darlegungspflicht wenigstens durch die Bezeichnung der konkreten Rechtsfrage, die sowohl für die Entscheidung des Tatsachengerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich sein wird, eingegangen werden. Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung erfordert ferner mindestens einen Hinweis auf den Grund, der ihre Anerkennung rechtfertigen soll. Es genügt nicht, dass die Sache in tatsächlicher Hinsicht eine über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat; diese Voraussetzung ist vielmehr nur dann erfüllt, wenn die Rechtssache eine höchstrichterlich bisher noch nicht geklärte Rechtsfrage von grundsätzlicher, d.h. allgemeiner Bedeutung aufwirft. Dabei bedeutet „Darlegen“ schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch mehr als lediglich ein allgemeiner Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr soviel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90, 91 und vom 6. März 2003 - BVerwG 3 B 115.02 -).

6 Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin behauptet eine grundsätzliche Bedeutung der Sache mit der Begründung, dass das Verwaltungsgericht die informellen Strukturen verkannt habe, die in der DDR gegolten hätten. Bestimmte Leitungen der SED seien Staatsorganen immer übergeordnet gewesen. Demzufolge habe das Gericht den Vermerk vom 9. November 1988 nicht anerkannt bzw. ihm eine zu geringe Bedeutung beigemessen und den Text, der einen vorsichtigen Hinweis auf das Vorliegen einer Weisung enthalte, falsch interpretiert. Die andere Ein- und Zuordnung eines solchen Textes bzw. der betreffenden Weisungsstrukturen sei für eine Vielzahl von Betroffenen von grundsätzlicher Bedeutung.

7 Mit diesem Vortrag wird jedoch nicht einmal ansatzweise dargelegt, welche grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage sich insoweit stellen und welchen Bezug diese zum angefochtenen Urteil haben soll. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass sich dem hier vorliegenden Aufhebungsvertrag eine politische Zielrichtung nicht entnehmen lasse. Der Aufhebungsvertrag stehe einer Eigenkündigung gleich, da nicht erkennbar sei, dass er auf Druck von außen erfolgt sei. Offensichtlich sei die Auflösung des Arbeitsrechtsverhältnisses erfolgt, um im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Ausreise der Klägerin „geordnete Verhältnisse“ zu schaffen. Den beigezogenen Unterlagen - auch nicht dem eine Unterredung zweier staatlicher Leiter wiedergebenden Vermerk vom 9. November 1988 - ließen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, dass ansonsten eine Kündigung von Arbeitgeberseite erfolgt wäre. Mit dieser Argumentation setzt sich die Beschwerde nicht auseinander. Sie bestätigt vielmehr die Annahme des Tatsachengerichts, die Auflösung des Arbeitsverhältnisses habe der Vorbereitung der unmittelbar bevorstehenden Ausreise gedient durch den Hinweis, dass die Klägerin dem Aufhebungsvertrag nur zugestimmt habe, da andernfalls der Ausreiseantrag nicht weiter bearbeitet worden wäre. Die etwaige Ablehnung der Ausreise hingegen hätte keine Maßnahme dargestellt, die in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 4 BerRehaG fällt, weil die Betroffene nicht in ihrem Recht auf Berufsausübung als solchem beeinträchtigt wird. Es ist nachvollziehbar, dass die Klägerin durch die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses ein Ausreisehindernis beseitigen wollte. Diese Verknüpfung von Auflösung des Arbeitsverhältnisses und erstrebter Ausreise ändert aber nichts daran, dass kein rehabilitierungsfähiger Eingriff in die Berufsausübung vorlag, weil eben keine die berufliche Benachteiligung der Klägerin bezweckende Maßnahme gegeben war.

8 2. Von vornherein unverständlich und damit unzulässig ist die mit der Begründung erhobene Divergenzrüge, das angefochtene Urteil weiche von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 - BVerwG 3 C 36.04 - (Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 2) ab. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die vorliegend erhobene Divergenzrüge ersichtlich nicht, da sie keinen Rechtssatz konkret benennt, von dem die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts abweichen soll. Die Divergenzrüge ist vielmehr ins Blaue hinein erhoben, was sich auch aus folgender Formulierung ergibt: „Es kann gemäß § 132 Abs. 2 Ziffer 2 davon ausgegangen werden, dass das Verwaltungsgericht Berlin eine Entscheidung getroffen hat, indem es von diesem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen ist.“

9 3. Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann „bezeichnet“ im Sinne von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn er sowohl in den ihn vermeintlich begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird (Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Diesem Erfordernis wird die Beschwerde ebenfalls nicht gerecht. Dass die Klägerin die gerichtliche Tatsachenwürdigung im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 1 BerRehaG für falsch hält, insbesondere soweit es um die Frage des Vorliegens einer einen beruflichen Nachteil bezweckenden Maßnahme geht, vermag einen Revisionszulassungsgrund nicht zu begründen. Die Beschwerde rügt insoweit, dass das Verwaltungsgericht die Einlassungen der Klägerin hinsichtlich des Zwangs zum Abschluss des Aufhebungsvertrages nicht geprüft, sondern Freiwilligkeit unterstellt habe. Damit behauptet sie wohl einen Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 VwGO. Ein derartiger Verstoß muss allerdings substantiiert dargelegt werden, wozu die Angabe erforderlich ist, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997, a.a.O.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde offensichtlich nicht.

10 Von einer weiteren Begründung seines Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ab.

11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Beschluss vom 01.07.2008 -
BVerwG 3 B 20.08ECLI:DE:BVerwG:2008:010708B3B20.08.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 01.07.2008 - 3 B 20.08 - [ECLI:DE:BVerwG:2008:010708B3B20.08.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 20.08

  • VG Berlin - 13.03.2007 - AZ: VG 9 A 34.06

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. Juli 2008
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Dette und Prof. Dr. Rennert
beschlossen:

  1. Die Anhörungsrüge der Klägerin wird verworfen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rügeverfahrens.

Gründe

1 Die Anhörungsrüge ist unzulässig.

2 1. Der Rechtsbehelf wahrt nicht die Frist gemäß § 152a Abs. 2 Satz 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift ist die Anhörungsrüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Der angefochtene Beschluss vom 11. Dezember 2007 wurde am 3. Januar 2008 zur Post aufgegeben und gilt daher gemäß § 152a Abs. 2 Satz 3 VwGO als am 7. Januar 2008 bekannt gegeben. Die Rügefrist endete somit am 21. Januar 2008 und wurde durch die am 15. Februar 2008 eingegangene Anhörungsrüge vom gleichen Tag nicht eingehalten. Die Klägerin behauptet zwar, Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs „am Abend des 1. Februar 2008 durch Eigenrecherche im Internet“ erhalten zu haben. Dieser Vortrag wird jedoch in keiner Weise substantiiert, geschweige denn, wie gemäß § 152a Abs. 2 Satz 1 Halbs 2 VwGO erforderlich, glaubhaft gemacht.

3 2. Die Beschwerde ist darüber hinaus auch deswegen unzulässig, weil sie nicht gemäß § 67 Abs. 1 VwGO durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten eingelegt worden ist. Die gesetzlichen Regelungen über den anwaltlichen Vertretungszwang vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten uneingeschränkt auch für die Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO.

4 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.