Urteil vom 11.10.2007 -
BVerwG 2 WD 5.06ECLI:DE:BVerwG:2007:111007U2WD5.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 2 WD 5.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:111007U2WD5.06.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 5.06

  • Truppendienstgericht Süd 6. Kammer - 08.02.2006 - AZ: S 6 VL 15/05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung vom 10. und 11. Oktober 2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth,
ehrenamtlicher Richter Oberst i.G. Paape und
ehrenamtliche Richterin Oberfeldapotheker Kartzinski,
Leitender Regierungsdirektor Breitwieser
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt Krug von Einem, Mühlhausen,
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin Kairies
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
am 11. Oktober 2007 für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Bundeswehrdisziplinaranwalts gegen das Urteil der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 8. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten des Berufungsverfahrens und die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Gründe

I

1 Der 43 Jahre alte Soldat hat im Juni 1983 die allgemeine Hochschulreife erlangt.

2 Noch als Schüler hat er sich bereits im September 1982 für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr beworben. Nach erfolgreicher Teilnahme am Annahmeverfahren für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes wurde er mit Bescheid des Personalstammamtes der Bundeswehr vom 1. Juni 1983 zum Dienstantritt am 4. Juli 1983 bei der .../Panzerbataillon ... in H. aufgefordert. Dort wurde er am 5. Juli 1983 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und seine Dienstzeit auf zunächst vier Jahre festgesetzt.

3 Nach der allgemeinen Grundausbildung nahm der Soldat in der Zeit vom 18. Oktober 1983 bis 29. März 1984 am Offizieranwärterlehrgang an der Kampftruppenschule ... in M. teil, den er mit der Note „befriedigend“ bestand. Zum 1. Oktober 1984 wurde er an die Universität der Bundeswehr in Mü. versetzt und nahm dort ein Studium der Fachrichtung Informatik auf. Nachdem er im Oktober 1986 die Diplomvorprüfung endgültig nicht bestanden hatte, wurde er vom Studium abgelöst und zur .../Panzerbataillon ... in K. versetzt. Dort wurde die Dienstzeit des inzwischen zum Leutnant beförderten Soldaten auf acht Jahre erweitert. Am 21. Juni 1990 wurde der nunmehrige Oberleutnant zum Berufssoldaten ernannt.

4 Nach Verwendungen als Panzeroffizier und Zugführeroffizier Leopard II in der .../Panzerbataillon ... und S 2-Offizier im Panzerbataillon ... folgte ab Oktober 1990 ein Einsatz in der Kommandeurgruppe des Panzerregiments ... in C. als Truppenoffizier. In der Zeit vom 28. März bis 30. September 1991 war er Chef der Wach- und Sicherungskompanie des Panzerregiments 15. Zum 1. Oktober 1991 wurde er zur .../Panzerbataillon ... in D. als Panzeroffizier und Kompaniechef versetzt.

5 In derselben Funktion wurde er zum 1. April 1993 zur .../Panzerbataillon ... und zum 1. Oktober 1993 zur .../Panzerbataillon ... in D. versetzt.

6 Nach Teilnahme am Stabsoffiziergrundlehrgang im Zeitraum vom 29. November 1994 bis 17. März 1995 an der Führungsakademie der Bundeswehr in H., den er mit der Note „gut“ bestand, wurde er zum 1. April 1995 zum Stab der Panzergrenadierbrigade ... in E. als S 3-Offizier und Offizier für Reservistenangelegenheiten versetzt. Nach Besuch des fünfmonatigen Sprachlehrgangs Französisch im Sommer 1996 beim Bundessprachenamt in H. wurde er zum 1. Oktober 1996 zum Generalstabslehrgang an die Führungsakademie der Bundeswehr in Ha. und zum 1. Oktober 1998 zum Stab IV. Korps in G. als G 3-Operationsstabsoffizier versetzt. Nach Teilnahme am KFOR-Auslandseinsatz als G 2-Stabsoffizier der Einsatzbrigade in P. vom 28. Juli bis 23. Dezember 1999 wurde der Soldat zum 1. April 2001 als G 3-Stabsoffizier zum Deutschen Anteil S. B. versetzt. Zum 1. November 2003 folgte die Versetzung zum Deutschen Anteil HQ SA. in N./Virginia (USA) als G 3-Stabsoffizier und in derselben Funktion wurde der Soldat wegen des Sachverhalts, der Gegenstand dieses Verfahrens ist, zum 15. Oktober 2004 zum ...amt in B. versetzt. Seitdem leistet er dort Dienst in der Abteilung ..., Dezernat ...

7 Der Soldat wurde regelmäßig befördert, zuletzt am 10. April 2000 zum Oberstleutnant. Seit dem 28. September 1998 führt er den Dienstgradzusatz „im Generalstabsdienst“.

8 In seiner letzten planmäßigen Beurteilung vom 4. Juli 2003 erhielt der Soldat bei den Einzelmerkmalen dreimal die Wertungsstufe „7“ und neunmal die Wertungsstufe „6“. Was Eignung und Befähigung des Soldaten angeht, wird in den Feldern „Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „E“ und für „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ die Wertung „D“ vergeben. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird ausgeführt:
„OTL i.G. B. ist ein dynamischer und belastungsfähiger Stabsoffizier, der ehrgeizig und entschlossen seine Aufgaben anpackt. Er ist immer bereit, - auch unter Zurückstellung persönlicher Belange - sich zu engagieren und für die Sache einzusetzen.
Beweist in der aktuellen Verwendung als G 3 StOffz in S., dass er nicht nur ein scharfer Analytiker sondern auch Praktiker ist, der Mitarbeiter mit ‚Herz und Biss’ führen kann. Er ist der Typ von Offizier, dem seine Untergebenen auch und gerade in extremen Situationen vertrauen und der Vorgesetzte überzeugt.
B. ist ein Stabsoffizier, der sich nicht in den Vordergrund drängt - auch wenn es ihm im internationalen Umfeld leicht fA. würde, der aber von seinem Charakter, seiner Leistung und seines geistigen Potentials in die erste Linie der Generalstabsoffiziere gehört.
Er ist vielseitig einsetzbar, absolut loyal, extrem belastbar und dabei offen, ehrlich und unkompliziert im Umgang. Hinsichtlich des Erhalts seiner körperlichen Leistungsfähigkeit ist er vorbildlich. B. ist aufgrund seines Leistungspotentials für hochwertige Stabs- und Führungsverwendungen gleichermaßen gut geeignet.
Der im internationalen Vergleich klar zum Spitzenbereich gehörende Stabsoffizier verdient vorrangige Förderung - vorerst speziell in Richtung Bataillonskommandeur und anschließender ministerieller Verwendung.“

9 In der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten heißt es:
„01 zu den Abschnitten F., G. und H.
Ein selbstsicherer, aktiver, umsichtiger und fleißiger StOffz, der mit großem Verantwortungsbewusstsein und außerordentlichem politischen Verständnis an die sensitive Aufgabe der Streitkräfteplanung herangeht. Insbesondere in den Gesprächen mit den Nationen beweist er seine Zielstrebigkeit, Weitsicht und Verhandlungsgeschick. Ein junger GenStOffz, der seinen Mann voll steht und zu überzeugen weiß. Seine Verhaltensweise zeigt die Eignung zum militärischen Führer.
OTL i.G. B. hatte im Beurteilungszeitraum keine Gelegenheit seine Befähigung in der Ausbildungsgestaltung nachzuweisen. Seine in den Verwendungshinweisen aufgezeigte gute Eignung für Lehrverwendungen unterstreiche ich trotzdem. OTL i.G. B. besitzt neben seinen analytischen Fähigkeiten auch die Begabung klar und ohne Schnörkel, leicht verständlich und nachvollziehbar, schwierige Sachzusammenhänge darzustellen und zu erläutern. Seine Vortrags- und Arbeitsergebnisse in den unterschiedlichen Arbeitsgruppen belegen dies.
Er sollte zum BtlKdr eines PzBtl eingeplant werden.
02 zum Abschnitt I. und eigene Verwendungshinweise (Stufe der Eignung/Verwendungsvorschläge)
Mit den Verwendungsvorschlägen bin ich voll einverstanden.“

10 In der Sonderbeurteilung vom 10. August 2006 erhielt der Soldat bei den Einzelmerkmalen sechsmal die Wertung „7“ und sechsmal die Wertung „6“. Bei „Eignung und Befähigung“ wurde ihm für „Verantwortungsbewusstsein“, „Geistige Befähigung“ und „Befähigung zur Einsatz- und Betriebsführung“ jeweils die Wertung „E“ sowie für „Eignung zur Menschenführung/Teambefähigung“ die Wertung „D“ zuerkannt. Unter „Herausragende charakterliche Merkmale, Kameradschaft, berufliches Selbstverständnis, Bewährung im Einsatz und ergänzende Aussagen“ wird über den Soldaten ausgeführt:
„OTL i.G. B. ist ein vorbildlicher, sehr selbstbewusster Generalstabsoffizier mit klarem beruflichen Selbstverständnis. Er ist ein im besten Sinne kritischer Offizier, der sich mit den Besonderheiten des Soldatenberufs auseinandersetzt und auch in gesellschaftlichen und politischen Fragen klar und deutlich Stellung bezieht. Herausragende Eigenständigkeit und außergewöhnliche Auffassungsgabe zeichnen ihn aus. Dieses gilt auch in seiner seit Monaten andauernden persönlich äußerst belastenden Lage, in der er mit kühlem Kopf und beeindruckender Selbstbeherrschung seine Aufträge zuverlässig ausführt. Er bewahrt dabei stets seine innere Haltung.
OTL i.G. B. ist vielseitig interessiert und einsetzbar. Er verfügt immer über das richtige Gespür für strategische Aspekte und internationale Zusammenhänge. Er trennt in bemerkenswerter Klarheit Wichtiges von weniger Wichtigem, Relevantes von weniger Relevantem. Es gelingt ihm in vorbildlicher Weise, Vorgesetzten auch sehr komplexe Vorgänge und Themen in kurzer Zeit anschaulich darzustellen, zu bewerten und nachvollziehbare Empfehlungen als Entscheidungsgrundlage vorzutragen.
Dank seines Humors und seines verbindlichen Auftretens ist er in das Dezernat voll integriert. Seine körperliche Leistungsfähigkeit erhält er vorbildlich.
Sein überzeugender Leistungs- und Gestaltungswille rundet das Bild dieses weit überdurchschnittlichen Generalstabsoffiziers ab.
OTL i.G. B. hat sehr schnell und deutlich überzeugt. Er empfiehlt sich weiter für herausgehobene Verwendungen. Sein Leistungs- und Eignungspotenzial geben ihm eine deutliche und sichere B 3-Perspektive, die sich bei entsprechend früher Förderung und Forderung noch weiter entwickeln kann.“

11 In der Stellungnahme des nächsthöheren Vorgesetzten heißt es:
„01 zu den Abschnitten F., G. und H.
Der sehr guten Beurteilung schließe ich mich vorbehaltlos an.
OTL i.G. B. ist ein Generalstabsoffizier mit sehr großem Entwicklungspotenzial, das zielgerichtet gefördert werden sollte. Seine Beiträge zur Stabsarbeit sind immer sachlich unangreifbar, kurz und anschaulich auf die entscheidenden Punkte fokussiert. Seine Vorschläge zum weiteren Vorgehen sind wohl abgewogen und herausragend klar bewertet. Seine Beratung ist für den GrpLtr S...A ... häufig der entscheidende Beitrag, um sachgerechte Entscheidungen zu treffen.
OTL i.G. B. hat im Laufe der letzten 2 Jahre sehr schmerzliche Erfahrungen machen müssen. Dies hat er mit vorbildlicher Haltung weggesteckt und gleichzeitig seine Aufgaben ohne Leistungseinbruch auf höchstem Niveau erledigt. Nicht zuletzt dieser Nachweis großer seelischer Kraft und untadeliger soldatischer Haltung prädestinieren ihn für eine vorrangige Förderung.
02 zum Abschnitt I. und eigene Verwendungshinweise (Stufe der Eignung/Verwendungsvorschläge)
Die Verwendungshinweise des Dezernatsleiters stütze ich nachdrücklich. Als nächste Verwendung schlage ich den Einsatz im Fü H III oder Fü S III vor.
Auf mittlere Sicht sollte OTL i.G. B. als Stellvertretender Brigadekommandeur weitere Erfahrungen als Disziplinarvorgesetzter sammeln.
Langfristig halte ich OTL i.G. B. für Positionen jenseits der B 3-Ebene bereits jetzt für deutlich geeignet.“

12 In der Stellungnahme weiterer höherer Vorgesetzter führt Kapitän zur See S., Abteilungsleiter ... ...amt, u.a. aus:
„Die sehr gute Beurteilung des OTL i.G. B. findet meine volle Zustimmung - sie entspricht Wort für Wort dem Bild, das ich mir von diesem bemerkenswerten Stabsoffizier persönlich habe machen können.“

13 Vor dem Truppendienstgericht hat der Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Kapitän zur See S., als Leumundszeuge ausgesagt, der Soldat arbeite gründlich, konsequent und analysiere scharf; er liefere Arbeitsergebnisse und Vorlagen, die sehr gut erarbeitet und auch unter Zeitdruck hochqualifiziert seien. Der Soldat sei ehrlich und unvoreingenommen. Was dem Soldaten zur Last gelegt werde, passe nicht zu ihm. Der Soldat sei integer und habe sein uneingeschränktes Vertrauen.

14 Der Zentralregisterauszug enthält keine Eintragung über den Soldaten. Das Disziplinarbuch weist zwei förmliche Anerkennungen aus, und zwar vom 20. Dezember 1989 durch den Kompaniechef der .../Panzerbataillon ... und vom 13. November 1999 durch den Chef des Stabes Einsatzbrigade ... KFOR. Der Soldat ist berechtigt, die Einsatzmedaille der Bundeswehr für die Teilnahme am KFOR-Einsatz sowie das Abzeichen für Leistungen im Truppendienst in Gold in der 15. Wiederholung zu tragen.

15 Gemäß Mitteilung der Wehrbereichsverwaltung Süd - Gebührniswesen - vom 12. Januar 2006 erhält der ledige Soldat Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 14 Bundesbesoldungsgesetz in der 9. Stufe in Höhe von brutto 4 000,86 € und netto 3 012,16 €. Hiervon gelangen nach Abzug der Aufwendung für vermögenswirksame Leistungen und eines Bekleidungsabnutzungsentschädigungsbetrags 2 970,23 € zur Auszahlung. Unter Berücksichtigung seiner monatlichen Fixkosten verbleiben ihm ca. 1 000 € zur freien Verfügung. Seine finanziellen Verhältnisse sind geordnet.

II

16 In dem mit Verfügung des Amtschefs des ...amtes vom 10. September 2004 ordnungsgemäß eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahren hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes dem Soldaten mit Anschuldigungsschrift vom 5. Juli 2005 folgendes Verhalten als Dienstvergehen zur Last gelegt:
„Der Soldat entnahm am 30. Juli 2004 in dem AAFES Main Exchange Store der L. Air Force Base in N./Virginia in der Zeit zwischen 16:50 und 17:15 Uhr in einer Umkleidekabine einen Computerbaustein im Verkaufswert von $ 90.00 (memory Chip PC 2700) der Verpackung, versteckte ihn an seinem Körper und verließ nach dem Kauf weiterer Artikel den Kassenbereich, ohne den Computerbaustein zu bezahlen.“

17 Der Tatvorwurf wird präzisiert durch die in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht eingereichte Nachtragsanschuldigung vom 7. Februar 2006:
„Der Soldat entnahm am 30. Juli 2004 in dem AAFES Main Exchange Store der L. Air Force Base in N./Virginia zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt, jedenfalls nach 16:15 Uhr Ortszeit in einer Umkleidekabine einen Computerbaustein im Verkaufswert von $ 67,50 (memory Chip PC 2700) der Verpackung, versteckte ihn an seinem Körper und verließ nach dem Kauf weiterer Artikel den Kassenbereich, ohne den Computerbaustein zu bezahlen.“

18 Die 6. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat den Soldaten durch Urteil vom 8. Februar 2006 vom Vorwurf eines Dienstvergehens freigesprochen. Die Truppendienstkammer hat nicht die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit dafür gewinnen können, dass der Soldat einen Computerbaustein (sog. RAM-Riegel) ohne Bezahlung an der Kasse vorbei entwendet hat und hat den Soldaten „in dubio pro reo“ freigesprochen. Auf die Ausführungen im Urteil der Truppendienstkammer (S. 10 f.) wird Bezug genommen.

19 Gegen dieses der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Streitkräfteamtes am 6. März 2006 zugestellte Urteil hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt mit Schriftsatz vom 5. April 2006, bei den Wehrdienstsenaten des Bundesverwaltungsgerichts eingegangen am selben Tag, Berufung im vollen Umfang eingelegt mit dem Antrag, gegen den Soldaten wegen eines Dienstvergehens eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme zu verhängen.

20 Zur Begründung hat der Bundeswehrdisziplinaranwalt im Wesentlichen vorgetragen:
Nach der Einlassung des Soldaten sei dieser mit einer befüllten und einer leeren Verpackung in die Umkleidekabine gegangen. Diese Einlassung sei durch die vorliegenden Beweismittel in der Hauptverhandlung vor dem Truppendienstgericht auch zur Überzeugung der Kammer widerlegt worden. Ausweislich der Urteilsbegründung (Seite 6 und 7 des Urteils) beweise das dem Überwachungsvideo entstammende Einzelbild (Blatt 137 der Gerichtsakte), dass auch die mit Klebeband verschlossene zweite Verpackung mit einem RAM-Riegel bestückt gewesen sei. Zusätzlich werde dies auch durch andere Stellen des Überwachungsvideobandes belegt, insbesondere zur eingeblendeten Uhrzeit 16:56:24 bis 16:56:40, und darüber hinaus durch die glaubhafte Aussage der Zeugin C. - einer zweiten Ladedetektivin - bewiesen. Ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung vom 8. Februar 2006 (Seite 18 und 20), habe die Zeugin ausgesagt, dass sie persönlich überprüft habe, ob die beiden von dem Soldaten in der Hand gehaltenen Verpackungen befüllt gewesen seien. Die Zweifel der Kammer, die zum Freispruch „in dubio pro reo“ geführt hätten, beruhten auf der Überlegung, dass ein zweiter RAM-Riegel an der Kasse ohne Bezahlung nur dann „vorbeigeschmuggelt“ worden sein könnte, wenn ein solcher bei dem Soldaten gefunden worden wäre oder er sich dessen vor der Durchsuchung habe entledigen können. Nach Auffassung der Kammer treffe ersteres nicht zu, auch die Entledigungsvariante komme nach Ansicht der Kammer nicht in Betracht.

21 Der Auffassung der Kammer sei jedoch entgegenzutreten. Die vorliegenden Beweismittel ließen sehr wohl den Schluss zu, dass der Soldat sich des RAM-Riegels „entledigt“ habe. In dem Teil des Security-Office, in dem der Soldat nach seinem Anhalten durch die Detektivin A. habe sitzen müssen, habe sich - wie der Soldat nicht gewusst und auch während des Aufenthalts im Büro nicht bemerkt habe - eine Video-Kamera befunden, die in unterschiedlichen Abständen - im Regelfall alle vier Sekunden - ein Standbild aufgenommen habe. Das vorliegende Videoband dieser Kamera stelle also keinen Videofilm in Echtzeit dar und bilde die Masse des Geschehensablaufs nicht ab. Diese Tatsache sei für die Auswertung des Beweismittels entscheidend. Auf dem Videoband werde unter der eingeblendeten Uhrzeit 16:49:30 eine Bückbewegung des Soldaten nach rechts unten aufgezeichnet. Ob der Soldat sich dabei zu seiner Einkaufstüte gebückt habe, wie vom Soldaten behauptet und von der Truppendienstkammer so übernommen wurde, werde auf dem Videoband nicht deutlich. Die Bückbewegung beginne bei 16:49:23. Das nächste Foto (16:49:30) zeige den Soldaten ganz nach unten gebeugt. Erst bei 16:49:34 sitze der Soldat wieder gerade auf dem Stuhl. Unabhängig davon, dass entgegen der Annahme der Kammer für ein unbemerktes Werfen des RAM-Riegels unter den Computer-Desk drei Sekunden ausgereicht hätten, habe dem Soldaten damit erheblich mehr Zeit als drei Sekunden zur Verfügung gestanden, um den RAM-Riegel dorthin zu schaffen, wo er am nächsten Tag durch die Zeugin C. aufgefunden worden sei. Zweifel an der Aussage der Zeugin C. könnten vernünftigerweise nicht bestehen und seien von der Kammer auch nicht artikuliert worden. Dass der Zeuge T. den RAM-Riegel bei seiner - oberflächlichen - Absuche am 30. Juli 2004 nicht gefunden habe, beruhe darauf, dass er nur den vorderen Bereich mit der Hand abgetastet habe (Protokoll Seite 13 und 17). Dagegen habe die Zeugin C. am nächsten Tag wesentlich gründlicher gesucht und sei - wie auch auf dem Videoband des Security-Office zu sehen sei - mit der gesamten Hand und Teilen des Armes unter den Computer-Desk gegangen. Anhaltspunkte, dass die Zeugin C. lügen könnte, seien nicht ersichtlich. Sie habe ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung (Seite 30) ausgeführt, dass sie nach Auffinden des RAM-Riegels diesen auf den Schreibtisch gelegt habe. Diese plastische Schilderung stehe nicht in Widerspruch zur Videoaufzeichnung.

22 Eine Auseinandersetzung mit der Zeugenaussage C. finde nicht weiter statt. Während die Einlassung des Soldaten durch die entgegenstehenden Videoaufzeichnungen aus dem Verkaufsraum in einem zentralen Punkt widerlegt werde, widersprächen sich die Aussage der Zeugin C. und die vorhandenen Videoaufzeichnungen gerade nicht. Letztlich werde das Auffinden eines RAM-Riegels am nächsten Tag auch von niemandem bestritten. Die Tatsache, dass der RAM-Riegel auf den Standfotos des Videobandes der Kamera im Security-Office nicht zu sehen sei, biete keine Anhaltspunkte, dass die Zeugin C. lüge. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin seien im Urteil auch nicht geäußert worden.

23 Der Auffindevorgang selbst sei auf dem Video dokumentiert. Bei 14:32:21 (eingeblendete untere Uhrzeit) sei die Zeugin C. in der Bewegung des Wiederaufstehens mit dem Rücken aufgenommen. Der RAM-Riegel könne folglich auch nicht zu sehen sein. Das nächste Foto (14:32:25) zeige die Zeugin C. im Vordergrund des Raumes stehend. Dass der RAM-Riegel hier nicht zu sehen sei, sei nur scheinbar ein Widerspruch. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Riegel in den nicht abgebildeten vier Sekunden von der Zeugin A. - die in der Hauptverhandlung nicht anwesend gewesen sei - vom Schreibtisch weggenommen worden sei. Die Videoaufzeichnung sei damit kein zwingender Beweis, dass die Zeugin C. die Unwahrheit gesagt habe.

24 Gegen die erstinstanzliche Beweiswürdigung bestünden auch rechtliche Bedenken.

25 Das von der Kammer gefundene Beweisergebnis, nämlich dass der Soldat - entgegen seiner Aussage - mit zwei befüllten Packungen, also mit zwei RAM-Riegeln, in die Umkleidekabine hineingegangen sei, führe dazu, dass das Gericht eine dritte Variante des Geschehensablaufs unterstellt haben müsse, die in den Urteilsgründen nicht weiter angesprochen werde. Nicht unerwähnt bleiben könne schließlich auch, dass entgegen der Aussage des Soldaten, er habe den Zeugen T. auf die leere Verpackung in der zurückgehängten Hose hingewiesen, so dass dieser sie dort habe auffinden können (Protokoll Seite 8 und 9), dieser die Umkleidekabine und deren Umgebung aus eigenem Antrieb abgesucht und dabei die Verpackung aufgefunden habe (Protokoll Seite 11). Bei der einzig lebensnahen Würdigung der vorhandenen Beweismittel, der gegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkämen, habe der Soldat so wie angeschuldigt gehandelt und sei deshalb mit einer gerichtlichen Disziplinarmaßnahme zu belegen.

26 Der Verteidiger ist der Berufung entgegengetreten und trägt u.a. vor:
Die Behauptungen des Bundeswehrdisziplinaranwalts seien nicht geeignet, den noch immer gegen den Soldaten erhobenen Diebstahlsvorwurf zu belegen. Der Soldat habe zu keinem Zeitpunkt eine Bewegung in Richtung des fraglichen Möbelstücks gemacht und zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Anstalten unternommen, einen etwa zuvor am Körper unter seiner Kleidung o.ä. verborgenen Gegenstand hervorzuholen. Ebenso wenig sei ein derartiger Gegenstand zu irgendeinem Zeitpunkt am 30. Juli 2004 im „Büro der Ladendetektive“ erkennbar. Folgerichtig seien auch keine Aktivitäten des Soldaten erkennbar, welche darauf schließen würden, dass er einen Gegenstand irgendwo im Raume deponiert habe, insbesondere nicht unter dem in Rede stehenden Möbelstück. Die vom Bundeswehrdisziplinaranwalt offenbar vertretene Auffassung, der Soldat könne sämtliche der zuvor geschilderten Aktivitäten gleichwohl entfaltet haben, habe dabei aber ausnahmslos von dem für ihn glücklichen Umstand profitiert, dass diese jeweils in eine Aufzeichnungslücke der Standbildsequenz der Videos fielen, sei als absurd zurückzuweisen. Denn die immer wieder im Bild erkennbaren „Aufsichtspersonen“ hätten eine solche Kette von Aktivitäten des Soldaten zweifellos bemerken müssen. Das vom Bundeswehrdisziplinaranwalt in seiner Beweisnot bemühte Konstrukt bedeute nichts weniger als den Versuch einer vollständigen Umkehr der Beweislast und rühre damit an eine der Grundfesten unserer Rechtsordnung. Da zudem auch keinerlei Zeugenaussagen vorlägen, wonach der Soldat einen Gegenstand zunächst eingesteckt und an der Kasse vorbeigeschmuggelt oder später wieder von sich gebracht haben solle, fehle es dem Bundeswehrdisziplinaranwalt gänzlich an aussagekräftigen Argumenten. Es sei ebenso unverständlich wie inakzeptabel, dass bei dieser Sachlage gleichwohl und ohne jede stichhaltige Begründung an der eingelegten Berufung festgehalten und dem Soldaten die ebenso aufwendige wie belastende Durchführung einer weiteren Hauptverhandlung zugemutet werde.

III

27 1. Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, ihre Förmlichkeiten sind gewahrt (§ 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 WDO).

28 2. Da die Berufung des Bundeswehrdisziplinaranwalts ausdrücklich und nach dem wesentlichen Inhalt ihrer Begründung in vollem Umfang eingelegt worden ist, hat der Senat im Rahmen der Anschuldigung (§ 123 Satz 3 i.V.m. § 107 Abs. 1 WDO) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen, diese rechtlich zu würdigen und die sich daraus ergebenden Folgerungen zu ziehen.

29 3. Die Berufung des Bundeswehrdisziplinaranwalts hat keinen Erfolg.

30 Aufgrund der Einlassung des Soldaten, soweit ihr gefolgt werden kann, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 StPO zum Gegenstand der Berufungshauptverhandlung gemachten Urkunden und Schriftstücke, der Aussagen der in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen Frau L. A., Frau F. C., Kapitän zur See A. S. und Oberst W. K. sowie der Auswertung von Videoaufzeichnungen von Überwachungskameras aus dem Main Store L. Air Force Base N./Virginia, USA, Kassette 1 mit dem Inhalt 30. Juli 2004, 16.27 Uhr bis 17.18 Uhr sowie Kassette 2 mit dem Inhalt 30. Juli 2004, 17.42 Uhr bis 18.42 Uhr, 18.55 Uhr bis 18.58 Uhr und 31. Juli 2004, 15.32 Uhr bis 15.34 Uhr hat der Senat folgenden Sachverhalt festgestellt:

31 Am späten Nachmittag des 30. Juli 2004, einem Freitag, hielt sich der Soldat, der an diesem Tag früher als sonst Dienstschluss hatte, als Kunde im Langley Main Store auf, einer Verkaufseinrichtung, die sich innerhalb eines militärischen Gebietes befindet. Der Zugang ist Nicht-Militärangehörigen nicht gestattet. Die korrekte Bezeichnung dieses „Kaufhauses“ ist AAFES (Army and Air Force Exchange Service). Die Verkaufsfläche des Ladens wird durch an der Decke angebrachte Kameras überwacht. Diese Kameras können von dem sog. Videoraum aus hinsichtlich „Blickwinkel“ als auch hinsichtlich „Brennweite“ gesteuert werden. Mit der Bewachung befasst waren zu dieser Zeit die beiden Ladendetektive, die Zeuginnen L. A. und F. C.

32 Aus einem nicht mehr feststellbaren Grunde war der Soldat der Detektivin A. verdächtig vorgekommen und wurde deshalb per Kamera vom Videoraum aus „verfolgt“. Er hielt sich zu diesem Zeitpunkt in der sog. Power-Zone, dem Bereich, in welchem Elektro- und Elektronikwaren angeboten werden, u.a. auch PC-Komponenten und -Zubehör, auf. Artikel dieser Art gab es, auch wegen bereits geöffneter Originalverpackung, preisreduziert, zusammengefasst in sog. Wühlkisten oder Krabbelboxen.

33 Nachdem der Soldat ausgiebig Preis- und Leistungsvergleiche angestellt hatte, entschied er sich dazu, zwei RAM-Riegel-Verpackungen an sich zu nehmen, welche allerdings im Ursprungspreis unterschiedlich ausgezeichnet waren. Während die eine im Originalpreis $ 90,00 auswies, war die andere mit $ 94,95 gekennzeichnet. Bei der einen Packung, in der sich ein RAM-Riegel befand, war der obere Blisterteil mit der Aufhängeöse abgeschnitten. Die andere Verpackung war weiter innen aufgeschnitten und mit Klebeband wieder verschlossen worden; ob sie zu diesem Zeitpunkt leer war oder ob sich darin ebenfalls ein RAM-Riegel befand, hat der Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen können. Außerdem hatte der Soldat sich bereits für den Empfänger einer Funk-PC-Maus entschieden. Zusammen mit diesen drei Artikeln in der Hand begab er sich anschließend in den Bereich Herrenoberbekleidung. Dort wählte er ein Hemd und letztlich vier Shorts aus. Dabei näherte sich ihm die Zeugin C., die sehen wollte, welche Art PC-Zubehör er in Händen hielt. Die Zeugin C. gewann den Eindruck, dass beide Packungen mit PC-Bausteinen befüllt waren und dass es sich hierbei um zwei 512 MB-RAM-Riegel handelte.

34 Danach begab sich der Soldat an einen Preisscanner in unmittelbarer Nähe, um zu überprüfen, was letztlich an der Kasse von ihm, unabhängig von den Preisauszeichnungen, bezahlt werden müsste. Dies tat er vornehmlich wegen der unterschiedlichen, auf den Verpackungen der RAM-Riegel, welche im Übrigen unterschiedlicher Bauart waren, angebrachten Ausgangspreise. Da der Scanner offenbar nicht funktionierte, begab sich der Soldat an einen weiteren Scanner im Bereich der Damenbekleidung. Nachdem er dort festgestellt hatte, dass die beiden Artikel, unbeschadet der auf ihren Verpackungen angebrachten unterschiedlichen Preisauszeichnungen, im Kassencomputer mit identischem Preis gespeichert waren und er auch die Preise der von ihm ausgesuchten Bekleidungsstücke geprüft hatte, begab er sich in eine Umkleidekabine und verweilte dort ca. zehn Minuten.

35 Als der Soldat die Umkleidekabine wieder verließ, hatte er die fünf Kleidungsstücke, den Empfänger für die Funk-Maus, aber nur noch die abgeschnittene Verpackung mit dem RAM-Riegel in der Hand. Drei der Shorts hängte er an den runden Kleiderständer zurück. In eine der Shorts legte er die mit Klebeband umwickelte Verpackung.

36 Die Zeugin A. hatte in der Zwischenzeit den Video-Überwachungsraum verlassen und sich Richtung Eingangs-/Ausgangsbereich des Langley Main-Stores begeben. Dort hielt sie den Soldaten, der zwischenzeitlich bezahlt hatte und die gekauften Waren in einer Einkaufstüte mit sich führte, an, kontrollierte seine Einkaufsberechtigung und forderte ihn auf, mit ihr in das Loss Prevention Office zu kommen.

37 Bei diesem Office, auch als Security-Office bezeichnet, handelt es sich um das Büro der Ladendetektive. Es besteht ca. zur Hälfte aus dem eigentlichen Büro, welches ebenfalls mit einer Video-Kamera bestückt ist, die jedoch nicht durchgängig aufnimmt, sondern lediglich alle vier Sekunden ein Standbild „schießt“. Im Erfassungsbereich dieser Kamera befinden sich links der Detektiv-Schreibtisch, ein im rechten Winkel dazu stehender PC-Rolltisch samt Schreibtisch-Rollstuhl und ein daneben platzierter Aktenschrank mit zwei Schubkästen für Hängeregistratur sowie der rechts für die Beschuldigten vorgesehene Stuhl. Dieser stand mit seiner Lehne am 30. Juli 2004 an einer Zwischenwand, die einen Durchgang in die andere Office-Hälfte freilässt. Diese Hälfte des Raumes ist der sogenannte Videoraum. Der Soldat hatte sich auf den Stuhl zu setzen. Während die Zeugin A. sodann hinter dem Schreibtisch Platz nahm und per Telefon die Unterstützung durch die Militärpolizei erbat, beugte sich der Soldat mit seinem Oberkörper besonders weit nach vorne. Ob er dabei mit seinen Händen nicht nur die Einkaufstasche auf den Fußboden stellte, sondern noch anderes unternahm, lässt sich auf den in der Berufungshauptverhandlung von den Verfahrensbeteiligten in Gegenwart der Zeuginnen C. und A. eingesehenen Videobildern (ca. 17:42:28 Uhr) nicht genau erkennen. Die Zeugin A. begab sich sodann in den Videoraum.

38 Bis zum Eintreffen des Zeugen T. (Staffsergeant Military Police) ca. 15 Minuten später wurde der Soldat durch die Detektivin W., welche im Bereich der Bürotür verblieb (und deshalb von der Kamera nicht erfasst wurde), überwacht. Bereits zu der Zeit, als die Zeugin A. mit dem Soldaten auf dem Weg zum Büro war, hatte die Zeugin C. ihren Platz im Videoraum verlassen, um zu prüfen, ob der Soldat einen RAM-Riegel aus der mit Klebeband umwickelten Verpackung in der Umkleidekabine zurückgelassen hatte. Sie konnte dort den RAM-Riegel nicht finden und kehrte danach nicht wieder ins Büro zurück, da ihr Dienst für diesen Tag beendet war. Sie blieb jedoch für persönliche Einkäufe noch eine Zeit lang im Laden.

39 Nachdem der Zeuge T. im Office eingetroffen war, stellte er sich in den Durchgang zwischen Büro und Video-Überwachungsraum. So konnte er sich die Videoaufnahme im Verkaufsraum ansehen und gleichzeitig statt der nunmehr gegangenen Detektivin W. den Soldaten im Büroraum im Auge behalten. Als dieser sich nach rechts unten zu seiner Einkaufstüte hin wandte, forderte er ihn auf, still sitzen zu bleiben. Der Zeuge T. sah zwar, wie der Soldat sich nach unten beugte, sah aber nicht, ob er etwas weglegte. Kurz danach trat der Zeuge ins Büro und unterzog sowohl den Aktenschrank als auch den PC-Tisch einer kurzen Überprüfung. Sodann erfolgte eine körperliche Durchsuchung des Soldaten, im Rahmen derer der Soldat auch seine Schuhe ausziehen musste. Bei einer weiteren Überprüfung versuchte der Zeuge auch unter den PC-Tisch zu greifen, was ihm aber wegen seiner mitgeführten Waffe nicht gelang, sodass er unter den PC-Tisch nur „fühlen“ konnte, ob sich dort etwas befand. Die Überprüfung blieb ebenso erfolglos wie die Durchsicht der Einkaufstüten des Soldaten.

40 Während der Soldat, der Zeuge T. und die Zeugin A. im Sicherheitsbüro waren, entschloss sich die Zeugin A. dazu, am Kleiderständer im Verkaufsraum nachzuschauen, ob sich in den Shorts, die der Soldat vorher in den Kleiderständer zurückgehängt hatte, noch eine Verpackung mit einem RAM-Riegel oder eine leere Verpackung befand. Etwa gleichzeitig war ihr dies auch vom Zeugen T. angeraten worden. Die Zeugin begab sich sodann in den Verkaufsraum zu dem Kleiderständer, während der Soldat und der Zeuge T. im Security-Office verblieben. Am Kleiderständer im Verkaufsraum fand sie die drei Shorts, die der Soldat zurückgehängt hatte und durchsuchte diese. In einer der Shorts fühlte sie, dass sich darin etwas befand. Sie verbrachte die Shorts in das Security-Office, nahm aus ihr den Gegenstand heraus und stellte dabei fest, dass es sich um eine leere Verpackung handelte, die sie danach dem Zeugen T. und dem Soldaten zeigte. Der Soldat erklärte, dass diese Verpackung schon unbestückt gewesen sei, als er sie zum Preisvergleich mit zu dem Scanner genommen habe. Er habe sie in eine letztlich nicht ausgewählte Hose gesteckt, weil er nicht mehr zur „Power-Zone“ habe zurückgehen wollen. Diese Erklärung wurde sowohl vom Zeugen T. als auch der Zeugin A. akzeptiert, die sich deshalb bei dem Soldaten für die erlittenen Unannehmlichkeiten entschuldigten und ihn entließen. Bevor er ging, machte der Soldat darauf aufmerksam, dass er den Vorfall seinem militärischen Vorgesetzten melden werde. Dies geschah durch schriftliche Meldung vom 30. Juli 2004. Unmittelbar nachdem der Soldat das Office verlassen hatte, sah die Zeugin A. noch unter den PC-Tisch, um nach dem vermissten RAM-Riegel zu suchen; sie sah aber nur „Staub und Dreck“. An diesem Tage fasste sie jedoch nicht unter den PC-Tisch.

41 Am nächsten Tag erschien die Zeugin C. gegen 13.00 Uhr wieder zur Arbeit im Büro. Die Zeugin A. war bereits anwesend, ebenso die Chefin der beiden. Man sprach dann nochmals über den Vorfall vom Vortag. Die Zeugin C. erinnerte sich an zwei zurückliegende Vorgänge, bei denen in Diebstahlverdacht geratene Kunden sich ihres Diebesgutes dadurch entledigt hatten, dass sie es auf/im PC-Tisch „versteckt“ hatten. Deshalb entschloss sie sich, diesen nun zu überprüfen. Dabei kniete sie sich hin, fasste unter den PC-Tisch und ertastete nach ihren Angaben dort einen RAM-Riegel. Dieser passte in die leere Verpackung. Die Verpackung trug einen Barcode mit der Bezeichnung 512 MB. Die von dem Soldaten an der Kasse bezahlte wie auch die umwickelte, in der Shorts aufgefundene Verpackung trugen den gleichen Code. Auf den von der Büro-Überwachungskamera aufgenommenen Videofotos ist der Auffindevorgang nicht erkennbar, auch der von der Zeugin C. gefundene RAM-Riegel ist auf den Videoaufnahmen nicht zu sehen.

42 Der Soldat bestreitet den angeschuldigten Tatvorwurf und lässt sich im Wesentlichen dahingehend ein, in der Computerabteilung des Kaufhauses habe sein Interesse Computerspeicherbausteinen gegolten, weil er seinen privaten PC habe aufrüsten wollen. Er sei zwischen den Bereichen mit den originalen und den reduzierten Artikeln hin und her gelaufen und habe sich dann für den Kauf eines Speicherriegels entschieden, der sich in einer geöffneten Verpackung befunden habe. Gleichzeitig habe er eine leere mit Klebeband umwickelte Verpackung vom „Krabbeltisch“ an sich genommen. Beide Packungen hätten einen identischen Barcode ausgewiesen, jedoch sei der Kaufpreis unterschiedlich gewesen. Am Preisscanner habe er in Erfahrung bringen wollen, welcher Preis gespeichert sei. Er habe den günstigeren Computerbaustein kaufen wollen; derjenige, den er dann aber tatsächlich gekauft habe, sei der teurere gewesen. Nachdem er festgestellt habe, dass der niedrigere Preis, also der auf der leeren Verpackung angebrachte Preis, für beide Artikel bzw. Verpackungen eingegeben gewesen sei, sei er in die Umkleidekabine gegangen und habe dann eine „Dummheit“ begangen. Da die leere Verpackung für ihn keinen Wert gehabt habe, habe er sie in die Hosentasche der anprobierten Hose gesteckt.

43 Diese Darstellung des Soldaten ist wenig glaubhaft. Sie kann dem Soldaten jedoch nicht mit der erforderlichen Gewissheit widerlegt werden.

44 Ein zur Überzeugung des Senats sicherer Nachweis des angeschuldigten Vorwurfs ist nicht mit der nach § 261 StPO erforderlichen Gewissheit erbracht. Nach dieser Regelung hat das Gericht über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung zu entscheiden. Dabei kommt es allein darauf an, ob der Tatrichter die persönliche Überzeugung von einem bestimmten Sachverhalt erlangt hat oder nicht. Das Gericht muss von der persönlichen Schuld des Angeschuldigten überzeugt sein. Der Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Geschehensablaufes nicht aus; denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter A. Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Nach der gesetzlichen Regelung ist es allein Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an feste gesetzliche Beweisregeln und nur nach seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen und zu entscheiden, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH, Urteile vom 9. Februar 1957 - g.M. 2 StR 508/56 - BGHSt 10, 208 <209> und vom 7. Juni 1979 - g.G. 4 StR 441/78 - BGHSt 29, 18 <20>). Die für die Überführung eines Angeschuldigten erforderliche persönliche Gewissheit des Tatrichters erfordert ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, demgegenüber vernünftige Zweifel nicht mehr aufkommen (BGH, Urteil vom 8. Januar 1988 - 2 StR 551/87 - NStZ 1988, 236 <237>; Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl. 2005, § 261 Rn. 2 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214). Zwar ist zur Überführung des Angeschuldigten keine „mathematische” Gewissheit erforderlich. Der Beweis muss jedoch mit lückenlosen, nachvollziehbaren logischen Argumenten geführt sein. Die Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruhen und muss erschöpfend sein. Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter A. für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen, sowie diese Tatsachen und deren Würdigung in den Urteilsgründen darzulegen (Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O. im Anschluss an die stRspr des BGH zu § 261 StPO, vgl. u. a. Beschlüsse vom 5. August 1997- 5 StR 178/97 - NStZ-RR 1998, 15 m.w.N. und vom 17. Januar 2002 - 3 StR 417/01 - NStZ-RR 2002, 147 m.w.N.). Allein damit wird die Unschuldsvermutung widerlegt (vgl. Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O.). Hängt die Entscheidung bei gegensätzlichen Aussagen des Angeschuldigten und von Zeugen allein davon ab, welchen Angaben das Gericht glaubt, dann müssen, damit es nicht zu einer Verurteilung aufgrund einer subjektiven Fehlbeurteilung der Zeugenaussage(n) kommt, alle Umstände, denen eine indizielle Bedeutung für die Schuld oder Unschuld des Angeschuldigten zukommen kann, in die Beweiswürdigung eingestellt und in den Urteilsgründen dargelegt werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. Februar 1993 - 2 StR 531/92 - StV 1994, 526 m.w.N., Beschluss vom 6. März 2002 - 5 StR 501/01 - NStZ-RR 2002, 174 <175> m.w.N. und BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O.; Meyer-Goßner, StPO, a.a.O., Rn. 11 m.w.N.). Selbst wenn einzelne Indizien jeweils für sich genommen noch keine vernünftigen Zweifel an der Richtigkeit einer den Angeschuldigten belastenden Aussage aufkommen lassen, so kann jedoch eine Häufung solcher Indizien bei einer Gesamtbetrachtung zu solchen Zweifeln führen (BGH, Urteile vom 16. Dezember 1987 - 2 StR 495/87 - StV 1988, 511 und vom 19. Juli 1989 - 2 StR 182/89 - StV 1990, 99 m.w.N.; vgl. zur Gesamtbetrachtung BVerwG, Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O.).

45 Nach Maßgabe dieser Anforderungen hat der Senat auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme und der vorgenommenen Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Beweismittel nicht die erforderliche Gewissheit gewinnen können, dass der Soldat das ihm zur Last gelegte Fehlverhalten begangen hat.

46 Für den Senat ist es allerdings schwer nachvollziehbar, dass der Soldat von Anfang an eine leere Verpackung mitgenommen haben und mit dieser in die Umkleidekabine gegangen sein will. Gegen seine Einlassung spricht zunächst, dass er beide Packungen bis zum Betreten der Umkleidekabine nicht mehr aus der Hand gegeben hat. Abgesehen davon, dass es - bei Unterstellung der von ihm dargelegten Handlungsmotivation - dann nahe gelegen hätte, sich der leeren Verpackung bereits am Preisscanner zu entledigen, als er dort den Kassenpreis festgestellt hatte, ist es ungewöhnlich, eine leere wertlose Verpackung in eine der anprobierten und wieder in den Kleiderständer zurückgehängten Shorts zu stecken, zumal die leere Verpackung für ihn, wie er sich einließ, von da an „uninteressant“ und ein Stück „Verpackungsmüll“ war. Gegen eine Täterschaft des Soldaten spricht dabei nicht, dass es nach seiner Einlassung keinen Sinn gemacht hätte, beide RAM-Riegel aus der abgeschnittenen und aus der umwickelten Verpackung zu erwerben bzw. an sich zu bringen. Auch wenn es zutrifft, dass die beiden RAM-Riegel in ihrem Aufbau offenbar unterschiedlich waren und nicht gleichzeitig in einem PC hätten eingebaut werden können, also nicht kumulativ verwendbar waren, so hat der Soldat doch einräumen müssen, dass beide alternativ verwendet werden konnten. Gegen die Einlassung des Soldaten sprechen vor allem die Aussage der Zeugin C., die dem Überwachungs-Video entstammenden Standfotos (BA I Bl. 137, 138) sowie die Sequenzen 16:51:58 und 16:56:33 der Video-Kassette 1. Die Zeugin C. hat durchaus glaubhaft ausgesagt, nach ihrem festen Eindruck seien, als sie am Kleiderständer neben dem Soldaten gestanden und auch um ihn herumgegangen sei, also kurz bevor der Soldat von dort zum Preisscanner und in die Umkleidekabine ging, beide von dem Soldaten in seiner Hand gehaltenen Verpackungen noch jeweils mit einem RAM-Riegel befüllt gewesen. Auch die dem Überwachungsvideo entstammenden Einzelbilder (BA I Bl. 137, 138) sprechen eher dafür, dass die mit Klebeband verschlossene zweite Verpackung mit einem RAM-Riegel bestückt war. Denn ihnen ist, wie auch der Sequenz 16:51:58 der Videokassette 1, zu entnehmen, dass sich offenbar in der mit Klebeband umwickelten Packung ein Gegenstand befand, der sich dunkel abzeichnete; auf diesem lassen sich weiße Aufkleber erkennen. Der mittlere Teil der Verpackung scheint zu jenem Zeitpunkt jedenfalls nicht transparent und leer gewesen zu sein, wie der Soldat behauptet. Dagegen spricht nicht, dass der Soldat geltend macht, die sich auf dem Standbild 16:51:58 oberhalb des oberen Fingers abzeichnende und im rechten Winkel dazu verlaufende dunkel-graue Struktur finde sich ebenso auf dem Bild BA II Bl. 274, wobei es sich jedoch bei diesem Foto um ein nachgestelltes Foto mit einer leeren Verpackung handele. Denn die dunklere Farbe des auf den Einzelabbildungen (BA Bl. 137, 138) sowie auf den Videosequenzen 16:51:58 und 16:56:33 erkennbaren Gegenstandes unterscheidet sich von den von dem Soldaten und seinem Verteidiger angesprochenen anderen Farbflächen nach dem optischen Eindruck sowohl in der relativ klaren Linienführung als auch in der winkelförmigen morphologisch-körperlich abgebildeten Oberflächenstruktur. Auch seine Behauptung, aus einer vergleichbaren Blickperspektive wie auf dem besagten Standfoto scheine der RAM-Riegel aus der dahinter liegenden befüllten Packung durch die leere Packung hindurch und erwecke dadurch lediglich den Eindruck seines Vorhandenseins in der umwickelten Packung, ist nicht zwingend. Ebenfalls nicht zwingend erwiesen ist seine Behauptung, die Hell-Dunkel-Verteilung des „vermeintlichen“ Aufklebers in dem Standbild 16:51:58 entspreche der Helligkeitsverteilung, die auf dem Aufkleber des vom Soldaten käuflich erworbenen RAM-Riegels zu erkennen sei. Schließlich ist auch der Nachweis für die Behauptung des Soldaten nicht erbracht, der „vermeintliche“ Aufkleber auf Bild 16:51:58 „schwebe“, und es sei nicht erkennbar, dass sich der Aufkleber unmittelbar auf einem einem RAM-Riegel ähnlichen Gegenstand aufgebracht befinde. Darüber hinaus ist dem Soldaten das Standbild 16:56:33 entgegenzuhalten. Auf diesem ist zu erkennen, dass er mit der linken Hand die Verpackung des RAM-Riegels mit der abgeschnittenen Kante unter den Preisscanner hält, während sich in seiner rechten Hand nur die umwickelte Verpackung befindet, wobei unterhalb der Finger ein länglich schwarzer rechteckiger Bereich und daneben rechteckige hellere Stellen zu sehen ist. Der länglich schwarze rechteckige Bereich und die rechteckig helleren Stellen legen die Schlussfolgerung nahe, dass es sich um einen RAM-Riegel mit weißem Preisaufkleber handelte. Sicher ist dies freilich nicht, da nicht völlig auszuschließen ist, dass sich auf den Videos Lichteffekte ausgewirkt haben, die lediglich den Eindruck vermitteln, es handele sich um einem RAM-Riegel in der umwickelten Verpackung.

47 Insgesamt ist es jedoch angesichts dieser Umstände eher unwahrscheinlich, dass der Soldat - wie er vorträgt - bereits mit einer leeren Verpackung in die Umkleidekabine ging.

48 Es ergeben sich zudem aus dem nachfolgenden Geschehensablauf weitere Umstände, die durchaus für eine Täterschaft des Soldaten sprechen. In dem Teil des Security-Office, in dem der Soldat auf Veranlassung der Zeugin A. sitzen musste, befand sich, wie der Soldat nicht wusste und auch während des Aufenthaltes im Büro offenbar nicht bemerkt hatte, eine Video-Kamera, die in unterschiedlichen Abständen - im Regelfall alle vier Sekunden - ein Standbild aufnahm. Das vorliegende Videoband dieser Kamera bildet die Masse des Geschehensablaufs nicht ab, da es sich nicht um einen Videofilm in Echtzeit handelt. Diese Tatsache ist für die Auswertung des Beweismittels von Bedeutung. Auf dem Videoband wird nämlich unter der eingeblendeten Uhrzeit 16:49:30 eine Bückbewegung des Soldaten nach rechts unten aufgezeichnet. Ob der Soldat sich dabei zu seiner Einkaufstüte bückte, wie er sich eingelassen hat und wovon auch die Truppendienstkammer ausgegangen ist, wird auf dem Videoband nicht deutlich. Die Bückbewegung beginnt bei 16:49:23. Das nächste Foto 16:49:30 zeigt den Soldaten ganz nach unten gebeugt. Erst bei 16:49:34 sitzt der Soldat wieder gerade auf dem Stuhl. Unabhängig davon, dass entgegen der Annahme der Truppendienstkammer für ein unbemerktes Werfen oder Schieben des RAM-Riegels unter den Computer-Desk drei Sekunden ausgereicht hätten, stand dem Soldaten damit erheblich mehr Zeit als drei Sekunden zur Verfügung, um den RAM-Riegel dorthin zu schaffen, wo ein solcher am nächsten Tag durch die Zeugin C. offenbar aufgefunden wurde. Dass der Zeuge T. bei seiner - nicht gründlichen - Absuche am 30. Juli 2004 keinen RAM-Riegel auffand, kann darauf beruhen, dass er nur den vorderen Bereich unter dem Computer-Desk mit der Hand abtastete, da er dem Soldaten seine Dienstwaffe nicht zu sehr exponieren wollte. Wie er in diesem Zusammenhang vor dem Truppendienstgericht nachvollziehbar ausgesagt hat, sei er so ausgebildet worden, dass er seine Waffe „Verdächtigen gegenüber nicht als Angriffspunkt bieten“ dürfe. Auch die Absuche der Zeugin A. war nicht gründlich. Wie sie vor dem Senat glaubhaft ausgesagt hat, hat sie lediglich unter den Computer-Desk gesehen, aber die räumliche Situation nicht abgetastet; sie fand dort nur „Staub und Dreck“ vor.

49 Dennoch ist jedoch im Rahmen der Gesamtwürdigung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel nicht gänzlich auszuschließen, dass der Soldat allein mit dem in der abgeschnittenen Verpackung sich befindlichen RAM-Riegel, den er bezahlte, durch die Kasse ging, ohne dass er einen weiteren - an der Kasse nicht bezahlten - RAM-Riegel an seinem Körper oder anderswo versteckt hatte. Weder die Zeugin A. noch die Zeugin C. noch der Zeuge T. haben aufgrund unmittelbarer eigener persönlicher Wahrnehmung die Herausnahme und Entwendung eines RAM-Riegels aus der zweiten (mit Klebeband umwickelten) Verpackung durch den Soldaten bestätigen können. Der Zeuge T. hat vor dem Truppendienstgericht eingeräumt, auf keinem der Videobilder oder sonst gesehen zu haben, dass beide Hüllen befüllt waren. Die Zeugin C. hat zwar bekundet, sie habe am Kleiderständer festgestellt, dass die umwickelte Verpackung nach ihrer Auffassung einen RAM-Riegel enthalten habe. Die Zeugin hat jedoch eine Herausnahme und Entwendung eines RAM-Riegels aus der zweiten Verpackung durch den Soldaten weder beobachtet noch in sonstiger Weise verlässlich wahrgenommen. Auch auf keinem der in der Berufungshauptverhandlung vorgeführten Videosequenzen war eine Aufnahme zu sehen, welche das Herausnehmen und Entwenden des zweiten RAM-Riegels aus der umwickelten Verpackung durch den Soldaten, etwa vor der Umkleidekabine oder in der Umkleidekabine oder nach seinem Aufenthalt in der Umkleidekabine, zum Gegenstand hat. Es steht auch sonst kein Zeuge zur Verfügung, der aufgrund eigener persönlicher Wahrnehmungen Näheres zur konkreten Herausnahme eines RAM-Riegels aus der umwickelten Verpackung aussagen könnte. Ein zweiter, vom Soldaten nicht bezahlter RAM-Riegel war auch auf den einzelnen Videobildern nicht hinreichend eindeutig als in der umwickelten Verpackung befindlich zu erkennen. Allein der Umstand, dass die Zeugin C. offenbar am nächsten Tag einen RAM-Riegel unter dem Computer-Desk auffand, begründet noch nicht den sicheren Schluss darauf, dass gerade der Soldat den aufgefundenen RAM-Riegel aus der umwickelten Verpackung herausgenommen hatte. Die Bekundungen der Zeugin C. sind jedenfalls für sich allein nicht geeignet, den Soldaten, der die Herausnahme des zweiten Riegels aus der Verpackung mit Nachdruck bestreitet, insoweit zweifelsfrei zu überführen. Es ist nicht einmal sicher, dass der RAM-Riegel, den die Zeugin C. nach ihren Angaben unter dem Computer-Desk fand, mit dem RAM-Riegel aus der umwickelten Verpackung, die der Soldat am Stand im Verkaufsraum an sich genommen hatte, identisch war. Es lässt sich objektiv nicht ausschließen, dass der von der Zeugin aufgefundene RAM-Riegel auf andere Weise als durch den Soldaten dort versteckt unter den Computer-Desk gelangt war. Zeugen oder andere Beweismittel dafür, dass sich der RAM-Riegel vor dem Aufenthalt des Soldaten im Videoraum (am 30. Juli 2004) dort noch nicht befand, stehen nicht zur Verfügung. Wer vor oder nach dem Soldaten Zugang zu den Räumlichkeiten hatte, hat sich nicht mehr mit hinreichender Verlässlichkeit ermitteln lassen. Die Aussagen der Zeugin C. zu ihren am 31. Juli 2004 erfolgten Suchbemühungen und zum Auffinden des RAM-Riegels weisen zudem während des Ermittlungsverfahrens und in der Berufungshauptverhandlung unverkennbar Schwankungen auf und sind deshalb hinsichtlich ihres Realitäts- und Wahrheitsgehaltes mit Vorsicht zu werten. In ihrer früheren Aussage vom 29. September 2004 (U.S. Department of Justice, Eastern District of Virginia, BA II Bl. 218) erklärte sie noch, sie habe das Security-Office sehr gründlich abgesucht, wobei sie alle Regale abgetastet und Gegenstände hin und her gerückt habe. Ferner habe sie nach rechts neben dem Aktenschrank und auch auf dem Fußboden sowie links neben dem Tisch nachgeschaut. Anschließend habe sie sich niedergekniet, unter dem Computer-Desk gesucht, mit der Hand unter den Tisch gefasst und die Speicherkarte dabei ertastet. Auf Vorhalt hat die Zeugin C. dann jedoch in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, sie könne sich überhaupt nicht mehr erinnern, eine solche Aussage am 29. September 2004 bezüglich der Suche am Aktenschrank jemals gemacht zu haben. Wenn sie das damals gesagt habe, habe sie dies wohl zu dem Zeitpunkt „geglaubt“. Nach dem erfolgten Anschauen der Videobilder in der Berufungshauptverhandlung müsse sie aber jetzt einräumen, sie habe es wohl nicht getan, sondern gezielt lediglich im Computerbereich gesucht. In der Tat ist auf den in der Berufungshauptverhandlung angesehenen Videobildern gerade nicht zu erkennen, dass die Zeugin C. am fraglichen Tag (31. Juli 2004) wie sie in der zeitnahen ersten Vernehmung am 29. September 2004 noch ausgesagt hatte - das Security Office gründlich in A. Regalen in Augenschein nahm und insbesondere auch rechts neben dem Aktenschrank und auf dem Fußboden sowie links neben dem Tisch nach dem RAM-Riegel suchte.

50 Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme vermag der Senat bei einer Gesamtwürdigung der den Soldaten be- und entlastenden Beweismittel und Umstände angesichts dessen nicht die im Sinne des § 261 StPO erforderliche Gewissheit von der Täterschaft des Soldaten zu gewinnen. Denn insgesamt verbleiben aus den dargelegten Gründen trotz der den Soldaten erheblich belastenden Umstände nicht ausgeräumte vernünftige Zweifel daran, dass der Soldat die ihm in der Anschuldigungsschrift zur Last gelegte Tat begangen hat.

51 Da andere Beweismittel zum Nachweis des angeschuldigten Verhaltens nicht zur Verfügung stehen und nicht ersichtlich sind, ist der Soldat daher nach dem gemäß Art. 20 Abs. 1 und 3 GG („Rechtsstaatsprinzip“) auch im Wehrdisziplinarrecht geltenden (stRspr, siehe auch Urteile vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 = NZWehrr 2003, 214 <insoweit nicht veröffentlicht> und vom 16. Mai 2006 - BVerwG 2 WD 3.05 - NZWehrr 2006, 252 <insoweit nicht veröffentlicht>) rechtsstaatlichen Gebot „in dubio pro reo“ von dem Vorwurf eines Dienstvergehens freizusprechen.

52 Da die Berufung des Bundeswehrdisziplinaranwalts damit keinen Erfolg hatte, sind die Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 139 Abs. 2 WDO und die dem Soldaten erwachsenen notwendigen Auslagen gemäß § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen.