Beschluss vom 11.08.2016 -
BVerwG 9 B 68.15ECLI:DE:BVerwG:2016:110816B9B68.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.08.2016 - 9 B 68.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2016:110816B9B68.15.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 68.15

  • OVG Berlin-Brandenburg - 23.07.2015 - AZ: OVG 70 A 6.14

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2016
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher und Dr. Dieterich
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juli 2015 wird verworfen.
  2. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. Juli 2015 ist unzulässig.

2 Die Beschwerdeeinlegung durch den im Namen der Klägerinnen handelnden Rechtsanwalt B. am 14. September 2015, einem Montag, wahrte zwar die Einlegungsfrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO hinsichtlich des am 12. August 2015 den Klägerinnen zugestellten Urteils. Es fehlt aber am Nachweis einer Bevollmächtigung durch die Klägerinnen. Die Klägerinnen bestreiten im Schriftsatz ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 23. Dezember 2015, Rechtsanwalt B. mit ihrer Vertretung beauftragt zu haben. Er selbst hat trotz gerichtlicher Aufforderung eine Vollmacht nicht vorgelegt. Soweit er sich gegenüber dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen auf eine Bevollmächtigung durch seinen "Ansprechpartner", Herrn Assessor S., beruft, ist damit eine Bevollmächtigung durch die Klägerinnen weder dargetan noch nachgewiesen. Insbesondere ergibt sich aus diesem Vorbringen nicht, dass das Mandatsverhältnis der Klägerinnen mit dem früheren Rechtsanwalt S. mit deren Einverständnis auf ihn übergegangen ist. Die Beschwerdeeinlegung ist auch nicht durch das von der Klägerin zu 2 zum vorliegenden Aktenzeichen eingereichte Schreiben vom 10. November 2015 genehmigt worden. Mit diesem Schreiben hat die Klägerin zu 2 Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt und erklärt, dass ihr und der Klägerin zu 1 durch die Rechtsanwaltskammer fernmündlich mitgeteilt worden sei, dass der von ihnen beauftragte Rechtsanwalt S. nicht mehr als Rechtsanwalt zugelassen sein soll. Eine ausdrückliche oder konkludente Genehmigung der Vertretung durch Rechtsanwalt B. liegt hierin nicht.

3 Die am 23. Dezember 2015 durch den jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen eingelegte Beschwerde hat die Einlegungsfrist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gewahrt. Nach dieser Bestimmung ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Urteils einzulegen. Den Klägerinnen kann auch nicht nach § 60 Abs. 1 VwGO die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Denn der Antrag auf Wiedereinsetzung ist nicht - wie in § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO gefordert - binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden. Ein Hindernis ist weggefallen, wenn und sobald das Fortbestehen der Verhinderung nicht mehr unverschuldet ist. Dies ist der Fall, wenn die Partei oder ihr Vertreter (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO) erkannt hat oder bei gehöriger Sorgfalt hätte erkennen können, dass ein Wiedereinsetzungsantrag erforderlich ist.

4 Den Klägerinnen war - wie sich aus dem Schreiben an das Gericht vom 10. November 2015 ergibt - bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst, dass ihre ordnungsgemäße Vertretung durch den früheren Rechtsanwalt S. nicht mehr sichergestellt war. Bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt hätten sich die Klägerinnen unmittelbar nach Erlangung dieser Kenntnis um eine neue anwaltliche Vertretung bemühen müssen. Dies gilt umso mehr als sie durch die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags in die Begründungsfrist zu erkennen gegeben haben, dass ihnen die Fristgebundenheit von Verfahrenshandlungen im Beschwerdeverfahren bekannt war. Über das Vertretungserfordernis beim Bundesverwaltungsgericht waren sie durch die Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils informiert. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Klägerinnen stattdessen bis zum 29. November 2015 mit der Beauftragung eines neuen Anwalts gewartet haben, der sich seinerseits erstmals mit Schreiben vom 2. Dezember 2015, eingegangen am 3. Dezember 2015, bei Gericht gemeldet hat. Ein Grund für die Verzögerung ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer vom 10. November 2015, mit dem die Klägerinnen um schriftliche Bestätigung der ihnen telefonisch erteilten Auskunft und um weitere Auskünfte hinsichtlich des früheren Rechtsanwalts S. baten. Dass begründeter Anlass bestand, der telefonisch erteilten Auskunft der Rechtsanwaltskammer nicht zu trauen und zunächst weiter zuzuwarten, wird weder vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich.

5 Aber selbst wenn das Hindernis der fehlenden anwaltlichen Vertretung der Klägerinnen erst mit der Beauftragung ihres neuen, am 29. November 2015 bevollmächtigten Prozessvertreters entfallen sein sollte, hat dieser es versäumt, innerhalb der oben genannten Frist von zwei Wochen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Versäumnisse ihres Bevollmächtigten müssen sich die Klägerinnen zurechnen lassen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).

6 Unabhängig davon kann die Beschwerde deshalb keinen Erfolg haben, weil die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO abgelaufen ist. Bei der Beschwerdebegründungsfrist handelt es sich um eine von der Einlegungsfrist unabhängige, selbstständige Zweimonatsfrist, deren Lauf grundsätzlich auch dann mit der Zustellung des angegriffenen Urteils beginnt, wenn die Frist zur Einlegung der Beschwerde versäumt und deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt worden ist (BVerwG, Beschluss vom 2. März 1992 - 9 B 256.91 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 2). Die am 14. Oktober 2015 bei Gericht eingegangene Begründung von Rechtsanwalt B. hat die am 12. Oktober 2015 abgelaufene Zweimonatsfrist nicht gewahrt; es fehlt insoweit im Übrigen - wie dargelegt - am Nachweis einer Bevollmächtigung durch die Klägerinnen. Der von der Klägerin zu 1 persönlich am 11. November 2015 eingelegte Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist konnte mangels ordnungsgemäßer Vertretung der Klägerin durch einen Bevollmächtigten nicht berücksichtigt werden. Der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerinnen hat mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2015 keine Wiedereinsetzungsgründe hinsichtlich der Begründungsfrist vorgetragen und die versäumte Rechtshandlung auch nicht nachgeholt.

7 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.