Beschluss vom 11.08.2005 -
BVerwG 2 B 6.05ECLI:DE:BVerwG:2005:110805B2B6.05.0

Beschluss

BVerwG 2 B 6.05

  • OVG Rheinland-Pfalz - 19.11.2004 - AZ: OVG 10 A 11203/04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. August 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht A l b e r s
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. K u g e l e und Dr. H e i t z
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 24 396,13 € festgesetzt.

Die auf die Revisionszulassungsgründe der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO und der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde ist nicht begründet.
In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers, ihn im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als wäre er am 20. Februar 2003 zum Regierungsoberamtsrat (BesGr A 13) befördert worden, mit der Begründung verneint, der Kläger wäre auch bei einer mit Art. 33 Abs. 2 GG zu vereinbarenden Bewerberauswahl nicht zum Zuge gekommen. Denn es habe zumindest zwei Mitbewerber gegeben, die das Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Beförderungsstelle ebenso wie der Kläger erfüllt und einen - durch die dienstlichen Beurteilungen dokumentierten - Leistungsvorsprung aufgewiesen hätten. Nach dem Inhalt der Ausschreibung sei für die Stellenbesetzung das Leitbild eines in Fragen der Beschaffung erfahrenen Vertragsreferenten vorgegeben worden. Dadurch sei der Bewerberkreis auf Beamte mit längerer Berufserfahrung in Fragen der Beschaffung von Waffensystemen eingegrenzt worden. Es seien keine besonderen Spezialkenntnisse oder eine besondere Fachausbildung gefordert worden (sog. abdrängendes Anforderungsprofil).
Mit der Divergenzrüge macht der Kläger eine Abweichung von dem Urteil des Senats vom 16. August 2001 - BVerwG 2 A 3.00 - BVerwGE 115, 58 geltend. Nach dieser Entscheidung sei der Dienstherr bei der Bewerberauswahl gemäß Art. 33 Abs. 2 GG an die durch ein Anforderungsprofil getroffene Festlegung des Gewichts der Leistungsmerkmale gebunden. Es dürfe nur ein Bewerber ausgewählt werden, der allen Anforderungskriterien gerecht werde. Davon ausgehend sei für die vom Oberverwaltungsgericht aufgestellte Kategorie des sog. abdrängenden Anforderungsprofils kein Raum. Dadurch werde die Bedeutung des Anforderungsprofils zu Gunsten von Bewerbern relativiert, die es nicht in vollem Umfang erfüllten.
Eine die Revision eröffnende Divergenz liegt vor, wenn das Oberverwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift aufgestellt hat (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor:
In dem Urteil vom 16. August 2001, a.a.O., hat der Senat die Frage beantwortet, welche Bedeutung einem Anforderungsprofil für die Bewerberauswahl nach dem Leistungsgrundsatz gemäß Art. 33 Abs. 2 GG zukommt. Hierzu heißt es in dieser Entscheidung:
"Durch die Bestimmung des Anforderungsprofils eines Dienstpostens legt der Dienstherr die Kriterien für die Auswahl der Bewerber fest ... Die Funktionsbeschreibung des Dienstpostens bestimmt objektiv die Kriterien, die der Inhaber erfüllen muss. An ihnen werden die Eigenschaften und Fähigkeiten der Bewerber um den Dienstposten bemessen, um eine optimale Besetzung zu gewährleisten. Im Auswahlverfahren ist der Dienstherr an das von ihm entwickelte Anforderungsprofil gebunden, da er andernfalls in Widerspruch zu dem selbst gesteckten Ziel bestmöglicher Aufgabenwahrnehmung gerät ... Erst wenn mehrere Bewerber allen Anforderungskriterien gerecht werden, haben - in der Regel durch dienstliche Beurteilungen ausgewiesene - Abstufungen der Qualifikation Bedeutung. Unter dieser Voraussetzung bleibt es der Entscheidung des Dienstherrn überlassen, welchen der zur Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu rechnenden Umstände er das größere Gewicht beimisst (vgl. Beschluss vom 10. November 1993 - BVerwG 2 ER 301.93 - Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 50 S. 12)."
Danach entfaltet ein Anforderungsprofil Bindungswirkung für die Gewichtung der Leistungsmerkmale bei der Bewerberauswahl. Das Oberverwaltungsgericht hat den Aussagen des Senats nicht widersprochen; vielmehr stimmt seine das Berufungsurteil tragende Rechtsauffassung zur Bindung eines Anforderungsprofils damit überein. Auch das Oberverwaltungsgericht nimmt an, dass bei der Stellenbesetzung nur ein Bewerber zum Zuge kommen kann, der alle Kriterien des Anforderungsprofils erfüllt. Mit der Kategorie des sog. abdrängenden Anforderungsprofils hat es nicht die Bindungswirkung des Anforderungsprofils relativiert, sondern das Maß an inhaltlicher Ausprägung und Bestimmtheit der geforderten Leistungsmerkmale charakterisiert. Insoweit kann eine Divergenz zu dem Urteil des Senats vom 16. August 2001, a.a.O., schon deshalb nicht vorliegen, weil sich diese Entscheidung nicht mit der Frage befasst, welchen Inhalt ein Anforderungsprofil aufweisen muss.
Mit seinem Beschwerdevortrag wendet sich der Kläger in der Sache gegen die rechtliche Würdigung des Inhalts des für die konkrete Stellenbesetzung maßgeblichen Anforderungsprofils durch das Oberverwaltungsgericht. Nach Auffassung des Klägers stellt dieses Anforderungsprofil weitergehende tätigkeitsspezifische Anforderungen als das Oberverwaltungsgericht angenommen hat. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht die von einem Anforderungsprofil ausgehende Bindung für die Bewerberauswahl relativiert, sondern die konkrete Stellenausschreibung anders ausgelegt als der Kläger dies für richtig hält. Die Frage nach dem Inhalt des hier maßgeblichen Anforderungsprofils stellt sich nur für den zu entscheidenden Einzelfall und ist daher einer Divergenz i.S. von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht zugänglich.
Mit der Grundsatzrüge wirft der Kläger die Frage nach dem Verhältnis zwischen dienstlicher Beurteilung und Anforderungsprofil als rechtsgrundsätzlich bedeutsam auf.
Grundsätzliche Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache, wenn sie eine konkrete Frage des revisiblen Rechts von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf (Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>; stRspr). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben:
Die aufgeworfene Rechtsfrage hat der Senat in dem Urteil vom 16. August 2001 beantwortet. Daraus folgt, dass Art und Ausmaß der Bindungswirkung eines konkreten Anforderungsprofils von dem Inhalt abhängen, den ihm der Dienstherr im Einzelfall gibt. Der Kläger legt in der Beschwerdebegründung nicht dar, welcher weitergehende Bedarf an rechtsgrundsätzlicher Klärung im vorliegenden Verfahren bestehen könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1, § 71 Abs. 1 Satz 2 GKG in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718).