Beschluss vom 11.04.2002 -
BVerwG 5 B 5.02ECLI:DE:BVerwG:2002:110402B5B5.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.04.2002 - 5 B 5.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2002:110402B5B5.02.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 5.02

  • Bayerischer VGH München - 08.10.2001 - AZ: VGH 12 B 96.3635

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 11. April 2002
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S ä c k e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. R o t h k e g e l und Dr. F r a n k e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
  2. Der Antrag des Klägers, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Kühne-Geiling, Am Stadtbrunnen 8, 63128 Dietzenbach, zu bewilligen, wird abgelehnt.
  3. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat keinen Erfolg.
1. Die von der Beschwerde behauptete Verfahrensfehlerhaftigkeit des Berufungsurteils (§ 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht ersichtlich.
a) Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers kann nicht festgestellt werden.
Soweit die Beschwerde rügt, der in einem - der zahlreichen - anderen noch anhängigen Verfahren des Klägers (VG München 18 K 93.17 01 ) "ergangene und noch nicht umgesetzte Beweisbeschluss (sei) im angefochtenen Urteil offensichtlich nicht berücksichtigt worden", begründet sie die Entscheidungserheblichkeit dieses Vorgangs für das vorliegende Verfahren damit, dass "der (in jenem Verfahren benannte) Zeuge die Behauptungen des Klägers - im Hinblick auf die von der Beklagten noch zurückgehaltenen entscheidungserheblichen Behördenakten zum Themenkreis 'Gesamtplan und Gesamtfallregelung' ... und die im Sozialreferat unter Verschluss gehaltenen Akten des allgemeinen Sozialdienstes ..., und dass die den Kläger betreffenden Akten manipuliert und gefälscht wurden - bestätigt hätte". Die Beschwerde zeigt jedoch nicht auf, dass und in welcher Hinsicht der behauptete Verfahrensmangel die tragenden Erwägungen der vorinstanzlichen Entscheidung berührt. Diese betreffen die Anforderungen an die Zulässigkeit der Klage, mit der der Kläger einen - als solchen im Übrigen auch vom Berufungsgericht (siehe S. 4 unten des Berufungsurteils) nicht in Frage gestellten - Anspruch gegen die Beklagte auf Vornahme einer "Gesamtfallregelung" geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hatte den Klageantrag, "die Beklagte zu verpflichten, den Sozialhilfefall des Klägers in seiner Gesamtheit zu regeln", für zu unbestimmt gehalten, der Verwaltungsgerichtshof hat diese Beurteilung, auf die rechtliche Bedeutung des sog. Gesamtfallgrundsatzes näher eingehend, bestätigt. Das dies unter Versagung rechtlichen Gehörs geschehen wäre, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Soweit die Beschwerde die vom Verwaltungsgerichtshof gestellte Anforderung, dem Vorbringen des Klägers hätte mit hinreichender Bestimmtheit zu entnehmen sein müssen, welchen objektiven Hilfebedarf für welchen Zeitraum durch welche Entscheidung die Beklagte unzureichend geregelt haben soll, (sinngemäß) nicht gelten lassen will, weil "bei Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags ... das Gericht (hätte) erkennen können und sogar müssen, dass Umstände vorlagen/vorliegen, welche - neben der 'gewöhnlichen Regelsatz-Hilfe' - die Gewährung andere(r) Hilfemöglichkeiten nach dem BSHG in Betracht kommen lassen", hätte es der Beschwerde oblegen, ihrerseits darzulegen, welche anderen Hilfemöglichkeiten a u s d e r S i c h t d e s K l ä g e r s in Betracht kamen und seinem bisherigen - mit der Beschwerde konkret zu bezeichnenden - Sachvortrag zu entnehmen gewesen wären. Mangels solcher Darlegungen ist die Entscheidungserheblichkeit der gerügten Nichtberücksichtigung vom Parteivorbringen - das zudem Gegenstand eines anderen Rechtsstreits des Klägers ist und mit der Beschwerde noch nicht einmal inhaltlich wiedergegeben worden ist - nicht in der von § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO geforderten Weise dargetan.
Soweit die Beschwerde es (sinngemäß) als "Überraschungsentscheidung" wertet, dass die Vorinstanz den betreffenden Sachvortrag des Klägers nicht berücksichtigt hat, muss sie sich schon entgegenhalten lassen, dass die tragenden Gründe des angefochtenen Urteils sich in ihrem rechtlichen Kern mit denjenigen des in gleicher Sache vorausgegangenen, aufgrund Urteils des erkennenden Senats vom 10. Oktober 1996 - BVerwG 5 C 38.95 - aufgehobenen Urteils des Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 1991 - 12 B 87.03 345 - decken; schon in jenem Urteil war die Zulässigkeit der Klage daran gescheitert, dass "der Kläger ... nicht konkret angegeben (hatte), welche Leistungen der Sozialhilfe er mit der ... Klage erstrebt" (S. 7 des Urteils vom 21. März 1991). Der Kläger hatte die Möglichkeit, hiergegen in der neuerlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof vom 4. Oktober 2001 vorzutragen. Da er dies nicht getan hat, musste er damit rechnen, dass sein Klagebegehren schon an diesem Mangel (erneut) scheitern würde.
b) Aus im Wesentlichen demselben Grund unzureichender Darlegung von Entscheidungserheblichkeit kommt auch eine Revisionszulassung wegen der von der Beschwerde behaupteten unzureichenden Sachverhaltsaufklärung durch das Berufungsgericht nicht in Betracht: Die von der Beschwerde für erforderlich gehaltene "Sachaufklärung (evtl. abschließendes amtsärztliches Gutachten zur Frage notwendiger Eingliederungshilfen)" hätte nicht die Zulässigkeit, sondern die Begründetheit einer auf Gewährung von - vom Kläger wenigstens durch Substantiierung seines Hilfebedarfs zu bezeichnenden - Hilfeleistungen betroffen.
2. Die Revision kann auch nicht wegen - von der Beschwerde behaupteter - Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zugelassen werden.
Die von der Beschwerde benannten Rechtssätze aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einerseits und aus dem angegriffenen Urteil andererseits widersprechen einander nicht. Die Beschwerde beruft sich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. November 1965 (BVerwGE 22, 319 <320 f.>), dem sie die Aussage entnimmt, "dass der Träger der Sozialhilfe verpflichtet ist, alle in Betracht kommenden Hilfemöglichkeiten zu prüfen und den Sozialhilfefall im Ganzen zu regeln, sofern ihm Umstände vorgetragen werden, welche die Gewährung anderweitiger Hilfen nach dem Bundessozialhilfegesetz möglich erscheinen lassen". Diesen Rechtssatz hat das Berufungsgericht durch seine Aussage, dass "der Gesamtfallgrundsatz ... keinen von einem konkreten Hilfebedarf losgelösten - abstrakten - Anspruch auf eine 'Regelung des Sozialhilfefalles in seiner Gesamtheit'" vermittle, und dass "die Prüfung sich ... nur auf einen konkreten - objektiven - Bedarf und auf bestimmte Hilfemaßnahmen zu seiner Deckung richten" könne, nicht negiert, sondern lediglich konkretisiert; der Verwaltungsgerichtshof hat seiner Entscheidung demgemäß den vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz, wonach der Sozialhilfeträger prüfen muss, welche Maßnahmen in Betracht kommen, um Sozialhilfe in vollem Umfang wirksam werden zu lassen (BVerwG, a.a.O., S. 320), ausdrücklich seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Wenn die Beschwerde geltend macht - ob zu Recht oder zu Unrecht, sei hier dahingestellt -, "einem behinderten Hilfeempfänger/Hilfesuchenden (sei) es nicht zuzumuten, dass er im Hinblick auf Linderung seiner Behinderung und seine Wiedereingliederung ... konkreten ... Hilfebedarf auf bestimmte ... Hilfemaßnahmen, ohne entsprechende Unterstützung, beantragt", er könne "dies nur abstrakt beantragen", ihm dürfe "nicht die Gesamtkonzeption aus medizinischer und/oder sozialpädagogischer und rechtlicher Sicht und Beurteilung aufgebürdet werden", so ist schon fraglich, ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts solche Konsequenzen hätte. Zu der hier entscheidungserheblichen Frage der Anforderungen an die Bestimmtheit einer Klage auf Hilfeleistungen des Sozialhilfeträgers verhält sich die von der Beschwerde angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls nicht; eine Abweichung in diesem Punkt ist dementsprechend von der Beschwerde auch nicht aufgezeigt. Soweit es dem Kläger der Sache nach um die Erstellung eines Gesamtplans im Sinne des § 46 BSHG zur Durchführung von Eingliederungsmaßnahmen gehen sollte, ist dieser - den Gegenstand eines anderen Verfahrens des Klägers (VG München 18 K 94.3937 ) bildende - Gesichtspunkt sowohl in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Berufungsgerichts vom 12. Juli 2001, in dem es um diesen und um weitere in anderen Verfahren strittige Punkte ging (siehe S. 3 der Sitzungsniederschrift vom 12. Juli 2001 - Bl. 311 -), als auch in der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2001 (Bl. 351 d.A.) erörtert, vom Kläger aber nicht zum Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits gemacht worden.
3. Eine Revisionszulassung kommt schließlich auch nicht wegen behaupteter "Grundrechtsverletzungen" durch das Berufungsurteil in Betracht. Ebenso wenig wie eine Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung als solche außerhalb des (abschließenden) Katalogs der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO zu einer Revisionszulassung führt, gilt dies für eine - behauptete - Verletzung von Grundrechten durch die Vorinstanz. Ein allgemeiner außergesetzlicher Revisionszulassungsgrund, das Bundesverwaltungsgericht müsse die Revision auch ohne Revisionszulassungsgrund zulassen, um den Grundrechten zur Geltung zu verhelfen, ist insbesondere auch nicht verfassungsrechtlich geboten (BVerfG <1. Kammer des 1. Senats>, Beschluss vom 7. Dezember 1998 - 1 BvR 831/89 - <NVwZ 1999, 290>).
Aus den angeführten Gründen kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden; es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 VwGO.