Beschluss vom 11.01.2012 -
BVerwG 2 WNB 9.11ECLI:DE:BVerwG:2012:110112B2WNB9.11.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 11.01.2012 - 2 WNB 9.11 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:110112B2WNB9.11.0]

Beschluss

BVerwG 2 WNB 9.11

  • Truppendienstgericht Nord 6. Kammer - 30.05.2011 - AZ: TDG N 6 BLc 4/10 und TDG N 6 RL 1/11

In der Disziplinarsache
hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
am 11. Januar 2012 beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Soldaten gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in dem Beschluss der 6. Kammer des Truppendienstgerichts Nord vom 30. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
  2. Der Soldat trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die statthafte, fristgerecht eingelegte und rechtzeitig begründete Beschwerde hat keinen Erfolg. Der gerügte Verfahrensmangel (§ 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt.

2 Nach der Rechtsprechung der Wehrdienstsenate des Bundesverwaltungsgerichts sind an die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 22b Abs. 2 Satz 2 WBO dieselben Anforderungen zu stellen, wie sie von den Revisionssenaten des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung für die Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entwickelt worden sind (Beschlüsse vom 1. Juli 2009 - BVerwG 1 WNB 1.09 - Buchholz 450.1 § 22a WBO Nr. 1 Rn. 2 = NZWehrr 2009, 258 und vom 17. Juni 2010 - BVerwG 2 WNB 7.10 - Buchholz 450.1 § 22b WBO Nr. 2 Rn. 9 = NZWehrr 2010, 252).

3 Danach setzt die ordnungsgemäße Darlegung einer Aufklärungsrüge unter anderem die Angabe voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Truppendienstgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären und inwiefern die angegriffene Entscheidung auf der unterbliebenen Sachaufklärung beruhen kann (vgl. Beschlüsse vom 27. Juli 2011 - BVerwG 2 WNB 3.11 - Rn. 5 und vom 10. Dezember 2003 - BVerwG 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 <628>). Weiter muss dargelegt werden, welche konkreten Beweismittel zur Klärung der für entscheidungserheblich gehaltenen Behauptungen zur Verfügung gestanden hätten, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und dass entsprechende Beweisanträge im gerichtlichen Verfahren gestellt wurden oder warum sich dem Gericht die weitere Aufklärung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Beschlüsse vom 27. Juli 2011 a.a.O. und vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. m.w.N.). Die gerichtliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenze, wo das Vorbringen der Beteiligten keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Aufklärung bietet (vgl. dazu Urteile vom 29. Juni 1999 - BVerwG 9 C 36.98 - BVerwGE 109, 174 <177 f.> = Buchholz 11 Art. 16a GG Nr. 12 S. 17 und vom 13. April 2005 - BVerwG 10 C 8.04 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 39 S. 51; Beschluss vom 25. Juni 2010 - BVerwG 9 B 99.09 - Buchholz 310 § 112 VwGO Nr. 13 Rn. 4).

4 Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht. Soweit sie überhaupt konkrete Beweismittel für die weitere Sachverhaltsaufklärung benennt, fehlt es entweder an der weiteren Darlegung, dass die vermisste Sachaufklärung entscheidungserheblich gewesen wäre oder dass die Beweisaufnahme bereits in dem Verfahren vor dem Truppendienstgericht beantragt wurde bzw. warum sich dem Truppendienstgericht die weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen.

5 1. Hinsichtlich des Vorwurfs, der Soldat habe den ihm erteilten Befehl, den Dienstplan so aufzustellen, dass während der Öffnungszeiten des Flughafens (08:00 Uhr - 17:00 Uhr) jeweils zwei Flugberater Dienst versehen, wiederholt nicht beachtet, hat der Zeuge Major S. in seiner Meldung vom 3. Februar 2010 und in seinen Stellungnahmen vom 11. August 2010 und vom 19. November 2010 zu den Einwendungen des Soldaten detailliert Stellung genommen. Diese Stellungnahmen sind dem Verteidiger des Soldaten auch jeweils aktenkundig bekannt gegeben worden. Welche darüber hinausgehenden Aufklärungen zu der Frage, ob der Befehl entsprechend dem Vorwurf in der Disziplinarverfügung erteilt worden war und ob der Soldat für die angegebenen Tage entgegen dem Befehl für die Öffnungszeit des Flughafens nur einen Flugberater zum Dienst eingeteilt hatte, möglich und erforderlich gewesen wären, zeigt die Beschwerde nicht auf. Inwieweit der Befehl sachgerecht war bzw. sich im Einklang mit Weisungen von höheren Kommandobehörden befand, ist für die hier allein zu beurteilende Frage des Ungehorsams nicht entscheidungserheblich. Die von der Beschwerde vermisste Einholung einer Stellungnahme der „nächsthöheren Fachdienststelle“ war demnach zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht geboten. Soweit die Angaben des Soldaten von denen des Zeugen abwichen, ist es eine Frage der Beweiswürdigung, welchen Sachverhalt das Truppendienstgericht als erwiesen angesehen hat. Die Beweiswürdigung gehört aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum materiellen Recht. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann daher grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne des § 22a Abs. 2 Nr. 3 WBO, § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (vgl. Urteil vom 19. Januar 1990 - BVerwG 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272> = Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 225 S. 74 f.; Pietzner/Buchheister in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Juni 2011, § 132 Rn. 92 mit zahlreichen weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Ein Verstoß gegen die Denkgesetze, der unter Umständen als Verfahrensmangel anzusehen sein kann (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1990 a.a.O.), ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

6 2. Hinsichtlich des weiteren Befehls, alle Flugberater und damit auch sich selbst gleichmäßig für Tagesdienste einzuteilen, steht der Behauptung der Beschwerde, der Befehl sei „nachweislich“ erst am 15. Februar 2010 erteilt worden, die Stellungnahme des Zeugen Major S. gegenüber, er habe den Befehl zwar erst am 15. Februar 2010 schriftlich erteilt, davor aber mündlich bereits am 7. Dezember 2009, am 4. Januar 2010 sowie am 25. Januar 2010. Auch insoweit zeigt die Beschwerde keine weiteren Beweismittel auf. Insbesondere hat der Verteidiger trotz Kenntnis der entsprechenden Stellungnahmen nicht etwa eine Gegenüberstellung des Zeugen und des Soldaten beantragt. Ob die Aufstellung des Dienstplans jeweils im Einverständnis mit den übrigen Flugberatern und entsprechend deren Wünschen erfolgt ist, ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf, den Befehl des Vorgesetzten nicht beachtet zu haben, nicht entscheidungserheblich. Eine Vernehmung der übrigen Flugberater war daher entgegen den Ausführungen der Beschwerde nicht geboten. Das behauptete Einvernehmen mit den anderen Flugberatern wäre allenfalls als Einwand gegen die Zweckmäßigkeit des Befehls von Bedeutung, in keinem Fall aber geeignet, den Soldaten von seiner Pflicht zu entbinden, dem Befehl nachzukommen. Die Frage, ob den Angaben des Zeugen (wiederholte mündliche Erteilung des Befehls) oder der Einlassung des Soldaten (erstmalige Erteilung des Befehls am 15. Februar 2010) zu folgen ist, ist wiederum eine Frage der Beweiswürdigung.

7 3. Nichts anderes gilt für den Befehl hinsichtlich der „Flugbetriebsübersicht“ bzw. des „Flight Boards“. Auch hier stehen sich unterschiedliche Angaben des Zeugen Major S. und des Soldaten gegenüber, deren Würdigung Sache des Truppendienstgerichts ist. Die unterschiedlichen Erklärungen des Soldaten im Laufe des Verfahrens über die genaue Bezeichnung der Informationstafel liegen ebenso wie der Hinweis, dass eine solche Tafel in keiner Dienstvorschrift angeordnet sei, neben der Sache. Um welchen konkreten Gegenstand es sich insoweit handelte, ist nicht streitig; wie er genau zu bezeichnen ist, ist für die Frage, ob der Soldat befehlsgemäß den Inhalt der (Informations-)Tafel jeweils auf dem Laufenden gehalten hat und ob er die Tafel eigenmächtig entfernt hat, nicht von Bedeutung. Soweit die Beschwerde die Vernehmung der übrigen Flugberater vermisst, zeigt sie nicht auf, inwieweit diese hätten bekunden können, der Zeuge habe den Soldaten nicht befohlen „die Flugbetriebsübersicht auf einem aktuellen Stand“ zu halten. Die Entfernung der Tafel hat der Soldat zu keinem Zeitpunkt bestritten. Allein der Umstand, dass er nach seinen Angaben die Tafel vor längerer Zeit in Eigeninitiative angebracht hatte, konnte ein solches Verhalten im Hinblick auf den Befehl, die Tafel jeweils aktuell zu halten, nicht rechtfertigen. Im Übrigen ist auch insoweit nicht ersichtlich, welches Beweismittel zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätte und dass auf eine entsprechende Beweisaufnahme hingewirkt worden ist.

8 4. Schließlich wird auch hinsichtlich des Vorwurfs, in dienstlichen Angelegenheiten in zwei Fällen nicht die Wahrheit gesagt zu haben, von der Beschwerde nicht dargetan, inwieweit eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich und möglich gewesen wäre. Es ist wiederum eine Frage der Beweiswürdigung, ob die Angaben des Zeugen Oberstleutnant R., der Soldat habe ihm gegenüber wahrheitswidrig erklärt, er habe die Tafel so zerstört, dass sie nicht wieder angebracht werden könne, als erwiesen anzusehen ist. Das gleiche gilt für die Angaben der Zeugen Oberstleutnant R. und Leutnant K. zum Inhalt der dem Soldaten bei seiner Vernehmung am 16. Februar 2010 erteilten Belehrung.