Urteil vom 10.10.2013 -
BVerwG 2 WD 23.12ECLI:DE:BVerwG:2013:101013U2WD23.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Urteil vom 10.10.2013 - 2 WD 23.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2013:101013U2WD23.12.0]

Urteil

BVerwG 2 WD 23.12

  • TDG Süd 5. Kammer - 09.02.2012 - AZ: TDG S 5 VL 03/11

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in der nichtöffentlichen Hauptverhandlung am 10. Oktober 2013, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer,
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister,
ehrenamtlicher Richter Oberstleutnant von der Brelje und
ehrenamtliche Richterin Hauptmann Speit,
Leitender Regierungsdirektor ...
als Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts,
Rechtsanwalt ...
als Verteidiger,
Geschäftsstellenverwalterin ...
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

  1. Die Berufung des Soldaten gegen das Urteil der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 9. Februar 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Der Soldat trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I

1 Der 1971 geborene Soldat verfügt über die allgemeine Hochschulreife. Er wurde 1991 zur Bundeswehr einberufen, 1992 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen und 1994 als Anwärter für die Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes übernommen. Nachdem er das Studium der Elektrotechnik absolviert und die Prüfung als Diplomingenieur erfolgreich abgelegt hatte, wurde er im Oktober 2001 in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten berufen. Zuletzt wurde er im Juli 2006 zum Hauptmann befördert und im September 2008 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 eingewiesen.

2 1995 wurde der Soldat zur ..., im Jahre 2000 zur ... und ab 2003 zum ... versetzt, wo er als S 6-Offizier Verwendung fand. 2006 wurde er als Feldjägeroffizier zur ... versetzt. Den Stabsoffizierlehrgang hat der Soldat im März 2007 mit befriedigendem Ergebnis abgeschlossen. Am 1. April 2007 übernahm er als Kompaniechef die 2. Kompanie des .... Vom 22. Juni bis 4. Oktober 2009 wurde er zur ... der Schule für Feldjäger und Stabsdienst kommandiert. Unter vorangehender Kommandierung vom 5. Oktober 2009 wurde er sodann zum Landeskommando ... versetzt, wo er seitdem in der S 3-Abteilung Dienst leistet.

3 In der Beurteilung vom 22. Januar 2008 wird dem Soldaten in seiner Funktion als Hauptmann und Kompaniechef hinsichtlich der Aufgabenerfüllung auf dem Dienstposten der Durchschnittswert „7,0“ zuerkannt. Mit „6“ wird wirtschaftliches Verhalten, mit „8“ der Punkt Ausbildung und die weiteren Merkmale werden mit „7“ bewertet. In der Beschreibung heißt es im Wesentlichen, der Soldat sei ein zupackender, sehr verlässlicher und selbstbewusster Feldjägeroffizier, der seinen Auftrag mit großer Tatkraft ausführe. Er sei ein fordernder Vorgesetzter, der einen hohen Leistungsstandard setze und ihn auch durchsetze. Dabei verstehe er es, stets den richtigen Ton zu treffen und Ziele und Aufgaben so zu vermitteln, dass der Einzelne sich mit einbringe. Er sei ein Freund deutlicher, klarer und schnörkelloser Worte, der sich nicht scheue, Schwächen deutlich anzusprechen und Maßnahmen zu ergreifen, um Mängel abzustellen. Dabei wirke er manchmal noch etwas impulsiv. Es komme ihm darauf an, die Einhaltung der Disziplin durchzusetzen und zugleich Einsicht beim Soldaten zu erzeugen. Er sei ein gradliniger, berechenbarer Offizier, der das Prinzip „Führen mit Auftrag“ nachdrücklich und erfolgreich anwende. Gerade abseits von Routineaufgaben oder bei speziellen, fordernden Aufträgen stelle er sein gesamtes Fach- und Führungskönnen immer wieder unter Beweis. Seine körperliche Leistungsfähigkeit sei vorbildlich. In seinem Persönlichkeitsprofil wird als bestimmendes Merkmal die funktionale Kompetenz herausgestellt, die bei ihm stärker ausgeprägt sei, ebenso wie seine soziale Kompetenz. Konzeptionelle Kompetenz und Kompetenz in Menschenführung seien ausgeprägt. Weniger ausgeprägt sei die geistige Kompetenz. Er führe von vorne und stelle immer seine Verantwortung als Einheitsführer unter Beweis. Rückversicherungen oder Rückdelegationen seien für ihn undenkbar. Soldatische Werte lebe er glaubhaft vor. Er sei in jeder Hinsicht ein loyaler und aufrichtiger Offizier, der seinen Erfolg nicht zu Lasten seiner Untergebenen suche, sondern selbst Freude an der Leistung habe. Hoch motiviert wirke er manchmal noch ein wenig ungestüm und impulsiv. Seine Gefühlslage vermöge er nicht immer zu überspielen. Mit zunehmender Erfahrung werde er die notwendige Abgeklärtheit noch entwickeln. Er sei eine feste Größe und Stütze im Offizierkorps des Verbandes. Insbesondere sein selbstloses Verhalten und sein gesunder Humor würden geschätzt. Mündlich erfreulich klar und auf den Punkt kommend, scheue er auch dann die gebotene Deutlichkeit nicht, wenn es um unangenehme Sachverhalte gehe. Dabei zeige er sich im gleichen Maß kritikfähig. Sein Handeln im Bereich der Menschenführung lasse deutlich spüren, dass ihm Disziplin und das Wohl seiner Soldaten gleichermaßen am Herzen lägen. Er sei für eine Verwendung auf der Ebene A 15 geeignet und solle diesbezüglich mit Nachdruck gefördert werden.

4 In der planmäßigen Beurteilung vom 13. November 2009 wird ihm im Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung der Wert „5,8“ zuerkannt. Mit „3“ wird sein Führungsverhalten eingestuft, mit „5“ werden Belastbarkeit, Zusammenarbeit und wirtschaftliches Verhalten bewertet. Mit „6“ werden Zielerreichung und Informations- und Kommunikationsverhalten, mit „7“ Eigenständigkeit, Fachkenntnis und praktisches Können, Planung und Organisation sowie Ausbildung bewertet. Bescheinigt werden ihm Eigenständigkeit, ein hoher Grad an Zielerreichung und deutlich überdurchschnittliche planerisch-organisatorische Fähigkeiten als kennzeichnende Persönlichkeitsmerkmale. Hinzu komme der unbedingte Wille, den eigenen Verantwortungsbereich zu gestalten und auf die bestmögliche Bewältigung der Auftragslage auszurichten. Er führe mit einem sehr personalen Führungsstil kompromisslos und im Ergebnis sehr erfolgreich. Untergebene Soldaten beurteile er treffsicher in ihrem Leistungsvermögen. Er fordere seine Truppe und lebe seine hohen Forderungen vor. Dabei toleriere er grundsätzlich dienstliche Defizite leistungsschwächerer, aber bemühter Soldaten. Er erkenne, dass Dienst- und Auslandseinsatz bei einzelnen Untergebenen untergeordnete Priorität besäßen und ergreife alle aus seiner Sicht erforderlichen Mittel, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen. Sein Führungsverhalten sei von der EinsteIlung geprägt, dass jeder, der nicht mitziehe, andere Soldaten zusätzlich belaste. Er toleriere dies nicht und neige dann dazu, über das Ziel hinaus zu schießen. Er müsse zukünftig daran arbeiten, in der Führungsverantwortung alle seine Untergebenen mitzunehmen. Bestimmendes Merkmal seines Persönlichkeitsprofils und stärker ausgeprägt sei die funktionale Kompetenz. Stärker ausgeprägt sei seine geistige Kompetenz. Soziale Kompetenz und konzeptionelle Kompetenz seien ausgeprägt, die Kompetenz in Menschenführung weniger ausgeprägt. Der Soldat analysiere schnell und treffsicher, um dann Spitzenleistungen in der Umsetzung zu bringen. Dies habe er unter anderem als Verantwortlicher der Absicherung eines mehrtägigen Treffens des Generalinspekteurs und in einem ISAF-Einsatz bewiesen. Mit Blick auf seinen weiteren Werdegang sollten vorrangig sein scharfer Intellekt, seine Analysefähigkeit und sein ausgeprägtes Verständnis für die Durchführung militärischer Operationen genutzt werden. Für die Stabsarbeit hervorragend geeignet, in der Zusammenarbeit mit zivilen Dienststellen erfahren und im Auftreten mit hoher Überzeugungskraft solle er zwar weiterhin nah an der Truppe, jedoch zunächst nicht in direkter Führungsverantwortung eingesetzt werden. Hinsichtlich Führungsverwendungen sei er geeignet, besonders gut geeignet für Stabsverwendungen und gut geeignet für Lehrverwendungen. Geeignet sei er für Verwendungen mit besonderer Außenwirkung. Der nächsthöhere Vorgesetzte stimmte der Beurteilung zu. Der Soldat besitze das Potenzial für Verwendungen bis zur allgemeinen Laufbahnperspektive.

5 In der Beurteilung vom 20. Juni 2012 erhält der Soldat als Durchschnittswert der Aufgabenerfüllung „6,66“. Der Soldat sei geprägt von Leistungswillen und -fähigkeit. Seine eigene hohe Leistungsbereitschaft übertrage er auch auf seine Mitarbeiter, seine sportliche und körperliche Leistungsfähigkeit halte er konstant auf beispielhaft hohem Niveau. Seine Kompetenz in Menschenführung sei weniger ausgeprägt, die soziale und konzeptionelle Kompetenz seien ausgeprägt sowie die geistige und funktionale Kompetenz stärker ausgeprägt. Bestimmendes Merkmal sei die funktionale Kompetenz. Der Soldat sei ein Offizier, der sich sehr an den traditionellen soldatischen Tugenden orientiere. Engagiert und leistungsbereit erledige er die ihm gestellten Aufgaben initiativ und mit hohem persönlichen Engagement. Sein gradliniges und schnörkelloses, auf Leistung ausgerichtetes Wesen sei in der Zusammenarbeit mit Mitarbeitern nicht immer konfliktfrei. Wenn der Soldat seine innere Freiheit durch die Beendigung der ihn derzeit belastenden Situation wieder erlange, werde er sein gutes Leistungsniveau noch weiter steigern können. Im Umgang mit anderen Menschen müsse er lernen, seinen hohen Leistungsanspruch so zu vermitteln, dass seine Untergebenen sich damit identifizieren und ihn gegebenenfalls mit seiner Hilfe erfüllen könnten. Der nächsthöhere Vorgesetzte schloss sich dem an und ergänzte, der Soldat habe in der derzeitigen Verwendung gezeigt, dass er trotz seiner nicht einfachen Situation belastbar sei. Er besitze eindeutig weitere Leistungsreserven. Die Verwendung des Soldaten auf einem A 13 Dienstposten in seinem Stab befürworte er; bei weiterer Bewährung sei damit noch nicht das letzte Wort gesprochen.

6 Vor dem Truppendienstgericht hat der frühere Disziplinarvorgesetzte, Oberstleutnant i.G. T., unter anderem ausgesagt, der Soldat habe im letzten Einsatz 4 Monate keinen Alkohol getrunken und das unter Bedingungen, unter denen andere erst damit anfingen. Er habe mit Oberfeldwebel W. gesprochen, die den Soldaten auch im Einsatz erlebt habe. Danach sei der Soldat unter Alkohol lauter, aggressiver, schnoddriger und direkter. Er würde Ausdrücke heraushauen, die ein anderer nicht benutzen würde. Er - der Zeuge - habe ein oder zweimal zu ihm gesagt, dass das so und so ankomme, wenn er etwas so ausdrücke.

7 Der gegenwärtige Disziplinarvorgesetzte, Oberst K., hat erstinstanzlich unter anderem ausgesagt, der Soldat sei ein fleißiger Offizier und bei Sondervorhaben sowie in der Ausbildung mit seinem Feldjägerwissen sehr von Nutzen. Er habe es vermieden, ihn mit Führungsaufgaben mittel- oder unmittelbar zu betrauen. Die Auffassung des früheren Disziplinarvorgesetzten, Oberstleutnant i.G. T., über die Ausdrucksweise des Soldaten teile er. Er wünsche sich vom Soldaten mehr Zurückhaltung, spontan würden von ihm umpassende Ausdrücke kommen. Der Soldat könne da noch an sich arbeiten. Im Übrigen sei der Soldat exzellent in der Stabsarbeit und solle dort gefördert werden.

8 In der Berufungshauptverhandlung hat Oberstleutnant i.G. T. ausgesagt, der Soldat sei authentisch und unverstellt. Man wisse, woran man mit ihm sei. Er sei auf eine altmodische Art korrekt und freundlich. Man könne sich jederzeit auf ihn verlassen, er habe ein überdurchschnittliches Pflichtbewusstsein. Der Soldat sei dominant, habe mit harter Hand geführt, sei direkt und verfüge über ein gutes Beurteilungsvermögen. Er habe die guten 30 % der Kompanie erkannt, gefördert und sicher behandelt. Bei den anderen Soldaten sei er teilweise ruppig und sehr direkt gewesen. Eine von ihm - dem Leumundszeugen - durchgeführte Befragung von Frau Oberfeldwebel W. habe ergeben, dass der Soldat sehr fordernd und ablehnend gegenüber charmantem Auftreten von Frauen sei. Nach seinem Kenntnisstand habe es keine Annäherung des Soldaten, auch nicht unter Alkoholeinfluss, Frauen gegenüber gegeben. Wenn der Soldat Alkohol trinke, werde er redseliger, er wahre aber die Form. Aggressives Verhalten habe er nicht feststellen können. Der Soldat sei gelegentlich verbal flapsig, dies aber ohne sexuelle Anspielungen. Distanz wahre er nicht immer. Es habe Situationen gegeben, in denen der Soldat über das Ziel hinaus geschossen sei. Er besitze nicht die Eignung zu Menschenführung, wenn er es nicht gelernt habe, alle Soldaten in geeigneter Form mitzunehmen. Er - der Zeuge - habe seinerzeit einschreiten und den Soldaten aus der Kompanie nehmen müssen, weil in der Kompanie große Unruhe bestanden habe.

9 Der Leumundszeuge Oberst K. hat in der Berufungshauptverhandlung ausgesagt, er sei froh, dass er den Soldaten in seinem Stab habe. Dessen Versetzung auf einen höherwertigen Dienstposten sei wegen des schwebenden Disziplinarverfahrens aufgeschoben. Der Soldat sei bereits einmal auf einem A 13-Dienstposten eingesetzt gewesen und jetzt wieder auf einem solchen eingesetzt. Der Soldat habe sich fachlich hervorragend eingebracht. Er sei sehr gradlinig und nehme klare Positionen ein. Ohne das Disziplinarverfahren wäre der Soldat bereits befördert worden. Der Soldat sei zwar nicht Vorgesetzter nach § 1, wohl aber nach § 3 SG.

10 Der Soldat ist berechtigt, das Tätigkeitsabzeichen der Feldjägertruppe in Gold, das Leistungsabzeichen im Truppendienst in Gold, die Einsatzmedaille für die Teilnahme am KFOR-Einsatz sowie die Einsatzmedaille für den ISAF-Einsatz zu tragen. Am 30. Mai 2007 wurde ihm für eine hervorragende Einzeltat das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold verliehen. Der Auszug aus dem Bundeszentralregister vom 27. Juni 2013 weist keinen Eintrag auf. Der Auszug aus dem Disziplinarbuch vom 5. Juli 2013 enthält eine Förmliche Anerkennung wegen vorbildlicher Pflichterfüllung vom 26. April 2001. In der Folgezeit wurden ihm 4 Leistungsprämien gewährt, zuletzt im August 2012.

11 Ein wegen entwürdigender Behandlung Untergebener zunächst eingeleitetes Strafverfahren wurde durch die Staatsanwaltschaft im Juni 2009 nach § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, es lasse sich nicht mit hinreichender Sicherheit klären, ob es tatsächlich zu dem Verhalten gekommen sei, dessen der Soldat unter Anschuldigungspunkt 1 bezichtigt wird.

12 Der in zweiter Ehe verheiratete Soldat hat aus erster Ehe eine achtzehnjährige Tochter. Sie befindet sich noch in der Ausbildung und er zahlt an sie monatlich 480 Euro Unterhalt. Seine jetzige Ehefrau hat aus erster Ehe eine Tochter eingebracht, die im gemeinsamen Haushalt lebt. Der Soldat erhält Dienstbezüge von etwa 4 375 Euro brutto, woraus sich gut 3 695 Euro netto ergeben. Seine Ehefrau erwirtschaftet monatlich 400 Euro. Darlehensverbindlichkeiten von ca. 32 000 Euro tilgt der Soldat mit 400 Euro monatlich. Ferner unterhält er den Vater seiner Ehefrau mit 200 Euro monatlich.

II

13 1. Der Soldat wurde am 19. Mai 2009 und am 27. Mai 2009 angehört. Auch am 1. Juli 2009 wurde ihm Gelegenheit gegeben, sich zu den angeschuldigten Pflichtverletzungen zu äußern. Der Soldat erklärte, nicht aussagen zu wollen und verwies auf seine bereits getätigten Aussagen gegenüber dem Kommandeur (Oberstleutnant T.). Am 8. April 2010 kam es zu einer erneuten Vernehmung des Soldaten. Anlässlich seiner Anhörung am 4. August 2010 gemäß § 93 Abs. 1 Satz 2 WDO erklärt er, er werde sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern, sondern erst, nachdem sein Anwalt nochmals Akteneinsicht genommen habe. Dann werde er eine umfassende schriftliche Erklärung abgeben. Der Anhörung der Vertrauensperson widerspreche er.

14 2. Mit am 13. September 2010 zugestellter Verfügung des Befehlshabers des Wehrbereichskommandos IV vom 2. September 2010 wurde gegen den Soldaten das gerichtliche Disziplinarverfahren eingeleitet. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30. November 2010 erklärte der Soldat, auf die Gewährung von Schlussgehör zu verzichten, und führte im Übrigen zur Sache ausführlich aus.

15 Mit dem Soldaten am 11. Februar 2011 zugestellter Anschuldigungsschrift der Wehrdisziplinaranwaltschaft für den Bereich des Wehrbereichskommandos IV vom 2. Februar 2011 wird ihm vorgeworfen, seine Dienstpflichten wie folgt schuldhaft verletzt zu haben:
„1. Der Soldat betrat am 14.05.2009 zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt, aber jedenfalls nach 22.00 Uhr, nach einer Kompaniefeier in stark alkoholisiertem Zustand (mindestens 3 - 4 Bier sowie hochprozentige alkoholische Getränke) die Stube der Frau Stabsunteroffizier D. in der ... in ..., die gerade vom Waschraum zurückgekehrt war und sich im Schlafanzug befand und sagte zu ihr sinngemäß, was sie für einen tollen Körper habe. Der Äußerung der Frau Stabsunteroffizier D. ihm gegenüber, dass sie schlafen gehen wolle, schenkte der Soldat keine Beachtung, sondern bewegte sich auf sie zu, bis auf etwa Armlänge. Der Soldat umfasste mit seiner linken Hand das rechte Handgelenk der Frau Stabsunteroffizier D. und zog sie zu sich heran. Sodann versuchte er Frau Stabsunteroffizier D. gegen ihren Willen zu küssen. Zu weiteren Handlungen seinerseits kam es dann nicht mehr, da Frau Stabsunteroffizier D. durch Zurückweichen signalisierte, dass sie das Verhalten des Soldaten nicht dulde. Der Soldat wich dann von ihr zurück in Richtung Tür. An der Tür äußerte er sinngemäß, dass er jetzt wüsste, woran er bei ihr sei und sich das merken würde. Daraufhin verließ der Soldat die Stube.
2. Am 14.05.2009 sagte der Soldat zu Frau Stabsunteroffizier D. während einer Dienstfahrt, zu der er sie als Fahrerin eingeteilt hatte, dass sie einen ‚geilen Arsch’ habe. Frau Stabsunteroffizier D. war diese Aussage äußerst unangenehm.
3. Am 15.05.2009 erschien der Soldat nicht zu dem von ihm befohlenen großen Antreten um 7:00 Uhr. Nachdem Oberstabsfeldwebel H. ihn gegen 7:30 Uhr anrief, teilte der Soldat ihm mit, dass er verschlafen hätte. Daher fand das Antreten um 9:00 Uhr statt, wobei der Soldat deutlich wahrnehmbar unter dem Einfluss von Restalkohol stand.
4. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem 15.05.2009 und 01.07 .2009 äußerte der Soldat im Büro des Oberstabsfeldwebel S. ihm gegenüber, Frau Stabsunteroffizier D. sei ‚die größte Nutte der Kompanie’.“

16 3. Mit Urteil vom 9. Februar 2012 hat die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd gegen den Soldaten unter Freistellung von Anschuldigungspunkt 2 und unter teilweiser Freistellung von Anschuldigungspunkt 3 ein Beförderungsverbot für die Dauer von drei Jahren verhängt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

17 Die Pflichtverletzung gemäß Anschuldigungspunkt 2 sei nicht erwiesen, weil sich die Zeugin D. an eine solche Äußerung des Soldaten nicht mehr habe erinnern können. Soweit es die unter Punkt 3 angeschuldigte Pflichtverletzung betreffe, habe sich lediglich der Zeuge H. erinnern können, beim Soldaten eine alkoholische Fahne wahrgenommen zu haben. Ein alkoholbedingtes Schwanken oder eine verwaschene Sprache habe kein Zeuge bestätigt.

18 Innerhalb des Anschuldigungspunktes 3 sei hingegen der um zwei Stunden verspätete Dienstantritt des Soldaten erwiesen. Dieser sei fahrlässig begangen worden, weil er nach eigenen Angaben des Soldaten darauf beruhe, nach dem Weckerklingeln nicht sofort aufgestanden zu sein. Soweit es den Anschuldigungspunkt 4 betreffe, stehe vor allem auf der Grundlage der Aussage des Zeugen S. fest, dass der Soldat die angeschuldigte Äußerung von sich gegeben habe.

19 Der Soldat habe ebenso die unter Anschuldigungspunkt 1 angeschuldigte Pflichtverletzung begangen. Soweit er dies leugne, werde dies durch die glaubhafte Aussage der Zeugin D. widerlegt. Aus der Zusammenschau sämtlicher Zeugenaussagen ergebe sich, dass an der Kernaussage dieser Zeugin, der Soldat habe sie auf ihrer Stube gegen ihren Willen an sich gezogen und versucht, sie zu küssen, nicht gerüttelt werden könne. Die massiv vorgetragenen Hinweise auf eine gewisse Leichtlebigkeit der Zeugin würden deren Glaubwürdigkeit nicht erschüttern. Vielmehr sei von mehreren Zeugen unabhängig voneinander und glaubhaft bekundet worden, wie das Geschehen die Zeugin nachhaltig bewegt habe. Deren Aussage sei auch von keinem Belastungseifer gekennzeichnet gewesen. Wenn die Zeugin dem Soldaten habe Schwierigkeiten bereiten wollen, hätte es für sie näher gelegen, ein wesentlich drastischeres Verhalten des Soldaten zu konstruieren. Sie habe jedoch in ihrer Kernaussage einen immer wieder gleichbleibenden Vorfall ohne brutale GrundeinsteIlung des Soldaten geschildert.

20 Durch das unter Anschuldigungspunkt 1 beschriebene Verhalten habe der Soldat vorsätzlich gegen seine Dienstpflichten verstoßen, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, für seine Untergebenen zu sorgen, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erforderten. Durch das unter Anschuldigungspunkt 3 beschriebene Verhalten, soweit nachgewiesen, habe er fahrlässig gegen die Pflicht verstoßen, treu zu dienen. Mit seiner unter Anschuldigungspunkt 4 beschriebenen Äußerung habe er ferner vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, treu zu dienen, für seine Untergebenen zu sorgen, innerhalb und außerhalb des Dienstes bei seinen Äußerungen Zurückhaltung zu wahren, die Rechte und Würde der Kameraden zu achten sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Dienst als Soldat erforderten. Dabei unterliege er als Offizier der verschärften Haftung des § 10 Abs. 1 SG.

21 Es liege ein schwerwiegendes Dienstvergehen vor. Der Soldat habe die Untergebenen gegenüber stets einzuhaltende Distanz verletzt und damit ein schlechtes Beispiel gegeben. Die ihm gegenüber als Kompaniechef bestehende Abhängigkeit der Zeugin D. trete erschwerend hinzu. Hinzu komme auch, dass er als Kompaniechef ihr gegenüber eine herausragende Fürsorgeverpflichtung gehabt habe. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass sein Verhalten im Anschuldigungspunkt 1 nicht von Gewalt begleitet gewesen sei und ihm keine eindeutig sexuelle Motivation unterstellt werden könne. Der vom Soldaten gebrauchten Formulierung, er wisse jetzt, woran er bei ihr sei und würde sich das merken, fehle es indes am Nötigungscharakter. Zu Gunsten des Soldaten sei ferner zu berücksichtigen, dass sich die Zeugin durch ihre unkluge Wortwahl bei früheren Gesprächen auf eine Ebene begeben habe, die einen Verzicht auf die dienstnotwendige Distanz nicht ausschließe. Dabei sei jedoch zu berücksichtigen, dass es sich bei der Zeugin um eine sehr junge Frau gehandelt habe. Hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4 sei mildernd zu berücksichtigen, dass der Soldat nicht davon habe ausgehen müssen, sein enger Freund werde die Bemerkung weitergeben. Zu Gunsten des Soldaten wirkten auch seine hervorragenden Leistungen. Die planmäßige Beurteilung aus dem Jahr 2009 stelle sich als Ausnahme dar und sei offensichtlich dem anhängigen disziplinargerichtlichen Verfahren geschuldet. Der Soldat habe sich gleichwohl zur Beförderung in einen höheren Dienstgrad über einen längeren Zeitraum als ungeeignet erwiesen. Einer zusätzlichen Kürzung der Dienstbezüge bedürfe es nicht.

22 4. Das Urteil des Truppendienstgerichts vom 9. Februar 2012 gelangte am 22. März 2012 zur Geschäftsstelle der 5. Kammer. Nach Auskunft des Präsidenten des Truppendienstgerichts Süd vom 13. September 2013 war der mit dem Absetzen des Urteils befasste und Ende August 2013 in den Ruhestand getretene Vorsitzende Richter der 7. Kammer im Zeitraum 10. Februar 2012 bis 21. März 2012 nicht arbeitsunfähig erkrankt.

23 5. Gegen das dem Soldaten am 18. April 2012 und seinem Verteidiger am 27. März 2012 zugestellte Urteil hat der Soldat am 15. Mai 2012 uneingeschränkte Berufung einlegen lassen und sie unter anderem damit begründet, dass das Ermittlungsverfahren von der Wehrdisziplinaranwaltschaft nicht mit der notwendigen Objektivität geführt worden sei.

24 Die Beweiswürdigung sei bei Anschuldigungspunkt 1 unvollständig erfolgt. Während seine Aussagen von Anfang an gleichbleibend geblieben seien, habe die Zeugin D. ihre Aussagen fortlaufend korrigiert und verändert. Es lägen zahlreiche, bereits schriftsätzlich detailliert dargelegte Widersprüche vor.

25 Beim Anschuldigungspunkt 3 sei zwar einzuräumen, dass der Soldat am Morgen des 15. Mai 2009 verschlafen habe; aus den Aussagen der Zeugen B. und N. ergebe sich jedoch, dass er nicht unter dem Einfluss von Restalkohol gestanden habe. Zu Anschuldigungspunkt 4 sei anzumerken, dass der Soldat wegen der gegen ihn erhobenen Behauptungen nervlich sehr stark belastet gewesen sei und mit dem Zeugen S. ein privates Gespräch geführt und auf dessen Verschwiegenheit vertraut habe.

26 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt tritt dem Rechtsmittel entgegen und spricht sich gegen eine Zurückverweisung der Sache wegen der verspäteten Absetzung des erstinstanzlichen Urteils aus; der Verteidiger des Soldaten hat sich in der Berufungshauptverhandlung ebenso erklärt. Den Beteiligten ist in der Berufungshauptverhandlung Gelegenheit gegeben worden, sich zu einer Ausklammerung der Anschuldigungspunkte 2, 3 und 4 zu äußern.

III

27 1. Die gemäß § 116 Abs. 2 WDO formgerecht eingelegte Berufung des Soldaten ist zulässig. Sie ist auch fristgerecht im Sinne der § 115 Abs. 1 Satz 1, § 116 Abs. 1 Satz 1 WDO eingelegt worden. Dem Verteidiger des Soldaten wurde das Urteil des Truppendienstgerichts zwar bereits am 27. März 2012 zugestellt; maßgeblich ist jedoch die Zustellung an den Soldaten (§ 111 Abs. 2 WDO), welche erst am 18. April 2012 erfolgte, wodurch die Berufung innerhalb eines Monats eingelegt wurde (Beschlüsse vom 24. Mai 2000 - BVerwG 2 WDB 3.00 , 2 WDB 4.00 - Buchholz 235.0 § 111 WDO Nr. 3 und Urteil vom 14. April 2011 - BVerwG 2 WD 7.10 - NZWehrr 2012, 35-37).

28 2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, wobei der Senat das unter Punkt 2 - 4 der Anschuldigungsschrift beschriebene Verhalten gemäß § 123 Satz 3, § 107 Abs. 2 Satz 1 WDO ausgeklammert hat. Es würde aus den unter 3. näher dargelegten Gründen für die Art und Höhe der Disziplinarmaßnahme nicht mehr ins Gewicht fallen, wenn es festgestellt worden und von disziplinarer Relevanz gewesen wäre.

29 Das Rechtsmittel ist in vollem Umfang eingelegt worden. Der Senat hat daher auf der Grundlage eines fehlerfrei durchgeführten Verfahrens (a) im Rahmen der Anschuldigung (b) eigene Tat- und Schuldfeststellungen zu treffen (c), sie rechtlich zu würdigen (d) und unter Zugrundelegung der in § 38 WDO festgelegten Bemessungsfaktoren die angemessene Disziplinarmaßnahme zu verhängen (e). Dabei ist er an das Verschlechterungsverbot gebunden, weil lediglich der Soldat das Rechtsmittel eingelegt hat (§ 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 331 Abs. 1 StPO). Zur Prüfung steht deshalb lediglich die Frage, ob das erstinstanzlich verhängte Beförderungsverbot eine zu schwere Disziplinarmaßnahme darstellt.

30 a) Die Berufung hat nicht bereits wegen schwerer Verfahrensmängel Erfolg, die zur Aufhebung des truppendienstgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache gemäß § 121 Abs. 2 WDO zwingen.

31 aa) Das vor Rechtshängigkeit der Sache durchgeführte Verfahren begegnet keinen Bedenken. Dem Soldaten ist in dem gesetzlich vorgesehenen Umfang rechtliches Gehör gewährt worden. Darüber hinausgehende Anhörungsrechte stehen ihm nicht zu (vgl. Urteil vom 17. Januar 2013 - BVerwG 2 WD 25.11 - juris Rn. 27).

32 Soweit der Soldat einwendet, der seinerzeit ermittelnde Wehrdisziplinaranwalt sei ihm gegenüber voreingenommen gewesen, begründet dies schon deshalb keinen schweren Verfahrensfehler, weil nach den gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO entsprechend anwendbaren Grundsätzen des Strafprozessrechts kein Recht der Beteiligten auf Ablehnung eines befangenen Staatsanwalts - vorliegend Wehrdisziplinaranwalts - besteht (vgl. Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, Kommentar, 56. Aufl. 2013, vor § 22 Rn. 3). Ungeachtet dessen wird im disziplinargerichtlichen Verfahren die Entscheidung über dessen Einleitung und Fortführung nicht von dem Wehrdisziplinaranwalt, sondern von der Einleitungsbehörde getroffen.

33 bb) Das Verfahren vor dem Truppendienstgericht weist zwar einen schweren Verfahrensmangel auf; er führt jedoch nicht zur Zurückverweisung der Sache.

34 Ein schwerer Mangel des Verfahrens liegt darin, dass das am 9. Februar 2012 verkündete Urteil des Truppendienstgerichts entgegen dem gemäß § 91 WDO entsprechend anwendbaren § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StPO erst am 22. März 2012 zur Geschäftsstelle (der 5. Kammer) gelangte. § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 StPO sieht vor, dass das mit Gründen versehene Urteil spätestens fünf Wochen nach seiner Verkündung zu den Akten zu bringen ist; diese Frist wurde somit um eine Woche überschritten. Umstände gemäß § 275 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StPO, die den Lauf einer längeren Frist ausgelöst hätten, liegen nicht vor. Umstände im Sinne des § 275 Abs. 1 Satz 4 StPO, die ausnahmsweise ein Überschreiten der Frist zulassen würden, ebenfalls nicht. Ausweislich der Mitteilung des Präsidenten des Truppendienstgerichts Süd war der Vorsitzende Richter der Truppendienstkammer in den Wochen zwischen der Verkündung des Urteils und der Übergabe der Urteilsgründe zu den Akten insbesondere nicht arbeitsunfähig erkrankt (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O. § 275 Rn. 14 m.w.N.). Auf eine Erkrankung von Kanzlei- oder Geschäftsstellenmitarbeitern käme es in diesem Zusammenhang nicht an. Es liegt in der Verantwortung der Gerichtsverwaltung, erforderlichenfalls für Vertretung zu sorgen. Durch den Ausfall von Schreibkräften bedingte Fristüberschreitungen sind nicht unabwendbar (Beschluss vom 19. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 34.12 - Rn. 10). Entsprechendes gilt für den Fall, dass sich die Zurruhesetzung des für die Abfassung des Urteils zuständigen Richters abzeichnet und dessen Bemühen, zuvor noch eine Vielzahl anderer Fälle zu entscheiden, eine Arbeitsbelastung zur Folge hat, die eine fristwahrende Absetzung nicht mehr zulässt.

35 Der Verfahrensmangel ist auch schwer im Sinne des § 120 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 Alt. 2 WDO, weil gegen eine gesetzlich zwingende Regelung verstoßen wurde. Sie ist von der Erwägung getragen, dass ein so spät nach der Verkündung abgesetztes Urteil keine Gewähr mehr für eine Übereinstimmung seiner Gründe mit dem Ergebnis der Hauptverhandlung und der Beratung bietet (vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 2013 - BVerwG 2 WD 19.12 - juris Rn. 12, vom 19. Juli 2013 a.a.O. Rn. 11 sowie Urteile vom 16. März 2004 - BVerwG 2 WD 3.04 - BVerwGE 120, 193 <195 f.> = Buchholz 235.01 § 93 WDO 2002 Nr. 1 und vom 31. März 1978 - BVerwG 2 WD 50.77 - BVerwGE 63, 23 <24>).

36 Trotz des schweren Verfahrensmangels ist der Senat aus den in seinen Beschlüssen vom 27. Juni 2013 (a.a.O.) und 19. Juli 2013 (a.a.O.) dargelegten Erwägungen nicht gezwungen, das erstinstanzliche Urteil deshalb aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Ermessensleitend für die Feststellung, ob eine Zurückverweisung zu einer unangemessenen Verzögerung der Sachentscheidung führen würde, ist neben der konkret im Raum stehenden Disziplinarmaßnahme das Gewicht des Gesetzesverstoßes, wie es sich nicht abstrakt, sondern konkret darstellt. Dabei kommt der Stellungnahme der Beteiligten eine indizielle Bedeutung für die Einschätzung der mit einer Zurückverweisung für sie verbundenen Nachteile zu (vgl. Urteil vom 19. Januar 2012 - BVerwG 2 WD 5.11 - Buchholz 450.2 § 121 WDO 2002 Nr. 2 Rn. 23).

37 Nach Maßgabe dessen wiegt der Gesetzesverstoß vorliegend deshalb weniger schwer als in den vom Senat mit Beschlüssen vom 27. Juni 2013 und 19. Juli 2013 entschiedenen Fällen, weil die Absetzungsfrist dort um 2 bzw. um fast 7 Wochen überschritten wurde, vorliegend jedoch lediglich um eine Woche. Anders als in den entschiedenen Fällen steht vorliegend auch nicht eine Entfernung aus dem Dienstverhältnis als schwerste oder eine Dienstgradherabsetzung als zweitschwerste gerichtliche Disziplinarmaßnahme im Raum, sondern - schon wegen des Verschlechterungsverbotes - nur ein Beförderungsverbot. Die mit einer Zurückverweisung verbundene Verzögerung der Sachentscheidung wäre damit angesichts des gesetzlich ausdrücklich normierten Beschleunigungsgebots in § 17 Abs. 1 WDO unangemessen. Dies gilt umso mehr, als sie für den Soldaten eine erneute Verlängerung des gegen ihn bereits seit Jahren faktisch bestehenden Beförderungsverbotes zur Folge hätte. Damit besteht nicht nur ein gewichtiges Interesse des Bundes an einer zeitnahen Entscheidung, sondern auch des Soldaten. Dem hat der Senat bei seiner Ermessensentscheidung Rechnung getragen.

38 b) Die Anschuldigungsschrift bedarf hinsichtlich des vorletzten Satzes des Anschuldigungspunktes 1 der Auslegung. Da auch unter Einbeziehung des in der Anschuldigungsschrift (unter B) beschriebenen Ermittlungsergebnisses nicht eindeutig erkennbar ist, ob in der Äußerung des Soldaten eine weitere disziplinarisch zur ahndende Pflichtwidrigkeit gesehen wird, und der Vertreter des Bundeswehrdisziplinaranwalts diesen Passus der Anschuldigungsformel nicht zwingend als angeschuldigt deutet, wirken sich die insoweit bestehenden Unklarheiten zugunsten des Soldaten aus (vgl. Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 2 WD 1.12 - Rn. 30). Eine Anschuldigung, die die Grundlage für eine Verurteilung bilden könnte, liegt deshalb nicht vor. Das Truppendienstgericht hat insoweit unzutreffend eine Pflichtverletzung festgestellt.

39 c) In tatsächlicher Hinsicht steht zur Überzeugung des Senats als Ergebnis der Beweisaufnahme zum Anschuldigungspunkt 1 fest:
Der Soldat betrat am 14. Mai 2009 nach 22:00 Uhr und vor 0:00 Uhr unaufgefordert in stark alkoholisiertem Zustand die Stube der - zum 31. Dezember 2012 aus dem Dienst ausgeschiedenen - Zeugin Stabsunteroffizier d.R. D. (Zeugin) in der ... in ..., und versuchte zweimal wissentlich und willentlich, sie gegen ihren für ihn erkennbaren Willen an sich heranzuziehen und zu küssen. Nachdem die Zeugin zurückgewichen war und Ablehnung signalisiert hatte, verließ er sogleich deren Stube. Ob er sich darüber hinaus wie im vorletzten Satz des Anschuldigungspunktes 1 beschrieben geäußert hat, kann aus den unter 2 b) dargelegten Rechtsgründen offen bleiben.

40 Der Soldat hat in der Berufungshauptverhandlung ausgeführt, am Abend des 14. Mai 2009 ab 20:00 Uhr bzw. 20:30 Uhr Alkohol in Form von Bier und Mischgetränken getrunken und gut angeheitert, nicht aber sturzbetrunken gewesen zu sein, so dass er die Abläufe noch gut wisse. Gegen ca. 0:00 Uhr habe ihn ein Oberfeldwebel nach Hause gefahren. Wegen einer Operation trinke er kaum noch Alkohol und während des Afghanistaneinsatzes habe er 4 Monate überhaupt keinen Alkohol getrunken. An dem Abend, an dem er angeblich die Pflichtverletzung begangen haben solle, sei er total kaputt gewesen. Sicherlich habe der Alkohol da auch anders gewirkt. Er werde nicht aggressiv, wenn er Alkohol getrunken habe; dies würde nur von Leuten behauptet, die ihn nicht mögen.

41 Den Übergriff auf die Zeugin bestreite er. Er sei am 14. Mai 2009 gegen etwa 20:00 Uhr an deren Stube vorbeigegangen und habe sie darauf hingewiesen, dass ihre Stube unordentlich sei. Dabei habe er auch den Stabsunteroffizier F. angetroffen und ihn für seinen Einsatz gelobt. Um 22:00 Uhr bzw. 22:30 Uhr sei er erneut an der Stube der Zeugin vorbeigegangen, wobei die Tür offen gestanden und die Zeugin bereits ein Schlafgewand getragen habe. Sie habe so etwas wie „Hallo“ oder „Huhu“ gerufen. Er habe ihr gesagt, was der Scheiß solle, ihre Stube (Bude) sehe noch immer „wie Sau“ aus. Die Zeugin habe den Kopf zur Seite gelegt und gesagt, „aber Herr Hauptmann“. Er habe ihr impulsiv gesagt, morgen werde er mit ihr wegen ihrer Männergeschichten ein Gespräch führen.

42 Heute würde er sich anders verhalten und auf das „Huhu“ nicht reagiert haben und auch nach dem Genuss von Alkohol keine Anweisungen mehr geben. Die Gerüchte über die zahlreichen Männergeschichten der Zeugin seien ihm über den Hauptfeldwebel S. zugetragen worden; er selbst habe nichts gesehen. Ihm habe man erzählt, dass die Zeugin mit mehreren anderen Soldaten der Kompanie, unter anderem mit einem Mannschaftsdienstgrad, ein Verhältnis gehabt habe. Am Freitag (15. Mai 2009) habe er versucht, sie mit dem Diensthandy telefonisch zu erreichen, um ihr mitzuteilen, dass das Gespräch in der nächsten Woche stattfinden werde. Es habe ein offizieller Anruf sein sollen; deshalb habe er die Nummer auch nicht unterdrückt. Die Zeugin habe ihm in der Woche des angeblichen Vorfalls gesagt, am Wochenende nach Hause fahren zu müssen. Die Zeugin habe sich dann jedoch entschlossen, an dem Wochenende zu bleiben und er habe ihr geraten, sie solle es wie er machen und ausgehen. Zu sich nach Hause eingeladen habe er sie nicht. Die Zeugin habe ihren Beruf verfehlt. Sie habe bis zum Schluss dessen Ernst nicht erkannt. Er habe sie nicht gefördert, sondern wegen ihrer Erkrankung im Geschäftszimmer nur angemessen eingesetzt. Vielleicht habe sie nach der von ihm erteilten Rüge Angst gehabt und sich die Geschehnisse deshalb ausgedacht; ihm komme es aber so vor, als ob jemand anderes die Sache steuere. Die Aussage des Oberstabsfeldwebel d.R. H., es hätten noch andere Fahrer als die Zeugin zur Verfügung gestanden, sei so nicht richtig. Nachdem er in Ermangelung anderer zur Verfügung stehender Soldaten am Montag die Zeugin zu seiner Fahrerin bestimmt habe, sei sie am Dienstag auf ihn zugekommen und habe gefragt, ob sie ihn wieder fahren dürfe. Kameraden könnten ihn zur Weißglut bringen, wenn sie aus purer Berechnung Aufträge einfach nicht erledigten. Soweit auf Schwierigkeiten von ihm mit Einsatzkräften im Rahmen eines Auslandseinsatzes hingewiesen werde, seien sie darauf zurückzuführen, dass der dort vor Ort zuständige Oberleutnant einen Trupp in die falsche Richtung geschickt und er dies gerügt habe.

43 Die Zeugin D. hat in der Berufungshauptverhandlung demgegenüber ausgesagt, der angetrunkene Soldat sei ihr am 14. Mai 2009 zwischen 21:00 und 23:00 Uhr, vielleicht ein oder eine halbe Stunde nach der Begegnung mit dem Stabsunteroffizier F., auf ihre Stube gefolgt und habe zweimal versucht, sie an sich heranzuziehen und sie zu küssen. Nachdem sie sich dagegen gewehrt habe, habe er ihr gesagt, er wisse jetzt, woran er bei ihr sei, dann habe er die Stube schnell wieder verlassen. Der Soldat sei angeheitert, nicht aber lautstark gewesen. An weitere Äußerungen des Soldaten während des Vorfalls könne sie sich ebenso wenig erinnern wie an die Aussprache des Soldaten oder daran, zu einem anderen Soldaten gesagt zu haben, es werde dann nicht zu einer Meldung kommen, wenn sie dies nicht wolle. Ihre Stube sei nicht dreckig gewesen, allenfalls hätten ein paar Kleidungsstücke herum gelegen. Sie selbst habe an dem Abend zwei Gläser (2 cl) Cola-Whiskey getrunken. Am nächsten Tag (Freitag) habe sie mit dem Stabsgefreiten H. über den Vorfall gesprochen, am übernächsten Tag (Samstag) mit Oberleutnant d.R. S. und Hauptfeldwebel M.. Oberleutnant S. und Hauptfeldwebel M. hätten ihr auch angemerkt, dass etwas passiert sei. Sie habe sich nicht getraut, den Vorfall zu melden. Sie habe sich durch die Äußerung des Soldaten, er wisse jetzt, woran er bei ihr sei, eingeschüchtert gefühlt. Deshalb sei sie am Freitag nach Hause gefahren, obwohl sie eigentlich in der Kaserne habe bleiben wollen.

44 Die Aussagen der Zeugin waren glaubhaft. Sie hat das Geschehen in der Berufungshauptverhandlung von seinem Kern her übereinstimmend mit früheren Aussagen beschrieben. Es waren insbesondere weder Steigerungen noch inhaltliche Abschwächungen insbesondere im Vergleich zu ihrer erstinstanzlichen Aussage festzustellen. Soweit sich die Zeugin in der Berufungshauptverhandlung nicht mehr an Details erinnern konnte, hat sie dies zum Ausdruck gebracht und nicht den Versuch unternommen, sie zu rekonstruieren. Dies bezog sich insbesondere auch auf Umstände, die für den Soldaten nachteilig gewesen wären wie etwa angebliche Äußerungen von ihm über ihren Körper, zur Frage, ob der Soldat sie nicht abgepasst haben könnte und er das Deckenlicht ausgeschaltet hat. Dass sich die Zeugin zum Zeitpunkt der Berufungshauptverhandlung nicht mehr an alle Details erinnern kann, ist auch plausibel, da ein inzwischen vier Jahre zurückliegendes Geschehen im Raum steht.

45 Belastungseifer vermochte der Senat nicht zu erkennen, insbesondere kein belastbares Motiv. Selbst wenn der Soldat die Zeugin wegen einer unordentlichen Stube gerügt haben sollte, bildete dies bei lebensnaher Betrachtung kein nachvollziehbares Motiv dafür, ihn einer sexuellen Belästigung zu bezichtigen. Dies gilt umso mehr, als die Zeugin mit dem Soldaten bislang problemlos ausgekommen war und zwischen ihnen zuvor unstreitig kein intimes Verhältnis bestanden hatte. Darüber hinaus hat die Zeugin nach eigener und nach Aussage des Stabsgefreiten (OA) H. weder für den Soldaten geschwärmt noch den Vorfall gemeldet. Soweit die Verteidigung daraus, dass die Zeugin nicht umgehend Meldung gemacht und seinerzeit eher Mitleid mit dem Soldaten bekundet hat, deren Unglaubwürdigkeit folgert, übersieht sie, dass das Verhalten auch Ausdruck einer Empathie sein kann. Unglaubwürdig ist die Zeugin auch nicht etwa deshalb, weil ihr Lebenswandel den Rückschluss zuließe, sie sage grundsätzlich die Unwahrheit. Ungeachtet dessen, dass eine eventuelle sexuelle Freizügigkeit eines Menschen per se nichts darüber aussagt, ob er zur Unwahrheit neigt, stützt sich die Einlassung des Soldaten insoweit lediglich auf Gerüchte. Er selbst hat dies in der Berufungshauptverhandlung bestätigt. Oberleutnant d.R. S., der als einer der Affären der Zeugin ins Gespräch gebracht worden war, hat dies in der Berufungshauptverhandlung definitiv bestritten. Hauptmann N. hat darüber hinaus ausgesagt, die Zeugin habe auf Annäherungsversuche von Kameraden eher ablehnend reagiert; sie sei ihnen dann ausgewichen.

46 Dass die - nachfolgend dargestellten - Aussagen der Zeugen, an die sich die Zeugin nach dem Vorfall gewendet hat, untereinander nicht in allen Details übereinstimmten, stellt deren Glaubwürdigkeit ebenfalls nicht infrage. Abweichungen dieser Zeugenaussagen in Details und nicht im Kern der Sache zwingen auch nicht zu dem Schluss, die Zeugin habe jeweils unterschiedliche Sachverhalte berichtet. Sie erklären sich ebenso nachvollziehbar damit, dass den Zeugen der Inhalt des Gesprächs nach mehr als vier Jahren unterschiedlich präsent ist.

47 Die Aussage der Zeugin wird durch Aussagen der im Rahmen der Beweisaufnahme vernommenen Zeugen gestützt. Aus Ihnen ergibt sich zum einen, dass die Zeugin zeitnah nach dem Vorfall, nämlich am 15. und 16. Mai 2009, mehreren Kameraden nicht nur einen von seinem Kerngeschehen her durchgehend identischen Übergriff durch den Soldaten, sondern dies auch emotional aufgewühlt beschrieben hat. Sie war am Folgetag nicht einmal mehr bereit, das Privat-Kfz des Soldaten zu bewegen. Zum anderen folgt aus den Aussagen, dass die Zeugin nach dem Eindruck der Zeugen emotional zwar aufgewühlt war, sich jedoch gleichwohl gegen eine Meldung des Vorfalls ausgesprochen hat. Die Überlegung, sie habe sich durch die Gespräche eine für sie günstige Beweislage schaffen wollen, ist angesichts des fehlenden Belastungseifers der Zeugin und des Eindrucks, den sämtliche vom Senat auch für glaubwürdig erachteten Zeugen von ihr hatten, deshalb nicht naheliegend. Dies gilt umso mehr, als nach den glaubhaften Aussagen einiger Zeugen bei dem schon nach eigenen Angaben impulsiven Soldaten ein markanter Kontrollverlust eintritt, wenn er alkoholisiert ist. Dass er bereits um 20:00 Uhr deutlich wahrnehmbar alkoholisiert war, steht auf der Grundlage der Aussage des Zeugen Oberfeldwebel F. fest. Dass der Soldat bereits ohne Alkoholgenuss nicht immer die gebotene Distanz wahrt und über das Ziel hinausschießt, hat namentlich sein früherer Disziplinarvorgesetzter, Oberstleutnant i.G. T., bestätigt. Hinzu kommt, dass der Soldat bereits vor dem Vorfall und möglicherweise im Hinblick auf den seinerzeit desolaten Zustand seiner privaten Beziehung der Zeugin gegenüber Äußerungen und Verhaltensweisen tätigte, die für einen Distanzverlust sprechen, der im Verhalten gemäß Anschuldigungspunkt 1 gipfelte. So etwa seine Äußerung über ihre Eigenschaft als ideale Ehefrau oder die Einladung zu sich nach Hause. Im Einzelnen:

48 Stabsgefreiter (OA) H. hat ausgesagt, die Zeugin an dem Tag nach dem Vorfall aufgelöst angetroffen zu haben. Sie habe ihm erzählt, der Soldat habe sie auf ihrer Stube bedrängt und versucht, sie zu küssen und sie wolle dies melden. Die Zeugin habe an diesem Tag das Auto des Soldaten wegfahren sollen, dies aber nicht gewollt und die Schlüssel abgegeben. Nach seiner Erinnerung habe die Zeugin ihm an einem anderen, davor liegenden Tag berichtet, dass der Soldat sie eingeladen habe, er wisse aber nicht, ob sie die Einladung angenommen habe. Er könne sich daran erinnern, dass die Zeugin berichtet habe, der Soldat habe sie als ideale Frau bezeichnet, mit der man gemeinsam in den Urlaub fahren könne. Es sei ihm nicht aufgefallen, dass die Zeugin für den Soldaten geschwärmt habe. Er wisse nicht mehr, ob die Zeugin erzählt habe, vom Soldaten gerügt worden zu sein.

49 Oberleutnant d.R. S. hat ausgesagt, er habe am Samstag mit der Zeugin gemeinsam Dienst gehabt und sie ziemlich reserviert und in sich gekehrt angetroffen. Unter Tränen habe sie ihm auf seine Frage geschildert, dass der Soldat ihr auf die Stube gefolgt sei, sie am Arm oder ihrer Hand festgehalten und versucht habe, sie zu küssen. Sie habe sich gewehrt, daraufhin sei der Soldat wieder gegangen. Sie habe nicht gewusst, wie sie mit dem Vorfall umgehen solle. Er habe dann die Meldung gemacht. Die Zeugin habe dies nicht gewollt. Er sei jedoch Vorgesetzter gewesen und habe ihn daher melden müssen.

50 Wie der Soldat sich unter Alkohol verhalte, könne er nicht einschätzen; er habe ihn nie aggressiv erlebt, jedoch von anderen gehört, dass der Soldat dann aggressiv werde. Er habe kein besonderes Vertrauensverhältnis zur Zeugin gehabt, es sei kameradschaftlicher Art gewesen. Ein Verhältnis zwischen ihm und der Zeugin habe nicht bestanden. Von Verhältnissen der Zeugin zu anderen Soldaten wisse er nichts. Sie sei herzlich, freundlich und offen zu allen gewesen, dies könne distanzlos gewirkt haben. Er könne sich daran erinnern, dass die Zeugin ihm erzählt habe, vom Soldaten als Fahrerin eingeteilt worden zu sein. Sie habe dies als unangenehm empfunden, weil sie sich unterwegs auch über persönliche Dinge habe unterhalten müssen.

51 Hauptfeldwebel M., dessen erstinstanzliche Aussage durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt wurde, hat inhaltlich gleichlautend ausgeführt, die Zeugin habe ihn am Samstag um ein Gespräch gebeten und erzählt, dass der Soldat auf ihre Stube gekommen sei und zweimal versucht habe sie zu küssen. Nachdem sie gesagt habe, dass sie das nicht wolle, sei er wieder gegangen. Er traue dem Soldaten, der für ihn ein vorbildlicher Soldat sei, dies eigentlich nicht zu; er sei aber auch nicht davon ausgegangen, dass die Zeugin lüge. Er kenne sie auch privat und sie habe ihn noch nie angelogen. Nach dem Vorfall habe es in der Kompanie einen Zwiespalt gegeben, der sie zerrüttet habe.

52 Hauptfeldwebel H. hat ausgesagt, er habe die Zeugin am Samstagmorgen in einem verwirrten und aufgelösten Eindruck angetroffen. Erst auf seine Nachfrage habe sie ihm von dem Vorfall in der Nacht zuvor berichtet. Seine Aussage vor dem Truppendienstgericht darüber, was die Zeugin ihm über den Übergriff des Soldaten berichtet habe, sei zutreffend. Danach habe der Soldat sie bedrängt und zu küssen versucht. Als sie ihm dies erzählt habe, habe sie gezittert und geweint. Er habe dies als ernste Situation empfunden und ihr geraten, Meldung zu machen. Sie habe ihn gebeten, nichts zu sagen.

53 Er habe den Soldaten nie alkoholisiert erlebt und meine, dass dieser eine ablehnende Haltung gegenüber Frauen in der Bundeswehr habe. Der Soldat sei für ihn kein militärisches Vorbild. Während eines Auslandseinsatzes habe man im Unteroffizierskorps beraten, ob man beantragen solle, den Soldaten abzulösen. Der Soldat sei als Chef sehr willkürlich gewesen. Er selbst trinke wenig Alkohol, könne aber nicht behaupten, dass auch der Soldat dies nicht tue.

54 Oberfeldwebel F. hat ausgesagt, er habe am Abend des angeschuldigten Vorfalls zwischen 20:00 und 21:00 Uhr den Soldaten mit der Zeugin vor deren Stube stehen gesehen. Nach seinem Eindruck habe es sich um ein normales Gespräch gehandelt. Der Soldat sei zu diesem Zeitpunkt alkoholisiert gewesen; dies habe man auch gemerkt. Er - der Zeuge - sei mit der Zeugin befreundet gewesen und habe ihre Stube gekannt, welche grundsätzlich aufgeräumt gewesen sei.

55 Oberstabsfeldwebel d.R. H., dessen erstinstanzliche Aussage durch Verlesen in die Berufungshauptverhandlung eingeführt wurde, hat ausgesagt, wie in seiner Vernehmung vom 22. Mai 2009 beschrieben, habe ihm die Zeugin den Sachverhalt geschildert. Der Soldat habe danach versucht, ihr näher zu kommen. Sie sei seinerzeit aufgelöst, kein Gespräch ohne Tränen gewesen. Der Umgang zwischen ihr und dem Soldaten sei gut gewesen. Unter Alkoholeinfluss sei der Soldat schwierig. Es sei nicht einfach, mit ihm dann ein vernünftiges Gespräch zu führen. Er sei dann verletzend und teilweise auch aggressiv, während er im normalen Dienst berechenbar sei. Er sei nicht gewalttätig gewesen, nur verbal. Wenn ein Kamerad bei einer Feier keinen Alkohol trinken wolle, werde er vom Soldaten regelrecht genötigt und dazu gedrängt, doch etwas zu trinken. Es sei nicht aufgefallen, dass der Soldat „jedem Rock hinterher laufe“. Die Zeugin sei sehr zuverlässig gewesen. Er habe über deren Sexualverhalten Gerüchte gehört, diese aber nicht an sich heran gelassen und sich schützend vor sie gestellt. Es habe in der Einheit eine Gruppenbildung gegeben. Es hätte genug Kameraden gegeben, die anstelle der Zeugin den Soldaten hätten fahren können. Er selbst habe keine personellen Vorschläge unterbreitet.

56 Hauptmann N. hat aus eigener Wahrnehmung bestätigt, dass die Zeugin sich geweigert habe, das Fahrzeug des Soldaten am Freitagmorgen umzuparken. Darüber hinaus hat er ausgesagt, der Soldat erfahre unter Alkoholeinfluss eine Wesenswandlung. Er werde unberechenbar und aggressiv, so dass man ihm dann besser ausweiche. Handgreiflichkeiten seien ihm nicht bekannt geworden. Die Wortwahl des Soldaten werde dann persönlicher und seine Ansprache aggressiver, dies äußere sich in Gestik und Mimik. Wie er sich Frauen gegenüber verhalte, könne er nicht sagen. Ein Motiv der Zeugin, unwahre Behauptungen aufstellen, sei ihm nicht ersichtlich, zumal der Soldat deren Fürsprecher gewesen sei. Ihn gleichwohl zu beschuldigen, wäre daher unlogisch. Im Auslandseinsatz 2008 habe es erhebliche Spannungen gegeben, an denen auch er - der Zeuge - beteiligt gewesen sei. Sie seien so weit gegangen, dass ein vom Soldaten gemaßregelter Offizier und er Repatriierungsanträge gestellt hätten. Er könne - erneut - bestätigen, dass die Zeugin auf Annäherungsversuche von Kameraden eher ablehnend reagiert habe; sie sei ihnen dann ausgewichen.

57 Der frühere Disziplinarvorgesetzte des Soldaten, Oberstleutnant i.G. T., hat ausgeführt, bei Untergebenen, deren Leistung nicht dem Anspruch des Soldaten gerecht geworden seien, sei er teilweise ruppig und unter Druck sehr direkt gewesen. Zum Umgang des Soldaten mit Alkohol könne er sagen, dass dieser redseliger werde, aber die Form wahre; vermehrte Aggressionen habe er nicht feststellen können. Das Verhalten, welches Untergebene als Aggression gedeutet hätten, habe der Soldat auch ohne Alkoholgenuss gezeigt. Er vergreife sich im Ton und sei flapsig in der Wortwahl, dies allerdings ohne sexuelle Anspielungen. Er wahre nicht immer die erforderliche Distanz. Es habe Situationen gegeben, in denen der Soldat über das Ziel hinaus schieße. Sofern beim Soldaten kein Lernprozess einsetze, spreche er ihm die Eignung zur Menschenführung ab.

58 d) Der Soldat hat ein Dienstvergehen gemäß § 23 SG begangen.

59 Durch das unter 2 c) festgestellte Verhalten hat der Soldat gemäß § 7 Abs. 2 des Gesetzes über die Gleichbehandlung der Soldatinnen und Soldaten (Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz) seine dienstlichen Pflichten vorsätzlich verletzt. Zu ihnen gehört danach auch, eine sexuelle Belästigung nach § 3 Abs. 4 Soldatinnen- und Soldaten-Gleichbehandlungsgesetz zu unterlassen. Durch den zweifachen und von der Zeugin Stabsunteroffizier d.R. D. unerwünschten Versuch, sie an sich heranzuziehen und zu küssen, hat er vorsätzlich eine sexuell bestimmte Handlung begangen, die sie in ihrer Würde verletzte (vgl. Urteile vom 18. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 3.12 - und vom 23. Juni 2011 - BVerwG 2 WD 21.10 - Buchholz 449 § 7 SG Nr. 56).

60 Einher geht damit ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 Satz 2 SG, der alle Soldaten verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte von Kameraden zu achten. Mit dem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sind Übergriffe der vom Soldaten getätigten Art unvereinbar. Daraus folgt zugleich, dass der Soldat, der sowohl aufgrund seiner Dienststellung (nach § 1 Abs. 1 der Vorgesetztenverordnung - VorgV -) als auch aufgrund seines Dienstgrades (nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VorgV) Vorgesetzter war, ebenfalls vorsätzlich gegen die Pflicht nach § 10 Abs. 3 SG verstoßen hat, für seine Untergebenen zu sorgen. Mit der Verletzung dieser sich nicht gegenseitig ausschließenden Pflichten (Urteile vom 21. Juli 1994 - BVerwG 2 WD 6.94 - BVerwGE 103, 143 <147> sowie vom 18. Juli 2013 a.a.O.) verbindet sich ferner ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 SG, sich innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass ein Soldat der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die seine dienstliche Stellung erfordert. Dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit tatsächlich eingetreten ist, sondern nur darauf, ob das festgestellte Verhalten dazu geeignet war (vgl. Urteil vom 4. Mai 2011 - BVerwG 2 WD 2.10 - juris Rn. 29).

61 3. Bei der Bestimmung von Art und Maß der konkreten Maßnahme sind nach § 58 Abs. 7 in Verbindung mit § 38 Abs. 1 WDO Eigenart und Schwere des Dienstvergehens und seine Auswirkungen, das Maß der Schuld, die Persönlichkeit, die bisherige Führung und die Beweggründe des Soldaten zu berücksichtigen.

62 a) Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bestimmen sich nach dem Unrechtsgehalt der Verfehlung, das heißt nach der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten. Danach wiegt das Dienstvergehen, das in der sexuellen Belästigung einer Untergebenen besteht, schwer, zumal es sich in körperlichen Übergriffen ausdrückte. Der Dienstherr selbst hat durch die ZDv 14/3 den Schutz des verfassungsrechtlich garantierten sexuellen Selbstbestimmungsrechts namentlich im Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen in einer für jeden Vorgesetzten unmissverständlichen Deutlichkeit betont. Darüber hinaus befand sich der Soldat als Kompaniechef in einem exponierten Vorgesetztenverhältnis (§ 10 Abs. 1 SG).

63 b) Das Dienstvergehen zeitigte auch massiv nachteilige Auswirkungen. Die festgestellte Pflichtverletzung zog die Ablösung des Soldaten vom seinerzeitigen Dienstposten nach sich. Insbesondere der frühere Disziplinarvorgesetzte, Oberstleutnant i.G. T., hat in der Sache übereinstimmend mit dem Zeugen Oberstabsfeldwebel d.R. H. ausgesagt, es sei nach dem Vorfall in der Kompanie kein geregelter Dienstbetrieb mehr möglich, „der Kessel sei am Kochen“ gewesen. Er habe den Soldaten aus dem Feuer nehmen müssen, damit die Kompanie zur Ruhe kommen könne. Massive Auswirkungen hatte diese Pflichtverletzung schließlich bei der Untergebenen D., die noch Tage nach dem Übergriff emotional aufgewühlt war und sich anschließend außerstande sah, mit dem Soldaten zusammenzuarbeiten.

64 c) Das Maß der Schuld wird vor allem dadurch bestimmt, dass der Soldat die Pflichtverletzung vorsätzlich begangen hat. Dass die festgestellte Alkoholisierung auf den Soldaten enthemmend gewirkt haben mag, wirkt sich nicht zu dessen Gunsten aus, weil keine Hinweise darauf vorliegen, dass er sich nicht vorwerfbar in diesen Zustand versetzt hat (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 - BVerwG 2 WD 3.12 - Rn. 54 m.w.N.). Auch sonstige Milderungsgründe in den Umständen der Tat liegen nicht vor (vgl. Urteil vom 23. September 2008 - BVerwG 2 WD 18.07 - m.w.N.). Die Annahme einer persönlichkeitsfremden Augenblickstat eines ansonsten tadelfreien und im Dienst bewährten Soldaten (vgl. Urteile vom 1. April 2003 - BVerwG 2 WD 48.02 - und vom 1. Juli 2003 - BVerwG 2 WD 51.02 - m.w.N.) verbietet sich schon deshalb, weil mit dem wiederholten Versuch, die Zeugin D. an sich heranzuziehen und sie zu küssen, nicht von einer Augenblickstat ausgegangen werden kann.

65 d) Hinsichtlich der Zumessungskriterien Persönlichkeit und bisherige Führung sind dem Soldaten seine zunächst sehr guten Leistungen zugute zu halten, die im Laufe der letzten Jahre allerdings abgenommen haben. Hinzu treten die ihm erteilte Förmliche Anerkennung, vier Leistungsprämien sowie die Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr in Gold für eine hervorragende Einzeltat. Der gegenwärtige Disziplinarvorgesetzte, Oberst K., hat zudem ausgesagt, er sei froh, den Soldaten zu haben. Der Soldat habe sich fachlich hervorragend eingebracht, er sei sehr gradlinig und nehme eine klare Position ein. Hätte es das disziplinargerichtliche Verfahren nicht gegeben, wäre der Soldat schon befördert worden.

66 e) Die Beweggründe des Soldaten sprechen nicht für ihn, da er aus sexuellen Motiven, mithin eigennützig gehandelt hat.

67 f) Bei der Gesamtwürdigung aller vorgenannten be- und entlastenden Umstände ist im Hinblick auf die Bemessungskriterien des § 38 Abs. 1 WDO und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts das vom Truppendienstgericht verhängte und gemäß § 58 Abs.1 Nr. 2 in Verbindung mit § 60 WDO zulässige Beförderungsverbot keine unangemessen hohe Disziplinarmaßnahme. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung von einem zweistufigen Prüfungsschema aus (vgl. Urteil vom 10. Februar 2010 - BVerwG 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.):

68 aa) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als „Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen“. Bei sexueller Belästigung, wie sie gemäß Anschuldigungspunkt 1 festgestellt wurde, bildet ihn regelmäßig die Herabsetzung im Dienstgrad (vgl. Urteil vom 18. Juli 2013 a.a.O. Rn. 61 m.w.N.).

69 bb) Auf der zweiten Stufe prüft er, ob im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien im konkreten Fall Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Verschärfung oder Milderung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem anhand der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich angesichts der be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach „oben“ bzw. nach „unten“ zu modifizieren. Für die „Eigenart und Schwere des Dienstvergehens“ kann z.B. von Bedeutung sein, ob der Soldat eine herausgehobene Dienststellung hatte, einmalig oder wiederholt oder in einem besonders wichtigen Pflichtenbereich versagt hat. Bei den Auswirkungen des Fehlverhaltens sind die konkreten Folgen für den Dienstbetrieb sowie schädliche Weiterungen für das Außenbild der Bundeswehr in der Öffentlichkeit zu berücksichtigen. Hinsichtlich des Zumessungskriteriums „Maß der Schuld“ ist neben der Schuldform und der Schuldfähigkeit das Vorliegen von Erschwerungs- und Milderungsgründen in den Tatumständen in Betracht zu ziehen (Urteil vom 15. März 2012 - BVerwG 2 WD 9.11 - Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 10).

70 cc) Hiernach liegt kein besonders schwerer Fall vor, der die Grundlage des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten zerstört und deshalb die Höchstmaßnahme erfordert hätte. Im Übrigen kann angesichts des zugunsten des Soldaten wirkenden Verschlechterungsverbots dahingestellt bleiben, ob derart gewichtige Umstände vorliegen, die einen leichteren Fall begründen und den Übergang zur milderen Maßnahmeart gerechtfertigt haben (vgl. Urteil vom 7. März 2013 - BVerwG 2 WD 28.12 - juris Rn. 55). Jedenfalls gebieten sie nicht, zusätzlich zum Übergang zur milderen Disziplinarmaßnahmeart (Beförderungsverbot) bei der erstinstanzlich festgesetzten Dauer des Beförderungsverbots eine weitere Reduzierung vorzunehmen. Mehrere vom Truppendienstgericht angenommene Milderungsgründe halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand:

71 Soweit das Truppendienstgericht zugunsten des Soldaten gewertet hat, dass der sexuelle Übergriff nicht von Gewalt begleitet gewesen ist, verkennt es, dass es sich dabei lediglich um das Fehlen eines schulderschwerenden Umstandes handelt und der Tatbestand der sexuellen Belästigung nicht zwingend Gewalttätigkeit voraussetzt. Ebenso wenig kann zugunsten des Soldaten streiten, dass sich die Zeugin durch ihre Erläuterung des Begriffs „geil“ nach Auffassung des Truppendienstgerichts auf eine Ebene begeben hat, die einen Verzicht auf die dienstnotwendige Distanz nicht ausschließen soll. Zum einen stand die - von ihr auch nicht bestrittene - Äußerung der Zeugin nicht in zeitlichem Zusammenhang mit der Pflichtverletzung gemäß Anschuldigungspunkt 1; zum anderen relativieren Distanzlosigkeiten jüngerer Untergebener nicht die Pflicht von Vorgesetzten, ihnen gegenüber die ihrer Dienststellung entsprechende Distanz zu wahren. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich bei dem Vorgesetzten um den Disziplinarvorgesetzten handelt.

72 Ebenso wenig gebieten die nur bis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung überdurchschnittlichen Leistungen des Soldaten und seine Auszeichnungen, insbesondere das Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold, es nicht, das ohnehin schon in Abweichung vom Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen verhängte Beförderungsverbot noch zusätzlich in seiner Dauer zu reduzieren. Die persönliche Integrität eines Soldaten steht gleichberechtigt neben dem Erfordernis der fachlichen Qualifikation, sodass die vorliegend gravierenden Defizite in der persönlichen Integrität des Soldaten nicht allein durch dessen fachliche Kompetenz ausgeglichen werden können (Urteil vom 23. Juni 2011 a.a.O. Rn. 52). Daran ändert auch nichts, dass dem Soldaten bereits eine sich konkret abzeichnende Beförderung entgangen ist.

73 Anders als von der Verteidigung im Schlussantrag angenommen, begründet auch die Dauer des disziplinargerichtlichen Verfahrens keinen Milderungsgrund, der die erstinstanzliche Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig werden lässt oder gar zur Verfahrenseinstellung zwingt (vgl. Urteil vom 6. September 2012 - BVerwG 2 WD 26.11 - Buchholz 450.2 § 38 WDO 2002 Nr. 39 - juris Rn. 34 ff., 39 m.w.N.). Über die am 9. Februar 2011 beim Truppendienstgericht Süd eingegangene Anschuldigung hat das Gericht am 9. Februar 2012, mithin nach einem Jahr, entschieden. Dass das disziplinargerichtliche Verfahren damit nicht seinen Abschluss fand, beruht auf der allein vom Soldaten am 15. Mai 2012 eingelegten Berufung, die unbeschränkt erfolgte, sich wegen der bereits vor der Ladung am 19. Juni 2013 einsetzenden Vorbereitung einer umfassenden Beweiserhebung unter Einholung prozessual bedeutsamer Stellungnahmen der Beteiligten - unter anderem zur Verlesung erstinstanzlicher Aussagen verhinderter Zeugen sowie zur Frage einer Zurückverweisung - verfahrensaufwändig gestaltete und zudem erfolglos blieb. Die sich daraus ergebende Verfahrensdauer über zwei Instanzen von zwei Jahren und acht Monaten ist damit nicht überlang. Einer weiteren Verzögerung des Verfahrens, die dazu unter Umständen hätte führen können, ist der Senat dadurch begegnet, dass er von einer Zurückverweisung abgesehen hat. Das Verfahren ist auch dann nicht als unangemessen lang anzusehen, wenn - trotz der Regelung des § 91 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 WDO - mit einbezogen wird, dass die Einleitungsverfügung dem Soldaten am 13. September 2010 zugestellt wurde und sie eine im Mai 2009 begangene Pflichtverletzung zum Gegenstand hat. Bereits im vorgerichtlichen Ermittlungsverfahren bedurfte die Sachverhaltsaufklärung der Vernehmung zahlreicher Zeugen. Außer Acht bleiben kann ferner nicht, dass auch auf Bitten des Verteidigers des Soldaten im November 2009 das Schlussgehör zunächst auf Januar 2010 terminiert worden war und dieser Termin wiederum auf dessen Antrag (vom 21. Dezember 2009) auf den 23. Februar 2010 verlegt wurde.

74 4. Da das Rechtsmittel des Soldaten erfolglos geblieben ist, hat er die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen, § 139 Abs. 2 WDO. Es bestand trotz der Ausklammerung der Anschuldigungspunkte 2 - 4 und der fehlenden Anschuldigung des unter Anschuldigungspunkt 1, vorletzter Satz, beschriebenen Verhaltens kein Anlass, die dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen aus Billigkeitsgründen nach § 140 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Satz 1 WDO dem Bund aufzuerlegen, weil die Berufung weiterhin in vollem Umfang zurückzuweisen war.