Beschluss vom 10.06.2004 -
BVerwG 9 VR 11.04ECLI:DE:BVerwG:2004:100604B9VR11.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.06.2004 - 9 VR 11.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:100604B9VR11.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 VR 11.04

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Juni 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die Richter
am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und Prof. Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:

  1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 6. Februar 2004 wird abgelehnt.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 € festgesetzt.

I


Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss des Antragsgegners vom 6. Februar 2004 für den Teilabschnitt Klein Gastrose der Ortsumgehung Guben im Zuge des Aus- und Neubaus der Bundesstraßen B 97 und B 112. Sie bewirtschaftet als Pächterin nahezu alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen im Bereich des planfestgestellten Vorhabens und macht geltend, die vorgesehene Trassenführung sei abwägungsfehlerhaft. Stattdessen sei eine weiter westlich gelegene "Waldrandlinie" als Trassenführung geboten gewesen.

II


Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine durchgreifenden Bedenken bestehen, ist unbegründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur Entscheidung über ihre Klage.
Bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ergibt sich, dass die Klage auf der Grundlage der zur Begründung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorgetragenen Gesichtspunkte mit dem auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag voraussichtlich keinen Erfolg haben kann. Unter diesen Umständen besteht kein hinreichender Anlass dafür, von der in § 17 Abs. 6 a Satz 1 FStrG und § 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit der Planfeststellung hier abzusehen.
Schlüssige Rügen gegen die formelle Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses enthält die Antragsbegründung nicht. Der Vortrag, in einem früheren Planfeststellungsverfahren für die südlich anschließende Neubaustrecke seien die ausgelegten Unterlagen unvollständig gewesen, reicht dafür ebenso wenig aus wie die Erhebung inhaltlicher Einwände gegen im Planfeststellungsbeschluss enthaltenen Sachverhaltsannahmen.
Auch eine Verletzung des materiellen Rechts, die einen Anspruch der Antragstellerin auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit begründen könnte, lässt sich dem Antragsvorbringen nicht entnehmen. Dieses weist insbesondere nicht auf Mängel bei der durch § 17 Abs. 1 Satz 2 FStrG gebotenen Abwägung hin, die gemäß § 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG erheblich - also offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen - sind und nicht durch Planergänzung behoben werden können.
Die Planrechtfertigung des Vorhabens als solche wird von der Antragstellerin, die schon in ihrem Einwendungsschreiben vom 1. Oktober 2003 erklärt hat, sie sei nicht generell gegen den Bau der Oder-Lausitz-Trasse und sei sich deren wirtschaftlicher Notwendigkeit sehr genau bewusst, nicht schlüssig in Zweifel gezogen. Sie wendet sich vielmehr lediglich gegen die vorgesehene Trassenführung.
Ihrem diesbezüglichen Vorbringen kann jedoch nicht entnommen werden, dass die von ihr bevorzugte "Waldrandlinie" sich in jeder Hinsicht als gegenüber der planfestgestellten ortsnahen Trassierung vorzugswürdig erweist und der Planfeststellungsbeschluss deshalb an einem beachtlichen Abwägungsfehler leidet. Die Planfeststellungsbehörde hat sich bei ihrer Abwägung vor dem Hintergrund der Einwendungen der Antragstellerin auch mit der von ihr geforderten "Waldrandtrasse" auseinandergesetzt. Sie hat dabei nicht nur die mit den benachbarten Planfeststellungsentscheidungen gesetzten "Zwangspunkte" als öffentlichen Belang berücksichtigt, sondern auch geprüft, ob sich die jenen Entscheidungen zugrunde liegenden Tatsachen zwischenzeitlich wesentlich verändert hatten. Der Planfeststellungsbeschluss führt hierzu aus, bereits im Planfeststellungsverfahren für den nördlich anschließenden Streckenabschnitt der Ortsumgehung Guben habe die Planfeststellungsbehörde die für eine Trassierung am Waldrand sprechenden Interessen - u.a. der Antragstellerin - mit dagegen ins Feld geführten Interessen abgewogen. Dabei habe sie festgestellt, dass die für eine weiträumige Umfahrung des Ortsteils Klein Gastrose vorgebrachten Interessen nicht so schwerwiegend seien, dass sie die damit verbundenen Nachteile rechtfertigen könnten: Zwei Bundesstraßen in diesem Bereich würden parallel verlaufen; das Bergbaufeld der N. GmbH & Co. KG würde unter erheblicher Beeinträchtigung der heutigen Betriebsstruktur zerschnitten; es käme zu zusätzlicher Versiegelung einer Fläche von ca. 1,5 ha, zur Zerschneidung waldnaher Äsungsflächen für Wild, zur zusätzlichen Verlärmung von vier Wohngebäuden am Waldrand und zu höheren Baukosten. Auch unter Einbeziehung der nunmehr vorliegenden Erkenntnisse blieben weiträumige Umfahrungsvarianten der Ortslage Klein Gastrose - u.a. die Variante am Waldrand - bei einer Gesamtschau deutlich ungünstiger als die planfestgestellte Trassierung. Bei letzterer sei die Flächeninanspruchnahme im Vergleich zur von der Antragstellerin insgesamt bewirtschafteten Fläche nur gering und führe nur zu unwesentlichen Beeinträchtigungen, die zudem entschädigt würden. Die Erreichbarkeit der landwirtschaftlich genutzten Flächen sei ausreichend gesichert.
Das Antragsvorbringen ist, soweit es überhaupt substantiiert ist, nicht geeignet, die Grundlagen dieser für die Trassenwahl maßgeblichen Erwägung zu erschüttern. Der Hinweis der Antragstellerin darauf, dass die "parabelähnliche" Trassenführung ihre Betriebsfläche zweimal, nämlich im nördlichen und südlichen Bereich durchschneide, während die "Waldrandlinie" kürzer sei, verkennt zunächst, dass die Zerschneidung im südlichen Bereich nicht durch das hier planfestgestellte Vorhaben, sondern durch den Neubau der Straßenverbindung zwischen Heinersbrück und Groß Gastrose verursacht wird, der Gegenstand des hinsichtlich der Trassierung bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses vom 20. Mai 2003 ist. Er verkennt zudem, dass auf die Zerschneidung im südlichen Bereich auch bei Wahl der "Waldrandlinie" für die Oder-Lausitz-Trasse nur dann hätte verzichtet werden können, wenn der von und nach Süden fließende Verkehr auf der vorhandenen Bundesstraße B 112 weiterhin durch die Ortsdurchfahrt Klein Gastrose in bzw. aus Richtung Guben bzw. Grenzübergang geleitet würde, was der Antragsgegner aus Immissionsschutzgründen gerade verhindern will. Der jetzt geplante teilweise Rückbau der bisherigen Bundesstraße B 112 wäre mit einem Verzicht auf deren bei Groß Gastrose vorgesehene Anbindung an die Oder-Lausitz-Trasse unvereinbar. Der genannte Hinweis der Antragstellerin verkennt schließlich, dass ausweislich der mit der Klagebegründung vorgelegten Skizze der "Waldrandlinie" dadurch die Neißeniederung zwischen der Landesstraße 46 und dem Anschluss an den nördlich folgenden Abschnitt der Ortsumgehung Guben zusätzlich auf gesamter Länge durch den Straßenneubau in Anspruch genommen würde und erhebliche Restflächen zwischen der Straße und dem Kerkwitzer Wald von den übrigen Ackerflächen der Niederung abgetrennt würden.
Der Ansicht der Antragstellerin, die vom Antragsgegner gesetzten Zwangspunkte seien "ohne Relevanz", da ihm die Einwendungen bekannt gewesen seien, kann nicht gefolgt werden. Nachdem jene Einwendungen durch Planfeststellungsbeschlüsse zurückgewiesen worden waren, hätte die Antragstellerin eine damit eintretende Zwangspunktbildung nur durch Erhebung von Anfechtungsklagen gegen diese Planfeststellungsbeschlüsse verhindern können. Hierfür war sie nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klagebefugt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Mai 1996 - BVerwG 4 A 16.95 - Buchholz 406.401 § 29 BNatSchG Nr. 10 S. 16 m.w.N.).
Soweit die Antragstellerin auf landschaftspflegerische und immissionsschutzrechtliche Belange hinweist, die durch die vorgesehene Trassenführung beeinträchtigt werden, rechtfertigt dies noch nicht den Schluss, dass die Behandlung dieser Belange durch den Antragsgegner im Rahmen der bei der Trassenwahl vorzunehmenden Abwägung an einem - zumal gemäß § 17 Abs. 6 c Satz 1 FStrG erheblichen - rechtlichen Mangel leidet.
Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die Dimensionierung des Brückenbauwerks im Zuge der Gemeindestraße Klein Gastrose-Kerkwitz könnten, selbst wenn sie zutreffen sollten, schon deshalb nicht zur Begründetheit der Anfechtungsklage führen, weil sich etwaige Dimensionierungsmängel durch Planergänzung beheben ließen. Abgesehen davon hat der Antragsgegner dieses Brückenbauwerk im Planfeststellungsbeschluss auf eine Nutzbreite von 4,5 m ausgelegt und unter Berücksichtigung der seitlichen Hindernisse und der Schleppkurven die Fahrbahnbreite der östlichen Rampe auf 6 m erhöht. Damit dürften unter Berücksichtigung der westlich des Bauwerks vorgesehenen Ausweichstelle die diesbezüglichen Bedenken der Antragstellerin gegenstandslos sein.
Soweit die Antragstellerin schließlich eine Beeinträchtigung ihres Betriebs durch Rückstau von Lastkraftwagen vom Grenzübergang auf der auf 3,5 m Breite zurückgebauten bisherigen Bundesstraße B 112 befürchtet, macht sie ebenfalls keinen Abwägungsmangel geltend, der zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führen könnte. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass sich diesbezügliche Missstände nicht durch straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen beheben ließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.