Beschluss vom 10.01.2003 -
BVerwG 7 B 72.02ECLI:DE:BVerwG:2003:100103B7B72.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 10.01.2003 - 7 B 72.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:100103B7B72.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 72.02

  • VG Berlin - 07.03.2002 - AZ: VG 25 A 67.96

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 10. Januar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
S a i l e r und die Richter am Bundesverwaltungsgericht
G ö d e l und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. März 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 39 840,89 € festgesetzt.

I


Der Kläger begehrt die Rückübertragung der Teilfläche eines im Jahre 1961 auf der Grundlage der Aufbauverordnung für die Anlegung einer Straße enteigneten Grundstücks. Nach erfolglosem Widerspruch gegen die Ablehnung dieses Antrags erhob er im Jahr 1996 Klage. Nachdem das Verwaltungsgericht im Dezember 2001 einen in Beschlussform gefassten gerichtlichen Vergleichsvorschlag formlos an die vom Kläger zuletzt angegebene H. Anschrift übersandt hatte und dieses Schriftstück weder als unzustellbar zurückgekommen noch eine Stellungnahme des Klägers eingegangen war, lud der Kammervorsitzende mit Verfügung vom 7. Februar 2002 zur mündlichen Verhandlung am 7. März 2002. Diese Ladung konnte dem Kläger nicht zugestellt werden, weil er unter der von ihm zuletzt angegebenen H. Anschrift - wie es auf der Postzustellungsurkunde (PZU) vermerkt war - "unbekannt" war. Ermittlungen des Verwaltungsgerichts ergaben am 21. Februar 2002, dass der Kläger zwischenzeitlich in B. polizeilich gemeldet war und nunmehr in D. wohnte. Das Verwaltungsgericht hatte der Kläger hierüber nicht unterrichtet. Noch am selben Tag veranlasste der Kammervorsitzende die erneute Ladung des Klägers unter "Abkürzung der Ladungsfrist" an die ermittelte D. Anschrift; in einem Begleitschreiben erläuterte er die Umstände der Fristverkürzung. Diese Ladung wurde durch Niederlegung zugestellt. Zur mündlichen Verhandlung am 7. März 2002 erschien der Kläger nicht; daraufhin wies das Verwaltungsgericht die Klage ab und ließ die Revision nicht zu. Am 11. März 2002 erkundigte sich der Kläger telefonisch bei der Geschäftsstelle der Kammer nach dem Stand seines Verfahrens und bat, Zustellungen nur an seinen zweiten Wohnsitz in W. vorzunehmen, wo er sich meistens aufhalte. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, er habe sich seit dem 3. Februar 2002 für einen Monat aus beruflichen Gründen in W. aufgehalten, sei von einer Nachbarin auf das niedergelegte gerichtliche Schriftstück hingewiesen worden, habe sodann dessen Übersendung bei dem Postamt D. schriftlich beantragt, die Ladung aber nicht mehr rechtzeitig vor dem 7. März 2002 erhalten. Er rügt die in dem Vorgehen des Verwaltungsgerichts liegende Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.

II


Die Beschwerde ist unbegründet. Die Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) greift nicht durch.
1. Der Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht hätte schon bei der formlosen Übersendung des Vergleichsvorschlages im Dezember 2001, aber auch bei dem ersten Ladungsversuch am 7. Februar 2002 zunächst von Amts wegen seine aktuelle Anschrift ermitteln müssen, geht fehl. Das Verwaltungsgericht hatte weder im Dezember 2001 noch im Februar 2002 Anlass, an der Richtigkeit der von dem Kläger im gerichtlichen Verfahren zuletzt angegebenen H. Anschrift zu zweifeln. Das Beschwerdevorbringen beruht insoweit auf einer Verkennung des Sachverhalts, denn der formlos übersandte Vergleichsvorschlag vom 11. Dezember 2001 ist nicht etwa als "unzustellbar" zu den Gerichtsakten zurückgelangt. Das Verwaltungsgericht hatte deshalb keinen Anlass anzunehmen, dass die von dem Kläger angegebene Anschrift nicht mehr zutraf. Auch das bloße Schweigen des Klägers nötigte nicht zu dieser Annahme.
2. Das Verwaltungsgericht war auch nicht verpflichtet, den Verhandlungstermin am 7. März 2002 aufzuheben oder die Sache zu vertagen, nachdem es durch die Postzustellungsurkunde davon Kenntnis erlangt hatte, dass die Ladung unter der zutreffend ermittelten D. Anschrift niedergelegt worden war. Es kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht sich unter den gegebenen Umständen nach Rücklauf der Postzustellungsurkunde - wie die Beschwerde meint - hätte erkundigen müssen, ob die Ladung von dem Kläger beim Postamt abgeholt worden war, und nur bei positiver Auskunft hätte verhandeln und entscheiden dürfen. Denn ein derartiger (unterstellter) Verfahrensfehler würde der Beschwerde deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil der Kläger ihn durch zumutbare und geeignete Maßnahmen hätte verhindern können. Nach der Beschwerdebegründung ist der Kläger spätestens am 28. Februar 2002 von seiner Nachbarin über die Niederlegung des Schriftstücks - die Beschwerdebegründung spricht sogar von der Niederlegung "der Terminsladung" - informiert worden; mit Schreiben vom 28. Februar 2002 hat er das Postamt D. um die Zusendung des Schriftstücks gebeten. Angesichts des anhängigen Klageverfahrens hätte er sich nicht mit einer schriftlichen Anfrage begnügen dürfen, sondern sich kurzfristig Kenntnis über den Inhalt des Schreibens oder zumindest den Absender verschaffen müssen. Falls er von dem Postamt auf dem telefonischen Weg keine ausreichende Antwort erhalten hätte, hätte es ihm oblegen, telefonisch beim Gericht anzufragen, ob ihm von dort ein Schriftstück zugestellt worden ist. Danach hat der Kläger nicht das ihm Zumutbare getan, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen. Dies wäre aber Voraussetzung für die schlüssige Darlegung eines Verstoßes gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. Urteil vom 3. Juli 1992 - BVerwG 8 C 58.90 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 248 S. 96 <98 f.>; BVerfGE 74, 220 <225>). Der Umstand, dass der Kläger an der mündlichen Verhandlung vom 7. März 2002 nicht teilnehmen konnte, beruht daher im Wesentlichen auf eigenem Verschulden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf den §§ 13, 14 GKG.