Verfahrensinformation

Das Verwaltungsgericht Gera hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick darauf zugelassen, wie eine Ausgleichsleistung zu bestimmen ist, wenn die im Lastenausgleichsverfahren erfolgte Feststellung eines Ersatzeinheitswertes auch von der sowjetischen Besatzungsmacht demontierte Vermögensgegenstände einschloss.


Urteil vom 09.12.2010 -
BVerwG 5 C 19.09ECLI:DE:BVerwG:2010:091210U5C19.09.0

Leitsatz:

(Parallelurteil zum Urteil des Senats vom 9. Dezember 2010 im Verfahren BVerwG 5 C 18.09 )

Urteil

BVerwG 5 C 19.09

  • VG Gera - 16.04.2009 - AZ: VG 5 K 260/08 Ge

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2010
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Hund,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Berlit,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und Dr. Häußler
für Recht erkannt:

  1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 16. April 2009 aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Gera zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Die Kläger begehren als Erbeserben nach Wilhelm K. und Erich K. Entschädigung nach dem Ausgleichsleistungsgesetz für die während der sowjetischen Besatzungszeit erfolgte Enteignung der Firma Wilhelm K. OHG.

2 Wilhelm K. und sein Sohn Erich K. waren Gesellschafter des in Thüringen ansässigen Unternehmens. Dieses produzierte Läufe für Handfeuerwaffen sowie Metallwaren. Während des Zweiten Weltkriegs war die Firma Rüstungsbetrieb. Sie hatte zwischen 1943 bis 1945 ca. 150 Beschäftigte, wovon mehr als die Hälfte ausländische Zwangsarbeiter waren.

3 Auf Befehl der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) wurde das Vermögen der Gesellschaft im Sommer 1945 beschlagnahmt. Ende 1945 fand auf Geheiß der SMAD eine Demontage statt, die sich auf die Maschinen, maschinellen Anlagen, Geräte, Werkzeuge und Vorräte des Unternehmens erstreckte. Sie wurden als Reparationsleistungen in die UdSSR verbracht. Spätestens im Jahr 1948 wurde die Gesellschaft unter Bezugnahme auf Befehle der SMAD entschädigungslos enteignet. Die Unternehmensgrundstücke wurden in Volkseigentum überführt.

4 Wilhelm K. und Erich K. starben 1954 bzw. 1958. Für den Verlust ihrer Gesellschaftsanteile erhielten ihre in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Erben und Erbeserben in den Jahren 1979 und 1980 insgesamt 42 850 DM an Lastenausgleich. Das zuständige Ausgleichsamt der Stadt W. hatte im Lastenausgleichsverfahren auf der Grundlage des Beweissicherungs- und Feststellungsgesetzes (BFG) mit Bescheid vom 10. April 1980 einen Ersatzeinheitswert für das Gesellschaftsvermögen von 369 950 RM festgestellt. Die Ermittlung des Ersatzeinheitswerts basierte auf der Bilanz des Unternehmens vom 31. Dezember 1943.

5 Nachdem das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen des Beklagten 1992 eine Entschädigung der Kläger für den Verlust des Unternehmens auf der Grundlage des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen abgelehnt hatte, beantragten diese im Januar 1995 die Gewährung von Ausgleichsleistungen. Dieser Antrag blieb erfolglos. Im Bescheid vom 6. Juni 2005 begründete das Landesamt die Ablehnung damit, in Bezug auf die früheren Gesellschafter des Unternehmens greife der Ausschlusstatbestand des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) ein, wonach solche Betroffenen nicht zu entschädigen seien, die zwischen 1933 und 1945 in schwerwiegendem Maße ihre Stellung zum eigenen Vorteil missbraucht hätten. In dem daraufhin von den Klägern angestrengten verwaltungsgerichtlichen Verfahren hob der Beklagte diesen Ablehnungsbescheid auf.

6 Mit weiterem, hier streitgegenständlichen Bescheid vom 10. März 2008 lehnte das Landesamt die Gewährung von Ausgleichsleistungen erneut ab. Zwar lägen die Bewilligungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 AusglLeistG vor. Der Entschädigungsbetrag betrage gleichwohl 0 €. Der vom Ausgleichsamt W. im Lastenausgleichsverfahren festgesetzte Ersatzeinheitswert könne nicht herangezogen werden. Dabei sei das demontierte Anlage- und Umlaufvermögen berücksichtigt worden, obgleich ein Ausgleich für Reparationsschäden nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG gerade nicht erfolgen dürfe. Deshalb habe auf der Grundlage der Bilanz zum 31. Dezember 1943 eine Reinvermögensberechnung nach § 4 Abs. 2 EntschG vorgenommen werden müssen. Diese habe ein negatives Reinvermögen ergeben.

7 Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. April 2009 den Ablehnungsbescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Ausgleichsleistungen für die entschädigungslose Enteignung des Unternehmens unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Beklagte habe die Bemessungsgrundlage für die Entschädigung des Unternehmens nicht im Wege einer Reinvermögensermittlung nach § 4 Abs. 2 EntschG vornehmen dürfen, sondern den vom Ausgleichsamt W. festgestellten Ersatzeinheitswert zugrunde legen müssen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 AusglLeistG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 2 EntschG). Von einem Ersatzeinheitswert dürfe nur unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EntschG i.V.m. § 580 ZPO abgewichen werden. Diese Voraussetzungen für ein nachträgliches Abweichen lägen hier nicht vor. Das Landesamt müsse daher die Höhe der Ausgleichsleistung neu berechnen.

8 Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass § 4 Abs. 1 Satz 3 EntschG die Frage der Verwertbarkeit des Ersatzeinheitswertes nicht abschließend regele. Vielmehr dürfe ein vorhandener Ersatzeinheitswert auch dann nicht zur Berechnung einer Ausgleichsleistung herangezogen werden, wenn er unter Einbeziehung von vor der entschädigungslosen Enteignung demontierten Wirtschaftsgütern ermittelt worden sei.

9 Die Kläger verteidigen das angegriffene Urteil und machen überdies geltend, dass - selbst wenn eine Reinvermögensberechnung vorzunehmen wäre - die konkrete Berechnung durch das Landesamt unzutreffend sei.

II

10 Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht im Einklang. Das Verwaltungsgericht hat die Reichweite des Ausschlusstatbestandes in § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG verkannt, indem es den die Reparationsschäden nicht berücksichtigenden Ersatzeinheitswert des Unternehmens als Bemessungsgrundlage für die Ausgleichsleistung zugrunde gelegt hat (1.). Dem Senat ist wegen noch fehlender tatsächlicher Feststellungen eine abschließende Entscheidung verwehrt, so dass die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen ist (2.).

11 1. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass den Klägern als Erbeserben der von der Enteignung betroffenen Gesellschafter nach § 1 Abs. 1 AusglLeistG dem Grunde nach eine Ausgleichsleistung für den Verlust des Unternehmens zusteht. Es hat hingegen nicht berücksichtigt, dass sich der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG auch auf die Berechnung der Unternehmensentschädigung auswirkt. Die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestandes sind erfüllt (1.1). Dies führt hier dazu, dass der im Lastenausgleichsverfahren festgesetzte Ersatzeinheitswert nicht verwertbar ist und als Bemessungsgrundlage das nach § 4 Abs. 2 EntschG zu ermittelnde Reinvermögen zugrunde zu legen ist (1.2).

12 1.1 Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG wird eine Ausgleichsleistung nicht gewährt für Schäden, die durch Wegnahme von Wirtschaftsgütern auf Veranlassung der Besatzungsmacht entstanden sind, soweit diese Wirtschaftsgüter der Volkswirtschaft eines fremden Staates zugeführt wurden oder bei der Wegnahme eine dahingehende Absicht bestand (Reparationsschäden im Sinne des § 2 Abs. 1 bis 4 und 6 bis 7 des Reparationsschädengesetzes - RepG). § 2 Abs. 1 Nr. 2 RepG definiert diese Reparationsschäden im Einzelnen (vgl. Beschluss vom 28. Mai 2002 - BVerwG 3 B 64.02 - Buchholz 428.4 § 1 AusglLeistG Nr. 2), wobei unter einer Wegnahme im Sinne des Reparationsgesetzes nicht nur der förmliche Entzug des Eigentums oder eines sonstigen Rechts an einem Wirtschaftsgut zu verstehen ist, sondern auch jede andere Maßnahme, die - wie hier die mit einer Demontage verbundene faktische Entziehung - in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen dem förmlichen Entzug entspricht (Urteil vom 3. Juli 1969 - BVerwG 3 C 26.67 - BVerwGE 32, 287 <291>, vgl. ferner Urteil vom 7. Juli 1977 - BVerwG 3 C 68.76 - BVerwGE 54, 159 <165 f.>; Beschluss vom 28. Mai 2002 a.a.O.).

13 Zwischen den Beteiligten steht zu Recht nicht im Streit, dass das enteignete Unternehmen Reparationsschäden im Sinne von § 1 Abs.  3 Nr. 1 AusglLeistG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 RepG erlitten hat. Auf der Grundlage der vom Verwaltungsgericht getroffenen und für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) steht fest, dass die mit der Demontage verbundene Wegnahme der Wirtschaftsgüter mit der Absicht erfolgt ist, sie - hier durch den Abtransport in die UdSSR - einer fremden Volkswirtschaft zuzuführen, und dass die Demontagen bereits 1945 durchgeführt und damit die Reparationsschäden eingetreten sind, bevor es zur entschädigungslosen Enteignung des Unternehmens auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Jahr 1948 gekommen ist (vgl. zu der zuletzt genannten Voraussetzung Urteil vom 16. September 2004 - BVerwG 3 C 42.03 - Buchholz 428.41 § 4 EntschG Nr. 2).

14 1.2 Die Beteiligten streiten allein darüber, ob sich im Hinblick auf die Demontageschäden der Ausschlussgrund des § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG auf die Berechnung der Entschädigung auswirkt. Der Senat hat hierzu in seinem Urteil vom heutigen Tage in dem Verfahren BVerwG 5 C 18.09 , das einen im entscheidungserheblichen Kern vergleichbaren Sachverhalt betrifft, Folgendes ausgeführt:
„a) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG werden, soweit dieses Gesetz nicht besondere Regelungen enthält, Ausgleichsleistungen nach den §§ 1 bis 8 EntschG bemessen und erfüllt. Damit wird zwar grundsätzlich auf die Berechnungsvorschriften des Entschädigungsgesetzes verwiesen. Die Verweisung steht jedoch unter dem Vorbehalt abweichender Regelungen des Ausgleichsleistungsgesetzes. Dieser Vorbehalt greift nicht nur in den Fällen, in denen das Ausgleichsleistungsgesetz spezielle Berechnungsvorschriften enthält, die wie § 2 Abs. 2 bis 4 AusglLeistG die Berechnungsvorschriften des Entschädigungsgesetzes partiell ersetzen. Vielmehr müssen bei der Ermittlung des Umfangs der Ausgleichsleistungen auch andere ‚besondere Regelungen’ berücksichtigt werden, die eine von den Vorschriften des Entschädigungsgesetzes abweichende Bemessung vorgeben, ohne zugleich die Berechnungsmethode zu regeln. Denn der Zweck der Vorschrift ist darauf gerichtet, allen Besonderheiten des Ausgleichsleistungsrechts bei der Berechnung der Anspruchshöhe Rechnung zu tragen.
Zu diesen besonderen Regeln gehören die Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 3 AusglLeistG. In § 1 AusglLeistG wird nicht nur positiv umschrieben, wer für welche Enteignungen Ausgleichsleistungen erhält. Es wird auch negativ abgegrenzt, wer keine Anspruchsberechtigung besitzt und welche Vermögensverluste nicht ausgeglichen werden. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG wird insbesondere jeder Ausgleich für die dort genannten Reparationsschäden ausgeschlossen. Der Gesetzgeber wollte nur diskriminierende Enteignungsmaßnahmen auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage ausgleichen, nicht allgemeine Kriegs- und Kriegsfolgeschäden (vgl. BTDrucks 12/4887 S. 38). Demontagen zählen jedoch nach der Wertung des Gesetzgebers zu den allgemeinen Kriegsfolgeschäden, die in vielen Teilen Deutschlands - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - hingenommen werden mussten und die als solche keinen diskriminierenden Charakter aufweisen. Dieser Ausschluss ist umfassend formuliert und gewollt. Er greift unabhängig davon, ob allein der enteignete Vermögensgegenstand von der Demontage betroffen war oder eine Ausgleichsleistung für ein Unternehmen zu gewähren ist, in dem es in Bezug auf einzelne zum Unternehmensvermögen rechnende Gegenstände zu Reparationsschäden gekommen ist. Soweit für Reparationsschäden keine Ausgleichsleistungen vorgesehen sind, bewegt sich diese Entscheidung innerhalb des besonders weiten Regelungs- und Gestaltungsspielraums, der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Wiedergutmachungsleistungen zusteht (vgl. BVerfG, Urteil vom 22. November 2000 - 1 BvR 2307/94 u.a. - BVerfGE 102, 254 <298>). Der Grundsatz, dass vor einer Enteignung durchgeführte Demontagen nicht ausgeglichen werden, ist daher als besondere Regelung nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG bei der Bemessung der Höhe von Unternehmensentschädigungen zu berücksichtigen (vgl. auch Urteil vom 16. September 2004 a.a.O. S. 14 f.).
b) Dem steht nicht entgegen, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG für die Bemessung der Unternehmensentschädigung auf § 4 EntschG verweist und dass § 4 Abs. 1 Satz 2 EntschG die Heranziehung eines vorhandenen Ersatzeinheitswertes vorschreibt, wenn - wie hier - ein steuerlicher Einheitswert fehlt. Es trifft zwar zu, dass der Gesetzgeber aus Gründen der Verwaltungs- und Prozessökonomie auf vorhandene Einheits- oder Ersatzeinheitswerte zurückgegriffen (vgl. Beschluss vom 10. Juli 2007 - BVerwG 5 B 3.07 - Buchholz 428.42 § 2 NS-VEntschG Nr. 3 Rn. 5) und dabei bewusst erhebliche Bewertungsungenauigkeiten hingenommen hat. Nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EntschG soll selbst bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen von einem vorhandenen Einheits- oder Ersatzeinheitswert nur dann abgewichen werden, wenn die Bewertungsunterschiede die Schwelle von 20 % im Vergleich zu einer Reinvermögensberechnung überschreiten.
Der Verweis des § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG erstreckt sich aber nur dann auch auf § 4 Abs. 1 EntschG, wenn die Beachtung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG gewährleistet ist. Als besondere Berechnungsvorschrift begrenzen die Ausschlusstatbestände des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG von vornherein die Heranziehung von Einheits- und Ersatzeinheitswerten nach § 4 Abs. 1 EntschG. Nicht umfassend sind Einheits- oder Ersatzeinheitswerte, die sich auf ein Unternehmen vor Durchführung einer Demontage beziehen, weil sie nicht gewährleisten, dass bei der Berechnung eines Ausgleichsanspruchs die durch die Reparation eingetretene Wertminderung des Unternehmens berücksichtigt werden.
Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift gilt der Anwendungsvorrang des Ausschlusstatbestandes in Bezug auf die Entschädigung von Reparationsschäden (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG), der § 4 Abs. 1 EntschG als speziellere Regelung überlagert, auch und gerade in den Fällen der Unternehmensentschädigung. Denn Unternehmen sind typischerweise von Reparationen betroffen gewesen. Der Normzweck würde unterlaufen, wenn man bei der Bemessung der Ausgleichshöhe in einer Vielzahl von Fällen einen vor der Demontage festgelegten Einheitswert oder einen entsprechenden Ersatzeinheitswert des Unternehmens zugrunde legen würde. Es käme dann in vielen Verfahren zu dem vom Gesetzgeber nicht gewollten vollen Ausgleich von Reparationsschäden und nur, wenn beispielsweise kein Einheits- oder Ersatzeinheitswert vorliegt, zum Anspruchsausschluss. Diese auch verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung wäre mit dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG unvereinbar, Unternehmen generell nicht für Reparationen zu entschädigen.
Erfasst hiernach der Verweis in § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG nur solche Einheits- oder Ersatzeinheitswerte, die bereits Wertminderungen infolge von Reparationen berücksichtigen, kann dem Gebot des § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AusglLeistG nicht dadurch Rechnung getragen werden, dass andere Einheitswerte oder Ersatzeinheitswerte punktuell um reparationsbedingte Schäden ‚bereinigt’ werden. In diesen Fällen folgt vielmehr unmittelbar aus § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG, dass die Höhe der Entschädigung gemäß § 4 Abs. 2 EntschG anhand einer Reinvermögensbetrachtung zu berechnen ist.
c) Die bei Reparationsschäden im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG angezeigte Reinvermögensberechnung nach § 4 Abs. 2 EntschG unterliegt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 AusglLeistG ebenfalls der Maßgabe, dass Demontageschäden und andere nicht ausgleichsfähige Verluste bei der Berechnung der Ausgleichsleistung auszuklammern sind (vgl. Urteil vom 16. September 2004 a.a.O.). Im vorliegenden Fall ist demnach als Bemessungsgrundlage der Unternehmensentschädigung das Reinvermögen nach § 4 Abs. 2 EntschG zu ermitteln, wobei die zu Reparationszwecken demontierten Wirtschaftgüter nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG bei der Berechnung der Ausgleichsleistung nicht zu berücksichtigten sind. Weil das Verwaltungsgericht dies nicht erkannt hat, ist das angegriffene Urteil mit Bundesrecht nicht vereinbar und aufzuheben.“

15 Aus den vorgenannten, hier entsprechend geltenden Gründen darf auch im vorliegenden Fall nicht der im Lastenausgleichsverfahren festgestellte Ersatzeinheitswert zugrunde gelegt werden, sondern ist - wovon das Landesamt des Beklagten zu Recht ausgegangen ist - als Bemessungsgrundlage der Unternehmensentschädigung das Reinvermögen nach § 4 Abs. 2 EntschG zu ermitteln, wobei die zu Reparationszwecken demontierten Wirtschaftsgüter nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 AusglLeistG bei der Berechnung der Ausgleichsleistung auszuklammern sind.

16 2. Das Verwaltungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die Frage nicht im Einzelnen geprüft, ob die Reinvermögensberechnung und die weitere Ermittlung der Bemessungsgrundlage in dem streitbefangenen Bescheid des Landesamtes vom 10. März 2008 rechtsfehlerfrei erfolgt sind. Es hat zwar ausgeführt, dass bei Zugrundelegung des vom Beklagten eingenommenen Rechtsstandpunkts dieser Bescheid des Landesamtes rechnerisch richtig sei und den Maßgaben des § 4 Abs. 2 Satz 2 EntschG zur Ermittlung des Reinvermögens entspreche (UA S. 9). Damit hat es allerdings nur das Ergebnis einer - nach seiner Rechtsauffassung nicht entscheidungserheblichen - Rechtsanwendung bzw. Subsumtion mitgeteilt, ohne die hierzu erforderlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen. Die Kläger haben die vom Landesamt vorgenommene Reinvermögensberechnung auch nicht unstreitig gestellt, sondern sowohl im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht als auch im Revisionsverfahren geltend gemacht, dass diese aus verschiedenen Gründen fehlerhaft sei. Mangels hierzu getroffener tatsächlicher Feststellungen und Würdigungen des Verwaltungsgerichts ist der Senat an einer Entscheidung gehindert und der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.