Beschluss vom 09.05.2005 -
BVerwG 7 B 18.05ECLI:DE:BVerwG:2005:090505B7B18.05.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.05.2005 - 7 B 18.05 - [ECLI:DE:BVerwG:2005:090505B7B18.05.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 18.05

  • VG Berlin - 07.12.2004 - AZ: VG 25 A 308.99

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Mai 2005
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und K r a u ß
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 7. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

Der Kläger beansprucht die Rückübertragung eines Grundstücks nach den Vorschriften des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen - VermG -. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil der Eigentumsverlust auf eine Enteignung auf besatzungshoheitlicher Grundlage zurückzuführen und daher der Restitutionsanspruch nach § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG ausgeschlossen sei.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Der nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gerügte Verfahrensmangel ist nicht erkennbar.
Der Kläger sieht eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Sachaufklärung nach § 86 Abs. 1 VwGO darin begründet, dass das Verwaltungsgericht trotz der Vorlage eines Schreibens des Bezirksamts Friedrichshain über die Abrechnung von Miet- und Pachtgeldern vom 7. Juni 1949 keine weiteren Ermittlungen hinsichtlich einer Freigabe des Grundstücks angestellt habe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, das an die Rechtsvorgängerin des Klägers adressierte Schreiben sei auf einen Irrtum des Bezirksamts zurückzuführen, hält der Kläger für eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung. Als taugliches Beweismittel hätte sich nach Auffassung des Klägers eine Anfrage beim Landesarchiv Berlin angeboten unter besonderer Berücksichtigung auch der Akten, die dem Bezirksamt Friedrichshain zuzuordnen seien.
Die Rüge ist nicht berechtigt. Es ist nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt hat. Das Verwaltungsgericht hat anhand der vom Landesarchiv angeforderten Sequesterakte über das Grundstück festgestellt, dass
- das Grundstück aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 mit Bescheid vom 30. Dezember 1945 beschlagnahmt worden ist,
- die Rechtsvorgängerin des Klägers sich seit Ende 1947 um die Aufhebung der Sequestration bemüht hat,
- ein Mitarbeiter der Abteilung 1 der Deutschen Treuhandverwaltung (DTV) mit Vermerk vom 1. März 1948 die Freigabe des Grundstücks vorgeschlagen hat,
- in einem nicht datierten Erhebungsbogen über die Paul V. KG, der nach der Chronologie der Akten ebenfalls aus dem März 1948 stammt, vermerkt ist, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien,
- die Akte im Juli 1948 an die Abteilung 4 der DTV abgegeben worden ist, weil es sich um eine reine Grundstücksangelegenheit gehandelt habe,
- die Sequesterabteilung der DTV am 30. Juni 1949 unter dem Aktenzeichen - 050 025 - die Enteignung des Grundstücks vorgeschlagen hat und
- am 30. Juli 1949 sodann die DTV die Enteignung unter demselben Aktenzeichen vorgeschlagen hat.
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund dieser Tatsachen den für die Anwendung des § 1 Abs. 8 Buchst. a VermG notwendigen Zurechnungszusammenhang zwischen dem Willen der Besatzungsmacht und der erst nach Gründung der DDR - durch die Aufnahme des Grundstücks in die Liste 3 - erfolgten Eigentumsentziehung bejaht. Zu einer Realisierung des Freigabevorschlages vom 1. März 1948 ist es zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts nicht gekommen. Dies hat es daraus geschlossen, dass
- noch im März 1948 die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen vermerkt worden ist,
- der Freigabevorschlag von der nicht zuständigen Abteilung 1 der DTV formuliert worden ist,
- das Grundstück im Juli 1948 in die Abteilung 4 der DTV übergeleitet worden ist, also in der Treuhandverwaltung verblieben ist,
- das Grundstück weder in der Liste zurückgegebener Vermögenswerte noch in der Bekanntmachung über weitere Freigaben sequestrierter Vermögenswerte aufgeführt worden ist und
- die Enteignungsvorschläge aus dem Jahr 1949 dasselbe Aktenzeichen tragen, unter denen das Grundstück 1947 und 1948 bei der DTV geführt worden ist, was gegen ein vorübergehendes Ausscheiden aus dem Verwaltungsbestand der DTV spreche.
Dieser Tatsachenfeststellung und -würdigung liegt kein Sachaufklärungsmangel zugrunde; denn weitere Ermittlungen zum seinerzeitigen Schicksal des Grundstücks und insbesondere dazu, ob es aus der Beschlagnahme freigegeben worden war, mussten sich dem Gericht auch in Ansehung des vom Kläger vorgelegten Schreibens des Bezirksamts Friedrichshain vom 7. Juni 1949 nicht aufdrängen. Zwar lässt sich dem in der Miet- und Pachtstelle verfassten Schreiben zweifelsfrei entnehmen, dass man dort von einer Verwaltungsbefugnis der Rechtsvorgängerin des Klägers ausgegangen ist, also das Grundstück offenbar nicht als beschlagnahmt angesehen hat. Das Verwaltungsgericht musste aber dennoch angesichts des eindeutigen Inhalts der von ihm beigezogenen und für diese Sachfrage maßgeblichen Sequesterakte, der nach seinen Feststellungen das Gegenteil auswies, keine Veranlassung haben, weitere Ermittlungen in Richtung einer Freigabeentscheidung anzustellen. Vielmehr liegt seine Schlussfolgerung, dass die für Fragen der Beschlagnahme nicht zuständige Miet- und Pachtstelle einem Irrtum unterlag, mehr als nahe.
Selbst wenn man aber - anders als der Senat - aufgrund des vom Kläger vorgelegten Schreibens einen weiteren Ermittlungsbedarf bejahen würde, setzen solche Nachforschungen die Existenz tauglicher Beweismittel voraus. Solche nennt der Kläger nicht. Die von ihm vorgeschlagene Anfrage an das Landesarchiv vernachlässigt, dass von dort schon die für die Beschlagnahme des Grundstücks maßgebliche Akte beigezogen worden war und der bloße Hinweis auf das genannte Schreiben der Miet- und Pachtstelle in Verbindung mit dem Wunsch, besonders die dem Bezirksamt Friedrichshain zuzuordnenden Akten zu berücksichtigen, keinen hinreichend konkreten Ansatzpunkt für eine weitere Klärung der Freigabefrage bietet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 4 sowie § 72 Nr. 1 GKG.