Beschluss vom 09.03.2015 -
BVerwG 4 B 7.15ECLI:DE:BVerwG:2015:090315B4B7.15.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 09.03.2015 - 4 B 7.15 - [ECLI:DE:BVerwG:2015:090315B4B7.15.0]

Beschluss

BVerwG 4 B 7.15

  • VG München - 04.12.2012 - AZ: VG M 1 K 11.3584
  • VGH München - 08.12.2014 - AZ: VGH 1 B 14.835

In der Verwaltungsstreitsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. März 2015
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Külpmann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7 500 Euro festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger wandte sich in erster Instanz erfolgreich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung. Auf Antrag der Beigeladenen hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. April 2014, der Beigeladenen zugestellt am 24. April 2014, die Berufung zugelassen. Mit einem am 28. Juli 2014 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenen Telefax begründete die Beigeladene ihre Berufung und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist. Mit weiterem Schreiben vom 26. September 2014 nahm sie den Bauantrag zurück und teilte dies dem Verwaltungsgerichtshof mit. Damit habe sich, so die Beigeladene in einem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014, der Rechtsstreit erledigt. Der Kläger gab keine prozessbeendende Erklärung ab. Mit Beschluss vom 8. Dezember 2014 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Berufung wegen Versäumens der Begründungsfrist und fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses verworfen.

2 Der auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

3 1. Die Beigeladene legt keinen Verfahrensfehler i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar. Sie wendet sich nicht dagegen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ihrer Erklärung aus dem Schriftsatz vom 13. Oktober 2014 keine Erledigungserklärung hinsichtlich der Berufung gesehen hat. Vielmehr beanstandet sie, dass der Verwaltungsgerichtshof keine Erledigung des gesamten Rechtsstreits angenommen und in der Folge auch das erstinstanzliche Urteil nicht für unwirksam erklärt hat, dessen Rechtskraftwirkungen sie, die Beigeladene, erkennbar habe abwenden wollen. Die Beigeladene missversteht die prozessuale Situation. Für eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache mit den Rechtsfolgen des § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO fehlt es an der notwendigen übereinstimmenden Erklärung der Hauptbeteiligten, weil der Kläger eine solche Erklärung ausdrücklich abgelehnt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6. August 1987 - 3 B 18.87 - Buchholz 451.54 MStG Nr. 11 S. 4). In der damit erforderlichen Entscheidung über die Berufung war das Rechtsmittel, wie geschehen, schon wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nach § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen. Verfahrensfehler, etwa bei der Behandlung ihres Wiedereinsetzungsantrags, macht die Beigeladene nicht geltend.

4 Der Verwaltungsgerichtshof hat das Gebot effektiven Rechtsschutzes beachtet. Nach Wahrung der Berufungsbegründungsfrist hätte es der Beigeladenen offen gestanden, ihren Bauantrag zurückzunehmen und damit die Hauptsache des Rechtsstreits zu erledigen. In diesem Fall hätte es dem Kläger oblegen, hierauf prozessual zu reagieren. Dieser Möglichkeit hat sich die Beigeladene begeben, als sie die Berufungsbegründungsfrist verstreichen ließ. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes verlangt aber keinen Schutz von Beteiligten, die ihre Obliegenheiten versäumen.

5 2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.

6 Die Frage,
ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein am Rechtsstreit als Beigeladener Beteiligter auch den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklären kann, wenn die prozessuale Möglichkeit, lediglich das Rechtsmittel für erledigt zu erklären, zur Erlangung effektiven Rechtsschutzes nicht ausreicht,
verlangt unter den Bedingungen des Streitfalls keine revisionsgerichtliche Klärung. Da es sich bei dem Übergang zur einseitigen Erledigungserklärung um eine besondere Form der Klageänderung handelt, bedarf es dann, wenn ein Beteiligter, der die Feststellung der Erledigung der Hauptsache begehrt, zugleich der Rechtsmittelführer ist, eines statthaften und in zulässiger Weise eingelegten Rechtsmittels (BVerwG, Beschluss vom 30. Oktober 1969 - 8 C 219.67 - BVerwGE 34, 159 <161> zum Kläger in der Revisionsinstanz). Daraus folgt unmittelbar, dass die Möglichkeit einer einseitigen Erledigungserklärung für den allein rechtsmittelführenden Beigeladenen jedenfalls nicht eröffnet ist, nachdem dieser die Begründungsfrist für ein Rechtsmittel hat verstreichen lassen und im Anschluss daran selbst ein erledigendes Ereignis herbeigeführt hat. In einem solchen Fall ist die Berufung, wie geschehen, nach § 124a Abs. 3 Satz 5, § 125 Abs. 2 Satz 1 VwGO zu verwerfen. Dem Beigeladenen steht es nicht offen, die Folge der Verfristung seines Rechtsmittels durch eine "Flucht in die Erledigung" abzuwenden.

7 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.