Beschluss vom 09.01.2006 -
BVerwG 3 B 124.05ECLI:DE:BVerwG:2006:090106B3B124.05.0

Beschluss

BVerwG 3 B 124.05

  • VG Berlin - 04.07.2005 - AZ: VG 15 A 207.03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. Januar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und die Richter am Bundesverwaltungsgericht L i e b l e r und Prof. Dr. R e n n e r t
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 4. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

1 Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

2 1. Die Revision ist nicht wegen der behaupteten Verfahrensfehler zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

3 a) Die Klägerin meint, die Sache weise besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art auf und habe zudem grundsätzliche Bedeutung, weshalb die Kammer des Verwaltungsgerichts sie nicht habe dem Einzelrichter übertragen dürfen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Damit ist ein Verfahrensfehler nicht dargetan.

4 Es ist bereits zweifelhaft, ob damit ein Verfahrensmangel bezeichnet ist, der in einem Revisionsverfahren durch das Revisionsgericht überprüft werden könnte. Denn nach § 557 Abs. 2 ZPO, der gemäß § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist, unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden unanfechtbaren Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts. Der Beschluss über die Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter aber ist gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 VwGO unanfechtbar. Das hat grundsätzlich zur Folge, dass das Rechtsmittelgericht an diese Entscheidung gebunden ist und entsprechende Verfahrensrügen einer inhaltlichen Überprüfung entzogen sind (Beschlüsse vom 4. Dezember 1998 - BVerwG 8 B 187.98 - und vom 15. Oktober 2001 - BVerwG 8 B 104.01 - Buchholz 310 § 6 VwGO Nrn. 1 und 4 m.w.N.).

5 Anderes gilt nur dann, wenn ein Verstoß gegen § 6 VwGO zugleich eine Verletzung einer prozessualen Gewährleistung der Verfassung darstellt (Urteil vom 10. November 1999 - BVerwG 6 C 30.98 - BVerwGE 110, 40 <44>). Die Klägerin sieht in dem behaupteten Verstoß gegen § 6 VwGO zugleich eine Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das ist freilich nicht stets der Fall. Der Schutzbereich des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist enger als die einfachgesetzlichen prozessrechtlichen Vorschriften. Nicht jede fehlerhafte Anwendung des Prozessrechts verstößt daher zugleich gegen das Verfassungsgebot des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Grenze zur Verfassungswidrigkeit ist vielmehr erst überschritten, wenn die fehlerhafte Auslegung oder Anwendung des einfachen Rechts willkürlich oder manipulativ ist (Urteil vom 10. November 1999, a.a.O. <46>; Beschluss vom 15. Oktober 2001, a.a.O. <4>; jeweils m.w.N.). Hierzu hat die Klägerin nichts vorgetragen; es ist auch nichts ersichtlich.

6 b) Auch eine Verletzung der gerichtlichen Pflicht, den Sachverhalt zu erforschen (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), hat die Klägerin nicht dargetan. Insofern rügt sie, dass das Gericht diejenigen Tatsachen, die sie selbst für bedeutsam hält, im Tatbestand des angefochtenen Urteils nur als Teil ihres Parteivortrags wiedergegeben, sich aber nicht durch eigene Feststellungen von ihrer Richtigkeit überzeugt habe. Daraus ergibt sich kein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat den klägerischen Sachvortrag als zutreffend angesehen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dass es hieraus nicht die rechtlichen Schlüsse gezogen hat, die die Klägerin für richtig hält, betrifft § 86 VwGO nicht.

7 2. Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

8 In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verpachtung von Grundstücken an Private zum Bau von Wochenend- oder Ferienhäusern keine Aufgabe ist, die nach der Rechtsordnung des Grundgesetzes im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung wahrgenommen wird. Darum gehören derartige Grundstücke nicht nach Art. 21 Abs. 1 und 2 EV zum kommunalen Verwaltungsvermögen und auch nicht zum kommunalen Finanzvermögen im Sinne von Art. 22 Abs. 1 Satz 1 EV i.V.m. § 1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 TreuhG. Daran ändert es nichts, wenn die Gemeinde eine ordnende und überwachende Funktion wahrnimmt, etwa das Gelände erschließt und überplant, die Errichtung und den Unterhalt der Gebäude finanziell fördert oder die Grundstücke nicht an beliebige Private verpachtet, sondern ihre Einwohner oder andere Nutzergruppen bevorzugt (Beschlüsse vom 22. April 1997 - BVerwG 3 B 129.96 -, vom 29. Januar 2002 - BVerwG 3 B 5.02 - und vom 3. Dezember 2002 - BVerwG 3 B 133.02 - Buchholz 111 Art. 22 EV Nrn. 26, 34 und 37).

9 Das Beschwerdevorbringen zeigt nicht auf, inwiefern diese Rechtsprechung der Überprüfung und Fortentwicklung in einem Revisionsverfahren bedürfte. Die Klägerin meint im Wesentlichen, ihre Tätigkeit stelle sich als Schaffung und Entwicklung der örtlichen Freizeit- und Erholungseinrichtungen dar, was zu den gemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben zu rechnen sei. Damit ist ein weiterführender Klärungsbedarf nicht dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Verbesserung der örtlichen Freizeit- und Erholungsbedingungen durchaus zu den legitimen kommunalen Aufgaben gerechnet werden kann, dass hierzu aber ein sozialer oder öffentlicher Bezug unerlässlich ist, wie er etwa gegeben ist, wenn Grundstücke zum Zwecke der Förderung des Kleingartenwesens zur Verfügung gestellt werden, der hingegen fehlt, wenn die Überlassung der Grundstücke zur ausschließlich privatnützigen Verwendung durch beliebige Einzelpersonen und zu Bedingungen erfolgt, die sich in keiner Weise von entsprechenden, allein auf Gewinnerzielung gerichteten Verträgen zwischen Privaten unterscheiden (Beschluss vom 29. Januar 2002 a.a.O.). Daran ist festzuhalten. Allein aus der Größe des Wochenendhausgebiets und der Zahl der verpachteten Grundstücke oder aus dem Umstand, dass die Klägerin ihrer - auch unter dem Grundgesetz selbstverständlichen - öffentlichen Aufgabe der Erschließung und Überplanung des Baugebiets nachgekommen ist, ergibt sich der soziale oder öffentliche Bezug der pachtweisen Überlassung der Grundstücke jedenfalls nicht. Anderes folgt auch nicht daraus, dass der Rat der Klägerin die Errichtung der Wochenend- und Ferienhäuser selbst organisiert hat. Das lag bei der Nutzung von volkseigenem Vermögen in der Rechtsträgerschaft des Rates einer Gemeinde zu Zeiten der DDR nahe, besagt aber nichts für die Qualifizierung der pachtweisen Überlassung der Grundstücke an private Nutzer als kommunale Aufgabe nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Dass die Klägerin die weitere Entwicklung des Ferienhausgebiets selbst nicht (mehr) als öffentliche Aufgabe ansieht, zeigt im Übrigen der Umstand, dass sie die Hausgrundstücke alsbald nach dem 3. Oktober 1990 an die Pächter verkauft hat.

10 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswerts wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.