Beschluss vom 08.08.2012 -
BVerwG 5 B 19.12ECLI:DE:BVerwG:2012:080812B5B19.12.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.08.2012 - 5 B 19.12 - [ECLI:DE:BVerwG:2012:080812B5B19.12.0]

Beschluss

BVerwG 5 B 19.12

  • VG Köln - 20.09.2011 - AZ: VG 22 K 531/11 Köln
  • OVG für das Land Nordrhein-Westfalen - 23.01.2012 - AZ: OVG 12 A 2419/11

In der Verwaltungsstreitsache hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. August 2012
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 23. Januar 2012 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1 Die auf den Zulassungsgrund der Grundsatzbedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2 1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO <n.F.> Nr. 26 S. 14). Daran gemessen führen die aufgeworfenen Fragen, soweit sie überhaupt den Darlegungsanforderungen genügen, wegen fehlender Klärungsbedürftigkeit nicht zur Revisionszulassung.

3 a) Die Beschwerde hält im Hinblick auf die Auslegung der § 6 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 der Verordnung über Zusatzleistungen in Härtefällen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz - HärteV - (vom 15. Juli 1974, BGBl I S. 1449, zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 19. März 2001, BGBl I S. 390) folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig;
„Wie [sind] die Fälle zu beurteilen [...], in denen das Einrichtungsentgelt Kostenbestandteile enthält, die auf einen spezifisch behinderungsbedingten Bedarf bezogen sind und bei einer Internatsunterbringung von Menschen ohne Behinderung mit fachgerechter pädagogischer Betreuung so nicht anfallen oder diese doch erheblich übersteigen.“

4 Diese Frage würde sich indessen, was für die Klärungsbedürftigkeit erforderlich ist (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 18. Juni 2012 - BVerwG 5 B 5.12 - juris Rn. 17), aufgrund des vom Oberverwaltungsgerichts festgestellten Sachverhalts in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen.

5 Das Oberverwaltungsgericht hat festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß § 14a BAföG i.V.m. §§ 6, 7 HärteV vorliegend zu übernehmenden Heimkosten dem Entgelt entsprechen, das in den nach § 77 Abs. 1 Satz 2 SGB XII maßgeblichen Vergütungsvereinbarungen zwischen der Einrichtungsträgerin und dem Kläger (vgl. UA S. 25 f.) vereinbart wurde. Des Weiteren hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass die vorliegend entrichteten Heimkosten keine gesonderten Kostenbestandteile enthielten, die auf einen spezifisch behinderungsbedingten Bedarf bezogen seien (vgl. UA S. 28). Diese Feststellungen sind mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO).

6 b) Die von der Beschwerde im Zusammenhang mit § 7 HärteV aufgeworfene Frage,
„ob § 7 HärteV bestimmt, dass Kosten ungeachtet des abgedeckten konkreten Bedarfs allein wegen ihrer formalen Qualifizierung als Heimkosten in die ausbildungsförderungsrechtliche Bedarfsdeckung eingestellt werden müssen“,
rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Auch diese Frage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren schon deshalb nicht zu klären, weil sie von einem so nicht festgestellten Sachverhalt ausgeht. Das Oberverwaltungsgericht hat nicht festgestellt, dass in den entrichteten Heimkosten spezifisch behinderungsbedingte Aufwendungen enthalten sind, die nicht gesondert als solche, sondern formal als Heimkosten ausgewiesen werden. Das Oberverwaltungsgericht hat im Gegenteil - wie dargelegt - mit bindender Wirkung festgestellt, dass Aufwendungen für einen spezifischen behinderungsbedingten Bedarf nicht als Bestandteil der Heimkosten abgerechnet werden (vgl. UA S. 28).

7 Abgesehen davon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass die nach § 7 Abs. 1 HärteV zu bestimmende Leistungshöhe an den Unterbringungsbedarf nach § 6 Abs. 2 HärteV anknüpft. Dieser setzt sich aus dem Bedarf für Unterkunft, Verpflegung und pädagogische Betreuung außerhalb der Unterrichtszeit zusammen. Im Fall der vollstationären Unterbringung von behinderten Auszubildenden umfasst der Bedarf für die pädagogische Betreuung außerhalb der Unterrichtszeit dabei auch die Mehrkosten, die wegen einer auch auf die Behinderungen des betreuten Personenkreises sowie dessen Alter eingestellte pädagogische Betreuung entstehen. Derartige Mehrkosten können also nicht als spezifisch behinderungsbedingte Aufwendungen qualifiziert werden (Urteil vom 2. Dezember 2009 - BVerwG 5 C 33.08 - BVerwGE 135, 310 Rn. 39). Die Beschwerde legt nicht dar, dass und inwiefern aus Anlass des vorliegenden Falles über diese Grundsätze hinaus ein erneuter oder weiterer rechtsgrundsätzlicher Klärungsbedarf besteht. Soweit sie beanstandet, es sei nicht auszuschließen, dass die vorliegend entrichteten Heimkosten auch Aufwendungen enthielten, die über die Deckung des Unterbringungsbedarfs gemäß § 6 Abs. 2 HärteV hinausgingen und als behinderungsspezifisch zu qualifizieren seien, zumal der hier in Rede stehende Tagessatz von beispielsweise 120,45 € für das Jahr 2010 den Tagessatz von 66,77 € in dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 2. Dezember 2009 (a.a.O.) entschiedenen Fall deutlich übersteige, betrifft dies entweder eine mangelnde Tatsachenaufklärung oder die unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall. Damit kann die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Sache nicht begründet werden.

8 c) Als weitere Frage will die Beschwerde geklärt wissen,
„ob solche auch vom OVG Nordrhein-Westfalen als behinderungsbedingte Mehrkosten eingestufte Aufwendungen als notwendiger Bestandteil der Unterbringungskosten zu qualifizieren sind oder doch als spezifisch behinderungsbedingter Bedarf“.

9 Soweit mit Rücksicht auf den Kontext dieser Frage mit „solchen“ Mehrkosten die Aufwendungen gemeint sind, die wegen der auf Alter und Behinderung des Auszubildenden eingestellten pädagogischen Betreuung entstehen, ist die Frage - wie dargelegt - durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2009 (a.a.O.) bereits hinreichend beantwortet. Die Beschwerdebegründung gibt zu einer erneuten Behandlung dieser Frage in einem Revisionsverfahren keinen Anlass.

10 2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO nicht erhoben. Das Betreiben der Feststellung einer Sozialleistung nach § 95 SGB XII betrifft nicht eine Erstattungsstreitigkeit im Sinne des § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO und wird ungeachtet seiner funktionalen Nähe zum Erstattungsanspruch nicht von dieser Regelung erfasst (Urteil vom 2. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 40 m.w.N.).