Beschluss vom 08.07.2004 -
BVerwG 7 B 70.04ECLI:DE:BVerwG:2004:080704B7B70.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.07.2004 - 7 B 70.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:080704B7B70.04.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 70.04

  • VG Berlin - 13.01.2004 - AZ: VG 25 A 215.98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2004
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y , K r a u ß und
N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 13. Januar 2004 wird zurückgewiesen.
  2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 500 000 € festgesetzt.

I


Die Klägerin begehrt im Wege der Restitutionsklage die Aufhebung eines Urteils aus dem Jahre 1997 und die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks. In dem Urteil aus dem Jahre 1997 war die Rückübertragung des Grundstücks vom Verwaltungsgericht mit der Begründung abgelehnt worden, das Vermögensgesetz gelte nicht, weil es sich um vermögensrechtliche Ansprüche handele, die seitens der Deutschen Demokratischen Republik durch eine Vereinbarung mit dem Königreich Schweden geregelt worden seien (§ 1 Abs. 8 Buchst. b VermG). Außerdem liege keine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 VermG vor. Die Restitutionsklage hat das Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, die nachträglich aufgefundenen Urkunden hätten keine für die Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt. Aus ihnen ergebe sich weder, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht unter das Abkommen zwischen der DDR und Schweden fielen, noch dass der Verlust des Grundstücks auf eine schädigende Maßnahme im Sinne des Vermögensgesetzes zurückzuführen sei.

II


Die Beschwerde ist unbegründet. Es liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das verwaltungsgerichtliche Urteil beruht auch nicht auf einer Abweichung von der in der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Da das Verwaltungsgericht die Klage aus zwei seine Entscheidung selbstständig tragenden Gründen abgewiesen hat, könnte die Beschwerde nur dann Erfolg haben, wenn hinsichtlich beider Begründungen Revisionszulassungsgründe geltend gemacht würden und vorlägen. Dies ist nicht der Fall. Es ist im Gegenteil hinsichtlich keiner der beiden Begründungen ein Revisionszulassungsgrund erkennbar.
1. Soweit das Verwaltungsgericht die Restitutionsklage abgewiesen hat, weil die Urkunden keine für die Klägerin günstigere Entscheidung hinsichtlich der Unanwendbarkeit des Vermögensgesetzes nach § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG herbeigeführt hätten (§ 153 VwGO i.V.m. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO), lässt sich weder ein Verstoß gegen eine ordnungsgemäße richterliche Überzeugungsbildung noch eine mangelhafte Sachaufklärung feststellen.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Entgegen der Behauptung der Klägerin war es nicht denkgesetzlich ausgeschlossen, die von ihr eingereichten Unterlagen dahin zu würdigen, dass die Ansprüche der Klägerin wegen des hier streitigen Grundstücks Gegenstand der Verhandlungen zwischen Schweden und der DDR über die Regelung vermögensrechtlicher Ansprüche waren. Zwar mag die schwedische Seite nicht ausdrücklich Ansprüche der Klägerin, sondern global Ansprüche ihrer Muttergesellschaft angemeldet haben. Das schließt aber nicht denkgesetzlich aus, dass damit auch Ansprüche wegen des hier streitigen Grundstücks der Klägerin erfasst waren. Denn nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts sollten nach schwedischer Auffassung über die Ansprüche von Unternehmen mit Sitz in Schweden hinaus auch Ansprüche aller schwedisch kontrollierten Unternehmen geregelt werden. Dass diese Ansprüche als solche der kontrollierenden Muttergesellschaft angemeldet worden sind, ist möglich. Dass die staatlichen Stellen der DDR für die schrittweise Inanspruchnahme des Grundstücks Entschädigungen zu Gunsten der Klägerin festgesetzt hatten, schloss ebenfalls nicht denkgesetzlich aus, dass die schwedische Seite insoweit Ansprüche anmeldete, zumal nach dem eigenen Vortrag der Klägerin weder sie noch ihre Muttergesellschaft die Entschädigung tatsächlich erhalten haben.
b) Das Verwaltungsgericht hat auch seine Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) nicht verletzt. Den Beweisantrag der Klägerin hat es mit einem in der mündlichen Verhandlung verkündeten Beschluss mit zutreffender Begründung abgelehnt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (VG-Akte II Bl. 48) hatte die Klägerin beantragt, zum Nachweis des Umstands, dass in den Entschädigungsverhandlungen der DDR durch Schweden allenfalls die Gesellschaftsanteile der Klägerin angemeldet worden seien, Beweis zu erheben durch Vernehmung zweier Zeugen. Diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei mit der Begründung abgelehnt, die benannten Zeugen könnten zu der im vorliegenden Verfahren entscheidungserheblichen Frage, ob die neu aufgefundenen Urkunden zu einer anderen Beurteilung der Frage, ob der Vermögenswert unter das Abkommen zwischen Schweden und der DDR falle, nichts sagen. Zu Unrecht wirft die Klägerin dem Verwaltungsgericht vor, es habe damit verkannt, welches Beweisthema ihr Beweisantrag zum Gegenstand gehabt habe. Die von ihr benannten Zeugen hätten zum Inhalt der von ihr vorgelegten Urkunden sowie der Bedeutung der dort getroffenen Aussagen gehört werden sollen. Dass eine Beweisaufnahme mit diesem Ziel in diesem Abschnitt des Wiederaufnahmeverfahrens nicht zulässig ist, hat das Verwaltungsgericht indes in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt. Die Restitutionsklage kann nicht auf eine Urkunde gestützt werden, die erst zusammen mit neu in den Prozess eingeführten weiteren Beweismitteln Grundlage der Überzeugung des Richters sein kann (BGH, Urteil vom 12. Dezember 1962 - IV ZR 127/62 - BGHZ 38, 333 <337>). Bei der Prüfung der Frage, ob die Urkunde geeignet gewesen wäre, eine dem Restitutionskläger günstigere Entscheidung herbeizuführen, dürften nur das tatsächliche Vorbringen im Vorprozess und der mit der Urkunde im Zusammenhang stehende Prozessstoff und als Beweismittel außer der Urkunde nur die im Vorprozess erhobenen und angetretenen Beweise berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 7. November 1990 - IV ZR 218/89 - NJW-RR 1991, 380 <381>). Nach der Vorstellung der Klägerin sollten die von ihr benannten Zeugen ihr Verständnis der vorgelegten Urkunde bestätigen. Der Beweisantrag zielte der Sache nach darauf, unmittelbar mit Hilfe der Zeugen nachzuweisen, dass die schwedische Seite den hier streitigen Vermögenswert nicht anmelden wollte und nicht angemeldet hat.
Weil das Verwaltungsgericht danach den Beweisantrag prozessordnungsgemäß abgelehnt hat, liegt auch die gerügte Verletzung rechtlichen Gehörs nicht vor.
2. Soweit das Verwaltungsgericht die Restitutionsklage abgewiesen hat, weil die Urkunden nicht zur Bejahung einer Schädigungsmaßnahme geführt hätten, greifen die von der Klägerin erhobenen Rügen ebenfalls nicht durch.
a) Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz einem in der von der Beschwerde bezeichneten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Vorschrift des revisiblen Rechts (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO) widersprochen hätte. Dies ist nicht der Fall. Nach dem von der Beschwerde herangezogenen Beschluss vom 5. Februar 2003 (BVerwG 7 PKH 4.02 - Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 27 S. 106) begründet der Umstand, dass ein Grundstück erst nach Durchführung einer Baumaßnahme enteignet wurde, keine unlautere Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG, wenn das Grundstück nach der Rechtsordnung der DDR für bauliche Zwecke in Anspruch genommen werden durfte. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat das Veraltungsgericht nicht hiervon abweichend den Rechtssatz aufgestellt, eine zum Zeitpunkt der Enteignung verfolgte, aber nach dem Recht der DDR nicht zulässige Baumaßnahme führe nicht zur Annahme einer unlauteren Machenschaft im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG, wenn nach der Enteignung zu einem späteren Zeitpunkt die Inanspruchnahme für ein anderes Bauvorhaben zulässig geworden sei und eine Enteignung dann "sowieso" zulässig gewesen wäre. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, bereits für die erste Baumaßnahme (die Errichtung eines Ausstellungspavillons) sei eine Inanspruchnahme nach dem Recht der DDR zulässig gewesen. Die Klägerin beurteilt dies zwar anders, ohne indes insoweit zulässige und begründete Zulassungsgründe darzulegen.
b) Auch in der zweiten Begründung des verwaltungsgerichtlichen Urteils wird der Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Das Verwaltungsgericht begründet umfassend und frei von Widersprüchen, warum seines Erachtens die Enteignung nach dem Recht der DDR zulässig war. Von einem Verstoß gegen Denkgesetze kann auch hier keine Rede sein.
c) Soweit die Beschwerde schließlich unsubstantiiert behauptet, es liege ein Verfahrensfehler vor, weil das Verwaltungsgericht die von der Klägerin eingereichten Unterlagen nicht im Einzelnen gewürdigt habe, wird ein Verfahrensfehler nicht prozessordnungsgemäß bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 GKG.