Beschluss vom 08.07.2003 -
BVerwG 7 B 158.02ECLI:DE:BVerwG:2003:080703B7B158.02.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.07.2003 - 7 B 158.02 - [ECLI:DE:BVerwG:2003:080703B7B158.02.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 158.02

  • VG Dresden - 11.09.2002 - AZ: VG 4 K 969/00

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juli 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und N e u m a n n
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 11. September 2002 wird zurückgewiesen.
  2. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird unter Änderung der Wertfestsetzung des Verwaltungsgerichts für das Klageverfahren und das Beschwerdeverfahren auf jeweils 11 930 € festgesetzt.

Die Kläger begehren die vermögensrechtliche Rückübertragung eines Grundstücks in Dresden. Das Grundstück war ursprünglich mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut, das der Rat des Stadtbezirks ... im Jahre 1971 abreißen ließ. Die Rechtsvorgänger der Kläger veräußerten im Jahre 1976 das nicht wieder bebaute Grundstück an das Eigentum des Volkes. Der Restitutionsantrag der Kläger blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klage abgewiesen, weil die Veräußerung des Grundstücks nicht auf einer unlauteren Machenschaft beruht habe; selbst wenn der Abriss des Hauses und die Untersagung bestimmter Nutzungen des Grundstücks nach dem seinerzeit geltenden Recht der DDR rechtswidrig gewesen seien sollten, sei doch ein inkriminierendes manipulatives Element nicht ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.
Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Kläger ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Das angefochtene Urteil beruht nicht auf den gerügten Verfahrensfehlern.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Verwaltungsgericht den in der mündlichen Verhandlung überreichten Schriftsatz der Kläger vom 11. September 2002 nebst der ihm beigefügten Anlage, einem Schreiben des damaligen Eigentümers des zurückbegehrten Grundstücks an den Rat des Stadtbezirks, nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hätte.
Das Verwaltungsgericht hat zwar weder den Vortrag aus jenem Schriftsatz noch die beigefügte Anlage ihrem Inhalt nach im Tatbestand des angefochtenen Urteils wiedergegeben oder in den Entscheidungsgründen ausdrücklich gewürdigt. Hieraus kann aber nicht geschlossen werden, das Verwaltungsgericht habe beides nicht berücksichtigt. Das Gericht ist nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem rechtlichen und tatsächlichen Argument ausdrücklich zu befassen. Es darf ein Vorbringen außer Betracht lassen, das nach seinem Rechtsstandpunkt unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen in seine Erwägung einbezogen hat. Nur bei Vorliegen deutlich gegenteiliger Anhaltspunkte kann ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör angenommen werden.
Das Verwaltungsgericht brauchte auf den Schriftsatz, namentlich auf das ihm beigefügte Schreiben des damaligen Eigentümers in den Gründen der Entscheidung nicht eigens einzugehen, weil es auf ihren Inhalt für die tatsächliche und rechtliche Würdigung des Verwaltungsgerichts nicht entscheidungserheblich ankam. Vom rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts aus kam es nicht darauf an, ob das Wohn- und Geschäftshaus so baufällig war, dass sein Abriss gerechtfertigt war, und ob es für den Abriss des Gebäudes gegen den Willen des Eigentümers eine Rechtsgrundlage gab. Selbst ein rechtswidriger Abriss des Gebäudes stellt nach der Auffassung des Verwaltungsgerichts, von der für die Verfahrensrüge auszugehen ist, keine unlautere Machenschaft dar, wenn dem Abriss nicht bereits mit Blick auf den späteren Verkauf ein manipulatives Element innewohnte. Für das Verwaltungsgericht war es unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 VermG deshalb entscheidend, ob der Rat des Stadtbezirks das Wohn- und Geschäftshaus mit dem Ziel hat abreißen lassen, die Eigentümer schon damals zur Aufgabe ihres Eigentums an dem Grundstück zu bewegen. Mit seinem Schreiben vom Dezember 1969 wandte sich der Eigentümer gegen einen offenbar schon seinerzeit beabsichtigten Abriss des Gebäudes. Das Schreiben gibt für 1969 keinen Bauzustand des Hauses wieder, der das Verwaltungsgericht hätte veranlassen müssen, die Baufälligkeit des Hauses als vorgeschobenen Grund für den Abriss zwei Jahre später zu bewerten.
b) Das Verwaltungsgericht hat seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO nicht verletzt. Es hat ohne Verstoß gegen Verfahrensrecht den Beweisantrag der Kläger abgelehnt, die Akten des Stadtarchivs ... aus den Jahren 1965 bis 1969 über den Abriss des Gebäudes auf dem streitigen Grundstück beizuziehen.
Dabei kann offen bleiben, ob die Kläger einen unzulässigen Beweisermittlungs- oder Ausforschungsantrag gestellt haben, wie das Verwaltungsgericht angenommen hat. Denn jedenfalls trägt die weitere Begründung des Verwaltungsgerichts die Ablehnung des Beweisantrags. Das Verwaltungsgericht hat sinngemäß angenommen, das angegebene Beweismittel sei ungeeignet, weil nach einer Auskunft des Stadtarchivs aus dem Jahre 1997 gegenüber dem Beklagten Altakten zu dem streitigen Grundstück im Stadtarchiv nicht vorhanden waren. Das Verwaltungsgericht hatte keinen Anlass anzunehmen, an diesem Sachstand könne sich inzwischen etwas geändert haben. Die eigenen Recherchen der Kläger vor der mündlichen Verhandlung sprachen vielmehr für das Gegenteil. Nach dem Antrag der Kläger sollte Beweis erhoben werden über die Fragen, ob das abgerissene Gebäude im Zeitpunkt seines Abrisses voll vermietet sowie in relativ gutem Zustand war und ob der Abriss dazu diente, die damaligen Eigentümer zum Verkauf des leer geräumten Grundstücks an das Eigentum des Volkes zu nötigen. Die Kläger hatten zunächst anknüpfend an die ihnen vorliegende Ablichtung des Kaufvertrages vom 21. Oktober 1976 dargelegt, ein dort erwähnter Beschluss des Rates des Stadtbezirks vom 31. Mai 1970 oder 1971 sei Grundlage des Abrisses des Gebäudes gewesen; sie hatten die Beiziehung der entsprechenden Unterlagen aus dem Stadtarchiv angeregt (Schriftsatz vom 21. August 2002). In ihrem Schriftsatz vom 11. September 2002 haben die Kläger dann eingeräumt, dass es sich bei dem Beschluss des Rates des Stadtbezirks um einen Beschluss aus dem Jahr 1976 handele, der nur den Kauf des Grundstücks, nicht aber den Jahre zurückliegenden Abriss des Gebäudes zum Gegenstand habe; ob hinsichtlich des Abrisses des Gebäudes überhaupt ein Beschluss des Rates vorhanden sei, sei fraglich.
Im Übrigen beruht das angefochtene Urteil nicht auf der unterbliebenen Beiziehung von Akten aus dem Stadtarchiv. Die von den Klägern nunmehr herbeigeschafften Unterlagen belegen allenfalls, dass das Wohn- und Geschäftshaus auf dem streitigen Grundstück neben zahlreichen anderen Altbauten für einen Abriss im Zuge der Stadterneuerung vorgesehen war. Dies mag Ausdruck einer verfehlten Wohnungsbaupolitik gewesen sein, die seinerzeit noch auf den Vorrang von Neubau vor der Sanierung erhaltenswürdiger Altbauten setzte, belegt aber nicht die manipulative Vernichtung von Wohnraum, um den Grundstückseigentümer zum Verzicht auf das wirtschaftlich entwertete Grundstück zu nötigen.
2. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Verständnis von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Für klärungsbedürftig halten die Kläger die Frage,
ob der Tatbestand des § 1 Abs. 3 VermG erfüllt ist, wenn staatliche Stellen der DDR ohne Rechtsgrundlage und durch Machtmissbrauch das Eigentum Privater an Grundstücken durch Abriss eines Gebäudes und Versagung der weiteren wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks wirtschaftlich vernichtet haben, so dass den Eigentümern nichts übrig blieb, als das Grundstück in Volkseigentum zu verkaufen, wobei den staatlichen Stellen der Zeitpunkt des Verkaufs mehr oder weniger gleichgültig war, weil sie ihr Ziel, das Grundstück zur Lagerung von Baumaterialien zu nutzen, schon mit dem Abriss des Gebäudes erreicht hatten.
Die Klärung dieser Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht, weil sie eng mit den konkreten Umständen des Einzelfalles verknüpft ist und ihre Beantwortung deshalb nicht über diesen Einzelfall hinausweist. Sie kann in dem angestrebten Revisionsverfahren zudem nicht beantwortet werden, weil sie tatsächliche Umstände voraussetzt, die das Verwaltungsgericht so nicht festgestellt hat.
Von einer weiteren Begründung des Beschlusses sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ab.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG. Der Senat ist für den aktuellen Verkehrswert des streitigen Grundstücks von den unwidersprochen gebliebenen Angaben ausgegangen, die der Beklagte hierzu in seinem Schriftsatz vom 17. Mai 2001 gemacht hat (280 DM je Quadratmeter nach der Bodenrichtwertkarte Dresden). Daraus ergibt sich ein Verkehrswert von (250 m² x 280 DM =) 35 790 €. Klagen - wie hier - Mitglieder einer Erbengemeinschaft auf Rückerstattung eines Grundstücks an die Erbengemeinschaft, ist das wirtschaftliche Interesse der einzelnen klagenden Mitglieder der Erbengemeinschaft nach dem auf sie jeweils entfallenden Erbanteil zu bemessen (Beschluss vom 2. August 1999 - BVerwG 8 KSt 12.99 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 105). Die beiden Kläger sind nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts zusammengenommen zu einem Drittel an der Erbengemeinschaft beteiligt, auf die nach ihrem Antrag das Grundstück zurückübertragen werden soll.