Beschluss vom 08.06.2009 -
BVerwG 2 B 30.09ECLI:DE:BVerwG:2009:080609B2B30.09.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.06.2009 - 2 B 30.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:080609B2B30.09.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 30.09

  • VGH Baden-Württemberg - 15.12.2008 - AZ: VGH 4 S 1437/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Juni 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Kugele und Dr. Burmeister
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1 Die Klägerin ist als Beamtin bei der Deutschen Postbank AG beschäftigt. Die gegen ihre Versetzung in den Ruhestand erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen, der Verwaltungsgerichtshof hat ihrer Berufung stattgegeben. Die Beklagte beantragt die Zulassung der Revision wegen aller Revisionszulassungsgründe, § 132 Abs. 2 VwGO.

2 Die Beschwerde ist zulässig, weil der Beschwerdeschriftsatz gegen das der Beklagten am 5. Februar 2009 zugestellte Berufungsurteil per Fax am 4. März 2009 und somit binnen der Frist des § 133 Abs. 2 Satz 1 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg eingegangen ist. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet; es liegen keine Zulassungsgründe vor.

3 1. Soweit die Beschwerde rügt, das Berufungsgericht habe, ohne sich auf eine höchstrichterliche Rechtsprechung stützen zu können, verlangt, der Dienstherr müsse den Beamten ausdrücklich darauf hinweisen, den Rechtsgedanken des § 444 ZPO anzuwenden, wenn er sich weigere, der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung Folge zu leisten, begründet dies nicht die Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die Frage einer Hinweispflicht würde sich in einem nachfolgenden Revisionsverfahren nicht stellen, weil der Verstoß gegen eine etwaige Hinweispflicht die Berufungsentscheidung allein nicht getragen hat. Das Berufungsgericht hat vielmehr ausgeführt, unabhängig - also losgelöst - von dem aus einer Weigerung folgenden Indiz der Dienstunfähigkeit sei dieses Indiz jedenfalls durch das Ergebnis der nervenärztlichen Untersuchung entkräftet worden.

4 Auch die Ausführungen der Beschwerde, das Berufungsgericht habe den Umfang der Dienstpflichten eines Beamten unrichtig beurteilt, lässt keine Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache erkennen. Auch dann, wenn diese Einschätzung tatsächlich unzutreffend wäre, ist sie auf den vorliegenden Einzelfall beschränkt und nicht verallgemeinerungsfähig. Davon abgesehen entspricht die Beschwerdebegründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Eine dieser Vorschrift gerecht werdende Darlegung setzt vielmehr die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und die Angabe dessen, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 25) voraus.

5 Der Vortrag der Beschwerde, das Berufungsgericht habe den Erfahrungssatz aufgestellt, das Vorliegen der Geschäftsfähigkeit schließe die Annahme der Dienstunfähigkeit aus, lässt ebenfalls keine Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache erkennen, weil das Berufungsgericht einen solchen abstrakten Grundsatz nicht aufgestellt hat.

6 2. Die Behauptung, das Berufungsgericht weiche von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab, wenn es für die Anwendung des Rechtsgedankens des § 444 ZPO einen ausdrücklichen Hinweis verlange, begründet nicht die Zulassung wegen Divergenz, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die Beschwerde bezeichnet keinen tragenden Rechtssatz, von dem abgewichen worden sein soll. Im Zusammenhang mit der Rechtsgrundsätzlichkeit der Sache hat sie vielmehr behauptet, höchstrichterlich sei gerade ungeklärt, ob eine Hinweispflicht bestehe. Darüber hinaus würde das Berufungsurteil auf einer solchen Abweichung auch nicht beruhen, weil - wie bereits dargelegt - die Rechtsfrage nicht entscheidungstragend war.

7 Eine Zulassung wegen Divergenz zur obergerichtlichen Rechtsprechung ist ebenfalls nicht zulässig. Selbst wenn eine Abweichung zur Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vorläge, würde die angegriffene Entscheidung darauf nicht im Sinne des § 127 Nr. 1 BRRG beruhen. Denn das Berufungsgericht hat das Fehlen hinreichender Feststellungen zu § 42 Abs. 3 BBG als zusätzliche, die Entscheidung selbstständig tragende Begründung herangezogen.

8 3. Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO) und somit einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO daraus ableitet, dass das Berufungsgericht der Beklagten keine Schriftsatzfrist (nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 283 ZPO) eingeräumt hat, um sich zu dem nervenärztlichen Gutachten äußern zu können, lässt schon ihr Vortrag einen solchen Verstoß nicht erkennen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Die Beklagte hat weder vorgetragen noch ist aus der Verhandlungsniederschrift vom 15. Dezember 2008 ersichtlich, dass sie - trotz Kenntnis der etwaigen Entscheidungsrelevanz des nervenärztlichen Gutachtens - einen Antrag auf Schriftsatznachlass gestellt hätte. Welche Argumente sie vorgetragen hätte, mit der ihr „wahrscheinlich eine argumentative Entkräftung“ des Gutachtens möglich gewesen wäre, trägt sie ebenso wenig vor. Soweit die Beklagte den behaupteten Gehörsverstoß damit begründet, der Verwaltungsgerichtshof habe sein Urteil auf Umstände gestützt, die weder im Verwaltungsverfahren noch im Verwaltungsprozess als entscheidungserheblich angesehen worden seien, liegt ihr Vorbringen neben der Sache. Die Beklagte sieht eine Überraschungsentscheidung darin, dass das angegriffene Urteil die Dienstunfähigkeit der Klägerin aufgrund des nervenfachärztlichen Sachverständigengutachtens vom 26. Oktober 2002 verneint hat. Die Rüge ist unbegründet. Abgesehen davon, dass dieses Gutachten, wenn auch nicht entscheidungstragend, schon Gegenstand des erstinstanzlichen Urteils war, kann keine Rede davon sein, der Verwaltungsgerichtshof habe mit der Würdigung des nervenärztlichen Gutachtens einen bis dahin nicht erörterten Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gegeben, mit der die Beklagte nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht hätte rechnen müssen. Dass der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsauffassung der Beklagten zur Entscheidungserheblichkeit des Gutachtens nicht gefolgt ist, begründet keinen Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.

9 Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab. Soweit der Schriftsatz der Beklagten vom 2. Juni 2009 neues Vorbringen enthält, ist dieses verspätet und darum unbeachtlich.

10 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Beschluss vom 30.07.2009 -
BVerwG 2 B 30.09ECLI:DE:BVerwG:2009:300709B2B30.09.0

Leitsatz:

Der Streitwert bestimmt sich in Verfahren, in denen die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand in vollem Umfang und nicht nur wegen ihres Zeitpunkts angegriffen wird, nach § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG; eine Halbierung des Streitwerts nach § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG verbietet sich (Änderung der Rechtsprechung, vgl. Beschluss vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 2 B 143.94 - Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 83). § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG bildet eine Ausnahmeregelung zu § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG und darf deshalb nicht erweiternd ausgelegt werden.

  • Rechtsquellen
    GKG § 52 Abs. 5
    GKG a.F. § 13 Abs. 4
    BBG § 30 Nr. 4

  • VGH Mannheim - 15.12.2008 - AZ: VGH 4 S 1437/07 -
    VGH Baden-Württemberg - 15.12.2008 - AZ: VGH 4 S 1437/07

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 30.07.2009 - 2 B 30.09 - [ECLI:DE:BVerwG:2009:300709B2B30.09.0]

Beschluss

BVerwG 2 B 30.09

  • VGH Mannheim - 15.12.2008 - AZ: VGH 4 S 1437/07 -
  • VGH Baden-Württemberg - 15.12.2008 - AZ: VGH 4 S 1437/07

In der Verwaltungsstreitsache hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 30. Juli 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Burmeister
beschlossen:

Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 45 588 € festgesetzt.

Gründe

1 Gegenstand der Entscheidung, gegen die die Beklagte im März 2009 erfolglos die Zulassung der Revision begehrt hat, war die in der Berufungsinstanz erfolgreiche Klage der als Bundesbeamtin auf Lebenszeit tätigen und nach der Besoldungsgruppe A 11 besoldeten Klägerin gegen ihre vorzeitige Versetzung in den Ruhestand.

2 Die Streitwertfestsetzung richtet sich gemäß § 47 Abs. 3 GKG in Verbindung mit § 47 Abs. 1 GKG nach den Anträgen der Rechtsmittelführerin. Dabei sieht § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 GKG für Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, als Streitwert bei Dienst- oder Amtsverhältnissen auf Lebenszeit den 13fachen Betrag des Endgrundgehalts zuzüglich ruhegehaltsfähiger Zulagen vor. Da die Besoldungsbezüge der Klägerin zum Zeitpunkt, zu dem die Beklagte den Antrag auf Zulassung der Revision stellte (§ 40 GKG), nach Maßgabe dessen 45 588 € betragen hätten, und der Eintritt in den Ruhestand gemäß § 30 Nr. 4 BBG zu den Beendigungsgründen gehört, bestimmt dieser Betrag den Streitwert.

3 Eine Halbierung des Streitwerts nach § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG, wie sie im Beschluss des Senats vom 15. Dezember 1994 - BVerwG 2 B 143.94 - (Buchholz 360 § 13 GKG Nr. 83 zu § 13 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a GKG a.F.) vorgenommen wurde, hat nicht zu erfolgen (Beschluss vom 27. November 2008 - BVerwG 2 B 32.08 - juris und Streitwertfestsetzung zum Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - juris). § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG erfasst lediglich Streitigkeiten, die den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand, also ein einzelnes Element innerhalb des Ruhestandsverfahrens, zum Streitgegenstand haben, nicht aber Streitigkeiten, in denen die Versetzung in den Ruhestand grundsätzlich in Streit steht. Dies folgt aus der Gegenüberstellung von § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG zu dessen Satz 2. Mit der Erwähnung von Verfahren, die die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand betreffen, bringt § 52 Abs. 5 Satz 2 GKG zum Ausdruck, dass es sich dabei um Streitigkeiten handelt, die an sich zwar die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, sie streitwertmäßig jedoch gesondert behandelt werden sollen. Als Ausnahmeregelung zu § 52 Abs. 5 Satz 1 GKG steht er einer erweiternden Auslegung entgegen, die auch bei Verfahren, die nicht allein den Zeitpunkt der Zurruhesetzung betreffen, eine Streitwerthalbierung zulässt.