Beschluss vom 08.03.2011 -
BVerwG 3 B 57.10ECLI:DE:BVerwG:2011:080311B3B57.10.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.03.2011 - 3 B 57.10 - [ECLI:DE:BVerwG:2011:080311B3B57.10.0]

Beschluss

BVerwG 3 B 57.10

  • VG Meiningen - 25.03.2010 - AZ: VG 8 K 612/08 Me

In der Verwaltungsstreitsache hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2011
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Dr. Wysk
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 25. März 2010 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Der Kläger begehrt seine Rehabilitierung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) wegen beruflicher Nachteile, die er auf seinen Grundwehrdienst bei der Nationalen Volksarmee vom 2. November 1982 bis zum 14. März 1984 zurückführt.

2 Der Kläger war nach rechtskräftigen Feststellungen des Verwaltungsgerichts in einem seine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung betreffenden Verfahren während des Grundwehrdienstes rechtsstaatswidrigen Maßnahmen ausgesetzt (VG Meiningen, Urteil vom 25. März 2010 - 8 K 609/08 Me). Wegen der Verbüßung eines Arrestes in der „Disziplinareinheit Schwedt“ vom 14. März bis 14. Mai 1984 ist er zudem vom Thüringer Oberlandesgericht (Beschluss vom 3. September 2009 - 1 Ws Reha 15/09) strafrechtlich rehabilitiert worden. Nach dem Ende des Wehrdienstes war der Kläger etwa drei Monate - wie vor dem Wehrdienst - im VEB Leichtmetallgießerei als Gießer beschäftigt, danach von November 1984 bis zu seiner Invalidisierung am 1. August 1987 als Servierhilfe bei der Mitropa. Seine Klage mit dem Antrag, ihn für die Zeit vom 15. März 1984 bis zum 1. August 1987 als Verfolgten im Sinne des § 1 BerRehaG anzuerkennen, hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Die Einberufung zum Grundwehrdienst und die während dieser Zeit erlittenen rechtsstaatswidrigen Maßnahmen hätten nicht dazu geführt, dass der Kläger seinen erlernten oder vor der Einberufung ausgeübten Beruf nicht mehr habe ausüben können. Für eine Verfolgung nach der Entlassung aus dem Wehrdienst fehle belastbarer Vortrag. Dass die Maßnahmen während des Wehrdienstes nachteilige Folgen für die berufliche Entwicklung des Klägers gehabt hätten, erscheine zwar denkbar; auch in diesem Fall ergäben sich aber keine Defizite bei der Berechnung von Rentenansprüchen, auf die es dem Kläger ankomme. Denn im Hinblick auf seine 1985 festgestellte Erkrankung an Schizophrenie erhalte der Kläger mittlerweile nach dem Bundesversorgungsgesetz Leistungen aus der Rentenversicherung. Wegen der gemäß § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 VwRehaG festzusetzenden einheitlichen Rente sei daneben für die Festsetzung einer Verfolgungszeit nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz kein Raum.

3 Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (1.) noch liegt die geltend gemachte Abweichung der angegriffenen Entscheidung von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vor (2.).

4 1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht gegeben. Der Kläger wirft insofern zwei Fragen auf:
1.1 Ist die berufliche Rehabilitierung ausgeschlossen, wenn eine rechtsstaatswidrige Maßnahme, die der politischen Verfolgung diente, während des Grundwehrdienstes in einer „ersten Phase“ in einer Kaserne stattfand und die Rechtsstaatswidrigkeit dafür in einem verwaltungsrechtlichen Reha-Urteil festgestellt wurde und in einer „zweiten Phase“ des Freiheitsentzuges im Straflager „Schwedt“ die Rechtsstaatswidrigkeit durch ein strafrechtliches Reha-Urteil festgestellt wurde und berufliche Nachteile durch hintereinander bestehenden Freiheitsentzug entstanden sind?
1.2 Schließt die Rehabilitierung nach § 1 VwRehaG die berufliche Rehabilitierung aus, wenn der Betroffene aufgrund des rechtsstaatswidrigen Freiheitsentzuges Gesundheitsschäden erlitten hat, die ihn sowohl im Zeitraum des Freiheitsentzuges, als auch danach an der Ausübung seines Berufes gehindert haben?

5 Die Antwort auf beide Fragen macht der Kläger von Umständen abhängig, die im angefochtenen Urteil keine Grundlage finden. Er unterstellt Ursachenzusammenhänge zwischen Ereignissen während des Wehrdienstes, seiner Erkrankung an Schizophrenie und seiner späteren beruflichen Entwicklung. Solche Zusammenhänge hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht festgestellt oder sogar ausdrücklich verneint. Insbesondere hat es keine berufsbezogenen Nachteile im Sinne des § 1 Abs. 1 BerRehaG gesehen. Hiergegen wendet sich die Beschwerdebegründung im Wesentlichen mit Einwänden gegen die Rechtsanwendung im Einzelfall, zeigt dabei aber weder grundsätzlichen Klärungsbedarf noch durchgreifende Verfahrensmängel auf. So kann nur im Einzelfall festgestellt werden, ob die Behandlung des Klägers in der von der Beschwerde so genannten „ersten Phase“ des Grundwehrdienstes als solche kausal für berufliche Nachteile geworden ist, wie es § 1 Abs. 1 BerRehaG verlangt. Soweit die Fragen ungeachtet ihrer Einkleidung in konkrete Fallumstände einen Kern aufweisen, der einer verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich ist, erfordert die Klärung kein Revisionsverfahren. So liegt die Richtigkeit der mit der Frage zu 1.1 beanstandeten Bewertung des Verwaltungsgerichts auf der Hand, dass Unterbrechungen des Wehrdienstes durch rechtsstaatswidrige anderweitige Unterbringungen (hier in der Disziplinareinheit Schwedt) unter zeitlichen Gesichtspunkten für berufsbezogene Nachteile nicht ursächlich werden können, wenn sie - wie beim Kläger - nicht zu einer Verlängerung des Grundwehrdienstes (einem „Nachdienen“) führen (UA S. 7). Ebenso lässt sich ersichtlich allgemein sagen, dass die Einberufung zum Grundwehrdienst auch in der DDR als solche keine Verfolgungshandlung im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes darstellt.

6 Allerdings zielen die Fragen des Klägers vor allem auf einen durch seine 1985 festgestellte Erkrankung vermittelten Ursachenzusammenhang. Er meint, die geltend gemachten beruflichen Nachteile in Form unterwertiger Tätigkeit und Arbeitslosigkeit seien durch Gesundheitsschäden bedingt, die er infolge der rechtsstaatswidrigen Behandlung im Wehrdienst erlitten habe. Das Verwaltungsgericht hat einen solchen Zusammenhang bedacht (UA S. 8), einem auf Gesundheitsschäden gestützten Begehren auf Festsetzung der Verfolgungszeit sinngemäß jedoch das verwaltungsverfahrensrechtliche Sachbescheidungsinteresse abgesprochen. Auch insoweit ergeben sich auf der Grundlage der mit der Beschwerde dargelegten Gründe keine klärungsbedürftigen Fragen. Das Verwaltungsgericht ist, wie die Beschwerde bestätigt, davon ausgegangen, dass der Kläger die Feststellung der Verfolgungszeit mit Blick auf einen Ausgleich der Nachteile in der Rentenversicherung erstrebt. Es hat weiter ausgeführt, dass der Kläger im Hinblick auf seine Erkrankung an Schizophrenie bereits nach dem Bundesversorgungsgesetz Leistungen aus der Rentenversicherung erhält. Diese Feststellung, die der Kläger durch die Mitteilung des Bezugs von Erwerbsunfähigkeitsrente in seinem Prozesskostenhilfeantrag bestätigt hat, ist von ihm nicht beachtlich angegriffen worden und in tatsächlicher Hinsicht für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO). Verhält es sich aber so, dann hätte der Kläger aus der begehrten Feststellung keinen Vorteil. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG erhält ein Betroffener, der infolge einer Maßnahme nach § 1 VwRehaG eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen Folgen dieser Schädigung keine Versorgung, soweit er wegen desselben schädigenden Ereignisses bereits Versorgung auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes erhält. Die Voraussetzungen dieses Ausschlussgrundes lägen beim Kläger vor, wenn seine Ansicht zutreffen sollte, dass die Schizophrenie durch Verfolgungsmaßnahmen anlässlich des Wehrdienstes ausgelöst worden ist. Da diese Erkrankung, was der Kläger nicht infrage stellt, der alleinige Grund für die zuerkannten Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz wäre, stünde eine zusätzliche gesundheitliche Schädigung durch eine Verfolgungsmaßnahme im Sinne des § 1 VwRehaG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 BerRehaG, deren Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG zu einer Erhöhung der Rente führen könnte, nicht in Rede.

7 2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde geltend, das angefochtene Urteil weiche vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 (BVerwG 3 C 36.04 - Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 2 = LKV 2006, 30) ab. Von einer Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nur auszugehen, wenn das Gericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung eines divergenzfähigen Gerichts (hier des Bundesverwaltungsgerichts) aufgestellten ebensolchen Rechtssatz abgewichen ist. Die Beschwerde zitiert einen Rechtssatz, den das Bundesverwaltungsgericht im genannten Urteil zu § 2 Abs. 2 BerRehaG aufgestellt hat. Diese Vorschrift ist vom Verwaltungsgericht jedoch nicht herangezogen worden.

8 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.