Beschluss vom 08.03.2006 -
BVerwG 4 BN 56.05ECLI:DE:BVerwG:2006:080306B4BN56.05.0

Beschluss

BVerwG 4 BN 56.05

  • Niedersächsisches OVG - 01.09.2005 - AZ: OVG 1 KN 108/05

In der Normenkontrollsache hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2006
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht H a l a m a und
Dr. J a n n a s c h und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht
Dr. P h i l i p p
beschlossen:

  1. Die Beschwerden der Antragsgegnerin und der Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 1. September 2005 werden zurückgewiesen.
  2. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

ob das Wort "Gesetzesänderung" in § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB jede planungsrechtlich relevante Gesetzesänderung (hier: Änderungen des Landesplanungsrechts) erfasst oder ob damit nur Änderungen des BauGB gemeint sind.
auf welchen Zeitpunkt für die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bebauungsplans abzustellen ist, wenn nach Satzungsbeschluss Änderungen des Landesplanungsrechts in Kraft getreten sind und der beschlossene Bebauungsplan zwar mit der ursprünglichen, nicht aber mit der geänderten Fassung des Landesplanungsrechts im Einklang steht.
ob es mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG in Gestalt der kommunalen Planungshoheit vereinbar ist, wenn Regelungen des Landesplanungsrechts es allen Gemeinden unterhalb der Zentralitätsstufe eines Oberzentrums ausnahmslos untersagen, bestimmte Handelseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) auf ihrem Gemeindegebiet anzusiedeln.
ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) durch das in § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG formulierte Abwägungsgebot verpflichtet ist, bereits verfestigte Planungen einer Gemeinde und die daraus resultierenden Rechtspositionen eines privaten Vorhabenträgers in seine Abwägung einzubeziehen,
lässt sich, soweit sie sich in dem Verfahren stellen würde, beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Gleiches gilt für die von der Antragsgegnerin unter III.1.1 bis 1.4 , 2.2, 3.1, 3.2 und 4.5 bezeichneten Fragen, die ebenfalls die Folgen einer weitgehend geförderten gemeindlichen Bauleitplanung für die raumplanerische Abwägung thematisieren.
ob der Gesetzgeber bei der Aufstellung von Zielen der Raumordnung zur räumlichen Steuerung der Ansiedlung privater Versorgungseinrichtungen (hier: Hersteller-Direktverkaufszentren) im Rahmen der Abwägung die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausprägung derartiger Einrichtungen als "private Belange" nach § 7 Abs. 7 Satz 3 ROG berücksichtigen muss,
wäre in dem Revisionsverfahren nicht entscheidungserheblich. Denn nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts hat der Verordnungsgeber die typischen Standortanforderungen und die konzeptionelle Ausrichtung von Hersteller-Direktverkaufszentren im Rahmen der Abwägung berücksichtigt. Er ist davon ausgegangen, dass die Ansiedlungsersuchen sich vorrangig auf Standorte auf der "grünen Wiese" in der Nähe von Autobahnanschlüssen oder -raststätten, in der Nähe touristischer Zentren sowie in Zwischenlagen von großen Verdichtungsräumen richten. Dorthin sollten Käuferschichten aus einem Einzugsbereich von bis zu 200 km oder bis zu zwei Autostunden angezogen werden. Zur Attraktivitätssteigerung würden die Zentren durch Gastgewerbe, Freizeiteinrichtungen und traditionellen Einzelhandel abgerundet (vgl. UA S. 25). Der Verordnungsgeber hat mithin nicht verkannt, dass die Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren typischerweise versuchen, ihr Vorhaben außerhalb von Oberzentren zu verwirklichen. Er hat jedoch - vom Oberverwaltungsgericht unbeanstandet - dem öffentlichen Interesse am Schutz der zentralörtlichen Gliederung gegenüber dem privaten Interesse der Betreiber von Hersteller-Direktverkaufszentren, derartige Einzelhandelsbetriebe an für diese spezielle Verkaufsform besonders geeigneten Standorten zu errichten, den Vorrang gegeben. Inwiefern diese Abwägung in rechtsgrundsätzlicher Weise fehlerhaft sein sollte, zeigen die Beschwerden nicht auf.