Beschluss vom 08.03.2004 -
BVerwG 9 B 11.04ECLI:DE:BVerwG:2004:080304B9B11.04.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.03.2004 - 9 B 11.04 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:080304B9B11.04.0]

Beschluss

BVerwG 9 B 11.04

  • Hessischer VGH - 01.10.2003 - AZ: VGH 5 UE 1966/03

In der Verwaltungsstreitsache hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. März 2004
durch den Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts H i e n und die
Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. S t o r o s t und Dr. N o l t e
beschlossen:

  1. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 132,50 € festgesetzt.

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Beschwerdebegründung lässt nicht den Schluss zu, dass der Rechtssache die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zukommt.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist eine Rechtssache nur, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Entsprechend dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist insoweit eine bestimmte, höchstrichterlich noch ungeklärte und für die Revisionsentscheidung erhebliche Rechtsfrage zu formulieren und anzugeben, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26). Dem trägt die Beschwerde nicht ausreichend Rechnung.
Die mit ihr aufgeworfene Frage,
"ob Straßengrundstücke von Bund, Ländern und Kreisen, von denen Niederschlagswasser in die öffentliche Einrichtung einer Gemeinde eingeleitet wird, der Gebührenpflicht unterliegen",
ist von der Vorinstanz auf der Grundlage von Landesrecht, nämlich von § 10 Abs. 1 des Hessischen Kommunalabgabengesetzes i.V.m. den Vorschriften der Entwässerungssatzung der Beklagten entschieden worden. An die Auslegung dieser Bestimmungen durch den Verwaltungsgerichtshof wäre das Revisionsgericht gebunden (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO).
Revisibilität erlangt die Rechtsfrage nicht dadurch, dass die Beschwerde geltend macht, das einschlägige Landesrecht sei von der Vorinstanz unter Verstoß gegen Bundesrecht angewandt worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. März 1992 - BVerwG 5 B 174.91 - Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306; Beschluss vom 5. November 2001 - BVerwG 9 B 50.01 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95). Hinzutreten muss vielmehr, dass die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft. Aus diesem Grund ist zusätzlich darzulegen, warum der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den bundesrechtlichen Vorschriften, deren Verletzung gerügt wird, bisher keine Aussagen zu entnehmen sind, die eine bundesrechtskonforme Auslegung und Anwendung des Landesrechts gewährleisten (BVerwG, Beschluss vom 5. November 2001, a.a.O.). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. In weiten Teilen richtet sie sich darauf, aus Bestimmungen der Entwässerungssatzung der Beklagten die Verfehltheit der vom Verwaltungsgerichtshof vertretenen Auffassung abzuleiten, die Satzung gehe von einer Unterscheidung zwischen Grundstücken im grundbuchrechtlichen Sinne und Straßenflächen aus und ermächtige nur zur Gebührenerhebung für Grundstücke im erstgenannten Sinne. Soweit sie darüber hinaus die bundesrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz, der gleichmäßigen Erhebung von Abgaben und der Abgabenverantwortlichkeit in ihre Argumentation einbezieht, beschränkt sie sich darauf, deren Nichtbeachtung durch die Vorinstanz geltend zu machen. Hingegen enthält sie keine Ausführungen dazu, in welcher Hinsicht bislang höchstrichterlich nicht geklärte Fragen grundsätzlicher Art zum Inhalt und zur Tragweite der herangezogenen Grundsätze bestehen, deren Beantwortung sich auf die Auslegung der maßgeblichen Satzungsregelungen auswirken würde.
Davon abgesehen ist ein Klärungsbedarf auch in der Sache nicht erkennbar. Das aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ableitbare Äquivalenzprinzip besagt, dass öffentliche Abgaben nicht in einem groben Missverhältnis zu den mit der Abgabenerhebung erfolgten Zwecken stehen dürfen (BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2003 - BVerwG 9 BN 3.03 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 98 m.w.N.). Werden für die Entwässerung von Straßenland keine Gebühren erhoben, so kann dies für die zu Niederschlagswassergebühren herangezogenen Eigentümer anderer Grundstücke zu keiner Mehrbelastung führen, da vom Standpunkt des Verwaltungsgerichtshofs aus die auf die Straßenentwässerung entfallenen Kosten als einrichtungsfremd aus dem gebührenfähigen Aufwand ausgeschieden werden müssen; das Äquivalenzprinzip kann also gar nicht berührt sein. Mit dem vom Bundesverfassungsgericht für Sonderabgaben betonten Gedanken der Finanzierungsverantwortung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 2 BvR 633/86 - BVerfGE 91, 186 <203 ff.>), auf den sich die Beschwerde weiter beruft, mag es generell unvereinbar sein, mit einer nichtsteuerlichen Abgabe solche Personengruppen zu belasten, die keine besondere Finanzierungsverantwortung für den mit der Abgabe verfolgten Zweck trifft. Dieser Gedanke kommt hier aber nicht zum Tragen. Werden von einer Gemeinde für die Straßenentwässerung keine Niederschlagswassergebühren erhoben, so führt dies nach den vorstehenden Ausführungen nicht zur Belastung einer bestimmten Gruppe von Abgabenschuldnern, sondern geht zu Lasten des aus unterschiedlichen Finanzierungsquellen gespeisten gemeindlichen Haushalts. Schließlich leuchtet es nicht ein und ist auch von der Beschwerde nicht näher begründet worden, warum die Beklagte durch den Grundsatz gleichmäßiger Abgabenerhebung gehindert sein sollte, im Rahmen ihrer Satzungsautonomie den Zweck ihrer Entwässerungseinrichtung und die daran anknüpfende Gebührenpflicht in der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Weise zu beschränken. Gegen eine sachwidrige Differenzierung spricht namentlich, dass die gleichwohl ermöglichte Inanspruchnahme der Einrichtung für den Zweck der dem Baulastträger obliegenden Straßenentwässerung auch auf anderer als satzungsrechtlicher Grundlage abgegolten werden kann.
2. Ohne Erfolg macht die Beschwerde eine Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) des Berufungsurteils von dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 1997 (- BVerwG 8 B 246.96 - Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 86) geltend. Unabhängig davon, ob eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die sich auf abstrakte Rechtssätze des revisiblen Rechts beziehen muss, überhaupt den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gemäß dargelegt worden ist, liegt sie jedenfalls in der Sache nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der angeführten Entscheidung keineswegs die Auffassung vertreten, bundesrechtliche Bestimmungen erforderten die Erhebung von Benutzungsgebühren für die tatsächliche Inanspruchnahme einer gemeindlichen Entwässerungseinrichtung zur Straßenentwässerung. Die Entscheidung verhält sich vielmehr nur zur Vereinbarkeit einer landesrechtlich hierfür begründeten Gebührenpflicht mit der bundesrechtlichen Regelung der Straßenbaulast.
3. Die Verfahrensrüge der Verletzung des Grundsatzes freier Beweiswürdigung (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift ebenfalls nicht durch. Die Aussagen der Vorinstanz zum Bedeutungsgehalt des § 3 Abs. 1 der Entwässerungssatzung der Beklagten beruhen auf einer Auslegung dieser Vorschrift und sind daher nicht an § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu messen. Für die Behauptung der Beklagten, der Verwaltungsgerichtshof sei von einem unzutreffenden Gesetzestext ausgegangen, gibt es keinen Anhaltspunkt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 2, § 14 GKG.