Beschluss vom 08.02.2007 -
BVerwG 1 B 62.06ECLI:DE:BVerwG:2007:080207B1B62.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.02.2007 - 1 B 62.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2007:080207B1B62.06.0]

Beschluss

BVerwG 1 B 62.06

  • Niedersächsisches OVG - 21.02.2006 - AZ: OVG 1 LB 181/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Februar 2007
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Mallmann,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Beck und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Dörig
beschlossen:

  1. Der Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.
  2. Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
  3. Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Den Klägern kann die beantragte Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den nachstehenden Gründen keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

2 Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

3 Der Kläger zu 1, seine Ehefrau sowie deren 1994 in Deutschland geborener gemeinsame Sohn, der Kläger zu 2, sind Staatsangehörige der Demokratischen Republik Kongo. Nach mehrfachen erfolglosen Asylverfahren haben sie aufgrund einer Bleiberechtsregelung des Landes Niedersachsen im März 2000 eine auf zwei Jahre (bis zum 31. März 2002) befristete Aufenthaltsbefugnis erhalten. Die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis hat der Beklagte im August 2004 wegen vorsätzlicher Straftaten der Ehefrau des Klägers zu 1 (Mutter des Klägers zu 2), die zu einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Bewährung geführt haben, abgelehnt. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat einen Anspruch der Kläger auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowohl nach der niedersächsischen Altfallregelung als auch nach § 35 AuslG i.V.m. § 104 Abs. 1 AufenthG und § 30 Abs. 2 AuslG bzw. § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG verneint. Gegen die Nichtzulassung der Revision wenden sich die Kläger mit einer Vielzahl von Zulassungsrügen.

4 1. Die Kläger greifen mit ihrer Beschwerde die Entscheidung des Berufungsgerichts zu dem Anspruch aufgrund der niedersächsischen Altfallregelung an und halten in diesem Zusammenhang folgende Fragen zur Auslegung und Anwendung des maßgeblichen Erlasses des Niedersächsischen Innenministeriums vom 11. November 2003 für grundsätzlich bedeutsam (II. Nr.1 a und Nr. 2 der Beschwerdebegründung, S. 9):
Erlaubt die Aufhebung einer Erlassregelung zu einem bestimmten Termin überhaupt deren (rückwirkende) Anwendung (jetzt durch Urteil) (also ex nunc),
und
ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts (= Ablehnung der begehrten Aufenthaltsgenehmigung) nicht der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung des Tatsachengerichts (Schluss der letzten mündlichen Verhandlung) maßgeblich mit der Folge, dass auch weitere rechtserhebliche Tatsachen, die nach einem Verwaltungsakt eintreten, bei der dann zu treffenden Entscheidung zu berücksichtigen sind?

5 Abgesehen von Darlegungsmängeln beziehen sich diese Fragen auf eine niedersächsische Verwaltungsvorschrift und nicht auf revisibles Bundesrecht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Sie betreffen die Handhabung dieser Verwaltungsvorschrift, die nicht wie eine Rechtsvorschrift aus sich heraus ausgelegt werden kann, und führen schon deshalb nicht auf Rechtsfragen im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (stRspr, vgl. etwa Beschluss vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 1 B 272.03 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 27 m.w.N.).

6 2. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang verschiedene Fragen zum Verhältnis von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zur niedersächsischen Altfallregelung aufwirft (II Nr. 1 b, Nr. 6 und Nr. 7 der Beschwerdebegründung, S. 9 ff.), wie etwa die,
ob in einer derartigen Konstellation überhaupt der Rückgriff auf eine nicht mehr existierende Erlassregelung (mit deren rechtlichen Folgen in Bezug auf Familienangehörige) im Ermessenswege erfolgen darf
oder
ob nach § 25 AufenthG andere (und ggf. auch ergänzende) Gesichtspunkte bezüglich der Bejahung eines Härtefalls nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen sind
oder
ob die spezielle niedersächsische Altfallregelung ausschließliche Bewertungsgrundlage bei der Prüfung von Härtegesichtspunkten sein kann,
legt die Beschwerde schon nicht - wie erforderlich - die Entscheidungserheblichkeit und Klärungsbedürftigkeit dieser Fragen dar. Dass diese und weitere von der Beschwerde formulierte Fragen, die letztlich die Anwendbarkeit von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auf Personen betreffen, die die Voraussetzungen einer landesrechtlichen Altfallregelung nicht (mehr) erfüllen, bei richtigem Verständnis des Berufungsurteils auch in der Tat nicht entscheidungserheblich, darüber hinaus aber auch nicht klärungsbedürftig oder nicht fallübergreifend zu beantworten sind, hat der Senat in dem die Ehefrau des Klägers zu 1 betreffenden Beschluss vom heutigen Tage im Verfahren BVerwG 1 B 69.06 zu einer vergleichbaren Rüge des dortigen Prozessbevollmächtigten im Einzelnen ausgeführt. Auf die Gründe dieses Beschlusses wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

7 3. Die Verfahrensrüge, die die Beschwerde in Bezug auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Anspruch nach der Altfallregelung (Beschwerdebegründung II Nr. 4, S.10) erhebt, greift ebenfalls nicht durch. Die Beschwerde rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht die Angaben des Klägers zu 1 und seiner Ehefrau über ihre zwischenzeitliche Trennung als unglaubwürdig angesehen hat. Sie macht geltend, dies sei eine nicht nachvollziehbare und willkürliche Unterstellung. Diese Rüge ist - abgesehen von sonstigen Darlegungsmängeln - bereits deshalb nicht schlüssig erhoben, weil sie sich nur auf einen ergänzend angeführten, nicht entscheidungstragenden Gesichtspunkt bezieht. Denn nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die im Rahmen von Verfahrensrügen zugrunde zu legen ist, kommt es für den Anspruch der Kläger nach der Altfallregelung schon deshalb nicht auf die behauptete Trennung der Eheleute ab April 2004 an, weil aus Rechtsgründen auf den Zeitpunkt des Ablaufs der bisherigen Aufenthaltsbefugnis Ende März/Anfang April 2002 abzustellen (sei) (UA S. 19).

8 4. Die weitere Verfahrensrüge bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem Anspruch nach § 35 AuslG (Beschwerdebegründung II Nr. 3, S. 10) und betrifft die Feststellung, dass die Kläger nicht die nach dieser Vorschrift erforderlichen Zeiten des Besitzes einer Aufenthaltsbefugnis „seit acht Jahren“, einschließlich der nach dieser Vorschrift anzurechnenden sonstigen Zeiten, erfüllten. Die Beschwerde bemängelt, das Berufungsgericht habe sich zur Begründung insoweit auf eine Aufstellung in den beigezogenen Akten des Beklagten berufen, ohne diese Aufstellung zuvor zu erörtern oder in den Urteilsgründen nachvollziehbar darzustellen. Dies wäre aber erforderlich gewesen, weil der Beklagte seinerseits im Schreiben vom 25. Februar 2003 mitgeteilt habe, dass die zeitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis vom Kläger zu 1 „erst im Dezember 2005“ erfüllt würden, so dass jedenfalls nach Auffassung des Beklagten der Kläger zu 1 zumindest vor dem erstinstanzlichen Urteil die Voraussetzungen eines Daueraufenthalts innegehabt habe.

9 Die darauf gestützte Gehörs- und Aufklärungsrüge genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Für eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) fehlt es bereits an der erforderlichen Angabe, welche weiteren Ermittlungen sich dem Berufungsgericht hätten aufdrängen müssen und zu welchen für die Kläger günstigeren Ergebnissen sie geführt hätten. Die Beschwerde trägt selbst nicht vor, dass hinsichtlich der Aufenthaltszeiten und des jeweiligen aufenthaltsrechtlichen Status der Kläger, der sich ohnedies aus den beigezogenen und zur Grundlage der Berufungsverhandlung gemachten Ausländerakten ergibt, Aufklärungsbedarf bestünde.

10 Soweit sie damit der Sache nach wohl geltend machen will, dass die rechtliche Bewertung und Berechnung der Zeiten als anrechnungsfähig im Sinne des § 35 Abs. 1 AuslG nicht nachvollziehbar begründet sei, lässt sich damit ein Verfahrensmangel nicht begründen. Namentlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) ist nicht schlüssig aufgezeigt. Die Beschwerde gibt nicht an, dass und ggf. welches wesentliche entscheidungserhebliche Vorbringen der Kläger zur Frage der anzurechnenden Aufenthaltszeiten das Berufungsgericht nicht berücksichtigt hat. Ebenso wenig legt sie dar, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung insoweit auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt hätte, zu denen die Kläger sich nicht hätten äußern können, oder dass es etwa eine unzulässige Überraschungsentscheidung gefällt habe. Sie teilt weder mit, welche für sie unbekannten Tatsachen oder Beweisergebnisse in der vom Berufungsgericht angeführten Berechnung des Beklagten enthalten gewesen sein sollen, noch geht sie darauf ein, dass diese Berechnung, die im Übrigen einen Rechenfehler bei der Berücksichtigung der Dauer des Asylerstverfahrens in Höhe von nahezu 12 Monaten zugunsten des Klägers zu 1 enthalten dürfte, und ihre rechtlichen Grundlagen im Wesentlichen in das von der Beschwerde selbst zitierte Schreiben des Beklagten vom 25. Februar 2003 an die Prozessbevollmächtigten der Kläger Eingang gefunden hatten. Abgesehen davon legt die Beschwerde auch nicht - wie für eine Gehörsrüge erforderlich - dar, was sie bei Kenntnis der Berechnung noch Entscheidungserhebliches vorgetragen hätte und inwiefern dies zu einer für sie günstigeren Entscheidung hätte führen können. Ein solches Vorbringen lässt sich auch nicht dem Hinweis der Beschwerde darauf entnehmen, dass nach den eigenen Angaben des Beklagten in dessen Schreiben vom 25. Februar 2003 der Kläger zu 1 „die zeitliche Voraussetzung für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis“ „erst im Dezember 2005“ erfülle. Dieser Passus kann vernünftigerweise nur so verstanden werden, dass der Kläger zu 1 (nur) bei fortbestehender Aufenthaltsbefugnis bis zu diesem Zeitpunkt das Erfordernis einer achtjährigen Voraufenthaltszeit im Sinne des § 35 Abs. 1 AuslG erfüllt hätte. Dagegen konnten und durften die anwaltlich vertretenen Kläger aus dieser Bemerkung nicht herleiten, dass der bloße Zeitablauf während des Klageverfahrens gegen den Bescheid, mit dem der Beklagte die Verlängerung eben dieser Aufenthaltsbefugnis abgelehnt hatte, hierfür ausreicht (vgl. im Übrigen zur Nichtanrechnung der Zeiten einer nach § 69 Abs. 3 AuslG eingetretenen Fiktion des erlaubten Aufenthalts von der Antragstellung bis zur ablehnenden Entscheidung der Ausländerbehörde (Urteil vom 22. Januar 2002 - BVerwG 1 C 6.01 - BVerwGE 115, 352 <359>).

11 5. Die Beschwerde wirft ferner zu § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG mehrere Grundsatzfragen auf (Beschwerdebegründung I 1. a aa und bb, S. 4 f.). Sie beziehen sich auf den Umstand, dass der im Zeitpunkt der Berufungsverhandlung elfjährige Kläger zu 2 wegen eines sonderpädagogischen Bedarfs eine Schule für Erziehungshilfe besucht, sowie auf die vom Berufungsgericht - u.a. unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Kassel - vertretene Auffassung, dass Kinder bis zu ihrem 15. Lebensjahr grundsätzlich ihren Eltern in das Land ihrer Staatsangehörigkeit zu folgen hätten, und zwar selbst dann, wenn sie hier geboren und das Land ihrer Staatsangehörigkeit zu keinem Zeitpunkt als Heimatland hätten erleben können. Die Beschwerde formuliert in diesem Zusammenhang folgende, ihrer Ansicht nach grundsätzlich klärungsbedürftige Fragen:
„1) Schließt sich das angerufene Gericht der Rechtsauffassung des Hess. OVG (gemeint: VGH) und des OVG Lüneburg hinsichtlich der oben zitierten Grundaussagen an?
2) Ist die Rechtslage anders zu beurteilen bei einem minderjährigen Kind, das dem Vater in dessen Heimatland folgen soll, während bezüglich der - sorgeberechtigten - Mutter noch nicht rechtskräftig entschieden ist, ob sie in der Bundesrepublik ein Aufenthaltsrecht hat oder haben wird? Bedeutet dies einen exzeptionellen Ausnahmefall?
3) Bedeutet die Tatsache einer Sonderbeschulung eines hier in der Bundesrepublik geborenen Ausländers unter 14 Jahren, der eine Förderschule besuchen muss, indiziell die Begründung eines exzeptionellen Ausnahmefalles als a) Verpflichtung eines Vater gegenüber seinem minderjährigen Kind, oder b) ist dies ein besonderer Härtefall, auf den sich ein minderjähriges Kind (hier: der Kläger zu 2) berufen kann?“

12 Diese Fragen und die weiteren Ausführungen der Beschwerde hierzu führen nicht auf eine klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die in einem Revisionsverfahren fallübergreifend beantwortet werden könnte.

13 Die erste Frage, mit der die Beschwerde sinngemäß geklärt wissen will, ob auch in Deutschland geborene Kinder bis zu ihrem 15. Lebensjahr ihren Eltern bei der Rückkehr in den Heimatstaat im Regelfall zu folgen haben, würde sich in einem Revisionsverfahren des Klägers zu 2 so nicht stellen. Auch bedarf es keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, dass jedenfalls der zum maßgeblichen Zeitpunkt elf Jahre alte Kläger zu 2 nicht allein deshalb einer nach der gesetzlichen Regelung nicht beabsichtigten und außergewöhnlichen Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ausgesetzt ist, weil er gemeinsam mit seinen Eltern in deren - ihm bisher noch unbekanntes - Herkunftsland zurückkehren soll.

14 Die zweite Frage würde sich in dem angestrebten Revisionsverfahren ebenfalls nicht stellen, weil das Klageverfahren der Mutter auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mit der Zurückweisung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das klageabweisende Urteil des Oberverwaltungsgerichts in dem Verfahren BVerwG 1 B 69.06 durch Beschluss des Senats vom heutigen Tage rechtskräftig abgeschlossen ist.

15 Die dritte Frage, ob die Sonderbeschulung des Klägers zu 2 für diesen selbst oder dessen Vater, den Kläger zu 1, eine außergewöhnliche Härte darstellen kann, betrifft in erster Linie die der Nachprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entzogene tatrichterliche Würdigung und Subsumtion im Einzelfall.

16 6. Auch die von den Klägern erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO (Beschwerdebegründung II 1, S. 5 f.).

17 Die Beschwerde wendet sich damit gegen Erwägungen des Berufungsgerichts zum Vorbringen des Klägers zu 2, dass ihm bei Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo aufgrund seiner Erberkrankung, eines sog. Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangels (G-6-PD-Mangel), dort eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG drohe. Es habe dazu ausgeführt, dieser Gesichtspunkt könne im Rahmen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nicht berücksichtigt werden, weil für die Entscheidung über derartige zielstaatsbezogene Gefahren im Falle der Kläger ausschließlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zuständig sei, gegen das der Kläger zu 2 wegen dieses Sachverhalts bereits zwei Verfahren ohne Erfolg durchgeführt habe. Damit weiche das Berufungsurteil von der von ihm selbst zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. November 1997 - BVerwG 9 C 58.96 - (BVerwGE 105, 383) ab, weil es ein ausschließliches Prüfungsrecht des Bundesamtes unterstelle, während das Bundesverwaltungsgericht eine solche Zuständigkeit nur „für Asylsuchende“ angenommen habe, nicht aber für Verfahren auf Erteilung bzw. Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung durch die Ausländerbehörde.

18 Mit diesem Vorbringen wird ein Rechtssatzwiderspruch, wie er für die Darlegung einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO erforderlich ist, nicht aufgezeigt. Dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lässt sich schon der von der Beschwerde behauptete Rechtssatz, dass eine ausschließliche Prüfungszuständigkeit des Bundesamtes zur Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse nicht bestehe, wenn es um die Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsgenehmigung durch die Ausländerbehörde gehe, nicht entnehmen. In der Entscheidung, in der es ausdrücklich heißt, dass „erfolglose Asylsuchende Abschiebungsschutz wegen zielstaatsbezogener Gefahren im Sinne des § 53 Abs. 1 bis 4, Abs. 6 Satz 1 AuslG nur im Verfahren beim Bundesamt geltend machen und erhalten können“ (a.a.O. S. 386), ging es nur um die fortbestehende Zuständigkeit des Bundesamtes bei Erteilung ausländerbehördlicher Duldungen. Zu der Frage, wann für ehemalige Asylbewerber diese Zuständigkeit des Bundesamtes entfällt und wann die Bindungswirkung einer vorhandenen Entscheidung nach § 42 AsylVfG endet, enthält dieses Urteil dagegen keine Aussage. Dass die Ausländerbehörden jedenfalls auch bei ihren Entscheidungen über die (Erst-)Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 oder § 25 Abs. 5 AufenthG an die zuvor ergangenen Entscheidungen des Bundesamtes über zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote gebunden sind, hat der Senat in neueren Entscheidungen ausdrücklich ausgesprochen (vgl. Urteile vom 22. November 2005 - BVerwG 1 C 18.04 - BVerwGE 124, 326 und vom 27. Juni 2006 - BVerwG 1 C 14.05 - NVwZ 2006, 1414, zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen). Der behauptete Rechtssatz, von dem das Berufungsurteil abgewichen sein soll, lässt sich mithin der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen.

19 Die Beschwerde zeigt ferner nicht, wie nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, auf, dass die Berufungsentscheidung auf dem - angeblich abweichenden - Rechtssatz des Berufungsgerichts beruht. Denn das Berufungsgericht hat seine Entscheidung selbständig tragend auch darauf gestützt, dass das Krankheitsbild des Klägers zu 2 „auch inhaltlich nicht die Anforderungen erfüllt, welche an eine exzeptionelle Sondersituation im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG zu stellen“ seien (UA S. 25). Da die Beschwerde, wie im Folgenden noch im Einzelnen dargelegt wird (siehe unten zu 7.), gegen diese die Entscheidung insoweit selbständig tragende Begründung keine durchgreifenden Revisionsrügen erhoben hat, hätte das Urteil unabhängig von der vom Berufungsgericht angeführten ersten Begründung, die auf die alleinige Zuständigkeit des Bundesamtes zur Entscheidung über zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote für den Kläger zu 2 abstellt, Bestand. Aus diesem Grund könnte auch eine etwa in der Divergenzrüge enthaltene Grundsatzrüge - unabhängig von sonstigen Darlegungsmängeln - mangels Entscheidungserheblichkeit nicht zur Zulassung der Revision führen.

20 Zur Vermeidung von Missverständnissen bemerkt der Senat hierzu allerdings, dass die in der Berufungsentscheidung zum Ausdruck kommende Annahme des Berufungsgerichts, für die Kläger bestehe als ehemalige Asylbewerber die ausschließliche Zuständigkeit des Bundesamtes hinsichtlich der Geltendmachung auch neuer zielstaatsbezogener Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG fort, zumindest nicht zweifelsfrei ist. Wie vom Berufungsgericht festgestellt, sind die Kläger nämlich bereits im Besitz asylverfahrensunabhängiger Aufenthaltsgenehmigungen gewesen. Es kommt deshalb allgemein und unabhängig von der Frage einer Prüfung als außergewöhnliche Härte im Sinne des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG auch in Betracht, dass nunmehr die Ausländerbehörde - allerdings unter Fortgeltung der bestandskräftigen Vorentscheidungen des Bundesamtes zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG bzw. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - in eigener Zuständigkeit auch über die Gewährung dieses zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutzes zu befinden hat. Dabei wäre dann jedoch in erster Linie ein Anspruch auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis wegen zielstaatsbezogener Gefahren gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG zu prüfen. Das bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens indes keiner weiteren Vertiefung und Entscheidung.

21 7. Mit der Gehörsrüge, die in Zusammenhang mit der Erbkrankheit des Klägers zu 2 erhoben wird (Beschwerdebegründung II Nr. 2, S. 6), beanstandet die Beschwerde, das Berufungsgericht habe den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Gesundheitszustand des Klägers zu 2 und den daraus folgenden Rückkehrgefahren zu Unrecht abgelehnt. Auch diese Verfahrensrüge wird nicht in einer Weise dargelegt, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.

22 Soweit das Berufungsgericht den Beweisantrag im Hinblick darauf abgelehnt hat, dass er wegen der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundesamtes für die Feststellung zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote nicht entscheidungserheblich sei, zeigt die Beschwerde weder auf noch ist es sonst ersichtlich, dass dies prozessrechtlich zu beanstanden ist. Über Umstände, die nach der insoweit zugrunde zu legenden materiellrechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts für die Entscheidung nicht erheblich sind, bedarf es keiner Beweiserhebung.

23 Auch im Hinblick auf die selbständig tragende zweite Begründung des Berufungsgerichts, in der es selbst das Vorliegen einer zielstaatsbezogenen Gefahr wegen der Erkrankung des Klägers zu 2 geprüft und verneint hat, legt die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger durch die Ablehnung des Beweisantrags nicht schlüssig dar. Die Beschwerde trägt hierzu vor, das Berufungsgericht habe die Beweiserhebung in diesem Zusammenhang deshalb abgelehnt, weil es bereits in seinem Beschluss vom 12. Mai 1998 eine zielstaatsbezogene Gefahr wegen der Erkrankung verneint habe und die Kläger nicht substantiiert geltend gemacht hätten, dass es nunmehr neue abweichende Erkenntnisse gebe oder sich das Krankheitsbild des Klägers zu 2 erheblich verschlechtert habe. Darin liegt nach Auffassung der Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil das Berufungsgericht ersichtlich nur das erste von den Klägern eingereichte Attest vom 13. Februar 1995, nicht aber das zweite und neue Attest des Kinderarztes Dr. G. vom 2. September 1999 berücksichtigt habe.

24 Damit wird eine Gehörsverletzung indes nicht aufgezeigt, weil die Beschwerde nicht angibt, dass und inwiefern sich aus dem neuen Attest vom 2. September 1999 im Vergleich zum bisher verwerteten Attest desselben Kinderarztes vom 13. Februar 1995 veränderte Umstände ergeben. Nur dann wäre dieses neue Attest nämlich entscheidungserheblich und hätte vom Berufungsgericht ausdrücklich gewürdigt werden müssen. Obwohl es hierauf nicht ankommt und der Senat im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ebenso wie im Revisionsverfahren keine eigene Tatsachenprüfung vorzunehmen hat (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO), bemerkt er, dass sich dem Attest vom 2. September 1999 im Übrigen auch weder eine Verschlimmerung der Erkrankung noch eine geänderte Prognose hinsichtlich der Rückkehrgefährdung entnehmen lässt.

25 Die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde erhobenen weiteren Gehörsrügen (Beschwerdebegründung S. 7 f.) greifen ebenfalls nicht durch. Sie beziehen sich zum einen auf ein nicht entscheidungstragendes obiter dictum des Berufungsgerichts und zum anderen auf eine angeblich fehlerhafte Protokollierung des Beweisantrags, die nur im Wege eines Protokollberichtigungsantrags hätte geltend gemacht werden können.

26 Von einer weiteren Begründung - u.a. zu nicht den Darlegungsanforderungen genügenden Grundsatzrügen (Beschwerdebegründung II Nr. 5 und 6, S. 10) - sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

27 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. § 5 ZPO.