Beschluss vom 08.01.2004 -
BVerwG 7 B 87.03ECLI:DE:BVerwG:2004:080104B7B87.03.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 08.01.2004 - 7 B 87.03 - [ECLI:DE:BVerwG:2004:080104B7B87.03.0]

Beschluss

BVerwG 7 B 87.03

  • VG Greifswald - 04.03.2003 - AZ: VG 2 A 1942/98

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 8. Januar 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:

  1. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 4. März 2003 wird aufgehoben.
  2. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht Greifswald zurückverwiesen.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
  4. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.

Der Kläger beansprucht als Miterbe die Rückgabe eines Grundstücks, das 1983 auf der Grundlage des Aufbaugesetzes in Volkseigentum überführt wurde. Die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Der Kläger, der bei seiner Ladung auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden war, war in der mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Das Verwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat mit dem Ergebnis Erfolg, dass das angegriffene Urteil gemäß § 133 Abs. 6 VwGO aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen wird.
Das angegriffene Urteil beruht auf dem von der Beschwerde gerügten Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO). Der Kläger wurde zu der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 4. März 2003 nicht ordnungsgemäß geladen. Die Ladung war an die in der Klageschrift vom 24. September 1998 angegebene Wohnadresse des Klägers in Düren gerichtet. Das sie enthaltende Schriftstück wurde im Wege der Ersatzzustellung in den zu dieser Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt (§ 56 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 180 ZPO). Die Wirksamkeit der Ersatzzustellung setzte allerdings voraus, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt tatsächlich unter der Zustelladresse wohnte. Die in der Postzustellungsurkunde enthaltene Erklärung des Zustellers, dass er das Schriftstück in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt habe, begründete hierfür ein beweiskräftiges Indiz (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 3. Juni 1991 - 2 BvR 511/89 - NJW 1992, 224 <225>). Die Indizwirkung dieser Erklärung wurde indessen durch das Schreiben des Sohnes des Klägers vom 3. März 2003 entkräftet, wonach der Kläger sich im Ausland aufhalte und unter einer näher bezeichneten Adresse in Andorra wohne. Die Plausibilität dieser Darstellung wird dadurch bestätigt, dass der Kläger seine Adresse in Andorra einer anderen Kammer des Verwaltungsgerichts bereits im August 2001 mitgeteilt und die von der erkennenden Kammer nachträglich eingeholte Auskunft des Einwohnermeldeamts vom 27. August 2003 ergeben hatte, dass der Kläger unter der Adresse in Düren "nicht zu ermitteln" war. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht in Kenntnis des Schreibens des Sohnes des Klägers vom 3. März 2003 in der mündlichen Verhandlung am 4. März 2003 festgestellt, dass der Kläger zum Verhandlungstermin ordnungsgemäß geladen worden sei. Diese Feststellung hätte es nur dann treffen dürfen, wenn es sich durch weitere Ermittlungen davon überzeugt hätte, dass der Kläger tatsächlich unter der Zustelladresse in Düren wohnte. Den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils und den dem Senat vorliegenden Akten ist nicht zu entnehmen, dass das Verwaltungsgericht vor Urteilsverkündung Ermittlungen in dieser Richtung angestellt hat. Da auch das Protokoll der mündlichen Verhandlung keine Begründung der gerichtlichen Feststellung enthält, ist nicht auszuschließen, dass das Verwaltungsgericht den Begriff der Wohnung i.S. des § 180 ZPO verkannt hat. Angesichts dessen muss der Senat davon ausgehen, dass der Kläger zu der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen und damit sein Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden ist.
Der Senat nimmt den dem Verwaltungsgericht unterlaufenen Verfahrensfehler zum Anlass, gemäß § 133 Abs. 6 VwGO durch Beschluss zu entscheiden. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.