Beschluss vom 07.12.2006 -
BVerwG 2 WDB 3.06ECLI:DE:BVerwG:2006:071206B2WDB3.06.0

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 07.12.2006 - 2 WDB 3.06 - [ECLI:DE:BVerwG:2006:071206B2WDB3.06.0]

Beschluss

BVerwG 2 WDB 3.06

  • Truppendienstgericht Süd 5. Kammer - 10.01.2006 - AZ: S 5 GL 12/05

In dem gerichtlichen Disziplinarverfahren hat der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Widmaier und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth
am 7. Dezember 2006 beschlossen:

  1. Auf die Beschwerde des Soldaten wird der Beschluss der 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd vom 10. Januar 2006 aufgehoben.
  2. Die von der Einleitungsbehörde (Kommandeur 2. Luftwaffendivision) mit Verfügung vom 29. September 2005 angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Soldaten, das Verbot, Uniform zu tragen, sowie die angeordnete Einbehaltung der Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge des Soldaten werden aufgehoben.
  3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1 Der Soldat ist ausgebildeter Strahlflugzeugführer. Bis zum 31. Juli 2005 war er unter Verpflichtung zur fliegerischen Inübunghaltung beim L...kommando in K. als Fachdokumentaroffizier Fliegerische Dokumentation und Jagdbomberflugzeugführeroffizier SFT eingesetzt. Zum 1. August 2005 erfolgte seine Versetzung als Jagdbomberflugzeugführerstabsoffizier Tornado zur 2./J... in B. Ab 5. September 2005 leistete er bis zu seiner vorläufigen Dienstenthebung am 30. September 2005 im Rahmen einer Kommandierung Dienst im Stab der 2. F... (LwDiv) in Bi.

2 Mit Verfügung vom 29. September 2005, dem Soldaten ausgehändigt am 30. September 2005, leitete der Kdr 2. F... ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Soldaten mit der Begründung ein, dieser sei hinreichend verdächtig, folgende Dienstpflichten schuldhaft verletzt zu haben:
„1. Sie befolgten am 20. September 2005 in der ...-Kaserne in Bi. den ihnen mehrfach erteilten und wiederholten Befehl ihrer Vorgesetzten, i.V. Chef des Stabes Oberstleutnant i.G. L., Oberstabsarzt Dr. H. sowie Major G. nicht, sich im Sanitätsbereich der vollständigen Untersuchung hinsichtlich ihrer ‚Allgemeinen Dienst- und Verwendungsfähigkeit’ zu unterziehen, die auch die Duldung der Abnahme von Fingernagelmaterial beinhaltete.
2. Sie nahmen im Zeitraum März 2003 bis Februar 2005 an im Einzelnen nicht mehr feststellbaren Tagen in K. gemeinsam mit den Eheleuten B. Betäubungsmittel in Form von Speed und Kokain zu sich, obwohl sie zumindest hätten erkennen können und müssen, dass Ihnen der Konsum von Betäubungsmitteln auch außer Dienst verboten war, und erwarben im August/September 2004, im Oktober 2004 sowie am 31. Dezember 2004 in K. käuflich Betäubungsmittel, obwohl sie zumindest hätten erkennen können und müssen, dass ihnen der Besitz von Betäubungsmitteln dienstrechtlich verboten war.“

3 Gleichzeitig wurde das gerichtliche Disziplinarverfahren gemäß § 83 Abs. 1 WDO bis zum rechtskräftigen Abschluss des sachgleichen Strafverfahrens ausgesetzt. Ferner enthob die Einleitungsbehörde in der Einleitungsverfügung den Soldaten vorläufig des Dienstes und verbot ihm das Tragen der Uniform (§ 126 Abs. 1 WDO) und ordnete des Weiteren an, dass die Hälfte seiner jeweiligen Dienstbezüge einbehalten wird (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO). Daneben wurde dem Soldaten gestattet, eine entgeltliche Nebentätigkeit auszuüben.

4 Den Antrag des Soldaten vom 18. Oktober 2005 auf Aufhebung der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung, des Uniformtrageverbotes und der Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge wies der Kdr 2. F... mit Bescheid vom 3. November 2005, dem Soldaten zugestellt am 7. November 2005, zurück.

5 Den unter dem 18. November 2005 gestellten Antrag des Soldaten, die Einleitungsverfügung vom 29. September 2005 in der Form des Bescheides des Kdr 2. F... vom 3. November 2005 dahingehend aufzuheben, dass die vorläufige Dienstenthebung, das Verbot des Tragens der Uniform und die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge entfällt, hat die 5. Kammer des Truppendienstgerichts Süd mit Beschluss vom 10. Januar 2006 als unbegründet zurückgewiesen. Auf die Gründe des Beschlusses wird Bezug genommen.

6 Gegen diesen ihm am 24. Januar 2006 zugestellten Beschluss hat der Soldat unter dem 30. Januar 2006 Beschwerde eingelegt, die am 1. Februar 2006 beim Truppendienstgericht Süd eingegangen ist.

7 Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:
Der ihm, dem Soldaten, mehrfach erteilte Befehl seiner Vorgesetzten, die Abnahme eines Fingernagels für Zwecke eines Drogen-Screenings zu dulden, sei vom Grundgesetz nicht gedeckt. Die Entnahme eines kompletten Fingernagels stelle einen unzulässigen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Sie sei mit bekanntermaßen erheblichen gesundheitlichen Folgen sowie auch Entzündungs- und anderen Risiken verbunden. Zudem sei eine solche Maßnahme sinnlos, weil erst ab einer Nagellänge von 16 mm Untersuchungsergebnisse für einen Zeitraum gewonnen werden könnten, in dem der vorgeworfene Betäubungsmittelkonsum angeblich stattgefunden habe. Ferner sei unzutreffend, dass er, der Soldat, im Zeitraum März 2003 bis 2005 Betäubungsmittel zu sich genommen habe. Die diesbezüglichen Vorwürfe resultierten aus Aussagen des vielfach vorbestraften, geschiedenen Ehemannes seiner Lebensgefährtin, der aus Eifersucht mit solchen falschen Behauptungen ihm, dem Soldaten, schaden wolle, was er auch per SMS mitgeteilt und im Übrigen mehrfach verbal anderen Zeugen gegenüber zum Ausdruck gebracht habe. Gegen diesen Informanten sei derzeit ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der schweren Brandstiftung bei der Staatsanwaltschaft B. anhängig. Soweit die gegen ihn, den Soldaten, erhobenen Vorwürfe außerdem auf Aussagen von Frau Ines M. gestützt würden, seien diese ebenfalls unglaubhaft. Frau Ines M. sei seine frühere Lebensgefährtin, die sich aufgrund der durch ihn, den Soldaten, erfolgten Beendigung der Beziehung erheblich gekränkt fühle und auf Rache sinne. Frau M. sei von dem geschiedenen Ehemann seiner, des Soldaten, jetzigen Lebensgefährtin ausfindig gemacht und dazu angestiftet worden, falsch auszusagen. Frau M. habe zwischenzeitlich in einem Schreiben auch eingeräumt, dass ihre frühere Aussage falsch gewesen sei.

8 Durch Urteil vom 12. Juli 2006 sei er, der Soldat, zwischenzeitlich vom Amtsgericht I. vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung freigesprochen worden. Er gehe davon aus, dass die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts I. eingelegte Berufung keinen Erfolg haben werde. Ferner sei er durch Urteil des Amtsgerichts K. vom 16. November 2006 (Az.: 525 Ds 613/06) vom Verdacht der Körperverletzung gegenüber dem Anzeigeerstatter B. freigesprochen worden. Das Amtsgericht K. und auch die Staatsanwaltschaft, die ebenfalls Freispruch beantragt habe, hätten aufgrund des Aussageverhaltens des Anzeigeerstatters B. feststellen können, dass dessen Beschuldigung wahrheitswidrig gewesen sei. Gleiches werde sich auch in dem beim Amtsgericht I. noch anhängigen Strafverfahren wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz herausstellen. Denn auch in jenem Verfahren stünden allein der Anzeigeerstatter B. und Frau Ines M. als Zeugen zur Verfügung.

9 Der Soldat hat angeregt, mit der Entscheidung im vorliegenden Verfahren „bis zum Ausgang des (strafgerichtlichen) Berufungsverfahrens“ abzuwarten und im Übrigen sinngemäß beantragt,
die von der Einleitungsbehörde getroffene Anordnung hinsichtlich der vorläufigen Dienstenthebung, des Uniformtrageverbotes sowie der Einbehaltung der Hälfte seiner Dienstbezüge aufzuheben.

10 Der Bundeswehrdisziplinaranwalt ist diesem Begehren entgegengetreten. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Soldat sei hinreichend verdächtig, als möglicher Betäubungsmittelkonsument an der erforderlichen Klärung seiner Dienst- und Verwendungsfähigkeit trotz wiederholter gegenteiliger Bekundungen nicht nur nicht im gebotenen Umfang mitgewirkt, sondern diese entgegen den ihm hierzu erteilten Befehlen beharrlich verweigert und unmöglich gemacht zu haben. Damit habe er gegen seine Pflicht zum treuen Dienen (§ 7 SG), zum Gehorsam (§ 11 SG), zur Wahrung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) und zur Duldung ärztlicher Maßnahmen zur Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit (§ 17 Abs. 4 Satz 3 SG) verstoßen.

11 Entgegen seiner Behauptung sei dem Soldaten am 24. August 2005 lediglich eine Haar- und Nagelprobe abverlangt worden, die durch bloßes Abschneiden von Haaren am Kopf und von überstehenden Teilen der Finger- oder Zehennägel hätte durchgeführt werden sollen. Ein Abnehmen eines Fingernagels habe nicht in Rede gestanden. Nachdem der Soldat seine Weigerung zunächst damit begründet habe, manikürte Fingernägel zu haben und sich seine Haare nicht verschandeln lassen zu wollen, habe er sich sodann, wie er später erklärt habe, angeblich „aus Hass“ die Fingernägel abgefeilt. Am Folgetag sei er zwar zur Abgabe einer Haarprobe bereit gewesen, habe aber das Abschneiden von Fußnägeln abgelehnt und schließlich seine Untersuchung insgesamt abgebrochen. Am 20. September 2005 habe er es ferner insgesamt dreimal abgelehnt, trotz erfolgter näherer Erläuterung der Notwendigkeit der Maßnahme der Weisung des Truppenarztes nachzukommen, sich die Fingernägel zur Gewinnung von Untersuchungsmaterial schneiden zu lassen. Außerdem habe er es abgelehnt, der Weisung weiterer Vorgesetzter nachzukommen, sich den erforderlichen ärztlichen Maßnahmen zu stellen. Der Soldat sei über die rechtlichen Zusammenhänge hinreichend informiert worden, insbesondere auch darüber, dass das Untersuchungsergebnis keinesfalls dazu habe dienen sollen, ihn zum Zweck einer disziplinar- oder strafrechtlichen Verfolgung des Drogenkonsums zu überführen. Gleichwohl sei er den ihm mehrfach erteilten Befehlen, die er als solche auch erkannt und verstanden habe, nicht nachgekommen.

12 Auch wenn die Informationen über den Drogenkonsum des Soldaten und über eine Manipulation seiner Wehrfliegerverwendungsfähigkeitsuntersuchungen durch Fremdurin möglicherweise aus fragwürdigen Quellen stammten, hätten diese Hinweise im Interesse der Flugsicherheit nicht unbeachtet bleiben können. An dieser Lage ändere sich nichts dadurch, dass die Zeugin M. ihre Angaben nachträglich widerrufen habe. Das den Soldaten vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung freisprechende erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts I. vom 12. Juli 2006, gegen das die Staatsanwaltschaft Bad K. Berufung eingelegt habe, werde im Berufungsverfahren keinen Bestand haben. Zu Unrecht sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass eine Untersuchung von Fingernagelmaterial zum Nachweis eines Langzeitdrogenkonsums ungeeignet und deshalb der Befehl zur Duldung einer Entnahme von Nagelteilen wegen eines fehlenden dienstlichen Zwecks unverbindlich gewesen sei. Der vom Amtsgericht herangezogenen Sachverständigen habe es an hinreichender Sachkunde gefehlt. Aus der zwischenzeitlich vorliegenden Stellungnahme des I... vom 18. Juli 2006 ergebe sich, dass sich mit Blut und Urin allenfalls ein Kurzzeitkonsum von Kokain nachweisen lasse und dass für den Nachweis eines Langzeitkonsums die Untersuchung von Nagelmaterial zielführend sei, wenn üblicherweise verwendetes Haarmaterial nicht verfügbar sei.

13 Eine Eingliederung in den laufenden Dienstbetrieb der Truppe, vor allem im sicherheitsempfindlichen Bereich, sei - ohne die Disziplin und Ordnung nachhaltig zu stören - nach alledem ausgeschlossen. Ein vorbehaltloses Zusammenarbeiten mit dem Soldaten sei angesichts seines Verhaltens nicht möglich, weil sich selbst bei gezeigter Kooperationsbereitschaft nicht einschätzen lasse, wie weit diese wirklich gehe. Damit lägen die Voraussetzungen für die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot nach § 126 Abs. 1 WDO vor.

14 Auch die Voraussetzungen für die Einbehaltung eines Teil der Dienstbezüge nach § 126 Abs. 2 Satz 1 WDO seien gegeben. Nach den bisher ermittelten Geschehnissen sei der Soldat hinreichend verdächtig, in einem solchen Ausmaß im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt zu haben, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die Entfernung aus dem Dienstverhältnis erkannt werde. Durch die beharrliche Weigerung, an der Feststellung seiner Dienst- und Verwendungsfähigkeit in gebotener und zumutbarer Weise mitzuwirken, sei das für das Dienstverhältnis unabdingbare Vertrauen des Dienstherrn zum Soldaten restlos zerstört. Wer als angehender Stabsoffizier in der geschilderten Weise sich zunächst kooperativ gebe, dann aber, wenn es „eng zu werden“ scheine, auf ungeeignete Maßnahmen zurückziehe, schließlich gar nicht mehr mitwirke und Erkenntnismöglichkeiten sogar gezielt beseitige, sei in keiner Weise mehr vertrauenswürdig und als Offizier nicht mehr tragbar.

15 Eine erneute Begutachtung des Soldaten auf Dienst- und Verwendungsfähigkeit habe zwar am 23. März 2006 ergeben, dass er uneingeschränkt dienst- und verwendungsfähig sei. Allerdings sei dabei keine Untersuchung von Horn-/Haarmaterial hinsichtlich eines Langzeit-Drogenkonsums durchgeführt worden.

16 Trotz wiederholter Aufforderungen habe der Soldat seine wirtschaftlichen Verhältnisse bisher nicht dargelegt, sodass sein Vorbringen nicht näher geprüft werden könne, die ihm aufgrund der Einbehaltung der Hälfte seiner Dienstbezüge verbleibenden finanziellen Mittel seien für seinen Lebensunterhalt nicht ausreichend. Insoweit sei zudem zu berücksichtigen, dass es dem Soldaten gestattet worden sei, im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung einer Nebentätigkeit nachzugehen.

II

17 Die Beschwerde hat Erfolg.

18 1. Die Beschwerde ist zulässig; sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben worden; der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat mit Beschluss vom 2. Februar 2006 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (§ 114 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 2 WDO).

19 Zwingende gesetzliche Gründe dafür, - wie vom Antragsteller angeregt - mit einer Entscheidung im vorliegenden Verfahren noch weiter abzuwarten, liegen nicht vor. Die Sache ist entscheidungsreif.

20 2. Das Begehren des Soldaten, die von der Einleitungsbehörde getroffenen Anordnungen vom 29. September 2005 aufzuheben, ist begründet. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnungen über (a) die vorläufige Dienstenthebung und das Uniformtrageverbot sowie (b) die vorläufige Einbehaltung der Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge liegen nicht vor. Dementsprechend ist der angefochtene Beschluss der Truppendienstkammer vom 10. Januar 2006 aufzuheben.

21 a) Nach § 126 Abs. 1 WDO kann die Einleitungsbehörde einen Soldaten vorläufig des Dienstes entheben, wenn das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird oder eingeleitet worden ist; mit der vorläufigen Dienstenthebung kann - unter denselben Voraussetzungen - das Verbot, Uniform zu tragen, verbunden werden. Diese Anordnungen setzen demzufolge die rechtswirksame Einleitung eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens gegen den Soldaten und zusätzlich eine pflichtgemäße Ermessensausübung der zuständigen Einleitungsbehörde voraus.

22 Bei der gerichtlichen Entscheidung darüber, ob diese gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnungen der Einleitungsbehörde erfüllt sind, muss auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abgestellt werden (vgl. Beschlüsse vom 22. Juli 2002 - BVerwG 2 WDB 1.02 - Buchholz 235.01 § 126 WDO Nr. 1 = NZWehrr 2003, 79 m.w.N., vom 18. November 2003 - BVerwG 2 WDB 2.03 - BVerwGE 119, 206 = Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 5 und vom 19. Januar 2006 - BVerwG 2 WDB 6.05 - NZWehrr 2006, 209). Die Sachprüfung in diesem vorläufigen Verfahren gemäß § 126 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 114 Abs. 3 Satz 2 WDO, das durch einen ohne mündliche Verhandlung ergehenden Beschluss abgeschlossen wird, muss sich hinsichtlich der zu treffenden tatsächlichen Feststellungen seinem Wesen nach auf eine summarische Bewertung und entsprechende Wahrscheinlichkeitserwägungen beschränken. Für eine eingehende Beweiserhebung ist nach der gesetzlichen Regelung kein Raum (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 22. Juli 2002 a.a.O. und vom 18. November 2003 a.a.O.).

23 Im vorliegenden Falle liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für die getroffene Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Senatsentscheidung nicht vor.

24 Das gerichtliche Disziplinarverfahren gegen den Soldaten ist zwar mit der ihm am 30. September 2005 ausgehändigten Einleitungsverfügung des Kdr 2. F... vom 29. September 2005 rechtswirksam eingeleitet worden. Vor Ergehen der Einleitungsverfügung ist dem Soldaten ausweislich der Niederschrift vom 26. September 2006 auch Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 93 Abs. 1 Satz 2 WDO) und zur Frage der Anhörung der Vertrauensperson nach § 4 Abs. 1 WDO i.V.m. § 27 Abs. 2 SBG gegeben worden.

25 Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine rechtsfehlerfreie Ermessensentscheidung sind jedoch (bislang) nicht erfüllt.

26 Allerdings kann die von der Einleitungsbehörde getroffene Ermessensentscheidung vom Senat nur darauf überprüft werden, ob diese Stelle die gesetzlichen Grenzen des ihr zustehenden Ermessens überschritten oder von diesem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO analog).

27 Der gesetzliche Zweck der Ermessensbefugnis der Einleitungsbehörde ergibt sich daraus, dass die vorläufige Dienstenthebung eines Soldaten im Zusammenhang mit einem gegen ihn eingeleiteten (gerichtlichen) Disziplinarverfahren dazu dient, einen Zustand, der endgültig erst aufgrund eines einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, vorübergehend zu ordnen, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das gemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern, dass vollendete Tatsachen geschaffen werden, bevor die Entscheidung im gerichtlichen Disziplinarverfahren rechtskräftig getroffen (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - BVerfGE 46, 17 ff. = NJW 1978, 152 = DÖV 1977, 274 m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 18. April 1991 - BVerwG 2 WDB 3.91 - BVerwGE 93, 69 m.w.N., vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N. und vom 19. Januar 2006 a.a.O. S. 210 m.w.N.; Dau, WDO, 4. Aufl. 2002, § 126 Rn. 2) und damit - im Falle einer Verurteilung - die Unschuldsvermutung widerlegt ist (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK und Urteil vom 12. Februar 2003 - BVerwG 2 WD 8.02 - BVerwGE 117, 371 = Buchholz 236.1 § 7 SG Nr. 48 sowie Beschluss vom 15. November 2006 - BVerwG 2 WDB 5.06 -). Eine solche vorläufige Maßnahme, die in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen des Soldaten eingreift (vgl. u.a. Beschluss vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 -), bedarf aus verfassungsrechtlichen Gründen eines besonderen sie rechtfertigenden Grundes. Sie muss im Rahmen des gemeinen Wohls geboten sein und zudem - im Hinblick auf die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung - dem Verfassungsgebot der Verhältnismäßigkeit genügen (Beschluss vom 15. November 2006 - BVerwG 2 WDB 5.06 -).

28 Ein rechtfertigender besonderer Grund im dargelegten Sinne ist nur dann gegeben, wenn ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb durch den vom gerichtlichen Disziplinarverfahren Betroffenen empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde (BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 a.a.O.; BVerwG, Beschlüsse vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 - m.w.N. und vom 19. Januar 2006 a.a.O. m.w.N.).

29 Bei der Beurteilung dessen, ob ohne die angegriffene Anordnung der Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet würde, steht - nur - der Einleitungsbehörde innerhalb des dargelegten rechtlichen Rahmens ein Beurteilungsspielraum zu. Denn für eine sachgerechte Beurteilung dieser Folgen sind in aller Regel spezifische militärische Fachkenntnisse und Erfahrungen sowie eine genaue Kenntnis und Beurteilung des internen Dienstbetriebes erforderlich, die notwendigerweise mit nicht-rechtlichen Wertungs- und Zweckmäßigkeitserwägungen verbunden sind. Dieser Beurteilungsspielraum wird jedoch dann überschritten, wenn dessen rechtliche Grenzen nicht eingehalten werden.

30 Danach kommt es für die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung in diesem Zusammenhang darauf an, ob bei einem vorläufigen Verbleiben des Soldaten im Dienst nach der insoweit maßgeblichen fachlichen Beurteilung der Einleitungsbehörde mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebes zu rechnen ist. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn durch das in Rede stehende Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem Verbleiben im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte (vgl. dazu u.a. Beschlüsse vom 18. November 2003 a.a.O. und vom 19. Januar 2006 a.a.O.), oder wenn Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schützen sind (vgl. u.a. Beschlüsse vom 18. April 1991 a.a.O. und vom 10. April 1992 - BVerwG 2 WDB 2.92 -). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss von der Einleitungsbehörde konkret und nachvollziehbar dargetan werden und sich aus der getroffenen bzw. aufrechterhaltenen Anordnung für den Soldaten und das Gericht erschließen lassen. Anderenfalls kann nicht festgestellt werden, ob die Einleitungsbehörde von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die lediglich formelhafte und nicht näher substantiierte Erwägung, ohne die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung werde der Dienstbetrieb empfindlich gestört oder in besonderem Maße gefährdet, reicht nicht aus (Beschluss vom 15. November 2006 - BVerwG 2 WDB 5.06 -).

31 Diese von der Einleitungsbehörde vorzunehmende Darlegung kann auch nicht durch andere Stellen, etwa den Wehrdisziplinaranwalt oder den Bundeswehrdisziplinaranwalt, ersetzt werden. Denn das gesetzliche Ermessen sowie der Beurteilungsspielraum hinsichtlich des die Anordnung rechtfertigenden besonderen Grundes stehen nur der Einleitungsbehörde zu.

32 Das Gebot der Verhältnismäßigkeit verlangt neben der (im Hinblick auf den rechtfertigenden Grund) notwendigen Geeignetheit und Erforderlichkeit der getroffenen Anordnung insbesondere, dass die Einleitungsbehörde dem Betroffenen mit ihrer Ermessensentscheidung keine Nachteile zufügt, die außer Verhältnis zu dem Interesse des Dienstherrn stehen, einen Soldaten, der eines schwerwiegenden Dienstvergehens hinreichend verdächtig ist, bis zur endgültigen Klärung dieses Vorwurfs von der Dienstausübung auszuschließen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. Oktober 1977 a.a.O; BVerwG, Beschlüsse vom 18. November 2003 a.a.O. und vom 19. Januar 2006 a.a.O. m.w.N.). Im Übrigen ist die Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung - im Gegensatz zur teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 126 Abs. 2 Satz 1 WDO) - nicht (zusätzlich) davon abhängig, dass im gerichtlichen Disziplinarverfahren voraussichtlich auf die höchstzulässige Disziplinarmaßnahme erkannt wird.

33 Ob im vorliegenden Fall ohne die angeordnete vorläufige Dienstenthebung des Soldaten mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebes in seiner gegenwärtigen und auch in jeder anderen Verwendung zu rechnen ist, ob durch das in Rede stehende Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem Verbleiben im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte, oder ob Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schützen sind, lässt sich der Begründung der vom Soldaten angegriffenen Anordnung der Einleitungsbehörde nicht entnehmen und ist auch sonst aus weiteren, deren Aufrechterhaltung betreffenden Entscheidungen der Einleitungsbehörde (bislang) nicht ersichtlich, so dass von einem aus verfassungsrechtlichen Gründen erforderlichen rechtfertigenden Grund gegenwärtig nicht ausgegangen werden kann.

34 Zwar spricht vieles dafür, dass der Soldat jedenfalls die in der Einleitungsverfügung vom 29. September 2005 unter Nr. 1 näher bezeichneten Dienstpflichtverletzungen begangen hat. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die getroffenen Anordnungen zu rechtfertigen.

35 Ein im Rahmen des § 114 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO zu prüfender hinreichender Verdacht für das erfolgte Begehen eines Dienstvergehens ergibt sich nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats (vgl. u.a Beschlüsse vom 18. November 2003 a.a.O., vom 2. Juni 2004 - BVerwG 2 WDB 3.04 - und vom 17. Mai 2005 - BVerwG 2 WDB 1.05 - Buchholz 235.01 § 126 WDO 2002 Nr. 2 = NZWehrr 2005, 216) regelmäßig bereits aus der Erhebung der öffentlichen Klage im sachgleichen Strafverfahren (§ 170 StPO) oder aus der Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203 StPO), so weit dieser Verdacht nachfolgend nicht anderweitig erschüttert worden ist (vgl. dazu Beschluss vom 17. Mai 2005 a.a.O.).

36 Ein solcher hinreichender Verdacht liegt hier zwar vor. Soweit nämlich dem Soldaten vorgeworfen wird, er habe am 20. September 2005 in der ...-Kaserne in Bi. den ihm mehrfach erteilten und wiederholten Befehl seiner Vorgesetzten Oberstleutnant i.G. L., Oberstabsarzt Dr. H. sowie Major G. nicht befolgt, sich im Sanitätsbereich der vollständigen Untersuchung seiner „Allgemeinen Dienst- und Verwendungsfähigkeit“ zu unterziehen, die ihrerseits auch die Duldung der Abnahme von Fingernagelmaterial beinhaltete, liegt eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Bad K. vom 30. Januar 2006 vor, die vom Amtsgericht I. auch zur Hauptverhandlung zugelassen wurde. Nach den im daraufhin ergangenen (nicht rechtskräftigen) Urteil des Amtsgerichts I. vom 12. Juli 2006 getroffenen tatsächlichen Feststellungen spricht dabei vieles dafür, dass sich der dem Soldaten an den genannten Tagen wiederholt erteilte Befehl lediglich auf die Duldung der Entnahme einer Fingernagelabschnittsprobe zur Durchführung des Drogen-Screenings, nicht jedoch - wie vom Soldaten im vorliegenden Verfahren wiederholt unsubstantiiert behauptet - einer Entnahme eines Fingernagels im Sinne einer Gesamtextraktion oder zumindest einer nicht unwesentlichen Teilextraktion bezog. Insoweit wird auf die diesbezügliche widerspruchsfreie und nachvollziehbare Beweiswürdigung des Amtsgerichts I. im vorgenannten Urteil Bezug genommen, der der Soldat im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht substantiiert entgegengetreten ist. Zwar hat das Amtsgericht I. mit diesem Urteil vom 12. Juli 2006 den Soldaten vom Vorwurf der Gehorsamsverweigerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 WStG freigesprochen. Gegen dieses Urteil wurde allerdings von der Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, über die - soweit ersichtlich - bislang nicht rechtskräftig entschieden worden ist. Aufgrund der dem Senat vorliegenden bisherigen Ermittlungsergebnisse unter Berücksichtigung der vorhandenen Beweismittel sowie von Rückschlüssen, die durch die allgemeine Lebenserfahrung gerechtfertigt sind (vgl. dazu Beschluss vom 18. November 2003 a.a.O.), erscheint der Soldat jedoch weiterhin hinreichend verdächtig, seine Dienstpflichten zur Duldung ärztlicher Maßnahmen zur Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit (§ 17 Abs. 4 Satz 3 SG), zum Gehorsam (§ 11 Abs. 1 SG), zum treuen Dienen (§ 7 SG) sowie zur Wahrung der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit im Dienst (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SG) verletzt zu haben. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts I. dürfte davon auszugehen sein, dass der in Rede stehende, dem Soldaten insoweit wiederholt erteilte Befehl verbindlich war (vgl. zum Inhalt und zu den rechtlichen Grenzen der Gehorsamspflicht eines Soldaten u.a. Urteile vom 21. Juni 2005 - BVerwG 2 WD 12.04 - NJW 2006, 77 <80 ff.> = EuGRZ 2005, 636, vom 13. September 2005 - BVerwG 2 WD 31.04 - DÖV 2006, 913 und vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 -). Es ist nicht ersichtlich, dass dieser Befehl unverbindlich war, weil er entgegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 Alt. 2 SG nicht ausschließlich „nur zu dienstlichen Zwecken“ (vgl. dazu zuletzt Urteil vom 26. September 2006 - BVerwG 2 WD 2.06 -) erteilt wurde. Ebenso wenig ist erkennbar, dass seine Ausführung gegen die Menschenwürde verstieß (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 Alt. 1 SG), objektiv unmöglich oder durch eine grundlegende Veränderung der Sachlage sinnlos gewesen war (vgl. dazu Urteil vom 21. Juni 2005 a.a.O. S. 81). Schließlich fehlt es auch an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass dem Soldaten die Ausführung nach Abwägung aller maßgeblichen Umstände (etwa im Hinblick auf seine Gewissensfreiheit oder andere Grundrechte) nicht zugemutet werden konnte (vgl. dazu Urteil vom 21. Juni 2005 a.a.O. S. 82 f.; Scherer/Alff, SG, 7. Aufl. 2003, § 11 Rn. 17 m.w.N.). Die geforderte Duldung von Untersuchungshandlungen war erkennbar darauf gerichtet, Klarheit darüber zu gewinnen, ob der Soldat mit Rücksicht auf die Flugsicherheit weiterhin als Flugzeugführer verwendet werden konnte, was im Falle einer Verifizierung des Verdachts illegalen Drogenkonsums ausgeschlossen erscheinen musste. Die für die Untersuchung vorgesehenen Finger- oder Fußnagelspäne bzw. -teile waren - nach einer im vorliegenden Verfahren gebotenen und allein möglichen summarischen Betrachtung - für den vorgesehenen Zweck auch geeignet. Ausweislich des von dem Leiter des Instituts für Rechtsmedizin der ...-Universität M., Universitätsprofessor Dr. Dr. Reinhard U., im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Bad K. (Az.: 1022 Js 16427/05 Ds-Ns) unter dem 12. Oktober 2006 erstellten Sachverständigengutachtens, das auch die zuvor von der vom Amtsgericht I. vernommenen Sachverständigen vorgetragenen Erkenntnisse einbezog, ist „im allgemeinen ... die Untersuchung eines Teils des Fingernagels grundsätzlich geeignet, einen zurückliegenden Konsum von Drogen, allerdings nur dann, wenn es sich um einen chronischen oder zumindest in kurzen Zeitabständen regelmäßigen Konsum handelt, nachzuweisen“ (S. 6 des Gutachtens). Dieser Feststellung des in das vorliegende Verfahren eingeführten Sachverständigengutachtens ist der - anwaltlich vertretene - Soldat nicht substantiiert entgegengetreten. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2006 ausdrücklich vortragen lassen, aus diesem „Gutachten des Gerichtsmediziners“ gehe „deutlich“ hervor, „dass die erstinstanzliche Entscheidung korrekt war“; deshalb sei „dies bei (der) Entscheidung im Disziplinarverfahren zu berücksichtigen“. Soweit der Soldat - in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. Dr. U. - des Weiteren hat vortragen lassen, zum Zeitpunkt der Erteilung der Befehle am 24. August und 20. September 2005 hätten die für den Nachweis eines im Jahre 2004 und im Mai 2005 erfolgten Drogenkonsums relevanten Fingernagel- bzw. Fußnagelabschnitte nicht mehr zur Verfügung gestanden, kann die inhaltliche Richtigkeit dieser Behauptung im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies für die für das Strafverfahren relevanten Zeiträume 2004 und Mai 2005 zutreffen sollte, wäre die vom Soldaten am 24. August und 20. September 2005 geforderte und befohlene Untersuchung seiner Fingernagel- bzw. Fußnagelabschnitte ausweislich des Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. Dr. U. jedenfalls grundsätzlich geeignet gewesen, Erkenntnisse über einen aktuellen bzw. erst wenige Wochen zurückliegenden Drogenkonsum des Soldaten zu gewinnen. Für seine Wehrfliegerverwendungsfähigkeitsuntersuchung war dies von unmittelbarer Relevanz. Zudem war der Soldat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 3 SG ausdrücklich verpflichtet, ärztliche Eingriffe in seine körperliche Unversehrtheit gegen seinen Willen jedenfalls dann zu dulden, wenn es sich um Maßnahmen handelt, die der Feststellung seiner Dienst- oder Verwendungsfähigkeit dienen. Dementsprechend ist in Nr. 122 Abs. 2 Nr. 5 ZDv 46/6 eine flugpsychologische Untersuchung vorgesehen, wenn ein Verdacht auf Drogenmissbrauch besteht. Nach Nr. 334 Nr. 8 ZDv 46/6 schließt eine bestehende Abhängigkeit oder ein schädlicher Substanzgebrauch die Wehrfliegerverwendungsfähigkeit aus. Eine nähere Prüfung der Geeignet- und Erforderlichkeit der Untersuchung muss insoweit freilich dem gerichtlichen Disziplinarverfahren vorbehalten bleiben.

37 Auch hinsichtlich des weiteren in der Einleitungsverfügung bezeichneten Verdachts des Konsums von Betäubungsmitteln im Zeitraum von März 2003 bis Februar 2005 sowie des Erwerbs von Betäubungsmitteln im August/September, Oktober und am 31. Dezember 2004 ist auf die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft K. vom 24. April 2006 (Az.: 122 Js 677/05) vom Amtsgericht K. das Hauptverfahren eröffnet worden.

38 Selbst wenn danach hinsichtlich beider in der Einleitungsverfügung bezeichneten Vorwürfe ein hinreichender Verdacht eines schwerwiegenden disziplinaren Fehlverhaltens des Soldaten besteht, hat die Einleitungsbehörde bisher nicht durch Tatsachen nachvollziehbar konkret dargetan, dass bei einem vorläufigen Verbleiben des Soldaten im Dienst mit einer empfindlichen Störung oder in besonderem Maße mit einer Gefährdung des Dienstbetriebes sowohl in seiner gegenwärtigen Verwendung als auch in einer anderen Verwendung zu rechnen ist, dass durch das in Rede stehende Fehlverhalten das Ansehen der Bundeswehr so sehr beeinträchtigt worden ist oder wird, dass bei einem Verbleiben im Dienst ein schwerer, nicht wieder gutzumachender Schaden eintreten könnte, oder dass Sicherheitsinteressen der Bundeswehr zu schützen sind (vgl. dazu Beschluss vom 15. November 2006 - BVerwG 2 WDB 5.06 -).

39 Die Einleitungsbehörde hat in der Verfügung vom 29. September 2005 in diesem Zusammenhang auf jede nähere Begründung verzichtet. Hinsichtlich der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung und des Uniformtrageverbotes hat sie den Soldaten lediglich aufgefordert sicherzustellen, dass er jederzeit erreichbar sei; seine Anwesenheit am Standort Bi. sei „nicht erforderlich“; die Erteilung von Erholungsurlaub bedürfe der Genehmigung des nächsten Disziplinarvorgesetzten; seinen Truppenausweis habe er seinem nächsten Disziplinarvorgesetzten auszuhändigen; seine soldatischen Pflichten - mit Ausnahme der Pflicht zur Dienstleistung - bestünden während der vorläufigen Dienstenthebung weiter. Die Einleitungsbehörde trägt damit in ihrer Verfügung vom 29. September 2005 keine konkreten Tatsachen und Umstände vor, aus denen sich für den Fall eines vorläufigen Verbleibens des Soldaten in seiner bisherigen Einheit oder (nach einer Kommandierung oder Versetzung) auf einem anderen Dienstposten innerhalb der Streitkräfte die erhebliche Gefahr einer empfindlichen Störung oder im besonderen Maße die Gefährdung des Dienstbetriebes ergibt. Insbesondere unterlässt es die Einleitungsbehörde, im Einzelnen durch Vorbringen von Tatsachen zu begründen, weshalb sich - außerhalb des fliegerischen Bereichs - bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des eingeleiteten gerichtlichen Disziplinarverfahrens und damit bis zur Widerlegung der rechtsstaatlichen Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 EMRK und Urteil vom 12. Februar 2003 a.a.O. sowie Beschluss vom 15. November 2006 - BVerwG 2 WDB 5.06 -) jede andere als die bisherige Verwendung des Soldaten verbietet.

40 Auch auf den Antrag des Soldaten vom 18. Oktober 2005 hat die Einleitungsbehörde in ihrem Ablehnungsbescheid vom 3. November 2005 hinsichtlich der angeordneten vorläufigen Dienstenthebung lediglich näher begründet, aus welchen Gründen der Soldat zur Duldung der geforderten Entnahme von Hornmaterial seiner Finger- bzw. Fußnägel verpflichtet gewesen sei und welche Dienstpflichtverletzungen er mit seiner Weigerung begangen habe. Gleiches gilt hinsichtlich des angeordneten Uniformtrageverbotes. Im Bescheid vom 3. November 2005 werden keine den getroffenen Anordnungen zugrunde liegenden Tatsachen oder Umstände hinreichend substantiiert dargelegt, aus denen sich nachvollziehbar erschließen lässt, aus welchem Grund die Einleitungsbehörde bei einem einstweiligen Verbleiben des Soldaten im Dienst Folgen der angeführten Art befürchtet. Soweit darin angeführt wird, die Sicherheitsinteressen des Dienstherrn ließen es nicht mehr zu, den Soldaten „noch im sicherheitsempfindlichen Bereich einzusetzen“, ist jedenfalls nicht erkennbar, aus welchem Grunde eine Verwendung auch außerhalb des „sicherheitsempfindlichen Bereichs“ ausgeschlossen oder nicht vertretbar sein sollte. Soweit ferner darauf abgestellt wird, der Soldat habe „darüber hinaus nicht mehr die Gewähr dafür“ geboten, er käme „Anweisungen von Vorgesetzten nach“ reicht auch diese Erwägung nicht aus, um den dargelegten rechtsstaatlichen Anforderungen an eine solche Anordnung nach § 126 Abs. 1 WDO im Hinblick auf die Unschuldsvermutung zu genügen. Denn die insoweit in Bezug genommene Weigerung des Soldaten, die „Abnahme von Fingernagelmaterial“ (Nr. 1 der Einleitungsverfügung) zu dulden, war ersichtlich auf diesen Befehlsinhalt beschränkt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass sich der Soldat darüber hinaus auch sonst „verbindlichen Anweisungen von Vorgesetzten“ widersetzt hätte oder dass mit einem solchen Verhalten voraussichtlich zu rechnen ist, sind nicht dargetan worden.

41 Im Übrigen ist die Ermessensentscheidung der Einleitungsbehörde auch deshalb rechtsfehlerhaft, weil weder die Verfügung vom 29. September 2005 noch der Bescheid vom 3. November 2005 erkennen lassen, dass sie der Frage nachgegangen ist, ob mit einer den Soldaten weniger belastenden Maßnahme als der Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung (und des Uniformtrageverbotes) der Anordnungszweck dennoch in gleicher Weise erreicht werden könnte.

42 Ob das schriftsätzliche Vorbringen des Bundeswehrdisziplinaranwalts im vorliegenden Beschwerdeverfahren Gesichtspunkte enthält, die eine Anordnung nach § 126 Abs. 1 WDO rechtfertigen könnten, bedarf hier keiner näheren Prüfung. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass dieses schriftsätzliche Vorbringen des Bundeswehrdisziplinaranwalts der Verfügung der Einleitungsbehörde vom 29. September 2005 oder dem Bescheid vom 3. November 2003 zugrunde lag, oder dass sich die Einleitungsbehörde diese Erwägungen für die Aufrechterhaltung ihrer Ermessensentscheidung zwischenzeitlich zu Eigen gemacht hat. Es fehlt insoweit an jedem diesbezüglichen Vortrag. Da die nach § 126 Abs. 1 WDO getroffene und hier zu prüfende Entscheidung allein im Ermessen der Einleitungsbehörde steht, kann deren Ermessensbetätigung weder durch andere Stellen noch durch den beschließenden Senat ersetzt werden.

43 b) Da die Einleitungsbehörde somit im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung ihrer Darlegungspflicht bezüglich der nach § 126 Abs. 1 WDO erfolgten vorläufigen Dienstenthebung nicht nachgekommen ist, war damit nicht nur diese und das von den gleichen Voraussetzungen abhängige Uniformtrageverbot, sondern auch die nach § 126 Abs. 2 WDO getroffene Anordnung, die Hälfte der jeweiligen Dienstbezüge einzubehalten, aufzuheben. Denn diese setzt die wirksame Anordnung der vorläufigen Dienstenthebung voraus, so dass es auf die Richtigkeit einer positiven Prognose hinsichtlich der im gerichtlichen Disziplinarverfahren zu erwartenden Verhängung der Höchstmaßnahme nicht mehr ankommt.

44 3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten (§ 141 Abs. 1 und 2 WDO), weil das gerichtliche Beschwerdeverfahren nach § 114 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 126 Abs. 5 Satz 3 WDO ein Nebenbestandteil des gerichtlichen Disziplinarverfahrens ist.