Beschluss vom 07.06.2006 -
BVerwG 6 B 7.06ECLI:DE:BVerwG:2006:070606B6B7.06.0

Beschluss

BVerwG 6 B 7.06

  • Bayerischer VGH München - 14.07.2005 - AZ: VGH 7 B 04.1992

In der Verwaltungsstreitsache hat der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. Bardenhewer und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier
und Dr. Bier
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
  3. Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Gründe

1 Die Beschwerde, die sich in mehrfacher Hinsicht auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) stützt, ist unbegründet.

2 1. Ohne Erfolg bleibt zunächst die Rüge, dem Kläger sei im Zusammenhang mit seinem durch ein Sachverständigengutachten untermauerten Vorbringen, in Bayern würden vergleichbare juristische Prüfungsleistungen in statistisch relevanter Weise schlechter bewertet als in anderen Bundesländern, das rechtliche Gehör durch das Berufungsgericht (erneut) versagt geblieben. Wie der Senat in dem den Beteiligten bekannten Beschluss gleichen Rubrums vom 28. Juni 2004 - BVerwG 6 B 24.04 - näher ausgeführt hat, verpflichtet das Gebot des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) das Gericht nicht nur, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, sondern auch, sie in Erwägung zu ziehen. Es braucht sich zwar nicht mit jedem Gesichtspunkt in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, dass es das von ihm entgegengenommene Vorbringen auch in seine Erwägungen einbezogen hat. Das Gericht muss aber die für die Entscheidung wesentlichen Fragen in den Gründen behandeln oder jedenfalls in angemessener Weise zum Ausdruck bringen, weshalb es von einer Auseinandersetzung absieht. Geht es auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags eines Beteiligten zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so verletzt dies den Anspruch auf rechtliches Gehör, sofern nicht der Vortrag nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (näher: BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 1998 - BVerwG 8 B 132.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 162). Nur wenn sich aus derartigen Begründungsmängeln oder anderen besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass ein Gericht seine Pflicht zur Kenntnisnahme und Erwägung entscheidungserheblichen Tatsachenstoffs verletzt hat, kann ein Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs im Einzelfall festgestellt werden (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 5. Februar 1999 - BVerwG 9 B 797.98 - Buchholz 310 § 108 Abs. 2 VwGO Nr. 4 S. 3 m.w.N.). Wird eine Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützt, muss sie gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Einzelnen darlegen, welches Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen hat und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (Beschluss vom 16. August 1979 - BVerwG 7 B 174.78 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 58; s.a. BFH, Beschluss vom 30. September 2004 - IV F 9/03 - BFHE 207, 501). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.

3 Sie beanstandet, der Verwaltungsgerichtshof habe, nachdem das Vorbringen des Klägers zur Prüfungsstatistik in dem vom Senat aufgehobenen Urteil vom 17. Oktober 2003 überhaupt nicht berücksichtigt worden sei, dieses in der nunmehr angegriffenen neuen Entscheidung nur unvollkommen gewürdigt.
So habe er zwar das Ergebnis der vom Kläger vorgelegten Untersuchung über erhebliche Abweichungen zwischen den „Durchfallquoten“ von Prüfungsteilnehmern aus Bayern und aus anderen Bundesländern seinen Erwägungen zugrunde gelegt; den Gründen für die geltend gemachten Abweichungen sei er aber nicht nachgegangen. Mit dieser Rüge kann die Beschwerde schon deshalb nicht durchdringen, weil sie nicht darlegt, inwieweit ihr - angeblich - nicht erwogenes Vorbringen für die angefochtene Entscheidung hätte von Bedeutung sein können. Das neuerliche Berufungsurteil ist nämlich selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass die Klage selbst bei einem unterstellten Verstoß des umstrittenen Prüfungsgeschehens gegen das Gebot einheitlicher Prüfungsanforderungen und Leistungsbewertungen (§ 5d Abs. 1 Satz 2 DRiG) deshalb keinen Erfolg habe, weil dieser Verstoß allenfalls zu einem Anspruch auf Ablegung einer neuen Prüfung führen könne, der aber nicht Gegenstand der Klageanträge sei. Auf diesen Gesichtspunkt, der ausweislich der Sitzungsniederschrift auch bereits in der mündlichen Verhandlung vom 13. Juli 2005 erörtert worden ist, geht die Beschwerde nicht ein.

4 2. Aus demselben Grund erfolglos bleibt die Rüge, das Berufungsgericht habe mit seiner nicht weiter abgesicherten Mutmaßung, andere Bundesländer würden „möglicherweise eher zu geringe Anforderungen an die juristische Staatsprüfung stellen“, gegen die Pflicht zur Amtsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) verstoßen. Denn auch dieser Gesichtspunkt war von dem rechtlichen Ansatz des Berufungsurteils aus nicht entscheidungserheblich.

5 3. Die Beschwerde rügt ferner, der Verwaltungsgerichtshof habe das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass er neuen Sachvortrag zu Bewertungsmängeln bei den vom Kläger gefertigten Klausurarbeiten in dem angefochtenen Berufungsurteil nicht berücksichtigt, sondern stattdessen gemäß § 130b Satz 2 VwGO pauschal auf die Gründe des Urteils erster Instanz Bezug genommen habe; auch damit dringt sie nicht durch. Im Anschluss an die im Prüfungsverfahren erhobenen Einwendungen und an das bisherige schriftsätzliche Vorbringen hatte der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Juni 2005 sich zu der Bewertung der Aufsichtsarbeiten Nr. 1, 2, 4, 6, 8 und 10 ergänzend geäußert; der Beklagte war diesem Vorbringen mit Schriftsatz vom 7. Juli 2005 unter weitgehender Bezugnahme auf die erstinstanzliche Entscheidung entgegengetreten. Die Sitzungsniederschrift des Berufungsgerichts vom 13. Juli 2005 hält dazu fest, dass in rund zweieinhalbstündiger mündlicher Verhandlung die Einwendungen des Klägers aus dem Schriftsatz vom 20. Juni 2005 mit beiden Prozessbeteiligten im Einzelnen erörtert worden sind. Indem der Verwaltungsgerichtshof sodann in dem angefochtenen Urteil unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rügen des Klägers und Erwähnung des in der mündlichen Verhandlung erörterten Sachvortrages die Berufung aus den Gründen des verwaltungsgerichtlichen Urteils zurückwies, hat er zum Ausdruck gebracht, dass nach seiner Erkenntnis in Anbetracht aller Argumente und Gegenargumente der wesentliche Kern des klägerischen Vorbringens bereits vom Verwaltungsgericht zutreffend erfasst worden war und die zur Kenntnis genommenen und erwogenen Rügen des Klägers keine andere Entscheidung rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund durfte es die Beschwerde nicht dabei bewenden lassen, das schriftsätzliche Vorbringen vom 20. Juni 2005 noch einmal wörtlich zu wiederholen. Sie hätte vielmehr deutlich herausarbeiten müssen, in welchen Punkten dieser Schriftsatz neues, vom Verwaltungsgericht noch nicht behandeltes und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht kontrovers gebliebenes Vorbringen enthielt und welche Umstände darauf schließen lassen, dass das Berufungsgericht diese Teile des von ihm entgegengenommenen Vorbringens trotz ausgiebiger Erörterung nicht in seine Erwägungen einbezogen hat. An einer solchen Substantiierung hat es die Beschwerde innerhalb der in § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO bezeichneten Frist fehlen lassen.

6 4. Die Beschwerde sieht das rechtliche Gehör schließlich dadurch verletzt, dass das Berufungsurteil den Vortrag des Klägers im Zusammenhang mit der Bewertung der Klausurarbeit Nr. 9 unberücksichtigt gelassen habe, wonach insoweit einerseits schon das Verwaltungsgericht eine sachfremde Erwägung erkannt, daraus aber nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen habe und andererseits ein bestimmter Korrektureinwand von den Prüfern unbeachtet geblieben sei. Auch diese Gehörsrüge bleibt ohne Erfolg, wobei die soeben angestellten Erwägungen sinngemäß gelten.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich bereits in seinem - vom beschließenden Senat später aus anderen Gründen aufgehobenen - Urteil vom 17. Oktober 2003 mit den die Klausuraufgabe 9 betreffenden Einwänden des Klägers in Ergänzung zu den diesbezüglichen Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils ausführlich befasst. Das den bisherigen Vortrag zusammenfassende und vertiefende Vorbringen des Klägers in dem bereits erwähnten Schriftsatz vom 20. Juni 2005, dem der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 7. Juli 2005 im Einzelnen widersprochen hat, war ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 13. Juli 2005 ebenfalls Gegenstand ausgiebiger mündlicher Erörterung. Deshalb hätte die Beschwerde auch insoweit substantiiert darlegen müssen, hinsichtlich welcher Einzelheiten die Wahrung des rechtlichen Gehörs eine zusätzliche, vertiefte Auseinandersetzung im Berufungsurteil erfordert hätte. Ohne eine solche Darlegung ist nicht erkennbar, dass besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise die Annahme rechtfertigen, dass der Verwaltungsgerichtshof das hier in Rede stehende Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen und/oder in Erwägung gezogen hat.

8 5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes aus § 47 Abs. 1, 3, § 52 Abs. 1 GKG.